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Full text of "Rauber's Lehrbuch der Anatomie des Menschen"

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Verlag  von  Georg  Thieme  in  Leipzig. 


Deutsche  Medizinische 
Begründet  von  Dr.  Paul  Börner.  . 

Herausgeber  \VOf  h  Ptl  SC  11  fif  t 

Prof.  Dr.  Julius  Schwalbe,   Geh.  San.- Rat  in  Berlin.      *  V    WVl  1V/11ÜV/1  11   11t. 

Oberstabsarzt  Prof.  Dr.  Schwiening.   —  Dr.  Mamlock.  1914    (XL     Jahrgang) 

Wöchentlich  eine  Nummer  von  6—7  Bogen  (48—56  Seiten  Text). 

Vierteljährlich  6  Mark. 

Studenten- Abonnement  inkl.  praktisches  Jahr  und  erstes  Halbjahr  nach  der  Approbation:  3  Mark. 


Die  Deutsche  Medizinische  Wochenschrift  hat  sich  während  ihres  40jährigen  Bestehens 
zu  einem  der  angesehensten  und  verbreitetsten  Fachblätter  des  In- und  Auslandes 
entwickelt.  Ihren  Ruf  verdankt  sie  in  erster  Linie  ihren  gediegenen  Originalaufsätzen.  In  be- 
deutungsvollen Fragen  hat  sie  durch  ihre  bahnbrechenden  Arbeiten  die  Führung 
innegehabt.  Zu  ihren  Mitarbeitern  zählt  die  Deutsche  Medizinische  Wochenschrift  die  her- 
vorragendsten Ärzte  des  In-  und  Auslandes. 

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fördern,  betrachtet  die  Deutsche  Medizinische  Wochenschrift  als  eine  ihrer  Hauptaufgaben;  ihr 
dienen  u.  a.  auch  die  von  Autoritäten  verfaßten 

Vorträge  über  praktische  Therapie,  jyyflKSBÜE 

Themata    aus   dem  Arbeitsgebiet        verkleinerte  Kunstbeilage         Sammelreferate  die  Literatur  über 

des  praktischen  Arztes  kurz  und    . _ , -' -■-,    aktuelle    Themata,    insbesondere 

präzis    abhandeln    und    sich  des   I  aus  dem  Gebiete  der  Therapie, 

größten     Beifalls     in     den    Bj"*'':^'':*«J~  I    zusammengefaßt  und  so  dem  Leser 

Kreisen    der   Ärzte    erfreuen.    I  i    ein  vollständiges   Bild  von  dem 

Die  Deutsche  Medizinischel  |    derzeitigen  Stand  der  Forschung 

Wochenschrift     beschränkt   [       ß^L  I  '■    dargeboten.  Die  Deutsche  Medi- 

ihre   Mitarbeiter   nicht    auf   I.       0^E«X  zinische  Wochenschrift  hat  unter 

die  Kreise  der  Akademiker  .'(^rrti  '     m?  Jjffci.  allen  Wochenschriften  die  um- 

und  Krankenhausleiter;  sie  1  4hM\  %  jM3  ^^  fangreichste  Literaturübersicht. 
öffnet     auch    den     Mitteilungen     I  —ZU    I  r^'IB-^i  Bv  'n    den    Vereinsberichten 

der    Praktiker   aus    der    Praxis  ^^^Mj7   MM.  W  Hr       gelangen   die   offiziellen  Berichte 

bereitwillig  ihre  Spalten.  L"^^r^^V     ^i^lMIlP        sowie  Originalberichte  zahlreicher 

DieOriglnalarbeitenwer-   r  rp  _  fc    JH   ÄUa  Vereine    des    In-    und  Auslandes 

den  ergänzt  durch  reichhaltige    I  jg*^PBP     B        zum  Abdruck, 

und     zweckmäßigst      ange-   I   Bl-A_J^^    k    ■    LJt  ^on  e'Senen  Berichterstat- 

ordnete  Literaturauszüge.  So-  ^"^BFtSf5s»-ÄuJ  jÄ  'ern  wer(^en  die  Verhandlungen 
fort  nach  Erscheinen  werden  etwa  w  0m*iJj3p- - 1        ]    der   in-   und    ausländischen  Kon- 

80    Zeitschriften,     Archive     etc.    ■ ^^  -'    gresse   mit   größter  Schnelligkeit 

referiert.    Außerdem   wird   durch  Der  Arzt!  und  Vollständigkeit  veröffentlicht. 

Eine  sorgfältige  Pflege  wird  den  Standesangelegenheiten,  der  Hygiene,  den  Tropen- 
krankheiten, dem  Militärsanitätswesen,  den  Fortschritten  auf  dem  Gebiete  des  deutschen 
Medizinalwesens,  sowie  der  sozialen  Medizin  zuteil.  Wichtige  Urteile  aus  dem  Gebiete  der 
ärztlichen  Rechtspraxis,  die  neuesten  technischen  Erfindungen,  Neuerungen  auf  dem  Gebiete 
der  Krankenpflege,  Prüfungsresultate  der  neuesten  Arzneimittel  werden  von  hervorragenden 
Fachmännern  in  zusammenfassenden  Übersichtsartikeln  berichtet. 

Neue  Gesetze,  behördliche  Erlasse,  ärztliche  Personalnotizen  aus  den 
deutschen  Staaten  werden  nach  amtlichen  Mitteilungen  veröffentlicht. 

Die  Kleinen  Mitteilungen  geben  Kenntnis  von  den  wichtigsten  ärztlichen  Tagesereignissen; 
sie  enthalten  ferner  Notizen  über  Kongresse,  Hochschulnachrichten  u.  dergl. 

Zur  Unterhaltung  des  Lesers  dienen  die  fast  in  jeder  Nummer  erscheinenden  Feuilleton- 
artikel sowie  ständige  auswärtige  Korrespondenzen  über  das  internationale  Leben  sowie 
Aufsätze  aus  der  Geschichte  der  Medizin  etc. 

Eine  reiche  illustrative  Ausschmückung  stellen  —  abgesehen  von  den  wissenschaft- 
lichen Abbildungen  —  die  im  Text  reproduzierten  Porträts  hervorragender  Ärzte  der  Neuzeit 
und  namentlich  die 

wertvollen  Bilder  aus  der  Geschichte  der  Medizin 

zum  Teil  farbig,  in  Form  von  Kunstbeilagen  dar.  Die  Abonnenten  gelangen  so  allmählich  in  den 
Besitz  einer  Sammlung  von  medizinisch-historischen  Bildern.  Bisher  sind  80  Blätter  erschienen, 
die  neu  hinzutretenden  Abonnenten  auf  Wunsch,  soweit  noch  vorhanden,  zu  ermäßigten  Preisen 
nachgeliefert  werden.    Geschmackvolle  Sammelmappe  für  100  Beilagen  kostet  M.  1.50. 


Probenummern  stehen  unentgeltlich  zur  Verfügung. 


HEALTH 
SCIENCES 
Loci 

Rauber's  Lehrbuch 

der 


Anatomie  des  Menschen. 


Neu  bearbeitet  und  herausgegeben 


Prof.  Dr.  Fr.  Kopsch 

Privatdozent  und  Oberassistent  am  Anatom.  Institut  der  Universität  Berlin. 


In  6  Abteilungen. 


Abteilung  5:   Nervensystem. 


Mit  420,  zum  Teil  farbigen  Abbildungen. 


Zehnte  vermehrte  und  verbesserte  Auflage. 


LEIPZIG  1914. 

Verlag  von  Georg  Thieme. 


h 


Copyright  1914  by  Georg  Thieme,  Leipzig,  Germany, 


Inhalt  von  Abteilung  V. 


Besonderer    Teil. 
Die  Lehre  von  den  Nerven.    Neurologia. 

A.  Allgemeine  Neurologie.  Seite 

1.  Vorbemerkungen 1 

Geschichtliches 2 

2.  Das  neurale  Segment 3 

3.  Die  Formelemente  des  Nervensystems  und  ihr  Zusammenhang 4 

4.  Neuronen  I.,  II.  usw.  Ordnung 9 

5.  Kerne  und  Zentren,  Bahnen  und  Bündel,  Wurzeln  und  Wurzelfasern '9 

6.  Physiologische  Einteilung  der  Neuronen 11 

7.  Weiße,  graue,  gelatinöse  Substanz 12 

8.  Organstruktur  der  peripherischen  Nerven 12 

9.  Organstruktur  der  peripherischen  Ganglien 13 

10.  Verbindung  der  Nervenfasern  und  Nerven:   Plexusbildungen,  Anastomosen 14 

11.  Die  Methoden  der  Untersuchung  des  Nervensystems 17 

B.  Spezielle  Neurologie. 

I.  Das  Rückenmark,  Medulla  spinalis 19 

1.  Form  und  Lage  des  Rückenmarkes 19 

2.  Furchen  und  Stränge  des  Rückenmarkes 22 

3.  Hüllen  des  Rückenmarkes 24 

4.  Gefäße  des  Rückenmarkes 32 

5.  Querschnittsbilder  des  Rückenmarkes 33 

6.  Der  Zentralkanal,  Canalis  centralis 37 

7.  Massenverhältnis  der  grauen  und  der  weißen  Substanz 37 

8.  Feinerer  Bau  des  Rückenmarkes 38 

II.  Das  Gehirn,  Encephalon 64 

1.  Form  und  Lage 64 

2.  Allgemeine  Übersicht  des  Gehirns 65 

3.  Einteilung  des  Gehirns 66 

4.  Gewicht,  Volum,  Oberfläche 67 

5.  Die  einzelnen  Gehirnabteilungen 71 

A.  Das  verlängerte  Mark,  Medulla  oblongata 71 

B.  Das  Hinterhirn,  Metencephalon 80 

C.  Isthmus  rhombencephali 92 

D.  Das  Mittelhirn,  Mesencephalon 93 

E.  Das  Zwischenhirn,  Diencephalon 97 

F.  Das  Endhirn,  Telencephalon 114 

I.  Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären 117 

II.  Ventrikuläre  Oberfläche  der  Hemisphären 134 

III.  Die  grauen  Kerne  des  Endhirns 137 

IV.  Die  weiße  Substanz  des  Endhirns 139 

6.  Die  Wurzeln  der  Hirnnerven 148 

7.  Die  Hüllen  des  Gehirns,  Meninges 150 


IV  Inhalt. 

Seile 

8.  Gefäße  des  Gehirns 163 

9.  Blick  auf  die  Entwicklung  des  Gehirns 165 

10.  Feinerer  Bau  des  Gehirns 174 

11.  Ursprung  der  Hirnnerven 223 

12.  Morphologische  Stellung  der  Hirnnervenkerne 234 

13.  Skeletotopie  des  Gehirns 234 

Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems 235 

III.  Die  Hirnnerven,  Nervi  cerebrales 293 

I.  Nervi  olfactorii 294 

II.  N.  opticus 294 

III.  N.  oculomotorius 297 

IV.  N.  trochlearis 299 

V.  N.  trigeminus 300 

VI.  N.  abducens 316 

VII.  N.  facialis 316 

VIII.  N.  acusticus 322 

IX.   N.  glossopharyngeus 323 

X.  N.  vagus  (pneumo-gastricus) 325 

XI.  N.  accessorius 332 

XII.  N.  hypoglossus 334 

IV.  Die  Rückenmarksnerven,  Nervi  spinales 336 

A.  Rami  posteriores  der  Spinalnerven 342 

B.  Rami  meningei  der  Spinalnerven 348 

C.  Rami  anteriores  der  Spinalnerven ■ 349 

1.  Das  Halsgeflecht,  Plexus  cervicalis 350 

2.  Das  Armgeflecht,  Plexus  brachialis 354 

3.  Das  Lendengeflecht,  Plexus  lumbalis 383 

4.  Das  Kreuzbeingeflecht,  Plexus  sacralis 393 

5.  Das  Schamgeflecht,  Plexus  pudendus 409 

6.  Das  Steißbeingeflecht,  Plexus  coecygeus 413 

D.  Rami  communicantes 413 

Bau  der  cerebrospinalen  Nerven  und  Ganglien 415 

Die  Beziehungen  der  Neuromeren,  Myomeren  und  Dermatomeren  zueinander  .  419 

Skierozonen  und  Dermatomeren 422 

Eintritt  der  Nerven  in  die  Muskeln  und  Verästelung  in  ihnen 423 

Vergleichung  der  Hirn-  und  Rückenmarksnerven 425 

V.  Das    vegetative,    sympathische     oder    Gangli  en  nervensy  stem,     Systema 

nervorumsympathicum 427 

1.  Der  Grenzstrang  und  seine  Ganglien 428 

2.  Rami  communicantes 430 

3.  Die  peripheren  Verzweigungen  des  Sympathicus 431 

4.  Von  dem  Sympathicus  der  Tiere 451 

5.  Entwicklung  des  Sympathicus 452 

6.  Elementarer  Bau  des  Sympathicus 453 

7.  Verbreitungsgebiet  und  physiologische  Faserarten  des  Sympathicus 456 

8.  Nervenendigungen  im  Verbreitungsgebiet  des  Sympathicus 458 

9.  Faserverlauf  im  Sympathicus 463 

Register 465 


V.  Die  Lehre  von  den  Nerven.     Neurologia. 


A.  Allgemeine  Neurologie. 

1.  Vorbemerkungen. 

Die  bisher  betrachteten  Organe  dienen  der  Bewegung,  Ernährung  und  Fort- 
pflanzung. Sie  nehmen  .zusammen  den  überwiegenden  Teil  der  Körpermasse  in 
Anspruch.  Aber  es  fehlen  noch  die  Systeme  der  Nerven  und  der  Sinnesorgane 
und  mit  ihnen  viele  der  wichtigen  somatischen  und  alle  psychischen  Leistungen. 
So  ist  also  nunmehr  das  Nervensystem  und  darauf  die  Gruppe  der  Sinnesorgane 
in  Betracht  zu  ziehen. 

Blicken  wir  zur  Orientierung  auf  das  aus  dem  Früheren  bereits  bekannte 
Querschnittschema  des  Körpers,  so  sind  die  noch  ausstehenden  Systeme 
einfach  durch  zwei  Ringe  vertreten,  den  neu- 
ralen (Fig.  1 , 2)  und  den  epidermalen  ( 1 ).  Beide 
Ringe,  welche  mit  Bezug  auf  den  ganzen 
Körper  Röhren  darstellen,  waren  ursprüng- 
lich miteinander  verbunden;  ihre  Trennung 
ist  eine  nachträgliche  Erscheinung  (Allgem. 
Teil,  S.  154);  der  epidermale  Ring  war  ur- 
sprünglich nichts  anderes,  als  die  periphere 
Fortsetzung  des  neuralen.  Dem  Wesen  nach 
bildet  folglich  ein  einheitliches  Doppelrohr 
die  Grundlage  alles  Folgenden. 

Damit  das  Nervensystem  seine  den 
übrigen  Körper  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
beherrschenden,  teilweise  somatischen,  teil- 
weise psychischen  Funktionen  ausüben  könne, 
ist  es  zu  demselben  in  innige  Beziehungen 
gesetzt  und  durchdringt  ihn  in  ausgedehn- 
tester Weise.  Es  ähnelt  hierin  dem  Gefäß- 
system; an  vielen  Orten  sind  die  Bahnen  sogar  gemeinsam.  Und  wie  das  Gefäß- 
system einen  zentralen  und  einen  peripherischen  Teil  erkennen  läßt,  so  ist  es  auch 
mit  dem  Nervensystem  der  Fall.  Das  Gefäßsystem  ist  seinerseits  reichlich  mit  Nerven 
versorgt.  So  läßt  sich  schon  jetzt  vermuten,  dem  Nervensysteme  falle  unter  anderem 
die  hohe  Aufgabe  zu,  den  Körper  mit  seinen  verschiedenartigen  Organen  und 
Funktionen  zu  einem  einheitlich  wirkenden,  harmonisch  tätigen  Ganzen  zu  gestalten. 

Der  zentrale  Teil,  das  Zentralnervensystem,  Systema  nervorum 
centrale,  besteht  aus  dem  Gehirn  und  dem  Rückenmark.  Der  peripherische 
Teil,  das  peripherische  Nervensystem,  Systema  nervorum  periphericum, 

Rauber-Kopsch,  Anatomie.    10.  Aufl.    V.  Abt.  ] 


Fig.  1. 
Lage  des  zentralen  Nervensystems  (2). 


2  Besonderer  Teil.    Allgemeine  Neurologie. 

enthält  die  peripherischen  Nerven  und  die  mit  ihnen  in  Verbindung  stehenden 
peripherischen  Nervenknoten,  Ganglien.  Letztere  sind  wieder  von  zweierlei 
Art,  und  zwar  cerebrospinale  und  sympathische  Ganglien.  Die  sympathischen 
Ganglien  bilden  mit  zahlreichen,  sie  unter  sich  selbst  und  mit  dem  cerebrospinalen 
Systeme  verbindenden  und  von  ihnen  ausgehenden  Nervenfäden  ein  teilweise 
selbständiges  System,  das  sympathische  oder  vegetative,  splanchnische 
Nervensystem,  den  Sympathicus. 

Geschichtliches. 

Während  Diogenes  von  Apollonia,  450  v.  Chr.,  den  Ruhm  bewahrt,  im  Altertum  der 
erste  genaue  Kenner  der  Blutgefäße  gewesen  zu  sein,  führen  die  ältesten  Nachrichten  über 
wichtige  Funde  am  Nervensystem  auf  Aristoteles  (384 — 322)  zurück.  Er  lehrte  die  Nerven 
von  den  Sehnen  unterscheiden.  Der  Name  vevqov,  Sehne,  Flechse,  Nerv,  weist  noch  auf  die  ur- 
sprüngliche Bedeutung  hin.  Vom  Gehirn  und  seinen  Funktionen  hatte  Aristoteles  dagegen  höchst 
unzureichende  Vorstellungen.  Galen  (131  —  201)  stellte  die  Lehre  des  Erasistratus,  daß  Bewegungs- 
und Empfindungsnerven  unterschieden  werden  müßten,  experimentell  fest,  indem  er  die  Folgen 
von  Nervendurchschneidungen  studierte.  Er  zeigte  ferner,  daß  die  Nerven  teils  vom  Gehirn,  teils 
vom  Rückenmark  entspringen.  Letztere  werden  von  ihm  nach  den  Regionen  unterschieden  und 
die  Hirnnerven  in  7  Paare  getrennt;  es  sind  folgende:  Opticus,  Oculomotorius  und  Trochlearis, 
Trigeminus,  Palatinus,  Acusticus  und  Facialis,  Vagusgruppe,  Hypoglossus.  Den  Olfactorius  der 
Späteren  beurteilt  er  richtig  als  Hirnteil.  Vom  Gehirn  sind  eine  Anzahl  von  Tatsachen  gut  dargestellt: 
an  dem  ihm  bekannten  Infundibulum  cerebri  wird  eine  Verbindung  mit  der  Nasenhöhle  angenommen. 

Wenn  hiernach  auch  die  Kenntnis  von  Empfindungs-  und  Bewegungsnerven  bis  in 
das  griechische  Altertum  hinaufreicht,  so  dauerte  es  doch  noch  viele  Jahrhunderte,  bis  durch 
Charles  Bell  (1811)  der  weitere  Fortschritt  gemacht  wurde  durch  den  Nachweis,  daß  jeder  Nerv 
typisch  mit  zwei  physiologisch  verschiedenen  Wurzeln  aus  dem  Zentralorgan  hervorgeht,  einer 
ventralen,  zentrifugalen,  motorischen,  und  einer  dorsalen,  zentripetalen,  sensiblen. 

Die  Bedeutung  des  Gehirnes  als  nervöses  Zentralorgan  und  Sitz  der  seelischen  Funktion 
war  im  Altertum  keineswegs  allgemeine  Annahme,  obwohl  einzelne,  wieAlkmaeon,  im  6.  Jahrh. 
v.  Chr.,  und  Piaton  sich  für  diese  Lehre  ausgesprochen  hatten.  Aristoteles  glaubte,  das  Herz 
sei  der  Sitz  des  Bewußtseins;  Galen  dagegen  lehrte,  der  Ursprung  der  Nerven  sei  im  Gehirn 
und  im  Herzen.  Soemmerring  hielt  die  Ventrikelflüssigkeit  des  Gehirnes  für  den  Sitz  des  Be- 
wußtseins. Versuche  mit  Entfernung  des  Großhirnes  und  die  Beweisführung  für  seine  psychische 
Bedeutung  wurden  erst  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  achtzehnten  Jahrhunderts  unternommen 
(Desmoulins,  Flourens  u.  a.).  Der  Nasenschleim  galt  sehr  lange  als  ein  Abfluß  und  eine 
Funktion  des  Gehirnes  durch  das  Siebbein. 

Das  Rückenmark  wurde  sehr  lange  Zeit  nur  als  Nervenstamm  für  den  Rumpf  und  für  die  Extremi- 
täten betrachtet;  erst  das  Studium  der  Reflexbewegungen  bahnte  einer  richtigen  Anschauung  den  Weg. 

Von  der  neueren  verwickelten  Geschichte  des  Gegenstandes  wird  an  späteren  Stellen 
die  Rede  sein.  Hervorzuheben  ist  hier  nur  der  Umstand,  daß  durch  die  neueren  mikroskopischen, 
entwicklungsgeschichtlichen,  vergleichenden  und  physiologischen  Untersuchungen  ein  außerordent- 
lich umfangreiches  und  großartiges  Material  an  Tatsachen  bereits  gewonnen  worden  ist  und  in 
rascher  Folge  ferner  gewonnen  werden  wird.  Die  neueren  Methoden  gestatten  es,  keine  primitive 
Nervenfibrille  im  Zentrum  und  in  der  Peripherie  mehr  zu  übersehen,  sondern  die  Bahn  einer  jeden 
sicher  zu  verfolgen.  Es  läßt  sich  sogar  behaupten,  daß  der  Bauplan  des  Nervensystemes  durch 
die  neueren  Methoden  im  wesentlichen  bereits  aufgeklärt  worden  ist.  So  haben  denn  die  seiner- 
zeit berühmten,  von  Fantoni  vor  zwei  Jahrhunderten  gesprochenen  Worte  ihre  Berechtigung  mehr 
und   mehr  verloren:   Obscur.a  textura,   obscuriores  morbi,  functiones  obscurissimae. 

Was  letztere  betrifft,  so  hatte  man  sich  das  Wesen  der  peripheren  Nervenwirkung  ver- 
schieden vorgestellt.  Die  einen  nahmen  an,  die  Vorgänge  an  den  peripheren  Nerven  fänden  nach 
Art  von  Klingelzügen  statt;  andere  glaubten,  die  Nerven  seien  eine  Art  Saiten,  welche  Schwingungen 
fortpflanzen.  Die  erste  Molekulartheorie  stammt  von  N.  Robinson  (1630);  er  nahm  in  den 
Nerven  eine  große  Anzahl  kleinster  Teilchen  an,  die  ihre  Schwingungen  einander  mitteilen.  Die 
meisten  indessen  glaubten,  in  den  Nerven  zirkuliere  eine  Flüssigkeit  oder  ein  Gas,  welche  durch 
Unterbindung  zurückgehalten  werden  könnten.    Newton  hielt  den  Äther  für  das  mögliche  Nerven- 


Vorbemerkungen.  —  Das  neurale  Segment.  3 

prinzip.  Die  ersten  Angaben  über  die  elektrische  Natur  des  letzteren  stammen  von  Hausen  (1743) 
und  de  Sauvages  (174-1).  Die  Erkennung  der  elektrischen  Beschaffenheit  des  Schlages  der  Zitter- 
fische (1773),  die  Entdeckung  der  tierischen  Elektrizität  durch  Galvani  und  seine  Nachfolger,  die 
Wahrnehmung  der  gesetzlichen  Erscheinungen  der  elektrischen  Nervenreizung  bahnten  in  der  Folge 
der  elektrischen  Theorie  der  Nervenleitung  den  Weg.  Doch  gelang  es  erst  1843  du  Bois-Reymond 
durch  die  Entdeckung  der  negativen  Schwankung  des  Nervenstromes  und  des  Elektrotonus,  eine 
elektrische  Theorie  der  Nervenleitung  aufzustellen.  1850  führte  Helmholtz  die  erste  Messung 
der  Leitungsgeschwindigkeit  im  lebenden  Nerven  aus,  welche  sich  als  auffallend  klein  heraus- 
stellte, während  J.  Müller  noch  1844  sie  für  unmeßbar  groß  erklärt  hatte  (siehe  S.  12). 

L.  Stieda,  Geschichte  der  Entwicklung  d.  Lehre  von  den  Nervenzellen,  Festschrift  für 
Kupffer,  Jena  1899. 

2.  Das  neurale  Segment. 

Das  zentrale  Nervensystem  weist  nur  noch  Andeutungen  metamerer  Gliederung 
auf;  ihre  Spuren  müssen  durch  mühsame,  vergleichend  anatomische  und  entwick- 
lungsgeschichtliche Untersuchungen  verfolgt  werden.    Am  peripherischen  Nerven- 


Fig.  2. 

Querschnitt  des  zentralen  und  des  peripherischen  Nervensystems  des  Menschen. 
1  Fissura  mediana  anterior  des  Rückenmarkes;  1'  Sulcus  medianus  posterior;  2  motorische  Wurzel;  3  sensible  Wurzel; 
4  Ganglion  spinale;  5  Nervus  spinalis;  6  Ramus  posterior;  7  Ramus  anterior.;  8~Kamus  communicans;  9  Ramus  menin- 
geus;  10  Ganglion  sympathicum;  11  Ramus  cutaneus  lateralis;  12  hinterer,  13  vorderer  Endast  von  11;  14  Ramus  cutaneus 
anterior;  15  und  16  medialer  und  lateraler  Endast  desselben.  Der  Rückenmarksquerschnitt  zeigt  das  X  oder  H  der  grauen 
Substanz  mit  dem  Zentralkanal  in  der  grauen  Commissur;    um  die  graue  Substanz  liegt  der  weiße  Markmantel. 


System  dagegen  ist  die  segmentale  Anordnung  in  höherem  Maße  erhalten,  viel 
deutlicher  als  bei  allen  anderen  Körpersystemen. 

Das  Nervensegment  zeigt  folgenden  Typus: 

Aus  dem  Zentralorgan  (Fig.  2,  1 — 1)  geht  jederseits  eine  ventrale  oder  vordere 
motorische  Nervenwurzel,   Radix  anterior  (2)  hervor,  welche  sich  lateral- 

l* 


4  Besonderer  Teil.    Allgemeine  Neurologie. 

wärts  wendet;  ihr  kommt  eine  dorsale  oder  hintere,  wesentlich  sensible  Nerven- 
wurzel (3)  entgegen,  Radix  posterior,  welche  zu  einem  Ganglion  (4)  anschwillt, 
dem  Ganglion  spinale.  Mit  diesem  Ganglion  geht  die  vordere  Wurzel  keine 
Verbindung  ein,  sondern  legt  sich  ihm  nur  an,  oder  wird  in  einer  Furche  des 
Ganglion  aufgenommen.  Jenseits  des  Ganglion  spinale  verbindet  sich  die  vordere 
mit  der  hinteren  Nervenwurzel  zum  kurzen  gemeinsamen  Stamm  des  Spinalnerven, 
Nervus  spinalis  (5).  Der  letztere  teilt  sich  alsbald  typisch  in  eine  Gruppe  von 
vier  verschiedenen,  gemischten  Zweigen,  welche  verschiedene  Teile  der  Körper- 
peripherie aufsuchen : 

1.  Ramus  posterior  (6);  er  wendet  sich  nach  hinten  zur  Versorgung  der  Musku- 
latur und  Haut  des  eigentlichen  Rückens,  indem  er  mediale  und  lateraleZweige  entsendet. 

2.  Ramus  anterior  (7);  er  wendet  sich  in  der  Leibeswand  nach  vorn  und 
sendet  auf  seinem  Wege  zwei  typische  Zweige  ab,  a)  einen  seitlichen,  Ramus 
cutaneus  lateralis  (11),  der  sich  wieder  in  einen  hinteren  und  vorderen  Zweig 
teilt  und  einen  großen  seitlichen  Hautstreifen  versorgt;  b)  einen  vorderen,  Ramus 
cutaneus  anterior  (14),  welcher  das  vordere  an  die  Medianlinie  grenzende  Haut- 
gebiet zu  innervieren  hat.  Mit  seinen  übrigen  Bestandteilen  versorgt  der  Ramus 
anterior  vor  allem  die  gesamte  ventrale  Muskulatur,  welcher  auch  die  Muskulatur 
der  Extremitäten  angehört. 

3.  Ramus  meningeus  (9).  Dieser  feine,  aber  systematisch  wichtige  Zweig 
wendet  sich,  nachdem  er  ein  Fädchen  vom  folgenden  Aste,  dem  Ramus  com- 
municans,  aufgenommen  hat,  rückläufig  durch  das  Foramen  intervertebrale  in  den 
Wirbelkanal  und  löst  sich  in  Fäden  auf,  welche  das  Rückenmark  und  seine  Hüllen, 
sowie  die  Wände  des  Wirbelkanals  und  dessen  übrigen  Inhalt  mit  Zweigen  versehen. 

4.  Ramus  communicans  (8);  dieser  wichtige  gemischte  Ast  ist  vor  allem 
für  die  Eingeweide  und  Gefäße  bestimmt  und  tritt  für  diesen  Zweck  mit  dem 
Grenzstrange  des  Sympathicus  (10)  in  innige  Verbindung,  macht  einen  Bestandteil 
des  letzteren  aus,  führt  aber  auch  Faserzüge  aus  dem  Sympathicus  in  das  cerebro- 
spinale  System  hinüber. 

In  der  geschilderten  Form  tritt  uns  das  neurale  Segment  nur  im  Brustteil  des  Körpers  entgegen; 
im  Lendenteil  bedingt  bereits  die  Gegenwart  der  unteren  Extremitäten  gewisse  Änderungen. 
Im  Hals-  und  besonders  im  Kopfteil  des  Körpers  sind  die  Änderungen  bedeutender,  wie  bereits 
oben  angedeutet  worden  ist. 

Was  die  Lage  des  neuralen  Segmentes  im  Körper  betrifft,  so  liegt  ein  zentraler  Teil  in  dem 
Wirbelkanal  und  in  der  Schädelhöhle,  ebenso  die  abgehenden  Nervenwurzeln.  Die  Lagerstätte 
der  spinalen  Ganglien  ist  im  allgemeinen  das  Foramen  intervertebrale.  Die  Bahn  des  hinteren, 
vorderen,  rückläufigen  und  medialen  Astes,  sowie  die  Lage  des  Sympathicus  ergibt  sich  nach  dem 
vorigen  leicht  aus  den  bereits  bekannt  gewordenen  Verhältnissen  des  Bauplanes  des  Körpers 
(Fig.  1)  und  des  Gefäßsegmentes  (Fig.  184,  185,  Abt.  III). 

3.  Die  Formelemente  des  Nervensystems  und  ihr  Zusammenhang. 

Das  Nervensystem  besteht  hauptsächlich  aus  Nervengewebe,  d.h.  aus  Neuronen 
und  aus  Neurogliazellen;  doch  beteiligen  sich  an  seinem  Aufbau  Bindegewebe  und 
Muskelgewebe,  welche  als  Blut-  und  Lymphgefäße  in  reicher  Menge  vorhanden  sind. 

Alle  diese  Formbestandteile  sind  bereits  im  allgemeinen  Teil  geschildert  worden. 

An  dieser  Stelle  ist  noch  einiges  über  den  Zusammenhang  und  das  Verhältnis 
der  einzelnen  Elemente  zu  einander  nachzutragen,  um  die  wesentlichen  Grundsätze 
der  Organstruktur  des  Nervensystems  zu  zeigen. 


Die  Formelemente  des  Nervensystems  und  ihr  Zusammenhang. 


a)  Nervenzellen. 

Wir  haben  gesehen,  daß  die  Neuronen  nach  der  Zahl  ihrer  Fortsätze  als  uni-, 
bi-  und  multipolare  Elemente  unterschieden  werden.  Neben  dieser  Einteilung  ist 
eine  andere  vorhanden,  bei  welcher  die  größere  oder  geringere  Länge  der  Neuriten 
das  unterscheidende  Merkmal  darstellt. 

«.  Zellen  mit  langem  Neuriten  oder  Golgische  Zellen  des  1.  Typus; 
der  Nervenfortsatz  wird  bei  ihnen,  nachdem  er  eine  Anzahl  feiner  Seitenästchen, 
Kollateralen,  abgegeben  haben  kann,  zum  Axenzylinder  einer  markhaltigen 
Nervenfaser.  Innerhalb  dieser  Gruppe  gibt  es  Neuronen  mit  sehr  verschieden 
langem  Neuriten.    Die  längsten  können  beim  Menschen  länger  als  ein  Meter  sein. 

ß.  Zellen  mit  kurzem  Neuriten  oder  Gol- 
gische Zellen  des  2.  Typus;  bei  ihnen  löst 
sich  der  Nervenfortsatz  in  der  Nähe  des  Zell- 
körpers unter  fortwährender  Teilung  alsbald  in 
ein  dichtes  nervöses  Astwerk  auf.     Fig.  3. 

Da  der  Nerve'nfortsatz  aus  einer  mehr  oder  minder 
großen  Anzahl  von  Fibrillen  besteht,  so  ist  die  Astabgabe 
und  Teilung  nur  als  ein  Auseinandertreten  der  Einzelfibrillen 
zu  beurteilen. 

b)  Nervenfasern. 
Die  Nervenfasern  des  Zentralnervensystems 

sind  teils  markhaltig,  teils  marklos.  Erstere  weichen 
von  dem  im  allgemeinen  Teil  geschilderten  Bau 
insofern  ab,  als  sie  keine  Schwannsche  Scheide 
besitzen.  Sie  sind  nur  von  einer  dünnen  Hülle 
umgeben. 

Von  besonderer  Bedeutung  ist  die  Tatsache,  daß 
im  fetalen  Zentralnervensystem  zunächst  keine  Markschei- 
den vorhanden  sind.  Diese  bilden  sich  zu  bestimmten 
und  zwar  für  die  einzelnen  Teile  verschiedenen  Zeiten. 
(Flechsig.)  Noch  beim  Neugeborenen  und  sogar  im 
späteren  Alter  sind  zahlreiche  Faserzüge  marklos.  Man 
nimmt  an,  daß  noch  bis  in  das  späte  mittlere  Lebensalter 

Fasern  sich  mit  Mark  umgeben,  welche  bis  dahin  marklos  waren,  und  erklärt  diese  eigentümliche 
Erscheinung  damit,  daß  die  marklos  angelegten  Fasern  dann  einen  Markmantel  bekommen,  wenn 
sie  in  Benutzung  genommen  werden. 

c)  Nervenfaserfilz  und  Nervennetz.     Fig.  4,  5. 

Wir  wissen  schon  aus  der  Gewebelehre,  daß  die  Fortsätze  der  Neuronen,  und 
zwar  die  Dendriten  sowie  der  Neurit  und  dessen  Kollateralen  sich  unter  fortge- 
setzten Teilungen  verästeln  und  dadurch  sogenannte  Endbäumchen,  Teloden- 
dren,  bilden.  Die  feinsten  Äste  dieser  Endbäumchen  bestehen  schließlich  nur 
aus  einer  einzelnen  Neurofibrille  und  etwas  Perifibrillarsubstanz  (Bethe). 

Der  Sinn  dieser  Einrichtung  ist  leicht  verständlich;  es  vergrößert  sich  durch  sie  die  wirk- 
same Oberfläche  und  das  zu  beherrschende  Gebiet  in  hohem  Grade. 

Über  die  Zustände  an  den  letzten  Enden  der  Endbäumchen  bestehen  noch 
verschiedene  Ansichten.  Früher  nahm  man  allgemein  an,  die  benachbarten  Ast- 
werke hingen  unmittelbar  miteinander  zusammen  und  es  erstrecke  sich  so  durch 
die  Nervenzentren  ein  weit  ausgedehntes,  überall  durchgreifendes  Nervennetz. 
(Gerlach  1871,  Virchow  und  auch  Golgi,  sowie  B.  Haller.) 


Golgische  Zelle  des  II.  Typus. 

(Nach  Schäfer.) 


Besonderer  Teil.     Allgemeine  Neurologie. 


Dann  neigte  man  unter  dem  Einfluß  der  mittels  der  Golgischen  Methode 
erzielten  Ergebnisse  und  der  darauf  begründeten  Neuronenlehre  dazu,  die  direkte 
Verbindung  der  Neuronen  zu  leugnen.  Das  Nervennetz  der  früheren  Autoren  wird 
im  allgemeinen  nur  als  ein  dichter  Nervenfaserfilz  aufgefaßt,  welcher  durch  das 
Ineinandergreifen  der  Verästelungen  verschiedener  Neuronen  entstünde.  Die  Ver- 
bindung der  Neuronen  miteinander,  welche  die  physiologische  Betrachtung  zu 
fordern  scheint,  sollte  nur  durch  Anlagerung  und  Kontakt  oder  auch  durch  sekun- 
däre Vereinigung  erfolgen  (Golgi,  Kölliker). 

Im  letzten  Jahrzehnt  ist  dann  wieder  auf  Grund  der  Darstellungen  der  Neuro- 
fibrillen   das   Bestehen    eines    echten    nervösen   Netzwerkes   beschrieben    worden, 

welches  seinerzeit  von  J.  Ger- 
lach bei  Wirbeltieren  entdeckt 
und  durch  B.  Haller  für  eine 
große  Zahl  von  Wirbellosen  und 
Fischen  nachgewiesen  worden 
war.  Es  kann  wohl  kaum  be- 
zweifelt werden,  daß  für  be- 
stimmte Stellen  das  Nervennetz 
durchaus  sicher  nachgewiesen  ist. 
Diese  Tatsachen  haben  Veranlas- 
sung gegeben  zu  zahlreichen  Schriften 
für  und  wider  die  Neuronenlehre  (N  i  s  s  1 

1903,  Bethe  1904,  Schief ferdecker 

1904,  Straß  er  1907  und  andere).  Ein- 
zelheiten hierüber  zu  geben,  kann  nicht 
Gegenstand  dieser  Darstellungsein ;  wer 
sich  dafür  interessiert,  möge  bei  den 
genannten  Autoren  nachlesen. 

Beim  Unterricht  brauchen 
wir  zur  übersichtlichen  Darstel- 
lung eine  zusammenfassende  Be- 
zeichnung für  die  einzelne  Ner- 
venzelle plus  der  Summe  aller 
ihrer  Ausläufer,  und  dazu  ist  die  Bezeichnung  Neuron  immer  noch  geeignet,  auch 
wenn  sich  herausstellen  sollte,  daß  alle  Neuronen  im  Nervennetz  miteinander  zu- 
sammenhängen. Wenn  man  analoge  Erscheinungen  zur  Unterstützung  heranziehen 
darf,  so  kann  auf  das  geschichtete  Plattenepithel  verwiesen  werden,  dessen  ein- 
zelne Zellen  ebenfalls  durch  zahlreiche  Ausläufer  zusammenhängen,  und  bei 
welchem  wohl  niemand  verlangen  wird,  daß  wir  den  Begriff  der  einzelnen  Zelle 
aufgeben. 

Im  folgenden  bezeichnet  also  das  Wort  Neuron  eine  Nervenzelle  mit 
allen  ihren  Ausläufern  und  deren  Endigungen. 

d)  Äußeres  Golginetz. 
Die  Verbindung  verschiedener  Neuronen  findet  nicht  nur  im  Nervennetz 
durch  Verbindung  feinster  Ausläufer  statt.  Weit  verbreitet  ist  die  Anlagerung 
feinerer  oder  gröberer  Äste  eines  oder  mehrerer  Neuronen  an  den  Zellkörper  und 
die  Dendriten  eines  anderen  Neuron.  Man  findet  ein  Flechtwerk  oder  Netzwerk 
von  Fäserchen,  Faserkorb,  in  der  Umgebung  des  Zellkörpers  und  seiner  Aus- 


Fig.  4. 

Beispiel  für  die  Übertragung  der  Erregung  zwischen  den  Neuronen 
durch  Vermittlung  der  Dendriten    und   Neuriten;    Netzhaut  eines 

Säugetieres  mit  Chromsilberimprägnation.  (Cajal.) 
1  äußere,  2  innere  retikuläre  Schicht,  gebildet  durch  die  Verästelungen 
der  Neuronen.  A  und  B  Neuroepithelzellen  =  Neuronen  I.  Ord. ;  a,  p  so- 
genannte Horizontalzellen;  d,  e  Äste  der  Neuronen  a  und  p;  c  Zelle 
deren  Fortsätze  sich  in  beiden  retikulären  Schichten  verästeln;  /—  n  so- 
genannte Spongioblasten ;   o  Ganglienzelle. 


Die  Formelemente  des  Nervensystems  und  ihr  Zusammenhang.  7 

lauter,  an  welches  von  außen  her  stärkere  Zweige  (Kollateralen,  Dendriten  anderer 
Neuronen)  treten.     Fig.  5 — 11. 

Weitere  Untersuchungen  haben  noch  andere  feinere  Verbindungen  aufgedeckt: 
Von  diesem  immerhin  noch  gröberen  Netze  gehen  nämlich  feinere  Fäserchen  aus, 
welche  auf  der  Oberfläche  des  Ganglienzellkörpers  und  der  Dendriten  ein  feines 


Ilintersirangfasern 


Fig.  5. 


Fig.  6. 

Fig.  6.     Endigung  von  Kollateralen  an  Zellkörpern  und 
Dendriten  von  Neuronen. 

Es   sind   Hinterstrangfasern,    deren   Kollateralen  zu   Zellen 

der  Substantia  gelatinosa  ziehen. 

(Nach  Cajal  aus  Bethe.) 

Fig.    5.      Äußeres    Golginetz.      Nervenzelle    von    einem 
jungen  Hunde.    (Veratti,  1900.) 


Netz,  das  äußere  Golginetz  (Fig.  5,  7,  8)  bilden.  —  Golgi  hat  es  zuerst  ge- 
sehen und  genauer  beschrieben.  —  Er  hielt  es  zuerst  für  übereinstimmend  mit 
dem  Neurokeratingerüst  der  Nervenfasern,  allein  die  Untersuchungen  von  Meyer, 
Held,  Veratti,  Bethe  haben  gezeigt,  daß  es  aus  Neurofibrillen  besteht,  welche 
von  einer  geringen  Menge  von  Perifibrillarsubstanz  umgeben  sind.  Es  soll  nicht 
unterlassen  werden  zu  bemerken,  daß  Cajal  und  Donaggio  entgegen  der  Auf- 
fassung von  Bethe  das  äußere  Golginetz  als  einen  Bestandteil  der  betreffenden 


8 


Besonderer  Teil.     Allgemeine  Neurologie. 


Zelle  erklärt  haben.  Nach  Bethe  aber  besteht  das  äußere  Golginetz  aus  einem 
feinen  Gitter  oder  Netz  von  Neurofibrillen,  welche  durch  Perifibrillarsubstanz  zu- 
sammengehalten werden,  dem  Zellenkörper 
und  den  Dendriten  von  außen  dicht  auf- 
liegen und  mit  den  Faserkörben  sowie  mit 
anderen  von  außen  kommenden  Ästen  zu- 
sammenhängen (Fig.  7 — 9).  Die  Fibrillen 
des  äußeren  Golginetzes  treten  in  die  um- 
sponnene Ganglienzelle  ein  oder  umge- 
kehrt aus  der  umsponnenen  Ganglienzelle 
treten  Fibrillen  in  das  äußere  Golginetz 
aus.     Fig.  9. 


Fig.  7. 

Äußeres  Golginetz.    (Nach  Bethe.)    A.  Eine  Zelle  des  Nucleus  dentatus  vom  Hund.    D.  Ein  Dendrit  A  mit  dem  äußeren 
Golginetz,  in  welches  dünne  Fibrillenbündel  b,  c,  d,  /,  g  aus  der  Umgebung  übergehen. 


Fig.  8. 


Fig.  9. 

Übergang  einer  Fibrille  aus  dem  Innern  des  Protoplasma- 
fortsatzes B  In  das  äußere  Golginetz. 

Von  einer  Zelle  aus  der  Medulla  des  Kaninchens. 

iXach  Bethe.) 

Fig.  S.     Faserkorb,  äußeres  Golginetz  und  Neurofibrillen 

an  derselben  Ganglienzelle.    (Nach  Bethe.) 

d,  /,  g  Fasern  des  Faserkorbes,  welche  in  das  äußere  Golginetz 

übergehen. 


Wie  man  sieht,  handelt  es  sich  hier  um  eine  außerordentlich  bedeutungsvolle 
Einrichtung  zur  Übertragung  der  Erregung  von  einem  Neuron  auf  das  andere. 

Bethe,  A.,  Allgemeine  Anatomie  und  Physiologie  des  Nervensystems.  Leipzig,  G.  Thieme  1903. 
-  Besta,  C,  Sul  reticolo  periferico  della  cellula  nervosa  nei  mammiferi.   Internat.  Monatsschr.  Anat. 


Neuronen  versch.  Ord.     Kerne  und  Zentren,  Bahnen  und  Bündel,  Wurzeln  und  Wurzelfascrn.       9 

u.  Phys.,  Bd.  27,  1910.  —  Haller,  B.,  Zur  Wahrung  meiner  Priorität  in  Sachen  der  Kontinuitätslehre 
des  Zentralnervensystems.  Neurolog.  Zentralblatt  1907.  —  Nissl,  Fr.,  Die  Ncuronenlehre  und  ihre 
Anhänger,  1903.  —  Retzius,  G.,  The  principlcs  of  the  minutc  structure  of  the  nervous  system  as 
revealed  by  recent  investigations.  Proc.  Royal.  Soc.  Vol.  80,  1908.  —  Schief ferdecker,  Über 
die  Neuronen  und  die  innere  Sekretion.  Sitzber.  Niederrh.  Ges.  Nat.-Heilk.,  1905.  —  Strasser,  Über 
Neuronen  und  Neurofibrillen.    Bern   1907. 

4.  Neuronen  [.,  II.  usw.  Ordnung. 

Jedes  Neuron  leitet  die  Erregung  von  einer  oder  von  mehreren  Stellen  zu 
einer  oder  mehreren  anderen  Stellen.  Dort  geht  der  Impuls,  sei  es  direkt  (bei 
Annahme  des  kontinuierlichen  Überganges  der  Neurofibrillen  aus  einem  Neuron 
in  ein  anderes)  oder  indirekt  (bei  Annahme  der  Übertragung  der  Erregung  durch 
einfache  Anlagerung)  auf  ein  zweites  Neuron  über.  Von  diesem  wird  er  in  der- 
selben Weise  auf  ein  drittes  Neuron,  von  diesem  auf  ein  viertes  usw.  fortgeleitet. 

Zur  bequemen  Kennzeichnung  werden  die  betreffenden  Neuronen  als  Neu- 
ronen [.,  II.,  III.  usw.  Ordnung  bezeichnet.     Fig.  12 — 14. 

Besonders  hervorgehoben  muß  hier  noch  werden,  daß  die  Erregung  eines 
Neuron  unterer  Ordnung  auf  zahlreiche  Neuronen  der  höheren  Ordnung  über- 


Fig.  10.  Fig.  11. 

Fig.  10,  11.     Anlagerung  des  Neurtten  eines  fremden  Neuron  an  den  Körper  eines  andern  Neuron  unter  Bildung 

eines  Endkelches. 

Beide  Bilder  stellen  Zellen  des  Nucleus  trapezoides  dar. 
Fig.  10  {von  Held).     Nucleus  trapezoides  des  Kaninchens,    fr  Neurit  des  fremden  Neuron;    k  Endkelch;    tz  Zellkörper 

des  andern  Neuron. 

Fig.  11    (von  Veratti).     Nucleus  trapezoides   des  Meerschweinchens.     Vitale  Methylenblaufärbung.     Blau   ist  der  Neurit 

und  der  Endkelch  des  fremden  Neuron,  rot  der  Zellkörper  und  Kern  des  andern  Neuron. 

geht  und  daß  auf  ein  einzelnes  Neuron  von  zahlreichen  verschiedenen  Orten  her 
Erregungen  übertragen  werden. 

5.  Kerne  und  Zentren,  Bahnen  und  Bündel,  Wurzeln  und  Wurzelfasern. 

Die  Zellkörper  von  Neuronen,  welche  gleiche  Funktion  besitzen,  liegen  im 
allgemeinen  zu  Gruppen  vereinigt  neben-  und  beieinander;  sie  bilden  ein  gegen 
die  Umgebung  in  gewisser  Weise  abgrenzbares  Territorium.  Solche  Zellenkörper- 
Gruppen  nebst  dem  von  ihren  Dendriten  und  Telodendren  anderer  Neuronen 
durchsetzten  Gebiet  heißen  Zentren  oder  Kerne,  Nuclei.  So  bedeutet  Hypo- 
glossuskem  die  Gesamtheit  der  Zelleiber  usw.  derjenigen  Neuronen,  deren  Neuriten 
den  N.  hypoglossus  bilden.  Sprachzentrum  ist  derjenige  Teil  der  Hirnrinde,  dessen 
Zellen  bei  der  Bildung  der  Sprache  wirken. 

Nicht  nur  die  Zellkörper  und  Dendriten  von  Neuronen  derselben  Funktion 
liegen  nahe  beieinander,  auch  die  Neuriten  ziehen  bündelweise  über  längere 
oder  kürzere  Strecken  nebeneinander  her.  Während  des  Verlaufes  geben  sie  hier 
und   da   Kollateralen   zu   benachbarten   Kernen  und  Neuronen,  werden  allmählich 


10 


Besonderer  Teil.     Allgemeine  Neurologie. 


faserärmer  und  endigen  schließlich  an  einer  bestimmten  Stelle.  Andere  solche 
Bündel  werden  allmählich  stärker  dadurch,  daß  sie  fortdauernd  Zuwachs  von  neuen 
Neuriten  bekommen. 

Stärkere  Bündel  von  Neuriten  werden  Bahnen  oder  Bündel,  Fasciculi, 
Tractus  genannt;  für  schwächere  dienen  die  Namen  Faserzüge  oder  Fasern, 
Fibrae,  Fila. 


Fig.  12. 

Fig.  12—14.    Schemata  zur  Erläuterung   der  Reizübertragung   vom    Neuron 
I.  Ord.  auf  ein  Neuron  II.  Ord. 

Die  Pfeile  bezeichnen  den  Weg  der  Erregung.  Fig.    14. 

Fig.  12.    Vermittelung  der  Reizübertragung  durch   ein   Endbäumchen  (4)   des  Neuron  I.  Ord.    auf  die  Verästelung  (5) 

eines  Dendriten  (6)  des  Neuron  II.  Ord. 
Fig.  r3,  14.    Vermittelung  der  Reizübertragung  durch  Endbäumchen  von  Kollateralen  (Fig.  13,  10,  10';  Fig.  14,4,4')  des 

Neuron  I.  Ord.  auf  den  Zellkörper  (Fig.  13,  11,  Fig.  14,  5)  des  Neuron  II.  Ord. 
Im  einzelnen  bedeutet  in  Fig.  12:   NI  Neuron  I.  Ord.  (Riechzelle);  1  Zellkörper;  2  sein  Neurit;  3  Grenze  gegen  den  Riech- 
lappen;   4  Endbäumchen;    5  Endbäumchen  eines  Dendritenstämmchens  (6)  des  Neuron  II.  Ord. ;    7  Zellkörper  des  Neuron 

II.  Ord. ;   8  Neurit  desselben. 
In  Fig.  13  bedeutet;   NI  Neuron  I.  Ord.;    1  sein  peripherisches  Endbäumchen  in  der  Epidermis;  2  Grenze  der  Epidermis; 
3  periphere  zentripetale  Faser,  die  wahrscheinlich  einem  Dendritenstämmchen  entspricht;    4  gemeinsamer  Ast;    5   Körper 
einer  Nervenzelle  eines  Ganglion  spinale;  6  aufsteigende  zentripetale  Faser,  die  wahrscheinlich  einem  Neuriten  entspricht; 
7  Grenze  des  Rückenmarkes;    8  und  9  Gabelung  der  Faser  6  in  einen  aufsteigenden  und  absteigenden  Arm;    10  eine  der 

Kollateralen  mit  ihrem  Endbäumchen   10';   Nil  sensibles  Neuron  II.  Ord. ;    11  Zellkörper;    12  sein  Neurit. 

In  Fig.  14  bedeutet;   NI  motorisches  Neuron  I.  Ord.;   NU  motorisches  Neuron  II.  Ord.;    1  Zellkörper  des  ersteren;    2  sein 

Neurit;    3  und  4  Kollateralen  des  Neuriten  2;    4'  Endbäumchen  des  Neuriten  2  ;   5  Zellkürper  des  Neuron  II.  Ord.;   6  sein 

Neurit;   7  Grenze  des  Rückenmarkes;   8  gestreifte  Muskelfaser;   9  Endbäumchen  der  motorischen  Endplatte. 


Zur  Kennzeichnung  der  verschiedenen  Bahnen  dienen  physiologische  und 
morphologische  Eigenschaften.  Vom  physiologischen  Standpunkt  unterscheidet 
man  sensible  (sensorische)  und  motorische,  sowie  Verbindungs-  oder 
Assoziationsbahnen. 

Bei  der  auf  morphologischen  Charakteren  fußenden  Bezeichnung  der  Bahnen,  wie  sie  in  den 
B.  N.  A.  durchgeführt  ist,  sind  häufig  Anfang  und  Ende  der  Bahn  bei  der  Namengebung  verwendet, 
wobei  zugleich  im  Namen  die  Richtung  der  Bahn  enthalten  ist,  indem  ihr  Ausgangspunkt  an  den 
Anfang  des  Eigenschaftswortes  gesetzt  ist.    Die  deutschen  Bezeichnungen  sind  etwas  schwerfälliger, 


Physiologische  Einteilung  der  Neuronen.  11 

geben  aber  Anfang  und  Ende  oft  noch  präziser  an,  z.  B.  Fasciculus  ccrebellospinalis,  Kleinhirn- 
Seitenstrang-Bahn. 

Eine  ältere  Periode  verwandte  mit  Vorliebe  zur  Bezeichnung  der  Kerne  und  Bahnen  Autoren- 
namen, welche  auch  heute  nocli  vielfach  im  Gebrauch  sind  und  deshalb  ebenfalls  gelernt  werden  sollen. 

Die  am  Zentralnervensystem  ein-  und  austretenden  Neuriten-  oder  Faserbündel 
werden  als  Wurzeln,  Radices,  bezeichnet;  der  einzelne  Neurit  heißt  Wurzel- 
laser, Filum  radiculare.  Die  Neuriten  der  motorischen  Nerven  werden  Wurzel- 
fasern genannt,  bis  zum  entsprechenden  (intervertebralen)  Ganglion,  oder  bis  zum 
Austritt  aus  der  Dura  mater;  die  Neuriten  der  sensiblen  Nerven  heißen  Wurzel- 
fasern von  dem  (intervertebralen)  Ganglion  an  bis  zum  Eintritt  in  bestimmte  Bahnen. 
Es  herrscht  hier  jedoch  eine  gewisse  Willkür. 

6.  Physiologische  Einteilung  der  Neuronen. 

Nach  der  Richtung,  in  welcher  die  Neuriten  den  Reiz  leiten  und  nach  der 
Lage  des  Neuron,  kann  man  drei  große  Gruppen  von  Neuronen  unterscheiden, 
zentripetale,  zentrifugale,  interzentrale  Neuronen. 

1.  Die  zentripetalen  oder  rezeptorischen  Neuronen  leiten  den  an  der 
Peripherie  empfangenen  Reiz  zum  Zentrum  und  geben  ihn  dort  an  andere  Neuronen 
weiter.  Sie  sind  die  Nerven  der  Sinnesapparate  (sensorielle  Nerven)  und  ent- 
springen an  der  Peripherie  entweder  als  Fortsätze  von  Neuroepithelzellen  (Riech- 
zellen, Sehzellen),  oder  beginnen  (einfach  sensible)  entweder  in  peripherischen 
Netzen  oder  in  besonderen  Endapparaten  (Gefühlsnerven)  und  haben  den  Zellkörper 
an  anderer  Stelle  (im  Spinalganglion). 

2.  Die  zentrifugalen  oder  effectorischen  Neuronen  leiten  durch  ihre 
Neuriten  den  Impuls  vom  Zentrum  zu  peripherischen  Organen.  Sie  ziehen  zur 
gestreiften  und  zur  glatten  Muskulatur,  mj)t_qrj_sche__Nerven.  Die  Nerven  der 
letzteren  lassen  eine  wichtige  Unterabteilung  erkennen,  Nerven  der  Gefäßmusku- 
latur, Gefäßnerven.  Vasomotorische  oder  vasokonstriktorische  Fasern 
sind  solche,  deren  Erregung  ein  Gefäß  verengert;  vasodilatierende  Fasern 
jene,  deren  Reizung  aktive  Gefäßerweiterung  bedingt.  Motorische  Nerven,  deren 
Reizung  nicht  eine  Kontraktion,  sondern  eine  Verlangsamung  und  einen  Still- 
stand der  Bewegungen  hervorrufen,  werden  Hemmungsnerven  genannt.  Auch 
noch  andere  funktionelle  Unterarten  der  Gefäßnerven  kennt  die  Physiologie.  Zen- 
trifugale Nerven,  die  zu  Drüsen  gelangen  und  ihre  Funktion  beeinflussen,  heißen 
sekretorische  Nerven.  Mehrfach  wird  noch  eine  besondere  Klasse  von  Nerven 
erwähnt,  welche  trophische  Nerven  heißen;  man  nimmt  von  ihnen  an,  daß  sie  auf 
die  Ernährung  der  Gewebe  einen  bestimmenden  Einfluß  ausüben;  doch  ist  ihr 
Vorkommen  zweifelhaft,  da  es  sich  vielleicht  um  vasomotorische  oder  sekretorische 
Nerven  handelt. 

3.  Die  interzentralen  Neuronen  dienen  zur  Verbindung  verschiedener  Teile 
der  Zentralorgane.  Sie  sind  nie  Neuronen  I.,  sondern  stets  höherer  Ordnung. 
Die  Länge  ihrer  Neuriten  ist  sehr  verschieden,  denn  sie  dienen  sowohl  zur  Ver- 
bindung benachbarter  als  auch  weit  voneinander  entfernter  Abschnitte  der  Zentral- 
organe. Ihre  Tätigkeit  besteht  also  in  der  Assoziation,  sie  heißen  darum  Asso- 
zlations-Neuronen. 

Auch  außerhalb  des  Zentralnervensystems  sind  in  peripherischen  Ganglien  und 
in  peripherischen  Nerven  interzentrale  Neuronen  vorhanden. 


12  Besonderer  Teil.    Allgemeine  Neurologie. 

Die  Geschwindigkeit  der  Reizleitung  beträgt  an  den  motorischen  Armnerven  des  Menschen 
etwa  34  m  in  der  Sekunde  (Helmholtz  und  Baxt),  an  Froschnerven  27,  an  den  Nerven  des  Hum- 
mers 6—12  m.  Nach  neueren  Untersuchungen  von  Piper  (Arch.  f.  ges.  Physiol.  1909)  beträgt  die 
Leitungsgeschwindigkeit  im  markhaltigen  menschlichen  Nerven  120  m  in  der  Sekunde. 

7.  Weiße,  graue,  gelatinöse  Substanz. 

Die  im  Vorhergehenden  besprochene  Anordnung  der  Neuronen-Zellkörper 
zu  Gruppen  und  die  Zusammenlagerung  der  Neuriten  zu  Bündeln,  deren  einzelne 
Elemente  einander  parallel  verlaufen,  bedingt  einen  großen  Farbenunterschied 
der  Kerne  und  der  Bahnen.  Die  markhaltigen  Neuriten  erscheinen  weiß  und  atlas- 
glänzend, die  Kerne  dagegen  grau  und  matt.  Vergrößert  wird  der  Unterschied 
noch  durch  die  reichliche  Versorgung  der  grauen  Substanz  mit  Blutgefäßen,  deren 
farbiger  Inhalt  dem  Grau  der  Kerne  einen  mit  dem  Blutgehalt  wechselnden  röt- 
lichen Ton  verleiht.  Die  relative  Armut  der  Bahnen  an  Blutgefäßen  läßt  dagegen 
den  weißen  Glanz  der  markhaltigen  Nervenfasern  um  so  mehr  hervortreten.  Dazu 
kommt  noch,  daß  die  grauen  Kerne  an  vielen  Stellen  ebenfalls  wieder  in  großen 
Massen  beieinander  liegen  und  daß  auch  die  verschiedensten  Bahnen  nebeneinander 
herlaufen. 

Der  auffallende  Unterschied  zwischen  den  Kernmassen  und  den  Bahnen  hat 
im  Verein  mit  der  räumlich  bestimmten  Lage,  die  Namen  weiße  und  graue 
Substanz,  Substantia  alba  und  Substantia  grisea  veranlaßt.  Größere  An- 
häufungen von  Neuroglia  bedingen  eine  gewisse  Durchsichtigkeit  der  betreffenden 
Stellen,  und  solche  werden  deshalb  als  Substantia  gelatinosa  bezeichnet. 

Der  Pigmentgehalt  der  Neuronenzellkörper  ruft  an  einigen  Orten  schwarze, 
blaue  und  gelbliche  Farbtöne  hervor,  Substantia  nigra,  Locus  caeruleus, 
Stratum  cinereum. 

8.  Organstruktur  der  peripherischen  Nerven. 

Die  peripherischen  Nerven  bestehen  aus  Nervenfasern,  d.  h.  den  Neuriten 
motorischer  und  sensibler  Neuronen.  Die  Nervenfasern  sind  teils  markhaltig,  teils 
marklos.  In  den  cerebrospinalen  Nerven  überwiegen  die  markhaltigen,  im  Sym- 
pathicus  die  marklosen  Nervenfasern.  Deshalb  sind  die  ersten  weiß,  atlasglänzend, 
letztere  grau.  Das  Kaliber  der  einzelnen  Nervenfasern  ist  sehr  verschieden;  man 
findet  dicke  und  dünne  Nervenfasern  nebeneinander.     Fig.  20. 

Die  einzelnen  Nervenfasern  werden  durch  Bindegewebe  getrennt,  bezw.  zu- 
sammengehalten. Das  Bindegewebe  bildet  um  die  einzelnen  Nervenfasern  dünne 
Scheiden,  Endoneuralscheiden.  Diese  bestehen  aus  feinen  kollagenen  Fasern 
und  Endothelzellen.  Eine  größere  Anzahl  von  Nervenfasern  und  ihren  Endoneural- 
scheiden werden  durch  breitere  Züge  von  Bindegewebe,  welches  neben  kollagenen 
auch  elastische  Fasern  und  größere  Blutgefäße  enthält,  zu  einem  Bündelchen  ver- 
einigt. Die  Gesamtheit  des  zwischen  den  einzelnen  Nervenfasern  befindlichen  Ge- 
webes wird  als  Endoneurium  bezeichnet  (Fig.  18).  Eine  Anzahl  solcher  Bündelchen 
wird  umscheidet  von  mehreren  konzentrisch  zueinander  angeordneten  Schichten 
(Lamellen)  derberen  Bindegewebes,  dessen  einzelne  Bündel  wesentlich  in  der  Längs- 
richtung der  Nerven  verlaufen.  Man  bezeichnet  sie  als  Perineurallamellen 
und  in  ihrer  Gesamtheit  als  Perineurium  (Fig.  18).  Die  Räume  zwischen  den 
einzelnen  Perineurallamellen  sind  Lymphspalten,  mit  Endothelzellen  ausgekleidet  und 
hängen  mit  den  Lymphräumen  zusammen,  welche  das  Zentralnervensystem  umgeben. 


Weiße,  graue,  gelatinöse  Substanz.    Organstruktur  der  peripherischen  Nerven. 


13 


Feine  Nerven  bestehen  aus  einem  einzigen  drehrunden  Bündel.  Größere 
Nerven  enthalten  mehrere.  Der  N.  ischiadicus,  der  dickste  Nerv  des  Menschen, 
besteht  aus  zahlreichen  Bündeln. 

Mehrere  Bündel  werden  wieder  durch  Bindegewebe  zusammengehalten,  welches 
Blutgefäße  und  Fettgewebe  enthält.  Es  heißt  Epineurium.  In  größeren  Nerven 
sind  die  Bindegewebsbündel  des  Epineurium  derb  und  fest,  das  Fettgewebe  ist 
reichlich,  die  Blutgefäße  sind  zahlreich  vorhanden. 

Die  einzelnen  Bündel  des  Nerven  teilen  sich  während  ihres  Verlaufes.  Die 
entstandenen  Äste  legen  sich  an  andere  Bündel  an  und  verschmelzen  mit  ihnen. 
Dadurch  entstehen  die  Nervenplexus.  (Siehe  darüber  unter  10.)  Im  Quer- 
schnittsbild des  Nerven  erkennt  man  beginnende  Teilungen  und  vollzogene  Ver- 
einigungen an  einer  quer  durch  den  rundlichen  Querschnitt  des  Nervenbündels 
verlaufenden  Scheidewand  von  Perineurallamellen. 


Fig.  15.  Fig.  16. 

Fig.  15.     Querschnitte  markhaltiger  Nervenfasern,  „Sonnenbildchen"  aus  dem  Querschnitt  eines  peripherischen 

spinalen  Nerven  des  Kaninchens.     (Krewer,  1894.) 

Fig.  16.    Zwei  multipolare  Zellen  aus  dem  Sympathicus. 

a  aus  dem  Ganglion  cervicale  superius;   b  aus  dem  Ganglion  coeliacum. 

Die  beschriebenen  Strukturen  sind  am  leichtesten  zu  erkennen  am  Querschnitt 
der  Nerven.  Längsschnitte  und  Schrägschnitte  sind  schwieriger  zu  deuten,  schon 
allein  darum,  weil  der  Querschnitt  der  einzelnen  markhaltigen  Nervenfasern  ein 
außerordentlich  charakteristisches  Bild  gibt.  Der  meist  geschrumpfte  Axenzylinder 
liegt  im  Zentrum  oder  etwas  exzentrisch  als  punktförmiges  Gebilde.  Um  ihn 
gruppieren  sich  in  konzentrischen  Ringen  die  Markscheide  mit  ihrem  Keratingerüst 
und  das  Neurilemm.  So  entsteht  ein  Bild  ähnlich  der  symbolischen  Figur,  mit 
welcher  die  alte  Astronomie  die  Sonne  bezeichnete,  ein  Kreis  mit  einem  Punkt 
darin.  Deshalb  nennt  man  die  Querschnittsbilder  der  markhaltigen  Nervenfasern 
auch  kurz  Sonnenbildchen  (Fig.  15).  Die  Querschnitte  der  marklosen  Nerven- 
fasern erscheinen  im  einfach  gefärbten  Präparat  als  kleine  Kreise. 

9.  Organstruktur  der  peripherischen  Ganglien. 

Die  peripherischen  Ganglien  sind  lokale  Anhäufungen  von  Ganglien- 
zellen besonderer  Art,  welche  von  zahlreichen  Nervenfasern  (markhaltigen  und  mark- 
losen) durchzogen  werden.  In  größeren  Ganglien  treten  die  Zellkörper  mehr  in 
den  Vordergrund,  in  kleineren  mehr  die  Nervenfasern.  Es  gibt  mikroskopisch  kleine 
Ganglien,  welche  nur  wenige  Zellkörper  enthalten. 


li 


Besonderer  Teil.     Allgemeine  Neurologie. 


Die  Zeitformen  der  intervertebralen  und  der  sympathischen  Ganglien  sind 
verschieden.  Die  intervertebralen  Ganglienzellen  sind  unipolar  (Fig.  17),  die  sym- 
pathischen sind  multipolar  (Fig.  16).  Die  genaue  Darstellung  der  Formen  und  die 
Art  ihrer  Verbindung  erfolgt  in  der  speziellen  Neurologie  an  entsprechender  Stelle. 
Hier  soll  nur  das  Allgemeine  des  Aufbaues  geschildert  werden. 

Das  Ganglion  als  Ganzes  ist  umhüllt  von  einer  nach  der  Größe  des  Ganglion 
dickeren  oder  dünneren  Kapsel,  einer  Fortsetzung  des  Perineurium  der  zutretenden 
Nerven.  Den  Inhalt  des  Ganglion  bilden  Nervenfasern  und  Ganglienzellen  (Fig.  19). 
Letztere  sind  große  rundliche  Gebilde  mit  dem  für  Nervenzellen  charakteristischen 
großen  bläschenförmigen,  meist  kugeligen  und  zentral  gelegenen  Kern,  nebst  dessen 
kugeligen  Kernkörperchen.     Die  Nervenfasern    sind  von  Endoneuralscheiden  um- 


Bindegewebige  Scheide 

mit  Scheidenzellen 


W       Peripherische,  helle  Zone 
^r  des  Protoplasma 


/2§ 


■  ; 


-Ursprungshügel  des  Neuriten 


Fig.  17. 

Große  Spinalganglienzelle   des   gesunden   Menschen   (Längsdurchmesser  gegen  100  ,")   mit   bindegewebiger  Kapsel. 

(Lenhossek.) 


hüllt;  die  Ganglienzellen  stecken  in  besonderen  Kapseln  wie  Nüsse  in  der  Schale. 
Diese  Kapseln  sind  eine  Fortsetzung  der  Endoneuralscheiden  der  Nervenfasern;  sie 
bestehen  aus  Bindegewebsfasern  und  mehr  oder  weniger  zahlreichen  Zellen,  welche 
zwischen  der  Zelloberfläche  und  der  Innenwand  der  Faserhülle  liegen  (Fig.  17). 
Diese  Zellen,  Kapsel-,  Mantel-  oder  Scheidenzellen  genannt,  stammen  ebenso 
wie  die  Ganglienzellen  vom  äußeren  Keimblatt,  sie  entsprechen  den  Schwannschen 
Zellen  der  Nervenfasern. 

Kohn,  A.,  Über  die  Scheidenzellen  (Randzellen)  peripherer  Ganglienzellen.  Anatom.  Anz., 
Bd.  30,  1907. 

10.  Verbindung  der  Nervenfasern  und  Nerven:  Plexusbildungen,  Anastomosen. 

Die  vom  Körper  des  Neuron  entsprungenen  Neuriten  legen  sich,  wie  wir 
gehört  haben,  zu  Bündeln  zusammen  und  ziehen  gemeinsam  weiter  sowohl  inner- 
halb der  Zentralorgane,  wie  im  peripherischen  Nervensystem.  Dabei  verfolgen  die 
einzelnen  Bündel  nicht  etwa  eine  gradlinige  Bahn,  sie  verharren  auch  nicht  in  der 


15 


N.  peronaeus 


Blutgcfälie  mit  Blut  gefüllt 


■w 


m 


N.  tibialis 


Epineurium 


Endoneurium      Fettgewebe 


Perineurium 


Fig.  18.    Nervus  ischiadicus  vom  Menschen.    Querschnitt. 


Ganglienzellen 


Kapsel  des  Ganglion 


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marklose  Nervenfasern 


Fig.  19.    Ganglion  cervicale  inf.  des  Menschen.    Übersicht 


16 


9 

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Markscheide 

Axencylinder  (nicht  gefärbt) 

■ 


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Fig.  20.    Dicke  und  dünne  markhaltige  Nervenfasern. 

Querschnitt  durch  einen  N.  digitalis  proprius  vom  Menschen.    Osmiumsäure. 


Kranialer  Ursprung  des  Lig.  denticulatum 


Arteria  vertebralis 


Membrana  atlantooccipitalis  post 


Epiduralraum 


„_.  Membrana  atlantooccipitalis  ant. 

Lig.  apicis  dentis 
...  oberer  Schenkel  des  Lig.  cruciatum 
Membrana  tectoria 
r     Articulatio  atlantoepistrophica 

Lig.  transversum  atlantis 

unterer  Schenkel   des   Lig.  cruciatum 
Dura  mater 
■  Lig.  longitudinale  ant. 

Lig.  longitudinale  post. 


Fig.  21.    Oberes  Ende  des  Durasackes  und  des  Lig.  denticulatum. 
Medianschnitt   durch    das  Hinterhauptbein    und    seine  Gelenkverbindungen   mit    der   Halswirbelsäule    ( 


Verbindung  der  Nervenfasern  und  Nerven. 


17 


B 


anfangs  vorhandenen  Anordnung,  sondern  sie  teilen  sich,  vereinigen  sich  mit  anderen 
Bündeln,  gehen  ganz  oder  zum  Teil  auch  von  diesem  Bündel  wieder  ab,  um  sich 
einem  anderen  anzuschließen.  Man  nennt  diese  Form  der  Bündelteilung  und  Ver- 
einigung Geflechtbildung  und  das  Ergebnis  ein  Geflecht,  Plexus. 

Im  sympathischen  Nervensystem  sind  die  Plexusbildungen  außerordentlich 
verbreitet. 

Über  die  morphologische  und  physiologische  Bedeutung  der  Plexusbildungen  ist  das  letzte  Wort 
noch  nicht  gesprochen.  Sie  dienen  zwar  bis  zu  einem  gewissen  Grade  der  Sicherheit  und  Viel- 
seitigkeit der  Versorgung  der  Peripherie;  ein  bedeutungsvolleres  Licht  aber  fällt  auf  diese  Einrichtung 
durch  die  Betrachtung  der  Nervensysteme,  insbesondere  der  nicht  zentralisierten  Nervensysteme  der 
niederen  Tierwelt,  bei  welchen  der  gesamte  Apparat  eine  diffuse  Beschaffenheit  besitzt  und  aus- 
schließlich aus  Plexusbildungen  besteht,  in  welche  Nervenzellen  eingestreut  sind. 

Die  Nervengeflechte  sind   also  komplizierte  Verbindungen  zwischen  Nerven.     Dagegen  be- 
steht die  einfache  peripherische  Verbindung,  Anastomose1),  Konjugation  darin,  daß  ein  starker 
oderfeincrperipherischerNervmiteinem  anderen  zusammen- 
tritt.    Dabei   können  mehrere  Besonderheiten  stattfinden. 

a)  Der  Verbindungszweig  führt  Fasern  des  einen 
Nerven  in  die  Bahn  des  anderen  über  (Fig.  22,  A).  Die 
Fasern  können  in  diesem  Nerven  zentral-  oder  peripherie- 
wärts  ziehen,  oder  nach  beiden  Richtungen.  Man  nennt 
diese  Form  Conjugatio  simplex. 

b)  Der  Verbindungszweig  führt  Fasern  beider  Ner- 
ven. So  entsteht  die  Conjugatio  mutua.  Die  Anord- 
nung der  Fasern  kann  wieder  eine  verschiedene  sein,  da 
der  Weg  bald  ein  zentraler,  bald  ein  peripherer,  bald  nach 
beiden  Richtungen  verlaufender  sein  wird.  Natürlich 
müssen  dann  an  irgendeiner  Stelle  Kreuzungen,  De- 
cussationes,  vorkommen  (bei  x,  Fig.  22,  B).  Solche 
Dekussationen  kommen  nicht  allein  im  peripherischen 
Nervensystem  vielfach  vor,  sondern  sind  auch  in  den 
Zentralorganen  überaus  verbreitet.  Dies  gilt  besonders 
von  jenen  wichtigen  Dekussationen  der  Zentralorgane, 
welche  in  der  Medianebene  zwischen  Fasern  beider 
Körperhälften  stattfinden. 

Der  Sinn  der  großen  zentralen  Dekussationen  (siehe  Gehirn  und  Rückenmark),  seien  siemoto 
rischer  oder  sensibler  Art,  ist  ein  sehr  bedeutender;  es  sind  keine  zufälligen,  gleichgültigen  Ersehet 
nungen.  Sie  bedeuten,  ähnlich  wie  die  zentralen  Kommissuren,  die  innige  Zusammengehörig 
keit  beider  Körperhälften,  die  ihre  Zentren  und  Peripherien  durch  die  Dekussation  vertauschen 
Rechte  und  linke  Körperhälfte  würden  sich  ohne  sie  viel  fremder  gegenüberstehen  und  weit  selb- 
ständigere, für  sich  bestehende  Ganze  darstellen,  als  sie  es  nunmehr  sind. 


Fig.  22. 

A  Conjugatio  Simplex,  B  Conjugatio  mutua, 
bei  a-  Decussatio. 


11.  Die  Methoden  der  Untersuchung  des  Nervensystems. 

Für  das  Verständnis  des  feineren  Aufbaues  des  Zentralnervensystems  ist  eine  gewisse  allgemeine 
Kenntnis  der  Methoden  nötig,  auf  Grund  deren  Ergebnisse  die  Darstellung  beruht.  Deshalb  mag  es 
aus  didaktischen  Gründen  gestattet  sein,  in  einem  Lehrbuch  der  beschreibenden  Anatomie  eine  kurze 
systematische  Darstellung  der  Methoden  zu  geben.  Wer  eine  historische  Darstellung  vorzieht,  möge 
bei  Edinger  (Nervöse  Zentralorgane,  Leipzig,  1904)  nachlesen. 

Die  ersten  Stufen  der  Untersuchung  sind  Inspektion  und  makroskopische  Präparation  der  Organe 
von  Erwachsenen,  von  Feten,  von  Tieren.  Ihre  Methoden  sind  dem  Studierenden  bekannt.  Ebenso 
die  ersten  Stufen  der  mikroskopischen  Untersuchung:  die  Untersuchung  der  Formelemente  an  frischem 
lebendem  wie  toten  Material,  die  Betrachtung  von  Schnitten,  welche  mit  einfachen  oder  mit  spezi- 


')  Der  Name  Anastomose,   Einmündung,   ist  von  den  bei  den  Gefäßen  vorhandenen 
Verhältnissen  abgeleitet. 


18  Besonderer  Teil.    Allgemeine  Neurologie. 

tischen  Färbungen  behandelt  sind,  zur  Darstellung  der  Strukturen,  die  im  Inneren  des  Neuron  vor- 
kommen (siehe  Abt.  1,  S.  128). 

Etwas  eingehendere  Besprechung  erfordern  die  Methoden,  welche  einen  Einblick  gewähren 
in  den  mikroskopisch-topographischen  Aufbau  der  Zentralorgane:  Wenn  wir  von  älteren 
Methoden  absehen,  welche  an  Schnitten  sowohl  Zellen  wie  auch  Fasern  färben,  so  müssen  wir  als 
erste  der  spezifischen  Methoden,  welche  nur  bestimmte  Bestandteile  der  Zentralorgane  darstellen, 
die  Markscheidenfärbung  nach  Weigert  (1882,  1884)  und  deren  zahlreiche  Modifikationen 
nennen.  Durch  eine  besondere  Behandlung  wird  erreicht,  daß  nur  die  markhaltigen  Nervenfasern 
die  Farbe  behalten,  während  alles  andere  wenig  oder  gar  nicht  gefärbt  ist.  Diese  Methode  syste- 
matisch an  Schnitten  verschiedener  Richtung  angewandt,  gestattet  schon  bei  Verarbeitung  normalen 
Materials  einen  recht  tiefen  Einblick  in  den  Verlauf  der  einzelnen  Bahnen.  Weitere  Ergebnisse 
liefert  sie  in  Verbindung  mit  der  Physiologie  und  der  Pathologie,  und  bei  Anwendung  auf  fetale 
Organe.    Zur  Erläuterung  sei  hierüber  folgendes  gesagt: 

Wir  wissen,  daß  derjenige  Teil  des  Neuriten  zugrunde  geht,  degeneriert,  welcher  außer  Zu- 
sammenhang mit  dem  Zelleib  gerät.  Die  Degeneration  ergreift  Axenzylinder  und  Markscheide,  so  daß  bei 
Anwendung  der  Markscheidenfärbung  Lage  und  Verlauf  degenerierter  Fasern  durch  den  Mangel  an 
Färbung  sich  aus  der  Umgebung  abheben.  Bei  Tieren  werden  Degenerationen  experimentell  hervor- 
gerufen; bei  Menschen  bilden  zufällige  Verletzungen  und  Erkrankungen  gewissermaßen  das  Experiment. 

Die  Verwertung  der  Markscheidenentwicklung  beruht  auf  der  Tatsache,  daß  die  Nerven- 
fasern des  fetalen  Zentralnervensystems  zunächst  marklos  sind,  und  erst  allmählich  während  der 
letzten  Monate  des  fetalen  Lebens  und  noch  später  nach  der  Geburt  Markscheiden  erhalten.  Die 
Markscheidenentwicklung  tritt  zu  bestimmter  Zeit  an  bestimmten  Bahnen  ein  und  ermöglicht  so 
eine  bequeme  Verfolgung. 

Eine  wertvolle  Ergänzung  der  Markscheidenfärbung  ist  die  Marchische  Methode.  Sie  ist 
nur  bei  Degenerationen  markhaltiger  Nervenfasern  zu  verwerten,  denn  sie  färbt  die  Degenerations- 
produkte der  Markscheide.  Sie  beruht  darauf,  daß  die  Überosmiumsäure  zusammen  mit  Chromsalzen 
in  Lösung  verwendet,  das  Nervenmark  nicht  färbt,  dagegen  freies  Fett  schwärzt.  Nun  bildet  sich 
bei  der  Degeneration  der  markhaltigen  Nervenfasern  Fett  in  Gestalt  kleiner  Körnchen  und  Kügelchen; 
deren  Schwärzung  zeigt  den  Verlauf  der  degenerierten  Fasern  an. 

Die  Marchische  Methode  ist  bei  Untersuchung  von  Degenerationen  durch  die  positive  Dar- 
stellung der  Degenerationsprodukte  in  mancher  Hinsicht  der  Markscheidenfärbung  überlegen,  bei 
welcher  die  degenerierten  Fasern  nur  an  der  fehlenden  Färbung  erkannt  werden  und  deshalb  in 
größeren  Mengen  nebeneinander  vorhanden  sein  müssen,  um  mit  Sicherheit  erkannt  zu  werden.  Bei 
der  Marchi-Methode  kann  man  dagegen  auch  feinere  Faserbündel  verfolgen.  Die  Anwendung  dieser 
Methode  erfährt  indessen  eine  gewisse  Beschränkung  dadurch,  daß  die  Fetttröpfchen  erst  nach  einer 
bestimmten  Zeit  auftreten  und  dann  in  kurzer  Zeit  durch  Resorption  verschwinden.  Man  ist  also  an 
eine  bestimmte  Zeit  gebunden  und  kann  weder  vorher  noch  nachher  ein  Resultat  erwarten,  während 
die  Markscheidenfärbung  ihre  Resultate  zu  jeder  Zeit  nach  dem  Schwunde  der  Markscheiden  gibt. 

Den  beiden  folgenden  Methoden,  der  Chromsilber-Imprägna tion  und  der  Methylen- 
blaufärbung, verdanken  wir  Aufschlüsse  über  die  Zellkörper  der  Neuronen,  den  Verlauf  der 
Dendriten,  das  Verhalten  der  Kollateralen  und  einiges  über  den  Verlauf  des  Neuriten.  Während 
also  (für  die  Zentren  höherer  Tiere)  Markscheidenfärbung  und  Marchi-Methode  wesentlich  der  Er- 
forschung der  Mikrotopographie  weißer  Substanz  dienen,  geben  Chromsilber-Imprägnation  und 
Methylenblaufärbung  Aufschlüsse  über  die  Mikrotopographie  der  grauen  Substanz. 

Bei  der  Chromsilber-Methode  (Golgi  1880)  erfolgt  eine  Imprägnation  der  Neuronen 
durch  Chromsilber  dadurch,  daß  die  Objekte  zuerst  mit  Chromsalzen,  dann  mit  einer  Lösung  von 
Argentum  nitricum  behandelt  werden.  Merkwürdig  und  wertvoll  ist  bei  dieser  Methode  die  Er- 
scheinung, daß  sich  von  den  zahlreichen  Neuronen  eines  Stückes  nur  relativ  wenige  imprägnieren, 
jedoch  oft  in  sehr  vollkommener  Weise.  So  erhält  man  eine  Anschauung  von  der  reichen  Dendriten- 
verästelung, welche  man  vorher  kaum  ahnen  konnte.  Die  Kollateralen  und  ihre  Telodendren  wurden 
entdeckt.  Zahlreiche  Aufschlüsse  über  die  Mikrotopographie  des  Zentralnervensystems  wurden  mit 
ihrer  Hilfe  errungen. 

Ergänzt,  berichtigt  und  erweitert  werden  die  Ergebnisse  der  Chromsilber-Imprägnation  durch 
die  (vitale)  Methylenblaufärbung  (Ehrlich  1886).  Das  Methylenblau  färbt  bei  Sauerstoffzutritt 
lebende  und  überlebende  Neuronen  ganz  oder  teilweise.  Man  kann  durch  dasselbe  die  Form  der 
Neuronen,  ihre  Verästelung  und  Verbindung  erkennen,  die  Neurofibrillen  darstellen  und  die  Neuriten 


Das  Rückenmark:   Form  und  Lage.  19 

auf  kürzere  Strecken  verfolgen.  —  Bei  niederen  Tieren  kann  man  den  Aufbau  des  gesamten  Nerven- 
systems an  einem  gut  gefärbten  Präparat  studieren  (Retzius,  Bethe). 

Lehrbücher  und  Atlanten:  Bechterew,  Leitungsbatinen,  Leipzig  1898.  —  Bethe, 
Allgem.  Anat.  und  Physiol.  d.  Nervensystems,  Leipzig  1903.  —  Cajal,  Systema  nervioso  del 
Hombre  etc.,  Madrid  1897—1902.  —  Edinger,  Nervöse  Zentralorgane,  Leipzig  1904.  —  Van 
Gehuchten,  Systeme  nerveux  de  l'homme,  Louvain  1901.  —  Handbuch  der  Neurologie,  hersg. 
von  M.  Lewandowsky,  Berlin  1910.  —  Marburg,  Mikroskopisch-topographischer  Atlas  usw., 
Wien  1904.  —  Villiger,  E.,  Gehirn  und  Rückenmark,  IL  Aufl.,  Leipzig  1910.  —  Ziehen,  Hand- 
buch d.  Anat.  d.  Zentralnervensystems,  Abt.  I,  Jena  1906;  Abt.  II,  1913. 

B.  Spezielle  Neurologie. 

I.  Das  Rückenmark.    Medulla  spinalis. 

1.  Form  und  Lage  des  Rückenmarkes. 

Das  Rückenmark,  der  spinale  Teil  des  zentralen  Nervensystems  (Fig.  23 — 30) 
ist  ein  annähernd  zylindrischer,  in  dorsoventraler  und  besonders  an  seiner  Vorder- 
fläche abgeplatteter,  von  einem  Kanal  durchzogener  Körper  von  symmetrischer 
Gestalt,  welcher  an  der  vorderen  Fläche  zahlreiche  Nervenbündel,  die  motori- 
schen Wurzeln,  entsendet,  an  der  hinteren  Fläche  zahlreiche  Nervenbündel,  die 
sensiblen  Wurzeln,  aufnimmt  und  von  häutigen  Hüllen  umgeben  im  Wirbel- 
kanal liegt.  Cranial  setzt  es  sich  unmittelbar  in  das  bereits  dem  Gehirn  angehörige 
verlängerte  Mark,  Medulla  oblongata,  fort. 

Skeletotopisch  erstreckt  es  sich  vom  cranialen  Rande  des  Atlas  bis  zur 
Gegend  des  zweiten  Lenden-,  beziehungsweise  des  zweiten  Steißwirbels.] 

Als  craniales  Ende  des  Rückenmarkes  ist  jene  Stelle  zu  bezeichnen,  welche  dem  Austritt 
des  ersten  Halsnervenpaares,oder  dem  Beginn  der  Pyramidenkreuzung  entspricht;  sie 
liegt  dem  cranialen  Rande  des  Atlas  gegenüber. 

Dem  Schein  nach  verhält  sich  das  Rückenmark  zur  Wirbelsäule,  wie  das  Knochenmark  zu  den 
Röhrenknochen;  daher  von  Alters  her  der  Name.  Es  füllt  den  Wirbelkanal  nicht  ganz  aus,  doch  stellt 
es  den  mächtigsten  und  wichtigsten  Inhalt  des  Wirbelkanales  dar  und  bedingt  den  letzteren.  Die 
dauernden  Krümmungen,  sowie  die  mit  den  Bewegungen  des  Rumpfes  zusammenhängenden  wechseln- 
den Biegungen  der  Wirbelsäule  werden  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  dem  Rückenmark  wieder- 
holt und  mitgemacht. 

Das  Rückenmark  ist  nicht  an  allen  Stellen  von  gleicher  Breite  und  Dicke. 
Besonders  auffallend  sind  an  ihm  zwei  ansehnliche,  langgestreckte,  spindelförmige 
und  symmetrische  Anschwellungen,  eine  obere,  die  Halsanschwellung,  In- 
tumescentia  cervicalis,  und  eine  untere,  die  Lendenanschwellung,  In- 
tumescentia  lumbalis,  welche  dem  Ursprungsgebiet  der  starken  Extremi- 
tätennerven entsprechen  und  vorzugsweise  durch  Zunahme  des  queren  Durch- 
messers hervorgebracht  werden. 

Man  unterscheidet  am  Rückenmark  mit  Rücksicht  auf  die  abgehenden 
Nervenpaare  eine  Pars  cervicalis,  welche  die  8  Halsnerven  — ,  eine  Pars 
thoracalis,  welche  die  12  Brustnerven  — ,  eine  Pars  lumbalis,  welche  die 
5  Lendennerven  — ,  und  eine  Pars  sacralis,  welche  die  5  Kreuznerven  und  den 
ersten  Steißnerven  abgehen  läßt.  Letztere  bildet  den  Markkegel,  Conus  medul- 
laris,  dessen  Spitze  etwa  2  mm  dick,  sich  in  den  langen  Endfaden  des 
Rückenmarkes,  Filum  terminale,  fortsetzt.     Fig.  26. 

Jede  der  genannten  Abteilungen  gliedert  sich  in  so  viele  Folgestücke, 
als  die  Abteilung  Nervenpaare  enthält.    Das  Rückenmark  besteht  also  aus  einer 

Raober-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  9 


20 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


ventrale  Fläche 


dorsale  Fläche 


Oliva 

Corpus  restiforme 
Decussatio  pyramidum 

Fissura  mediana  ant. 


Intumescentia  cervicalis 
Sulcus  lat.  ant. 


Funiculus  anterior 


jniculus  lat. 


Fissura  medfana  ant. 


Intumescentia  lumbalis 


Sulcus 

medianus  post. 


Sulcus  lat.  post. 


Sulcus  lat.  post. 


Funiculus  post. 


Filum  terminale 

n 


Fig.  25. 


Conus  medullaris 


Fig.  23. 


Fig.  24. 


Fig.  23  und  24.     Vordere  (Fig.  23)  und  hintere  (Fig.  24).     Ansicht  der  Modulla  oblongata   und  des  Rückenmarkes. 
1  Pyramis  (medullae  oblongatae) ;   4  Fossa  rhomboidea;    4*  Pars  inf.  fossae  rhomboideae  (Calamus  scriptorius). 
Stelle,  an  welcher  das  Filum  terminale  abgeschnitten  ist 


Fig.  25.     Das  Filum  terminale  ist  bei   V  abgeschnitten  und  besonders  dargestellt. 


Das  Rückenmark:   Form  und  Lage. 


21 


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großen  Anzahl  zusammenhängender  Folgestücke,  Segmente,  deren  mindestens  31 
gezählt  werden. 

Das  Filum  terminale  besteht  aus  zwei  Abschnitten,  dem  Filum  terminale 
internum  und  externum.  Jenes  liegt  innerhalb,  dieses  außerhalb  des  Sackes  der 
Dura  mater.  Das  Filum  terminale  internum  durchzieht  in  einer  Länge  von  16  cm, 
zwischen  den  langen  Wurzeln  der  beiderseitigen  Lumbal-  und  Sakralnerven  in  der 
Medianebene  gelegen,  den  kaudalen  Teil  des  Durasackes  und  erreicht  mit  letzterem 
den  zweiten  Kreuzwirbel.  Das  Filum  terminale  externum,  8  cm  lang,  wird  von 
einer  Fortsetzung  der  Dura,  Vagina  terminalis,  eng  umschlossen,  welche  das 
Filum  durae  matris  spinalis  bildet,  und  endigt  unter  spateiförmiger  Ver- 
breiterung an  der  hinteren  Fläche  des  zweiten  Steißwirbelkörpers,  indem  es  in 
dessen  Periost  übergeht.     Fig.  26,  32. 

Die  Länge  des  Rückenmarkes  des  Erwachsenen,  vom  cranialen 
Ende  bis  zur  Konusspitze  gemessen,  beträgt  im  Mittel  beim  Manne  45, 
beim  Weibe  41 — 42  cm. 

Quere  Durchmesser:  In  der  Mitte  der  Pars  thoracalis  beträgt 
der  quere  Durchmesser  10,  dersagittale  8  mm;  im  breitesten  Teile  der 
Halsanschwellung  steigt  der  quere  Durchmesser  auf  13-14,  in  der 
Lendenanschwellung  auf  12  mm,  während  der  sagittale  kaum  um  1  mm 
zunimmt.  Oberhalb  der  Halsanschwellung,  zwischen  ihr  und  der  Ob- 
longata,  beträgt  der  Quermesser  11 — 12  mm. 

Die  Abhängigkeit  der  Anschwellungen  von  der  Mächtigkeit  der 
Gliedmaßen  ergibt  sich  einmal  aus  dem  Umstände,  daß  Verluste  der 
Gliedmaßen  bei  wachsenden  Individuen  zu  mangelhafter  Ausbildung 
der  Anschwellungen  führen,  ferner  aus  vergleichend-anatomischen 
Gründen.  Bei  jenen  Fischen,  welchen  Gliedmaßen  fehlen,  durchzieht 
das  Mark  in  gleichmäßiger  Stärke  den  Wirbelkanal,  um  im  Kaudalteil 
sich  allmählich  zu  verjüngen;  mit  starken  Extremitäten  versehene 
Tiere  dagegen  zeigen  starke  Anschwellungen,  wie  besonders  Schild-  ,J,  //        \K 

kröten,  Vögel. 

Topographie:  Skeletotopisch  beginnt  die  Halsanschwel- 
lung am  zweiten  Halswirbel  und  endigt  am  zweiten  Brustwirbel;  sie 
erreicht  ihre  größte  Breite  in  der  Höhe  des  fünften  bis  sechsten  Hals- 
wirbels.  Die  Lendenanschwellung  beginnt  in  der  Gegend  des  zehnten 

Brustwirbels  und  erreicht  am  zwölften  Brustwirbel  ihr  Maximum.    Die         iP"\  ^ii.  II       K1*Vlt 
stumpfe  Spitze  des  Conus  medullaris,  welche  bei  Längenmessungen  , 

des  Markes  allgemein  als  kaudalesEnde  des  Rückenmarkes  angenommen         SiO 
wird,  liegt  mit  geringen  Schwankungen  in  der  Gegend  des  unteren 
Randes  des  ersten  Lendenwirbels,. so  insbesondere  beim  Manne.    Beim  i 

Weibe  liegt  die  Konusspitze  in  der  Regel  etwas  tiefer,  bis  zur  Mitte 
des  zweiten  Lendenwirbels.  Tiefer  noch  reicht  sie  beim  Neugeborenen 
hinab  und  erreicht  den  unteren  Rand  des  zweiten  oder  dritten  Lenden- 


Fig.  26.     Kaudaler  Teil  des  Rückenmarkes  mit  der  Cauda  equina  und  der  beide 
umgebenden  Dura  mater  von  hinten.     1:3. 

Der  Sack  der  Dura  mater  ist  von  hinten  her  aufgeschnitten  und  auseinander  gezogen; 
links  sind  alle  Nervenwurzeln  erhalten,  rechts  sind  die  unteren  Nervenwurzeln  bis 
zu  ihrer  Durchtrittstelle  durch  die  Dura  abgeschnitten.  Das  Steißbein  ist  an  seiner 
natürlichen  Lagerungsstelle  angebracht,  um  das  Verhältnis  des  Filum  terminale  und 
der  Steißbeinnerven  zu  demselben  zu  zeigen,  a  Sulcus  medjanus  posterior;  b,  b  Filum 
terminale,  ein  wenig  nach  der  rechten  Seite  herübergezogen;  b'  Filum  terminale  ex- 
ternum, außerhalb  des  Sackes  der  Dura  mater  (c,  c,  c,  c);  d,  d  Öffnungen  in  derselben 
für  den  Durchtritt  der  Nervenwurzeln;  e  Lig.  denticulatum ;  DX,  DXII  zehnter  und 
zwölfter  Brustnerv;  LI  u.  LV  erster  und  fünfter  Lumbainerv;  Sl  u.  SV  erster  und 
fünfter  Sakralnerv;    CI  Nervus  coecygeus. 


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22  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

wirbeis.  Das  Weib  ist  hiernach  in  diesen  wie  in  manchen  anderen  Verhältnissen  der  kindlichen 
Beschaffenheit  ähnlicher  geblieben. 

Das  Gewicht  des  Rückenmarkes  ist  34 — 38  Gramm;  es  verhält  sich  zum  Hirngewicht  wie 
1  :  48,  das  spezifische  Gewicht  ist  1034,  das  Volum  33  ccm. 

Die  Festigkeit  der  Substanz  des  Rückenmarkes  ist  nicht  bedeutend,  immerhin  hat  das 
frische  Mark  eine  unerwartete  Zähigkeit  und  Elastizität.  Bald  aber  verliert  sich  dieselbe  und  es 
tritt  mit  beginnender  Zersetzung  Weichheit  und  Zerfließlichkeit  an  deren  Stelle. 

Wird  ein  Rückenmark  aus  dem  Wirbelkanal  genommen  und  auf  eine  ebene  Fläche  ausgebreitet, 
so  gleichen  sich  seine  natürlichen  Krümmungen  aus.  Wird  dasselbe  Mark  in  ein  hohes,  mit  geeigneter 
Flüssigkeit  gefülltes,  zylindrisches  Gefäß  gehängt,  so  treten  die  Krümmungen  wieder  hervor  (Flesch). 
Vom  cranialen  Ende  bis  zur  Konusspitze  sind  ihrer  besonders  zwei  zu  zählen,  eine  Hals-  und  eine 
Brustkrümmung,  die  am  siebenten  Halswirbel  ineinander  übergehen;  an  dieser  Stelle  befindet  sich 
eine  starke  ventralwärts  konvexe  Ausbiegung,  untere  Halskrümmung.  Oberhalb  der  letzteren  ist 
das  Halsmark  sanft  dorsalwärts  gebogen.  An  der  Übergangsstelle  zur  Oblongata  erfolgt  eine  neue 
hinten  konvexe  Richtungsänderung. 

Das  Rückenmark  füllt  den  Wirbelkanal  nicht  ganz  aus.  Außer  den  drei  umhüllenden  Häuten, 
Pia,  Arachnoidea,  Dura,  gehören  zu  den  ausfüllenden  Mitteln  eine  ansehnliche  Menge  sub- 
arachnoidaler  Lymphe,  reichliche  Venenplexus,  ferner  die  freien  und  von  Durascheiden  umschlossenen 
Teile  der  Nervenwurzeln  und  Fettgewebe. 

Wird  an  einem  Rückenmark  der  umgebende  Durasack  gespalten,  so  bemerkt  man,  daß  vom 
Lendenteil  an  die  Nervenwurzeln  dicht  gedrängt  und  steil  caudalwärts  ziehen.  Der  caudale  Teil  des 
Rückenmarkes  samt  den  umgebenden  Nervenwurzeln  erinnert  hiernach  an  die  Form  eines  Pferde- 
schweifes; daher  der  alte  Name  Cauda  equina  für  das  ganze  Bündel.    Fig.  26,  28 — 30. 

2.  Furchen  und  Stränge  des  Rückenmarkes. 

a)  Furchen.     Fig.  23—27,  37. 

An  dem  von  seinen  Hüllen  befreiten  Rückenmark  sind  mehrere  Längsfurchen 
wahrzunehmen,  zwei  unpaare,  median  gelegene  und  vier  paarige,  welche  verschieden 
tief  in  den  Markmantel  eindringen  und  verschiedene  Bedeutung  besitzen. 

Die  vordere  Längsspalte,  Fissura  mediana  anterior,  in  der  vorderen 
Mittellinie  bis  zu  4  mm  eindringend,  erweitert  sich  an  ihrem  Grunde,  wird  am 
cranialen  und  kaudalen  Ende  des  Markes  flacher  und  birgt  einen  ansehnlichen  Fort- 
satz der  Gefäßhaut  (Septum  longitudinale  anterius),  welcher  dem  Marke  an- 
sehnliche und  zahlreiche  Gefäße  zuführt. 

Die  hintere  Längsfurche,  Sulcus  medianus  posterior,  ist  eine  ober- 
flächliche Längsrinne.  In  ihrer  Fortsetzung  zieht  das  feine,  stellenweise  unter- 
brochene Septum  posterius  4 — 6  mm  in  die  Tiefe.  Es  besteht  aus  Neuroglia- 
fasern,  erreicht  die  zentrale  graue  Substanz  und  hängt  mit  ihr  zusammen,  während 
das  Septum  anterius,  aus  Bindegewebe  bestehend,  an  der  weißen  Kommissur 
Halt  macht. 

Die  vordere  Seitenfurche,  Sulcus  lateralis  anterior,  dient  zum  Austritt 
der  vorderen  Nervenwurzeln;  sie  ist  keine  eigentliche  Furche,  sondern  erscheint 
als  ein  schmales,  viel  durchlöchertes  Feld  von  2  mm  Breite,  wenn  die  vorderen 
Wurzelbündel  ausgezogen  wurden. 

Die  hintere  Seitenfurche,  Sulcus  lateralis  posterior,  ist  eine  wirkliche 
Längsfurche,  in  welche  die  starken  hinteren  Nervenwurzeln  mit  einer  einzigen  Reihe 
eintreten. 

Beide  Seitenfurchen  sind  von  der  entsprechenden  Medianfurche  im  Brustteil 
des  Markes  nur  je  etwa  2,4,  an  den  Anschwellungen  aber  3 — 3,5  mm  entfernt.   Am 


Das  Rückenmark:   Furchen  und  Stränge. 


23 


Markkegel  nähern  sich  die  Seitenfurchen  der  Mitte  und  verstreichen  endlich  etwas 
früher  als  die  Mittelfurchen. 

Außer  diesen  für  den  Nervenaustritt  bestimmten  Seitenfurchen  besitzt  das 
Mark  jederseits  noch  einen  Sulcus  intermedius  anterior  und  posterior.  Der 
erstere  ist  nicht  konstant,  doch  oft  als  feine  wichtige  Furche  neben  der  vorderen 
Mittelfurche  wahrzunehmen;  der  Sulcus  intermedius  posterior  ist  besonders  im 
Halsteil  deutlich  wahrnehmbar  und  von  der  hinteren  Mittelfurche  1   mm  entfernt. 

b)  Markstränge,  Funiculi  medullae  spinalis.     Fig.  23,  24,  37. 

Durch  die  beschriebenen  Furchen  werden  jederseits  folgende  Stränge  ab- 
gegrenzt: 

A  Sulcus  lat.  posl.      Sulcus  medianus  post. 


Radix  ant 


Radix  post. 

Ganglion  spinale 


Ra  m  u  s  ant. 


Ramus  ant 

Ramus  post. 
B 

Sulcus  medianus  post.    — ■ 


*     Fissura  mediana  ant.  Ramus  post. 


Fissura  mediana  ant. 


Radix  ant. 


Ramus  post. 


Ramus  ant. 


Fig.  27. 

Stücke  vom  Halsteil  des  Rückenmarkes  mit  den  austretenden  Nervenwurzeln.     2:1. 

A  Rückenmark  von  vorn;  auf  der  rechten  Seite  sind  die  vorderen  Wurzelfäden  bei  5  durchschnitten;  3  Sulcus  lat.  ant.  mit 
austretenden  vorderen  Wurzelfäden.    B  Rückenmark  von  der  Seite  gesehen;  6'  Ganglion  spinale. 

Vorderstrang,  Funiculus  anterior;  zwischen  der  vorderen  Mittelfurche 
und  dem  lateralen  Rande  des  Sulcus  lateralis  anterior.  Durch  den  Sulcus  inter- 
medius anterior  wird  ein  schmales  mediales  Stück  abgegrenzt,  der  Fasciculus 
cerebrospinalis  anterior  (pyramidalis  ant.),  das  laterale  Stück  heißt  Fasci- 
culus anterior  proprius  (Flechsigi). 

Seitenstrang,  Funiculus  lateralis;  zwischen  dem  Sulcus  lateralis  anterior 
und  posterior,  der  mächtigste  aller  Stränge. 

Hinterstrang,  Funiculus  posterior;  zwischen  der  hinteren  Mittelfurche 
und  dem  Sulcus  lateralis  posterior.  Er  wird  durch  den  Sulcus  intermedius  posterior 
in  zwei  Teile  zerlegt;  der  mediale  heißt  Gollscher  Strang  oder  zarter  Strang, 
Fasciculus  gracilis  (Golli);  der  laterale  dagegen  Burdachscher  Strang  oder 
Keilstrang,  Fasciculus  euneatus  (Burdachi). 

Vorderstrang  und  Seitenstrang  stehen  entsprechend  der  Eigentümlichkeit  des  Austrittsfeldes 


24  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

der  vorderen  Wurzeln  in  innigerem  Verhältnisse  zueinander,  als  Seitenstrang  und  Hinterstrang. 
Jene  beiden  werden  daher  oft  gemeinsam  Vorder-Sei tenstrang  genannt. 

Die  auffallende  Anordnung,  daß  die  vorderen  motorischen  Nervenwurzeln  im  Sulcus 
lateralis  anterior,  die  hinteren,  wesentlich  sensiblen  dagegen  im  Sulcus  lateralis  posterior 
das  Rückenmark  verlassen,  fordert  eine  Erklärung.  Es  wird  sich  später  zeigen,  daß  auch  die 
Ursprungskerne  der  motorischen  Nerven  im  Rückenmark  vorn  (ventral),  die  Ursprungskerne  der 
sensiblen  aber,  hinten  (dorsal)  in  den  Spinalganglien  gelegen  sind.  Welches  ist  der  Sinn  dieser  Ein- 
richtung? Warum  findet  nicht  das  Umgekehrte  statt?  Worin  ist  diese  Regelmäßigkeit  begründet?  Die 
sensiblen  Nerven  sind  vor  allem  Nerven  der  Haut  und  der  Sinnesorgane.  Die  Haut  aber  hat  die 
gleiche  Abkunft,  wie'das  zentrale  Nervensystem  (mit  Hüllen)  und  liegt  mit  ihm  ursprünglich  am 
meisten  peripher.  Es  ist  also  begreiflich,  daß  die  Hautnerven  ihre  Ursprungskerne  am  meisten 
dorsal  haben.  Die  motorischen  Nerven  gehören  der  tiefer  liegenden  Muskulatur  an;  es  liegt  also 
nahe,  daß  sie  auch  ihre  Ursprungskerne  tiefer,  mehr  ventral  haben.  Entsprängen  die  Hautnerven 
ventral,  die  Muskelnerven  dorsal,  so  wäre  hierfür  gar  kein  Grund  einzusehen  und  es  müßten  sich 
beide  Nervenscharen  kreuzen,  um  zum  Ziele  zu  gelangen.  In  der  Tat  findet,  soweit  es  für  dorsale 
Muskeln  erforderlich  geworden  ist,  jenseits  der  Ursprungskerne  eine  teilweise  Kreuzung  statt. 

3.  Hüllen  des  Rückenmarkes. 

Das  Rückenmark   besitzt  drei  häutige   Hüllen.     Diese  sind  von  außen  nach 
innen  gezählt: 

a)  die    harte    Rückenmarkshaut,    Dura  ■  mater   spinalis    (Pachymeninx 
spinalis), 

b)  die  Spinnenwebehaut,  Arachnoidea  spinalis, 

c)  die  weiche  Rückenma  rkshaut,  Gefäßnäüf,  Pia  mater  spinalis. 
Pia  und  Arachnoidea  werden  zusammen  auch  Leptomeninx  genannt.    Alle 

drei  Hüllen  sind  bindegewebiger  Art,  unterscheiden  sich  aber  im  Bau  und  Gefäß- 
gehalt sehr  beträchtlich  voneinander.  Die  gleichen  Hüllen  kommen  auch  dem 
Gehirn  zu;  im  Gebiete  des  Foramen  occipitale  magnum  geht  der  spinale  Teil  der 
Hüllen  der  Nervencentra  in  den  cerebralen  über.     Fig.  21. 

a)  Dura  mater  spinalis.  Fig.  21,  28 — 35. 
Sie  besteht  aus  zwei  weit  voneinander  abstehenden  Blättern,  einem  dünnen 
periostalen  Blatt  zur  Auskleidung  des  Wirbelkanals  (Lamina  externa,  Endorhachis) 
und  der  Dura  spinalis  im  engeren  Sinne,  Lamina  interna,  welche  eine  starke 
fibröse,  sehnenartig  glänzende  Haut  darstellt.  Zwischen  beiden  Blättern  liegt 
lockeres  Bindegewebe,  Fettgewebe,  die  großen  Venenplexus  des  Wirbelkanals,  so- 
wie ein  alle  diese  Teile  durchsetzendes  ansehnliches  Lückensystem,  der  epi- 
durale (interdurale)  Lymphraum  (Waldeyer  und  Fischer),  Cavum  epi- 
durale.    Fig.  33. 

Die  Dura  spinalis  i.  e.  S.  bildet  einen  langen  und  weiten,  außen  rauhen,  innen 
glatten  und  glänzenden  Sack  von  zylindrischer  Form,  der  einen  viel  weiteren 
Umfang  hat  als  das  umschlossene  Mark.  Er  ist  am  Umfange  des  Foramen 
occipitale  fest  angeheftet,  ragt  weit  über  die  Spitze  des  Conus  medullaris  kaudal- 
wärts  und  verjüngt  sich  erst  in  der  Höhe  des  zweiten  oder  dritten  Kreuzwirbels 
rasch  zu  einer  kegelförmigen  Spitze.  Dicht  unterhalb  des  Foramen  occipitale 
treten  die  Aa.  vertebrales  durch  ihn  hindurch.  Eine  Fortsetzung  der  Dura  erstreckt 
sich  als  enge  Vagina  terminalis  mit  dem  Filum  terminale  externum  des  Markes 
bis  zum  Steißbein  herab,  und  bildet  das  Filum  durae  matris  spinalis.  Es 
geht  spateiförmig  verbreitert  in  das  hintere  Periost  des  zweiten  Steißwirbels  über 
(siehe  S.  21). 


25 


Vertebra  thoracalis  XI 


Dura  mater  spinalis — 


Arachnoidea  spinalis 


Cisterna  terminalis 
des  Cavum  subarachnoidale " 


~5äue 


Fig.  28.    Hüllen  des  Rückenmarkes. 

Der  Wirbelkanal  ist  vom  elften  Brustwirbel  bis  zum  oberen  Ende  des  Kreuzbeins  durch  Wegnahme  der  Wirbelbögen 
eröffnet.   Die  Dura  mater  spinalis  ist  in  der  Mittellinie  aufgeschnitten  und  zur  Seite  geklappt,  so  daß  der  Arachnoidal- 
sack  sichtbar  ist.    Die  Venen  des  Conus  terminalis,  Filum  terminale  und  Cauda  equina  schimmern  durch  die  Arach- 
noidea durch.    (Nach  Qerstenberg  und  Hein  190S.    Zeitschr.  Geburtshilfe  u.  Gynäkologie  Bd.  61.) 


26 


Yertebra  Ihoracalis  XI. 


Dura  niater  spinalis ! 


Arachnoidea  spinalis  — 


Cauda  equina 1 


Filum  terminale 


Fig.  29.    Hüllen  des  Rückenmarkes.     Dasselbe  Präparat  wie  in  Fig.  28. 

Die  Arachnoidea  ist  hier  ebenfalls  gespalten,  die  Canda  eqnina  ist  nach  links  und  rechts  auseinandergelegt. 

(Nach  Q ersten berg  und  Hein  1908.) 


Das  Rückenmark:   Hüllen,  Dura  mater  spinalis. 


27 


Der  Durasack    ist    an    verschiedenen   Stellen    mit    der  Wand    des  Wirbelkanals  durch 
Bindegewebszügc  verbunden: 

1.  durch  Biinder,  welche  an  der  ventralen  Seite  der  Dura  zum  Lig.  longitudinale  posterius 
und  zum  Lig.  sacrococcygcum  post.  ziehen:  Ligg.  anteriora  durac  matris; 

2.  durch   Bünder,  welche  von   den  Seiten  zu  den  Wirbelbügen  ziehen:   Ligg.  dorso- 
la teralia  durae  matris; 

3.  durch  ein  Band  im  Halsteile,  welches  die  Durascheiden  der  Halsnerven  untereinander 
verbindet:  Lig.  intervertebrale  cervicale; 

4.  durch  die  Durascheiden  der  Spinalnervenwurzeln,  siehe  die  Figuren  31  u.  32. 

Aß  C 


Fig.  30. 

Rückenmark  mit  den  Hüllen  und  den  hinteren  Wurzeln  von  hinten,  in  drei  Stücke  A,  B,  C,  zerteilt.  1  :  2.  (Sappey.) 
Der  Sack  der  Dura  mater  ist  durch  teilweise  Abtragung  derselben  von  hinten  eröffnet.  Auf  der  linken  Seite  sind  die 
hinteren  Wurzeln  entfernt,  um  das  Lig.  denticulatum  zur  besseren  Übersicht  seiner  Anordnung  freizulegen;  auf  der  rechten 
Seite  übersieht  man  den  Durchtritt  der  Nervenwurzeln  durch  die  Dura  mater.  In  A  bedeutet  I  (oben)  den  ersten,  VIII  den 
achten  Halsnerven,  I  (unten),  II  und  III  die  drei  ersten  Brustnerven;  in  B  bedeutet  IV  den  vierten,  XII  den  zwölften  Brust- 
nerven, I  den  ersten  Lendennerven ;  in  C  sind  mit  II  und  V  der  zweite  und  fünfte  Lendennerv,  mit  I  und  V  der  erste  und 
fünfte  Sakralnerv  bezeichnet.  1  Fossa  rhomboidea ;  2  Brachium  conjunetivum;  3  Brachium  pontis;  4  Corpus  restiforme ; 
5  Ciavae  der  Fasciculi  graciles ;  6  N.  glossopharyngeus;  7  N.  vagus;  S  N.  accessorius;  9,  9,  9,  9  Ansatzstellen  des  Lig. 
denticulatum  an  der  Dura  mater;  10,  10,  10,  10  Austritte  der  hinteren  Nervenwurzeln;  11,  11,  11,  11  hintere  Längsfurche; 
12,  12,  12,  12  Spinalganglien;  13,  13  vordere  Nervenwurzeln;  14  Rückenmarksnerven  mit  ihren  Teilungen  in  hintere  und 
vordere  Aste;  15  Conus  medullaris;  16,  16  Filum  terminale  internum ;  (das  Filum  terminale  externum  ist  als  ein  zwischen 
den  beiden  Steißnerven  herabziehender  Faden  zu  denken);  17,  17  Cauda  equina. 


Mit  den  umhüllten  Teilen  verbindet  sich  die  Dura  auf  zweierlei  Weise: 

a)  Mit  der  Außenfläche  der  Arachnoidea  durch  feine,  bindegewebige  sub- 
durale Fäden,  von  welcher  sie  im  übrigen  durch  eine  flächenhaft  ausgedehnte 
kapillareLymphspalte,  den  Subdural  räum,  Cavumsub  durale,  getrennt  ist.  Fig.  33. 

b)  Mit  der  Pia  durch  zwei  symmetrisch  gelegene  Längsreihen  von  je  19 — 23 
flachen  Zacken,  welche  die  Ausläufer  eines  frontal  gestellten  schmalen  Bindegewebs- 


28 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


blattes  sind  und  mit  diesem  zusammen  das  Zackenband  des  Rückenmarkes, 
Ligamentum  denticulatum,  darstellen. 

Das  Band  ist  an  der  Pia  mater  befestigt  und  dient  als  Befestigungsmittel  des 
Markes. 

Die  oberste  Zacke  liegt  dicht  über  der  Durchbohrungsstelle  des  Durasackes 
durch  die  A.  vertebralis  und  über  dem  ersten  Halsnerven  (Fig.  21).  Die  folgenden 
setzen  sich  jedesmal  zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden  Nerveneintrittsstellen  der 
Dura  fest.  Die  letzte  liegt  zwischen  dem  letzten  Brust-  und  dem  ersten  Lenden- 
nerven.    Caudal  von  der  letzten  Zacke  ist  der  seitliche  Bandstreifen  noch  bis  zum 


Yertdar^.I. 


M.  cocr..f. 


Fig.  31. 

Fig.  31.     Der  obere  Teil  der  Wirbelsäule  eines  2  Monate 
alten  Kindes,   von  hinten  eröffnet   und  die  Wirbelbögen 
fast  bis  In  die  Ebene  der  Foramina  IntervertebraHa  ab- 
getragen.    */a  :  1. 
/'  Lig.   intervertebrale   cervicale  von   hinten;    c  Ligg.  dorso- 
lateralia  cervicalia  (inkonstant). 
Fig.  32.     Unteres  Ende  der  Wirbelsäule  eines  über  1  Jahr  alten  Kindes,  von  hinten  eröffnet.     -  s:l. 
s  die  zwei  charakteristischen  Ligg.  dorsolateralia  sacralia ;  sie  ziehen  gewöhnlich  zum  3.,  hier  zum  4.  Sakralwirbelbogen  ; 
sx.  So  die  konstanten  tieferen  Ligg.  dorsoiateralia  sacralia,  die  oft  zahlreicher  sind  als  hier;  st  die  inkonstanten  Ligg.  dorso- 
lateralia sacralia.    (M.  Hoffmann,  1898.) 


Fig.  32. 


Conus  medullaris  zu  verfolgen.  Vor  der  vorderen  Fläche  des  Bandes  haben  die 
vorderen,  hinter  der  hinteren  Fläche  die  hinteren  Nervenwurzeln  und  der 
N.  accessorius  ihre  Lage.     Fig.  30,  33. 

Die  Dura  besteht  aus  dichtverflochtenen  Bündeln  fibrillären  Bindegewebes  von 
vorwiegendem  Längsverlauf.  Zwischen  den  Bündeln  bleibt  ein  Saftbahnsystem 
ausgespart,  welches  nach  beiden  Oberflächen  hin  Öffnungen  besitzt.  Beide  Ober- 
flächen der  Dura  haben  einen  Endothelüberzug. 

Die  Dura  hat  Blutgefäße  (Vasa  meningea)  und  Nerven  (Nervi  meningei).  Ab 
und  zu  treten  außer  anderen,  später  zu  erwähnenden  Nerven,  meist  zwischen  zwei 
Nervenwurzeln  feine  Fäden  direkt  aus  dem  Rückenmark,  welche  einer  Zacke  des 
Lig.  denticulatum  sich  anschließend  zur  Dura  gelangen  können  (Hubert). 

b)  Arachnoldea  spinalis.  Fig.  28,  29,  33—35. 
Sie  ist  eine  zarte  gefäß-  und  nervenlose  Haut,  welche  mit  ihrer  glatten,  endo- 
thelüberkleideten  Außenfläche  der  Dura  anliegt,  während  ihre  innere,  ebenfalls  endo- 
thelüberkleidete  Oberfläche  durch  zahlreiche  subarachnoidale  Bälkchen  und  Häutchen 
mit  der  Pia  verwachsen  ist.  Zwischen  ihr  und  der  Pia  mater  befindet  sich  das 
Cavum  subarachnoidale,  welches  von  ansehnlicher  Weite  ist  und  eine  beträcht- 


29 


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Das  Rückenmark:   Arachnoidea  spinalis,  Pia  mater  spinalis.  31 

liehe   Menge    Flüssigkeit,    den    Liquor   cerebrospinalis,    enthält,    wahrend   der 
Subduralraum  nur  eine  kapillare  Spalte  darstellt. 

Die  subarachnoidale  Flüssigkeit  steht  mit  den  großen  und  vielen  subarachnoidalen  Räumen 
des  Gehirns,  sowie  mit  der  Vcntrikelflüssigkeit  des  letzteren  in  ununterbrochener  Verbindung  und 
stellt  den  Liquor  cerebrospinalis  dar,  dessen  Menge  60 — 200  Gramm  betrügt.  In  ihm  wird 
das  Rückenmark  schon  fast  schwimmend  getragen,  wie  in  einem  flüssigkciterfüllten  Gefäße;  hierzu 
kommen  dann  die  übrigen  Befestigungsmittel. 

Die  Arachnoidea  umhüllt  demgemäß  das  Rückenmark  als  ein  weiter,  es  lose 
umgebender  Sack,  welcher  außen  durch  die  Dura  gestützt  wird.  Der  zwischen  ihr 
und  der  Pia  vorhandene,  serumerfüllte  Raum  wird  von  dem  Lig.  denticulatum 
durchschritten  und  dadurch  unvollständig  in  eine  vordere  und  eine  hintere  Abteilung 
geschieden.  Die  vordere,  von  den  motorischen  Wurzeln  durchsetzte  Abteilung 
stellt  einen  kontinuierlichen  freien  Raum,  den  vorderen  Subarachnoidalraum 
dar.  Die  hintere,  von  den  sensiblen  Wurzeln  durchschrittene  Abteilung  zerfällt 
durch  eine  mediane  Scheidewand,  Septum  subarachnoidale  posterius,  mehr 
oder  weniger  vollständig  in  eine  rechte  und  linke  Hälfte  (Key  und  Retzius).  Das 
Septum  posterius  besteht  im  oberen  Halsteil  nur  aus  einzelnen  Bälkchen.  Im 
unteren  Hals-  und  im  Brustteil  treten  die  Bälkchen  zu  Lamellen  zusammen.  Die 
starken  hinteren  Nervenwurzeln  liegen  außerdem  innerhalb  feiner,  siebförmig 
durchbrochener  Häutchen,  wodurch  nochmals  kleinere  Fächer  im  dorsalen  Sub- 
arachnoidalraum erzeugt  werden.  Um  jede  Zacke  des  Lig.  denticulatum  schickt  die 
Arachnoidea  eine  scheidenartige  Fortsetzung,  deren  Endothel  in  das  der  Dura 
übergeht. 

Die  Arachnoidea  spinalis  besteht  aus  einer  dünnen  Lage  längsverlaufender 
Bündel  von  Bindegewebsfasern,  welche  hier  und  da  schmale  Spalträume  zwischen 
sich  lassen,  die  von  den  Oberflächenendothelzellen  gedeckt  werden.  Die  subarach- 
noidalen Bälkchen  besitzen  sämtlich  Endothelscheiden. 

c)  Pia  mater  spinalis.    Fig.  33,  37. 

Die  Gefäßhaut  des  Rückenmarkes  schmiegt  sich  der  Oberfläche  des  letzteren 
innig  an,  dringt  in  die  Fissura  mediana  ant.  ein  und  bildet  so  das  Septum  lon- 
gitudinale  anterius  des  Rückenmarkes. 

Sie  besteht  aus  zwei  Schichten,  einer  äußeren  und  einer  inneren.  In  die  äußere  gehen  die  sub- 
arachnoidalen Bälkchen  über.  Die  äußere  Lage  baut  sich  aus  dichtliegenden  längsverlauf  enden, 
von  Endothelscheiden  umgebenen  Bindegewebsbündeln  auf  und  ist  außen  von  einem  dünnen  endo- 
thelialen Häutchen  bedeckt. 

Die  Innenlage,  Intima  pia  (Key  und  Retzius),  ist  ein  durch  kapillare  Spalträume  von  der 
äußeren  geschiedenes  Bindegewebsblatt,  welches  aus  einer  dünnen  Schicht  zirkulärer  Fibrillenbündel 
besteht  und  auf  beiden  Flächen  noch  elastische  Fasernetze  trägt;  außen  und  innen  ist  sie  außer- 
dem noch  von  Endothel  bedeckt.     Hier  und  da  treten  Pigmentzellen  im  Gewebe  der  Intima  auf. 

Die  feineren  Blutgefäße  der  Pia  verlaufen  zwischen  beiden  Blättern  und 
dringen  dann,  vom  inneren  Blatte  mit  adventitiellen  Scheiden  versehen,  senkrecht 
in  die  Marksubstanz  ein.  Die  Anfänge  der  genannten  Scheiden  münden  mit 
trichterförmiger  Erweiterung,  sogenannte  Piatrichter  bildend,  in  die  Spalträume 
zwischen  beiden  Blättern  der  Pia.  Letztere  Spalträume  stellen  die  Lymphräume 
der  Pia  dar.  Sie  und  die  Piatrichter  sind  vom  Subarachnoidalraum  aus,  natürlich 
aber  auch  durch  Einstich  in  sie  selbst  injizierbar. 

Die  Nerven  der  Pia  spinalis  stammen  größtenteils  aus  dem  Sympathicus, 
führen  aber  auch  spinale  Elemente.    Sie  bilden  in  der  äußeren  Schicht  der  Pia  den 


32  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Plexus  nervosus  piae  matris.  Die  Bestandteile  dieses  Geflechtes  schließen 
sich  den  kleinen  Arterien  der  Pia  an,  zum  Teil  treten  sie  mit  den  eindringenden 
arteriellen  Ästchen  in  die  gröberen  Septa  des  Markes. 

4.  Gefäße  des  Rückenmarkes. 

a)  Die  Arterien  des  Rückenmarkes  sind: 

1.  Die  Aa.  spinales  anteriores,  Äste  der  Aa.  vertebrales. 

Die  beiden  kleinen  Gefäße  konvergieren  caudalwärts  und  fließen  am  oberen  Markende  zur  un- 
paaren  A.  spinalis  anterior  zusammen.  Letztere  läuft  in  der  vorderen  Längsmitte  des  Markes 
vor  dem  Eingange  der  Fissura  mediana  anterior  in  fast  gleichbleibender  Stärke  bis  zum  Filum 
terminale  und  verliert  sich  auf  ihm.  Am  Conus  mcdullaris  sendet  sie  nach  jeder  Seite  einen  oder 
zwei  feine  Aste,  welche  geschlängelt  unter  den  vorderen  Wurzeln  der  letzten  Nerven  auf  die  Rück- 
seite des  Markes  treten  und  vor  den  hinteren  Nervenwurzeln  aufwärts  umbiegen.  In  dem  Winkel, 
welchen  die  hinteren  Nervenwurzcln  mit  den  Seitensträngen  bilden,  gelangt  das  Gefäß  jederseits 
zu  den  Aa.  spinales  posteriores  und  bildet  so  eine  bogenförmige  Anastomose  zwischen  den 
vorderen  und  hinteren  Spinalarterien. 

2.  Die  Aa.  spinales  posteriores,  gleichfalls  Äste  der  Aa.  vertebrales. 

Sie  entspringen  etwas  weiter  kaudal,  bleiben  aber  im  Gegensatz  zu  den  anteriores  unver- 
einigt und  verbergen  sich  zwischen  dem  Rückenmark  und  den  hinteren  Nervenwurzeln. 

3.  Die  Ramuli  medii  der  Rami  spinales,  d.  i.  der  Spinaläste  der  Aa.  verte- 
brales, intercostales,  lumbales,  iliolumbales,  sacrales  laterales.   (Siehe  Abt.  III,  S.  343). 

Die  Ramuli  medii  entsenden  nämlich  an  Stärke  etwas  wandelbare,  vordere,  regelmäßig 
aber  feine  hintere  Zweige  mit  den  vorderen  und  den  hinteren  Nervenwurzeln  zum  Rückenmark 
und  seinen  Häuten.  Sie  sind  die  segmentalen  Gefäße  des  Markes;  das  vordere  und  die 
hinteren  Längsgefäße  dagegen  sind  nur  von  accessorischem  Charakter;  die  Anastomosenketten 
der  segmentalen  mit  den  Längsgefäßen  bedingen  die  Möglichkeit  der  so  großen  Länge  der  letzteren 
(siehe  Abt.  III,  S.  219,  220). 

Die  A.  spinalis  anterior  entsendet  während  ihres  Verlaufes  fortwährend  in  sagittaler  Richtung 
feine  Zweige  zur  Tiefe  der  Fissura  mediana  ant.,  wo  sie  jederseits  in  einer  Reihe  durch  die  vordere 
Kommissur  in  die  Seitenhälften  des  Markes  eindringen.  Ebenso  dringen  von  den  Aa.  spinales 
posteriores,  sowie  von  dem  ganzen  Umfange  des  Gefäßnetzes  der  Pia  radiale  Ästchen  in  das 
Rückenmark.  Ihr  Verlauf  ist  durch  das  Septensystem  vorgezeichnet.  Von  dessen  Bindegewebe 
begleitet  gelangen  kleine  Arterien  in  großer  Zahl  zur  grauen  Substanz.  Schon  innerhalb  der  weißen 
zweigen  sich  Ästchen  ab,  welche  ein  die  Nervenfaserbündel  umspinnendes  Kapillarnetz  mit  lang- 
gestreckten Maschen  bilden.  Viel  dichter  ist  das  Kapillarnetz  der  grauen  Substanz,  in  der  es  enge 
polygonale  Maschen  bildet. 

Venen. 

Aus  den  Kapillarnetzen  sammelt  sich  das  venöse  Blut  besonders  in  zwei 
größere  Binnenvenen,  Vv.  centrales.  Äußere  Venen  sind  die  Vena  spinalis 
anterior  und  posterior. 

Die  beiden  Zentralvenen  stehen  vielfach  unter  sich  und  mit  der  V.  spinalis  anterior  in 
Verbindung.  Jene  beiden  verlaufen,  von  einer  kleinen  Arterie  (A.  centralis  medullae  spinalis)  begleitet, 
in  je  einem  Längsgange,  welcher  neben  der  Substantia  gelatinosa  centralis  gelegen  ist  und  der  Längsaxe 
des  Rückenmarkes  folgt.  Oft  ist  eine  der  beiden  Venen  stärker,  selten  fehlt  die  eine  streckenweise 
ganz.  Am  oberen  und  am  unteren  Ende  des  Markes  lösen  sich  beide  Zentralvenen  durch  wieder- 
holte Teilungen  in  eine  Reihe  feinerer  Äste  auf,  welche  schließlich  in  kapillare  Zweige  übergehen. 

Ein  anderer  Teil  der  Abzugsbahnen  des  Venenblutes  des  Markes  zieht  radiär  durch  die 
weiße  Substanz  in  die  Venen  der  Pia  oder  in  die  längs  der  hinteren  Mittellinie  verlaufende  V.  spinalis 
posterior.  Die  äußeren  Markvenen  stehen  durch  segmentale  Bahnen  mit  dem  inneren  Plexus  des 
Wirbelkanals  in  Verbindung.     (Siehe  Abt.  III,  S.  420.) 

Die  arteriellen  Äste  im  Rückenmark  sind  sämtlich  Endarterien,  d.  h.  sie  gehen  diesseits 
des  Kapillargebictes  keine  Verbindungen  miteinander  ein. 

Kadyi,  H.,  Die  Blutgefäße  des  menschlichen  Rückenmarkes.     Lemberg  1889. 


Das  Rückenmark:   Gefäße,  Qucrschnittsbildcr.  33 

Lymphgefäße. 

Vom  Lymphgefäßsystem,  welches  im  ganzen  Nervensystem  eine  bedeutende 
Entfaltung  erfährt,  wurden  der  epidurale,  subdurale,  subarachnoidale  und 
interpiale  Lymphraum  schon  beschrieben. 

Die  Lymphbahnen  im  Innern  des  Markes  begleiten  die  arteriellen  und  venösen 
Gefäße  in  Form  des  zugleich  dichtesten  und  lockersten  Netzes,  d.  i.  in  Form  von 
perivaskulären  Räumen,  indem  jene  Gefäße  von  vollständigen  Lymphscheiden  umhüllt 
werden.  Diese  Bahnen  liegen  gewissermaßen  innerhalb  der  Gefäß-Adventitia  (Robin, 
Virchow).  Man  bezeichnet  sie  daher  auch  als  adventitielle  Lymphwege,  zum 
Unterschiede  von  einem  anderen  gleichausgedehnten  Lückensysteme,  welches 
zwischen  der  Außenwand  der  adventitiellen  Lymphwege  und  der  Substanz  des 
Markes  gelegen  ist. 

Am  frischen  Objekt  kaum  als  Gangwerk  wahrnehmbar,  werden  jene  periadventitiellen,  epi- 
medullaren  Lücken  um  so  klaffender  durch  Schrumpfung;  sie  sind  zuerst  von  His  injiziert  worden. 
Mag  ihre  Außenwand  von  Endothel  überkleidet  sein  oder  Neuroglia  sie  abschließen,  für  den  Stoff- 
verkehr wird  ihre  Gegenwart  immer  von  Bedeutung  sein. 

Hier  ist  auch  jener  unzählbaren,  mehr  oder  weniger  feinen  Räume  und  Gänge  zu  gedenken, 
welche  zwischen  der  Außenwand  der  Nervenzellen  des  Markes  und  der  gegenüberliegenden 
Neurogliawand  gelegen  sind,  welche  ferner  zwischen  allen  Fortsätzen  der  Nervenzellen  und  der 
Neurogliawand  der  sie  aufnehmenden  Kanäle  sich  befinden.  Die  pericellularen  und  perifi- 
laren  Räume,  so  klein  und  fein  sie  im  frischen  Zustande  des  Objekts  auch  sicherlich  sind,  haben 
dennoch  für  den  Stoffverkehr  unverkennbar  enie  hohe  Bedeutung. 

Der  subarachnoidale  und  der  subdurale  Raum  hängen  zusammen  mit  den  Lymph- 
spalten der  Spinalnerven.  Letztere  stehen  mit  abführenden  Lymphgefäßen  in 
Verbindung,  die  in  benachbarte  Lymphdrüsen  einmünden. 

Sterzi,  G.,  Ricerche  intorno  alla  Anatomia  comparata  ed  all'  ontogenesi  delle  Meningi. 
Considerazioni  sulla  filogenesi.  Parte  prima:  Meningi  midollari.  Venezia  1901.  —  Strasser,  Über 
die  Hüllen  des  Gehirns  und  des  Rückenmarkes.     Comptes  rend.  Assoc.  anat.  1901. 

5.  Querschnittsbilder  des  Rückenmarkes.     Fig.  37—67. 

Weitere  Aufschlüsse  über  den  Bau  des  Rückenmarkes  geben  Schnitte,  und 
zwar  vor  allem  Querschnitte.  Indessen  werden  auch  Längsschnitte  verschiedener 
Art  vielfach  mit  größtem  Nutzen  untersucht.  Für  Unterrichtszwecke  bedient  man 
sich  jedoch  in  erster  Linie  der  Querschnittbilder. 

Wir  werden  zunächst  an  einem  schematischen  Querschnitt  (Fig.  37)  die  Mikro- 
topographie  der  einzelnen  Teile  des  Organs  kennen  lernen,  dann  erst  können 
wir  mit  Nutzen  die  regionären  Unterschiede  (Fig.  39 — 67)  und  den  feineren  Aufbau 
studieren.1) 

Zunächst  finden  wir  die  uns  schon  bekannten  Furchen  wieder.  Vorn  die  tief 
einschneidende  Fissura  mediana  ant.,  welche  einen  Fortsatz  der  Pia  mater  enthält. 
Hinten  den  flacheren  Sulcus  medianus  post,  dessen  Verlängerung  durch  das  Sep- 
tum  post.  gebildet  wird.  Seitlich  von  der  Mittellinie  liegt  vorn  der  Sulcus  lat.  ant. 
mit  den  austretenden  vorderen  Wurzelfasern,  hinten  der  Sulcus  lat.  post.  mit  den 


])  Hier  wie  später  an  den  Schnitten  durch  Medulla  oblongata,  Pons  und  andere  Hirnteile 
muß  der  Studierende  sich  zunächst  die  Einzelheiten  des  Bildes  einprägen,  in  der  Art  wie  man 
Geographie  lernt.  Erst  wenn  die  Bilder  so  fest  in  der  Erinnerung  haften,  daß  sie  jederzeit  gegen- 
wärtig sind,  kann  die  zweite  Stufe  in  Angriff  genommen  werden,  die  Verknüpfung  der  Einzelheiten 
der  verschiedenen  Bilder  zu  stereometrischer  Auffassung. 


34  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

eintretenden  hinteren  Wurzelfasern,  und  zwischen  diesen  und  dem  Sulcus  medianus 
post.  sehen  wir  den  Sulcus  intermedius  post.,  welcher  Gollschen  und  Burdach- 
schen  Strang  trennt. 

Besonders  auffallend  ist  der  Unterschied  zwischen  der  grauen  und  der  weißen 
Substanz:  Letztere  bildet  den  peripherischen  Teil,  erstere  liegt  zentral.  Weiter 
erkennen  wir  die  bilaterale  Symmetrie  des  Rückenmarkes,  was  durch  die  Fissura 
mediana  ant.  und  durch  das  vom  Sulcus  medianus  post.  ausgehende  Septum  post. 
außerordentlich  leicht  fällt.  Vordere  Furche  und  hinteres  Septum  dringen  so  weit 
vor,  daß  zwischen  ihren  Enden  nur  eine  schmale  Brücke  übrig  bleibt.  Innerhalb 
dieser  Brücke  befindet  sich  der  Zentralkanal,  Canalis  centralis,  ein  von 
zylindrischen  Zellen  ausgekleideter  Gang,  dessen  Lichtung  beim  erwachsenen 
Menschen  oft  streckenweise  verödet  ist.  Er  ist  von  einer  größeren  Menge  gelatinöser 
Substanz  umgeben,  Substantia  gelatinosa  centralis  (Substantia  grisea  centralis 
der  B.  N.  A.).  Ventral  vom  Zentralkanal  und  der  ihn  umgebenden  gelatinösen 
Substanz  befindet  sich  die  vordere  Kommissur,  an  welcher  noch  wieder  zwei  Ab- 
schnitte unterschieden  werden,  die  ventrale  aus  sich  kreuzenden  markhaltigen  Nerven- 
fasern bestehende  Commissura  anterior  alba  und  die  dorsal  von  dieser  befind- 
liche Commissura  anterior  grisea.  Dorsalwärts  vom  Zentralkanal  liegt  die 
Commissura  posterior,  welche  nur  spärliche  markhaltige  Fasern  enthält. 

Die  Kommissuren  verbinden  die  beiden  Seitenhälften  der  grauen  Substanz. 
Das  Gesamtbild  des  Querschnittes  der  grauen  Substanz  hat  eine  gewisse  Ähnlich- 
keit mit  einem  aufgespannten  Schmetterling  und  wird  darum  auch  als  Schmetterlings- 
figur bezeichnet.  Stellt  man  sich  aber  die  gesamte  graue  Substanz  des  Rücken- 
markes als  plastisches  Gebilde  vor,  so  besitzt  sie  das  Aussehen  einer  mit  tiefen 
Rinnen  und  starken  Längsleisten  versehenen  Säule.  Die  einzelnen  Längsleisten 
werden  jetzt  als  graue  Säulen,  Columnae  griseae  bezeichnet  (früher  nannte 
man  sie  mit  Rücksicht  auf  das  Querschnittsbild  Hörner,  Cornua).  Es  gibt  jeder- 
seits  drei  solche  Säulen. 

Den  vor  der  Frontalebene  der  Kommissur  gelegenen  großen  Vorsprung  der 
grauen  Substanz  jeder  Seite  nennt  man  Vordersäule,  Columna  anterior;  deren 
hinterer  Teil,  die  Basis,  geht  in  die  Hintersäule,  Columna  posterior,  über. 
Letztere  erfährt  hinter  ihrem  Ursprung  eine  Einschnürung,  Hals  der  Hintersäule, 
Cervix  columnae  posterioris.  Hinter  dieser  Einschnürung  schwillt  die  Hinter- 
säule zu  einem  spindelförmigen  Kopfe  an,  Caput  columnae  posterioris,  und 
verjüngt  sich  endlich  zu  einer  gegen  den  Sulcus  lateralis  posterior  gerichteten 
Spitze,  Apex  columnae  posterioris.  Auf  dieser  sitzt  die  Rolandosche 
Substanz,  Substantia  gelatinosa  post.  (Rolandi). 

Von  der  lateralen  Seite  der  Vordersäulenbasis  ragt  ein  dritter  bedeutender  Vor- 
sprung in  den  Markmantel,  die  Seitensäule,  Columna  lateralis;  diese  ist  im 
Brustmark  am  deutlichsten,  nimmt  kaudal  ab,  während  sie  im  Halsmark  mit  der 
stark  ausgebildeten  Vordersäule  zusammenfließt. 

Die  Seitensäule  liegt  stets  ventral  vom  Halse  der  Hintersäule.  Beachtet  man 
dies,  so  läßt  sich  die  Seitensäule  nie  mit  einem  Nachbargebilde  verwechseln,  der 
Formatio  reticularis.  Diese  liegt  in  einem  Winkel,  welchen  die  Seitensäule 
mit  dem  lateralen  Rande  der  Hintersäule  bildet.  Sie  besteht  aus  netzartig  ange- 
ordneten Balken  grauer  Substanz,  welche  in  den  Seitenstrang  vorspringen,  kleinere 
Bündel  weißer  Substanz   von   ihm  abschneiden   und   in  ihre  Maschen  aufnehmen. 


Das  Rückenmark:   Quersclinittsbildcr.  35 

Nach  dem  Lendenmarko  hin  abnehmend,  dehnt  sich  die  Formatio  reticularis  kranial- 
wärts  beständig  aus. 

Außer  diesen  großen,  stumpfen  oder  scharfen  Vorsprüngen  gegen  die  weiße 
besitzt  die  graue  Substanz  eine  große  Menge  feiner  Leisten,  Septula  medullae 
spinalis,  welche  von  der  Peripherie  der  grauen  Substanz  radial  in  den  Mark- 
mantel eintreten,  sich  teilen  und  verbinden,  zum  großen  Teil  dessen  Oberfläche 
erreichen  und  so  den  Markmantel  in  zahlreiche  feine  Blätter  zerlegen.  Die  Ober- 
fläche der  grauen  Substanz  ist  hiernach  nicht  glatt,  sondern  rauh  und  zackig. 

Die  Ganglienzellen  der  grauen  Substanz  liegen  zu  Gruppen  vereinigt  und 
in  zerstreuter  Anordnung. 

Als  besondere  Gruppen  sind  innerhalb  der  Vordersäule  durch  Waldeyer 
unterschieden:  1.  die  vordere  mediale,  2.  die  vordere  laterale  Gruppe; 
3.  die  hintere  mediale  (Kommissurenzellen),  4.  die  hintere  laterale  Gruppe; 
5.  die  zentrale  Gruppe. 

In  der  Seitensäule  befindet  sich  die  Seitensäulengruppe. 

In  der  Basis  der  Vordersäule  liegen  außer  zentralen  Ganglienzellen  die 
Gruppe  der  Mittelzellen  sowie  die  ebenfalls  kleinen  Nebenzellen. 

An  der  medialen  Seite  der  Basis  der  Hintersäule  liegt  eine  sehr  deutlich -ab- 
gegrenzte Gruppe  von  Ganglienzellen.  Sie  heißt  jetzt  Nucleus  dorsalis (Stillingi, 
Clarkii),  ist  bekannter  als  Clarkesche  Säule  und  wird  auch  als  Stillingscher 
Kern  bezeichnet.  Sie  hat  ihren  größten  Querschnitt  im  unteren  Brustmark  und 
dehnt  sich  ununterbrochen  zwischen  dem  siebenten  Halsnerven  und  dem  dritten 
Lendennerven  aus.  Weiter  oben  und  unten,-  im  Hals-  und  Sakralmark,  finden  sich 
isolierte  graue  Massen  an  den  entsprechenden  Stellen  vor. 

Auch  die  Substantia  gelatinosa  Rolandi  enthält  besondere  kleine  Gan- 
glienzellen, Gierkesche  (Virchowsche)  Zellen. 

In  der  Zona  spongiosa  befinden  sich  vereinzelte  mittelgroße  Ganglienzellen, 
Marginalzellen. 

Die  weiße  Substanz,  der  Markmantel,  umhüllt  die  graue  Substanz  so 
vollständig,  daß  sie  an  keiner  Stelle  die  Oberfläche  berührt.  Man  unterscheidet 
an  ihr  den  Vorderstrang,  Funiculus  anterior,  welcher  von  der  Fissura  mediana 
ant,  der  Commissura  ant.  alba,  der  Vordersäule  begrenzt  wird.  Seine  konventionelle 
Grenze  gegen  den  Seitenstrang  wird  durch  das  laterale  vordere  Wurzelbündel  be- 
zeichnet. Eine  vom  Sulcus  intermedius  ant.  parallel  zur  Fissura  mediana  ant. 
gezogene  Linie  teilt  den  Strang  in  zwei  Teile,  den  medialen  Pyramiden-Vorder- 
strang, Fasciculus  cerebrospinalis  anterior  (pyramidalis  ant.)  und  den 
Vorderstrang-Rest  oder  das  Vorderstrang-Grundbündel,  Fasciculus  ant. 
proprius  (Flechsigi). 

Der  Seitenstrang,  Funiculus  lateralis,  liegt  lateral  von  der  grauen 
Substanz.  Seine  Grenze  gegen  den  Vorderstrang  ist  uns  schon  bekannt,  seine 
Grenze  nach  hinten  bildet  die  Zona  terminalis  (siehe  über  diese  weiter  unten). 
Auch  im  Seitenstrang  sind  einzelne  untergeordnete  Stränge  bekannt.  Ihre  Grenzen 
sind  aber  auf  gewöhnlichen  Präparaten  nicht  zu  erkennen.  Trotzdem  kann  man 
sich  ihre  Lage  leicht  einprägen,  wenn  man  sagt:  das  von  der  Formatio  reticularis 
durchsetzte  Gebiet  ist  der  Pyramiden-Seitenstrang,  Fasciculus  cerebro- 
spinalis lateralis  (pyramidalis  lat.).  Eine  schmale  Zone,  parallel  der  Ober- 
fläche, von  der  Zona  terminalis  bis  ungefähr  zur  Abgangsstelle  des  Lig.  denticulatum 


36  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

reichend,  ist  der  Kleinhirnseitenstrang,  Fasciculus  cerebellospinalis 
(besser  Seitenstrang-Kleinhirnbahn,  Fasciculus  spinocerebellaris).  Eine 
kleine  Zone,  ventral  von  dem  Kleinhirnseitenstrang  gelegen,  heißt  Gowerssches 
Bündel,  Fasciculus  anterolateralis  superficialis  (Gowersi).  Was  vom 
Seitenstrang  noch  übrig  ist,  wird  als  Seitenstrangrest  oder  Seitenstrang- 
Grundbündel,  Fasciculus  lateralis  proprius  (Flechsigi)  bezeichnet. 

Die  Zona  terminalis  liegt  an  der  Peripherie  des  Rückenmarkes  in  der 
Verlängerung  der  Hintersäule  und  wird  medianwärts  von  den  eintretenden  hinteren 
Wurzelfasern  begrenzt.  Sie  besteht  aus  feinsten  markhaltigen  Nervenfasern,  welche 
in  der  Längsrichtung  des  Rückenmarkes  verlaufen.  Sie  wurde  früher  als  Lissauer- 
sches  Bündel  bezeichnet.  Waldeyer  nannte  sie  Markbrücke.  Zwischen  der 
Zona  terminalis  und  der  Substantia  gelatinosa  post.  (Rolandi)  befindet  sich  eine 
Lage  grauer  Substanz,  welche  Zona  spongiosa  heißt. 

Der  Hinterstrang,  Funiculus  posterior,  liegt  zwischen  Septum  post., 
Commissura  post.  und  Hintersäule.  Er  wird  durch  den  Sulcus  intermedius  post. 
und  durch  ein  von  ihm  ausgehendes  Septum  in  den  medialen  Gollschen  Strang, 
Fasciculus  gracilis  (Golli)  und  den  lateralen  Burdachschen  oder  Keilstrang, 
Fasciculus  euneatus  (Burdachi)  zerlegt. 

Aus  der  Vordersäule  treten  in  zahlreichen  Bündeln  die  vorderen  moto- 
rischen Wurzeln  aus,  indem  sie  den  Vorderstrang  durchsetzen  und  im  Gebiet 
des  Sulcus  lat.  ant.  heraustreten.  Die  einzelnen  Bündel  entstehen  durch  Zusammen- 
treten der  einzelnen  Neuriten  innerhalb  der  Vordersäule. 

Die  hinteren  (sensiblen)  Wurzeln  treten  in  dickeren  Bündeln  median- 
wärts von  der  Zona  terminalis  in  den  Burdachschen  Strang  ein,  woselbst  das 
Bündel  pinselförmig  auseinandergeht.  Eine  Anzahl  der  Fasern  verbleibt  im  Hinter- 
strang, andere  ziehen  in  die  graue  Substanz  der  Hintersäule. 

Die  äußerste  Lage  des  Rückenmarkes  wird  von  einer  schmalen  Zone  von 
Neuroglia  gebildet,  Waldeyers  subpiale  Schicht. 

Die  im  Vorhergehenden  geschilderten  Teile  des  Querschnittsbildes  sind  in 
bestimmten  Abschnitten  des  Rückenmarkes  deutlicher,  in  anderen  minder  deutlich 
ausgebildet.  Über  das  relative  Verhältnis  der  grauen  und  weißen  Substanz  und 
über  die  verschiedene  Gestalt  der  Schmetterlingsfigur  geben  die  Fig.  39 — 67  eine 
gute  Vorstellung;  darüber  wird  in  einem  besonderen  Kapitel  gehandelt  werden. 
Hier  soll  nur  noch  eine  Übersicht  gegeben  werden,  an  welchen  Abschnitten  des 
Rückenmarkes  die  genannten  Teile  vorkommen  und  wo  sie  am  deutlichsten  erkannt 
werden  können: 

Die  Kommissuren  werden  am  besten  studiert  am  Cervikal-,  Lumbal-  und 
Sakralmark,  wo  namentlich  die  Commissura  ant.  alba  sehr  deutlich  ist.  Die  Zona 
terminalis,  spongiosa,  gelatinosa  post.  sucht  man  am  vorteilhaftesten  zuerst  im 
Lumbal-  oder  Sakralmark  auf.  Hat  man  sie  hier  gut  gesehen,  so  wird  man  sie 
leicht  auch  im  Cervikal-  und  Thorakalmark  finden.  Die  vorderen  und  die  hinteren 
Wurzeln  werden  im  Gebiet  der  Intumescentia  cervicalis  und  lumbalis  am  deut- 
lichsten zu  sehen  sein,  weil  hier  die  dicken  Extremitätennerven  entspringen.  Seiten- 
säule und  Formatio  reticularis  sind  am  kräftigsten  im  Cervikalmark.  Die  Einteilung 
des  Hinterstranges  in  Gollschen  und  Burdachschen  Strang  findet  man  erst  vom 
mittleren  Thorakalmark  aufwärts.  In  dem  unteren  Abschnitt  des  Rückenmarkes  wird 
man    darnach    vergeblich    suchen.     Die  Zellengruppen    der   grauen  Substanz  sind 


Das  Rückenmark:   Zentralkanal,  Massenverhältnis  der  grauen  und  der  weißen  Substanz.      37 

ebenfalls  wieder  im  Gebiet  der  Hals-  und  Lendenanschwellung'  am  deutlichsten.  - 
Man  glaube  aber  nicht,  daß  man  alle  im  Schema  aufgeführten  Gruppen  in  einem 
Querschnitt  nebeneinander  finden  kann.  -  Der  Nucleus  dorsalis  ist  am  kräftigsten 
im  XI.  Thorakalsegment.  Er  wird  nach  unten  plötzlich,  nach  oben  allmählich 
schwächer  und  ist  oberhalb  des  7.  Cervikal-  und  unterhalb  des  3.  Lumbaisegments 
nur  noch  in  Spuren  vorhanden. 

Durch  alle  diese  Verschiedenheiten  wird  es  verhältnismäßig  leicht,  die  Zu- 
gehörigkeit eines  Schnittes  zu  den  einzelnen  Hauptteilen  des  Rückenmarkes  zu 
bestimmen,  nämlich  ob  ein  Schnitt  dem  Cervikal-,  Thorakal-,  Lumbal-  oder  Sakral- 
mark entstammt.  Schwieriger  ist  es  schon  festzustellen,  ob  er  dem  oberen,  mitt- 
leren oder  unteren  Abschnitt  dieser  Teile  angehört. 

6.  Der  Zentralkanal,  Canalis  centralis. 

Der   Canalis   centralis   hat   in   den    verschiedenen  Gegenden  des  Markes 
veränderliche  Gestalt   und  Größe.    Im  Brustmark   ist   er   rundlich    und    hat  einen 
Quermesser  von  0,05 — 0,1  mm.    In  der  Halsanschwellung  ist  seine  Form  queroval, 
in  der  Lendenanschwellung  längsoval.     Gegen  die  Oblongata 
hin  wandelt  sich  die  querovale  Form  ebenfalls  zu  einer  sagittalen 
Spalte  um.     Im  Conus  medullaris  rückt  der  Kanal  mehr  und 
mehr  an  die  hintere  Medianspalte  heran  und  erweitert  sich   im 
unteren     Ende     des    Konus    zum    Ventriculus    terminalis 
(W.  Krause).    Fig.  36. 

Der  Querschnitt  des  Ventrikels  ist  meist  dreiseitig,  mit 
hinterer  Spitze  und  vorderer  Basis.  Seine  Länge  beträgt  8 — 10, 
seine  Breite  0,5 — 2  mm,  seine  Tiefe  0,4 — 1  mm.     Er  reißt  von  Fig.  36. 

hinten  leicht  ein  und  wurde  früher  für  offen  gehalten.  Beim  ventrkuius  terminalis. 
Übergang  des  Konus  in  das  Filum  terminale  setzt  er  sich  wieder  ^""usT«  2 
in  einen  feinen  Kanal  fort,  welcher  bis  zur  halben  Länge  des  teren  Gegend  des  Conus 
Filum  hinabreicht,  wo  er  blind  endigt.  — %.  ^f 

Der    obere    Teil    des    Ventriculus    terminalis    ist    nach 
Argutinsky  (1898)  auf  dem  Querschnitt  T-förmig;    der  mittlere  Teil  ist  zumeist 
ein  dünnwandiger  offener,  oder  abgeplatteter,  oder  in  Längsfalten  gelegter  Sack; 
der  untere  längste  Teil  ist  in  der  Regel  eine  frontal  gerichtete  Spalte. 

Argutinsky  gibt  Rekonstruktionsbilder  und  hält  den  Ventriculus  terminalis 
für  ein  nachträglich  entstandenes  Gebilde. 

Der  Zentralkanal  ist  häufig  obliteriert,  zumal  im  Halsteil  des  Rückenmarkes. 

7.  Massenverhältnis  der  grauen  und  der  weißen  Substanz. 

Die  graue  Substanz  nimmt  von  der  Spitze  des  Conus  medullaris  bis  zur  Mitte  der  Lenden- 
anschwellung an  Masse  stetig  zu  (bis  auf  24,89  qmm  Querschnittfläche),  erfährt  im  Brustmark  eine 
sehr  bedeutende  Abnahme  (bis  auf  4,56  qmm  Querschnitt)  und  schwillt  an  der  Halsanschwellung 
wiederum  bedeutend  an  (bis  19,67  qmm),  um  im  oberen  Halsmark  langsam  abzunehmen.  Mit  Bezug 
auf  die  abgehenden  Nervenwurzeln  ergibt  sich  die  Tatsache,  daß  der  Flächeninhalt  der  grauen 
Substanz  auf  Querschnitten  um  so  größer  ist,  je  mehr  Wurzelfasern  in  dem  bezüglichen  Abschnitt 
aus  dem  Rückenmark  hervorgehen;  die  graue  Substanz  ist  an  jenen  Stellen  am  mächtigsten,  wo 
die  großen  Extremitätennerven  entspringen. 

Ganz  anders  verhält  sich  die  weiße  Substanz.  In  der  Gegend  der  Konusspitze  ist  der 
Querschnitt  überwiegend  aus  grauer  Substanz  gebildet,   welche  nur  von   einem  schmalen  Saume 


38  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

weißer  umgeben  wird.  Von  hier  an  erfährt  die  weiße  Substanz  bis  zum  oberen  Teil  der  Hals- 
anschwellung  eine  stetige  Zunahme  (bis  auf  24,02  qmm),  die  nur  in  der  Strecke  vom  dritten  Lenden- 
bis  zum  zwölften  Brustnerven  durch  eine  unbedeutende  Abnahme  unterbrochen  wird.  Die  Zunahme 
erfolgt  am  Beginn  der  beiden  Anschwellungen  rascher  als  an  anderen  Stellen. 

Im  ganzen  genommen  erscheint  folglich  die  Masse  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarkes 
in  der  Form  einer  Doppelspindel,  die  weiße  dagegen  in  der  Form  eines  Kegels  mit  kaudalcr 
Spitze.  Das  Verständnis  diesesVerhaltcns  wird  sich  aus  dem  Studium  derLcitungsbahnen  leichtergeben. 

An  der  Austrittsstelle  des  vierten  Lendennerven  nehmen  graue  und  weiße  Substanz  nahezu 
gleich  viel  Raum  ein  (die  graue  12,02,  die  weiße  22,34  qmm).  Weiter  oben  hat  die  weiße  stets  einen 
größeren  Flächeninhalt  als  die  graue;  auch  die  Halsanschwellung  ändert  dies  Verhältnis  nicht;  im 
Ursprungsgebiet  des  sechsten  Halsnervenpaares  mißt  der  Querschnitt  der  weißen  Substanz  24,02, 
der  der  grauen  16,67  qmm.  Vom  vierten  Halsnerven  zur  Oblongata  ist  dann  wieder  eine  kleine 
Abnahme  weißer  Substanz  zu  bemerken.  Die  einzelnen  weißen  Stränge  verhalten  sich  hierbei 
jedoch  verschieden. 

Es  wurde  oben  erwähnt,  daß  die  graue  Substanz  proportional  den  austretenden  Nervenwurzeln 
zu-  und  abnehme.  Dies  bezieht  sich  jedoch  wesentlich  auf  die  Vordersäulen.  Die  Hintersäulen 
werden  durch  die  Anschwellungen  weniger  beeinflußt,  obwohl  auch  sie  eine  Zunahme  erfahren.  Dies 
ist  besonders  der  Fall  in  der  Lendenanschwellung,  in  welcher  die  Hintersäulen  eine  ansehnliche  Breite 
besitzen.  Die  Zunahme  der  Vordersäulen  in  der  Halsanschwellung  ist  vor  allem  eine  seitliche, 
so  daß  von  einer  isolierten  Seitensäule  nichts  mehr  gesehen  wird.  Gegen  die  Spitze  des  Conus 
medullaris  hin  verliert  sich  die  Abgrenzung  der  Vorder-  und  Hintersäule.  Zugleich  treten  die 
Hintersäulen  immer  näher  zusammen  und  verschmelzen  schließlich  zu  einer  Masse. 

An  den  beiden  Intumeszenzen  ist  die  Commissura  alba  besonders  mächtig;  an  den  übrigen 
Stellen  überwiegt  die  Commissura  grisea. 

Die  hintere  graue  Kommissur  ist  am  mächtigsten  im  Conus  medullaris  (sagittaler  Durchmesser 
—  0,40  mm),  nimmt  in  der  Lendenanschwellung  ab  (0,13),  sinkt  im  Brustteil  noch  mehr  (0,03)  und 
wächst  im  Halsmark  wieder  (0,13). 

8.  Feinerer  Bau  des  Röckenmarkes. 
a)  Das  stützende  Gerüst. 

Das  stützende  Gerüst  des  Rückenmarkes  wie  des  Gehirnes  besteht  aus  zwei 
dem  Ursprünge  nach  wesentlich  voneinander  verschiedenen  Geweben: 

((.  aus  pialen  Bindegewebsfortsätzen,  welche  als  Leiter  der  sehr  zahl- 
reichen in  das  Mark  eindringenden  Gefäße  erscheinen; 

ß.  aus  Nervenkitt,  Neuroglia1),  einem  Gewebe,  welches  dem  gleichen 
epithelialen,  ektodermalen  Zellenlager  entspringt,  wie  die  nervösen  Elemente  selbst 
(siehe  Fig.  38,  68^71  u.  Allg.  Teil,  S.  142—144). 

Die  Neuroglia  stellt  einen  an  Masse  gegenüber  den  nervösen  Bestandteilen 
zwar  an  den  meisten  Stellen  zurücktretenden,  immer  aber  ansehnlichen,  sehr  zier- 
lich gebauten  Körper  dar,  welcher  zahllose  Lücken  besitzt  und  aus  Gliazellen 
und  Gliafasern  besteht. 

Die  Gliazellen  sind  reich  verästelte  Gebilde,  deren  Ausläufer  wahrscheinlich 
miteinander  zusammenhängen  und  ein  Syncytium  bilden  (siehe  aber  S.  44).  Die 
Gliafasern  bestehen  nach  den  histochemischen  Untersuchungen  von  Kühne  und 
Ewald  aus  Hornsubstanz,  Neurokeratin. 

Das  Aussehen  der  Neuroglia  ist  jedoch  keineswegs  überall  gleich.  Dies  hängt 
zum  Teil  mit  dem  Wechsel  der  zu  stützenden  Teile  zusammen;  aber  auch  ohne 
diesen  Umstand  vermag  sie  bedeutende  Verschiedenheiten  zu  entwickeln.  Im  Interesse 
der  Darstellung  ist  sie  in  drei  Kategorien  zu  teilen: 


')  Betone  Neuroglia. 


3Q 


Fasciculus  gracilis  (Ooll'schci  Strang) 
Fasciculus  cuneatus  (Burdach 'scher  Strang) 
Radix  post. 

Zona  terminalis 

Zona  spongiosa 
Substantia  gelatinosa     -*    >< 
(Rolandi)         .^  .-^ 
Coluinna  poit.        t  •  /*'■■ 
Pia  mater 


Sulcus  medianus  post. 
Septum  post, 

Sulcus  intermedius  post. 

Sulcus  lat.  post. 


;  marginale  Zellen 


zentrale  Zellen 
Strangzellcn 


Nuclens  dorsalis 

(Clarke'sche  Säule) 


Ncbcnzcllcn 
Mittelzellen 


Lig.  denticulatum 


Fasciculus   cerebello 
spinalis 

Fasciculus  cerebro- 
spinalis lat. 
Fascicul.  anterolat.superf. .' 
(Gowers'sches  Bündel) 
Columna  lat. 
Fasciculus  lat.  proprius 

Columna  ant. 
Fasciculus  ant.  proprius 
Fasciculus  cerebrospinalis  ant. 
(pyramidalis  ant.) 


./   ~~SeitensäuIen-Gruppe 

hintere  laterale  Gruppe 
hinlere  mediale  Gruppe 
zentrale  Gruppe 
vordere  laterale  Gtuppe 
vordere  mediale  Gruppe 


Radix  ant 
Fissura  mediana  ant 


Commissura  post. 
A.  spinalis  ant.      Commissura  ant. 


Fig.  37.    Schematischer  Querschnitt  des  Rückenmarkes  mit  Pia  mater  und  Lig.  denticulatum. 

Ganglienzellen  rot. 


Gliazelle 


Axencvlinder 


Gliazelle 


Fig.  38.    Gliagerüst  im  Hinterstrang  des  menschlichen  Rückenmarkes. 

Kerne  und  Gliafasern  blau. 


40 


Fig.  39  (C.  II) 


Fig.  40  (C.  III) 


Fig.  41  (C.  IV) 


Fig.  42  (C.  V) 


Fig.  43  (C.  VI) 


Fig.  44  (C.  VII)  ,-ig    45  (C    vm) 

Fig.  39-45.    Querschnittsbilder  der  Cervikalsegmente  II— VIII   von  demselben   Rückenmark,   wie  die 

in  den  Fig.  46—67  abgebildeten  Schnitte. 


41 


Ftg.  4S  (Th.  III) 


Fig.  49  (Th.  IV) 


Fig.  50  (Th.  V) 


Fig.  52  (Th.  VII) 


Fig.  53  (Th.  VIII) 


Fig.  54  (Th.  IX) 


Fig.  55  (Th.  X) 


Fig.  56  (Th.  XI) 


Fig.  46—57.    Querschnittsbilder  der  Thorakalsegmente  I— XII 

von  demselben  Rückenmark  wie  die   in  Fig.  39 — 45   und   in   Fig.  58 
bis  67  abgebildeten  Schnitte. 


Fig.  57  (Th.  XII) 


42 


''"   '     ■. 


Fig.  59  (L.  II) 


Fig.  60  (L.  III) 


Fig.  61  (L.  IV) 


Fig.  62  (L.  V) 


Fig.  63  (S.  I) 


Fig.  64  (S.  II) 


Fig.  65  (S.   III) 


3 

I  i      66  (S.  IV)  Fig.  67  (S.  V) 


Fig.  58—67.    Quersclinittsbilder  der  Lumbalsegmente  I— V  und  der  Sakralsegmente  I— V 

von  demselben   Rückenmark,  wie  die  in  Fig.  39—57  abgebildeten  Schnitte. 


Das  Rückenmark:    Feinerer  Bau. 


43 


1.  das  Ependym, 

2.  die  Neuroglia  der  grauen  Substanz  und 

3.  die  Neuroglia  der  weißen  Substanz. 

Wenn  auch  die  Mehrzahl  der  neuesten  Untersuchungen  sich  für  den  einheitlichen  ektodermalcn 
Ursprung  der  Neuroglia  ausgesprochen  hat  und  diese  Anschauung  von  chemischerSeite  eine  gewichtige 
weitere  Unterlage  besitzt,  so  ist  zwar  nicht  zu  verkennen,  daß  es  sich  mit  dem  embryonalen 
Gerüst  des  zentralen  Nervensystems  wirklich  so  verhält.  Daß  es  sich  aber  in  späterer  Zeit  nur 
um  eine  Vermehrung  der  Neuroglia  demente  auf  gleicher  Grundlage  handelt  und  nicht  auch 
um  eine  sekundäre  Invasion  von  Bindegewebe,  bedarf  immer  noch  des  unmittelbaren  Nach- 
weises.   Letztere  Theorie  zählt  gewichtige  Anhänger. 

Über  die  Stützsubstanz  der  Nervenwurzeln  siehe  periphere  Nerven. 
Capobianco,  F.,  De  la  partieipation  mesodermique  dans  Ia  genese  de  la  nevroglie  cerebrale. 
Arch.  ital.  de  Biol.  XXXVII,  1902. 

Das  Ependym.     Fig.  68 — 70  und 
Abt.  I,  Fig.  211. 
Die    zylindrischen    Zellen    des    Epen- 
dyms,  Ependymzellen,  kleiden  in  einfacher 


Fig.  68. 

Ependymzellen  (starke  Vergr.) 


Fig.  69. 
Stützzellen   des   Medullarrohres.     (Von   His.) 


Schicht  den  Zentralkanal  aus.  Jede  Zelle  trägt  am  Innenende  einen  verdickten 
Kutikularsaum,  welcher  mit  den  Säumen  der  folgenden  verbunden  ist.  Der 
Kutikularsaum  jeder  Zelle  trägt  zahlreiche  Cilien.  (Abt.  I,  Fig.  211.)  Der  lange 
periphere  Fortsatz,  Ependymfaser,  verhält  sich  verschieden  nach  der  Gegend: 
in  der  Gegend  der  vorderen  Kommissur  zeigen  die  Ependymzellen  eine  meridian- 
artige, tonnenförmige  Anordnung,  indem  ihre  Außenenden  nach  der  vorderen  Median- 
fissur konvergieren;  so  entsteht  der  vordere  oder  ventrale  Ependymkeil(Retzius). 
Die  hintersten  Ependymzellen  zeigen  eine  streng  mediane  Lage  und  dicht  gedrängte 
bündelartige  Anordnung;  sie  bilden  den  schmalen  hinteren  oderdorsalenEpendym- 
keil.  Zwischen  beiden  haben  jederseits  die  lateralen  Ependymzellen  ihre  Lage. 
Sie  strahlen  mit  ihrem  langen  Fortsatz  im  ganzen  radiär  aus,  gabeln  sich  fast 
konstant  im  Bereiche  der  weißen  Substanz,  durchdringen  letztere  und  endigen  an 
der  äußeren  Oberfläche  mit  kleinen  Knötchen.     Fig.  70. 

Das  ausgebildete  Rückenmark  enthält  noch  die  beiden  Ependymkeile,   den  ventralen  als 
vorderes   Keilstück,  den  hinteren  als   Septum   posterius.     Ob   die  seitlichen  Ependymzellen  ihren 

Raüber-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  3 


44 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


peripheren  Fortsatz  auch  beim  Erwachsenen  noch  bis  zur  äußersten  Peripherie  senden,  wie  es  beim 
Fetus  sich  findet,  ist  nicht  sicher  nachgewiesen,  jedoch  wahrscheinlich. 

Ontogenetisch  und  phylogenetisch  stellt  das  Ependym  für  sich  allein  das  Urgerüst  des 
ganzen  Markes  dar.  Bei  Amphioxus  bleibt  es  dauernd  auf  dieser  Stufe.  Die  übrige  Neuroglia 
aber  ist  als  ein  neuer,  dem  Ependym  sich  zugesellender  Erwerb  zu  betrachten. 

Die  Neuroglia  der  grauen  Substanz. 
Die  Gliazellen  der  grauen  Substanz  (Deiterssche  Zellen,  Pinselzellen),  an- 
fänglich spärlich,  allmählich  immer  reichlicher  in  der  grauen  Substanz  verbreitet, 
haben  zuerst  längliche  Gestalt,  später  Sternform,  Astrocyten,  und  besitzen  großen- 
teils eine  außerordentliche  Menge  von  Fortsätzen.  Sie  erscheinen  wie  Schatten 
von  Nervenzellen,  stellen  auch  histologische  Einheiten  dar  wie  letztere,  und  bilden 


Fig.  70. 

Neuroglia  vom  Rückenmark  eines  14  cm  langen  menschlichen  Fetus  (G  olgi -Methode),    (v.  LenhossGk.) 
Rechts  Ependymgerüst,  links  Neurogliazellen.     Vorderer  und  hinterer  Ependymkeil. 

mit  ihren  vielen  Ausläufern  schließlich  die  feinsten  und  zartesten  Filze,  die  als 
Gliopilem  dem  Neuropilem  (Nervenfaserfilz)  gegenüberstehen.  Sie  enthalten 
nur  wenige  oder  gar  keine  Gliafasern. 

Sie  sind  überall  in  der  grauen  Substanz  vorhanden,  bilden  aber  stärkere  An- 
häufungen an  drei  verschiedenen  Stellen: 

a)  Substantia  gelatinosa  centralis  (grisea  centralis  der  B.  N.  A.), 

b)  Substantia  gelatinosa  posterior  (Rolandi), 

c)  Zona  spongiosa. 

Die  Substantia  gelatinosa  centralis  liegt  in  der  nächsten  Umgebung  des  Zentral- 
kanales,  wird  von  den  Ependymfasern  durchsetzt  und  bildet  mit  den  Zellkörpern  der  letzteren  den 
zentralen  Ependymfaden  von  R.  Virchow.  Sic  besitzt  kreisförmigen  oder  elliptischen  Quer- 
schnitt. Die  Neurogliazellen  sind  hier  ziemlich  zahlreich,  haben  plumpe  Gestalt,  reiche  Fasern 
und  zeigen  eine  dem  Zentralkanal  konzentrische  Anordnung  der  dichten  Fasermassen. 

Die  Substantia  gelatinosa  posterior  stellt  eine  schon  mit  freiem  Auge  leicht  sicht- 
bare, vorn  offene  gebogene  Platte  dar,  welche  den  Kopf  der  Hintersäule  der  grauen  Substanz  gegen 


Das  Rückenmark:   Feinerer  Bau. 


45 


den  Seitenstrang  und  den  Hinterstrang  abgrenzt.  Ihr  konvexer  Rand  ist  den  eintretenden  hinteren 
Wurzeln  zugekehrt.  Im  Lendenteil  halbmondförmig,  erscheint  sie  im  Brust-  und  Halsmark  winkelig 
geknickt,  mit  hinterer  Spitze.  In  den  Anschwellungen  hat  sie  ihre  größte  Starke  und  ist  im  Brust- 
mark am  schwächsten;  hier  nimmt  sie  */s  des  Querschnittes  der  Hintersäule  ein,  in  der  Hals- 
anschwellung  Va.  in  der  Lendenanschwellung  sogar  2/a-  (F'g-  39 — 67.)  Sie  ist  an  vielen  Stellen 
durchbrochen  zum  Durchtritt  von  Nervenbündeln  und  besteht  aus  einem  überaus  reichen  und  feinen 
Geflecht  von  Gliafascrn,  in  welches  an  vielen  Stellen  Gliazellen  eingestreut  sind.  Ihre  Blutgefäße 
sind  nicht  zahlreich;  Nervenzellen  fehlen  nicht  gänzlich;  andere  umsäumen  den  Außenrand  der 
Rolandoschen  Substanz.  Alle  neueren  Beobachter  betonen  das  äußerst  dichte  Flcchtwerk  zarter 
Fasern  der  hier  vorkommenden  Gliazellen,  die  pelzige,  moosige  Beschaffenheit  derselben  auf  ge- 
wissen Entwicklungsstufen;  in  späterer  Zeit  scheinen  auch  körnige,  traubenartige  Umwandlungen 
der  Substanz  vorzukommen. 


ütel 


■  !•  f.         \       .  ■ 


Fig.  71. 

Bau  der  Neuroglia  in   der  grauen    und   weißen  Substanz   des  Rückenmarks   von  Myxine.     (Erik  Müller,  1899.) 


An  die  eigentliche  Rolandosche  Substanz  schließt  sich  hinten  eine  schmale  Schicht,  Zona 
spongiosa,  oder  Zonalschicht  der  Hintersäulen,  saumartig  an,  welche  ihren  Namen  erhalten  hat  von 
den  zahllosen  größeren  und  kleineren  Lücken,  die  sich  in  ihr  befinden;  sie  ähnelt  daher  einem 
Schwämme.     Ihre  Grundlage  bilden  Gliazellen  und  deren  Fasern. 

Die  Neuroglia  der  weißen  Substanz  besteht  ebenfalls  aus  Gliazellen, 
welche  jedoch  eine  große  Menge  von  Gliafasern  enthalten  und  wahrscheinlich  ein 
Syncytium  bilden  (Fig.  38).  Auch  die  Ependymfasem  ziehen  in  die  Glia  der  weißen 
Substanz  hinein.  Sie  besitzt  im  ganzen  einen  regelmäßigeren  Bau,  als  die  der  grauen; 
denn  sie  dient  zur  Stütze  einfacher  angeordneter  Teile,  vor  allem  der  Fasermassen  des 
Markmantels.  Dessen  einzelne,  meist  vertikal  ziehende  Nervenfasern  liegen  von  früher 
Zeit  an  nicht  unmittelbar  nebeneinander,  sondern  werden  durch  kleine  Zwischenräume 
getrennt.  Letztere  sind  von  der  Neuroglia  eingenommen.  Diese  hängt  an  der  Innenfläche 

3* 


46  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

des  Markmantels  mit  der  grauen  Substanz  zusammen,  an  der  Außenfläche  entwickelt 
sie  allmählich  eine  feine  verdichtete  Schicht,  welche  keine  Nervenelemente  mehr 
führt,  sondern  eine  gemeinsame  Hülle  für  das  ganze  Rückenmark  bildet:  die 
Rindenschicht,  die  subpiale  Schicht  Waldeyers.  Dieselbe  ist  an  verschie- 
denen Stellen  von  wechselnder  Mächtigkeit,  wird  außen  von  der  Pia  mater  bedeckt 
und  dringt  an  ihrer  Innenfläche  mit  vielen  kleinen  und  größeren  Fortsätzen  in  die 
weiße  Substanz  ein.  Zu  beiden  Seiten  der  vorderen  Längsfissur  des  Markes  umgibt 
sie  die  weiße  Substanz  bis  in  die  Tiefe.  Im  Sulcus  lateralis  posterior  erreicht  sie 
die  Spitze  der  Hintersäule  und  tritt  mit  der  Substantia  gelatinosa  posterior  in 
Verbindung. 

b)  Die  nervösen  Bestandteile. 

A.  Die  Nervenzellen. 

Die  graue  Substanz  des  Rückenmarkes  erstreckt  sich  als  ununterbrochene 
symmetrisch  geformte  Säule  vom  Conus  medullaris  bis  zur  Oblongata  und  setzt 
sich  in  letztere  fort.  Sie  enthält  als  wesentliche  Bestandteile  Nervenzellen  und 
Nervenfasern,  von  welchen  erstere  teils  zu  Gruppen  zusammentreten,  teils  zerstreute 
Lage  besitzen.  Ihre  Häufigkeit  ist  nicht  in  allen  Querschnittshöhen  gleich,  sondern 
wächst  an  den  Eintrittsstellen  der  segmental  angeordneten  Nervenwurzeln.  Daher 
zeigt  die  graue  Substanz  selbst  bis  zu  gewissem  Grade  eine  segmentale  Gliederung; 
auf  letzteren  Umstand  weist  schon  die  Gegenwart  der  beiden  großen  Intumeszenzen 
hin;  denn  dieselben  hängen  mit  dem  Ursprünge  der  großen  Extremitätennerven 
zusammen.  Die  Anordnung  der  Nervenzellen  in  der  grauen  Substanz  des  Markes 
erscheint  daher  unter  dem  Bilde  einer  perlschnurförmigen  Längsaufreihung  (Fig.  72); 
dies  gilt  besonders  für  die  Vordersäulen. 

Die  Nervenzellen  des  Rückenmarkes  können  nach  verschiedenen  Gesichts- 
punkten eingeteilt  werden. 

a)  Nach  der  segmentalen  Gliederung  der  grauen  Säulen  unterscheidet 
man  Nervenzellen  der  einzelnen  durch  eine  Ordnungsziffer  bestimmten  Segmente. 

b)  Nach  der  topographischen  Lagerung  der  Nervenzellen  im  Markquer- 
schnitte werden  unterschieden  (Fig.  37):  eine  vordere  und  hintere  mediale,  eine 
vordere  und  hintere  laterale  Gruppe  von  Zellen  der  Vordersäule;  die  isolierten 
Zellen  der  Vordersäule;  die  zentrale  Gruppe  der  Vordersäule;  die  Zellengruppe  der 
Seitensäule;  die  Zellengruppe  der  Clarkeschen  Säule;  die  solitären  Zellen  der 
Hintersäule;  die  Zellen  der  Substantia  gelatinosa  posterior;  die  prärolandosche 
Zellengruppe;  die  postrolandoschen  Zellen;  die  zerstreuten  zentralen  Zellen;  die 
solitären  Zellen  um  den  Zentralkanal. 

c)  Eine  wichtige  Unterscheidung  gründet  sich  auf  das  Verhalten  und  die 
Bahn  des  Neuriten.     Hiernach  gibt  es,  wie  Cajal  feststellte: 

Cellulae  radiculares;  der  Nervenfortsatz  zieht  zur  vorderen  oder  hinteren 
Nervenwurzel; 

Cellulae  funiculares;  der  Nervenfortsatz  zieht  zu  den  weißen  Marksträngen; 
es  sind  unilaterales  und  bilaterales  zu  unterscheiden;  im  letzteren  Falle  teilt 
sich  der  Nervenfortsatz  in  zwei  Fasern,  deren  eine  durch  die  vordere  Kommissur 
auf  die  andere  Seite  des  Markmantels  gelangt; 

Cellulae  commissurales;  der  Nervenfortsatz  zieht  durch  die  vordere 
Kommissur  zu  dem  Vorder-Seitenstrange  der  anderen  Seite; 


Das  Rückenmark :    Feinerer  Bau. 


47 


Cellulae  axi-ramificatae;  der  Nervenfortsatz  verliert  seine  Selbständigkeit 
und  zerfällt  in  der  grauen  Substanz  in  eine  große  Anzahl  feinster  Äste  (Golgi- 
Zellen  vom  II.  Typus). 

Unter  den  Cellulae  axi-ramificatae  gibt  es  auch  solche,  deren  Neurit  zunächst 
die  vordere  Kommissur  überschreitet  und  in  der  grauen  Säule  der  anderen  Seite 
sich  in  ein  terminales  Astwerk  auflöst. 

Da  die  Kommissurenzellen  also  teils  zur  letzten  Gruppe,  teils  zu  den  Strängen 
gehören,  bleiben  übrig: 

Cellulae  radiculares, 
Cellulae  funiculares, 
Cellulae  axi-ramificatae. 

d)  Die  im  Rückenmark  und  in  den 
Spinalganglien  vorhandenen  Zellen  mit  ihren 
Ausläufern  gehören  Neuronen  verschie- 
dener Ordnung  an.  In  dieser  Hinsicht 
sind  die  Cellulae  radiculares  (als  Ganzes) 
von  den  übrigen  zu  trennen  als  Neuronia 
terminalia  oder  Neuronia  externa,  wäh- 
rend die  übrigen  Zellen  des  Markquerschnittes 
Neuronia  interna  darstellen.  Jene  ver- 
mitteln den  unmittelbaren  Außenverkehr,  diese 
den  Innenverkehr.1) 

e)  Nach  der  spezifischen  Funktion 
können  die  Zellen  eingeteilt  werden  in  mo- 
torische, sensible,  reflektorische,  assoziie- 
rende usw. 

Im  einzelnen  ist  von  den  verschiedenen 
Zellen  eine  Menge  wichtiger  Besonderheiten 
festgestellt  worden  und  folgendes  zu  beachten: 

1.  Cellulae  radiculares,  Wurzelzellen. 
Es  gibt  Vorderwurzelzellen  und  Hinter- 
wurzelzellen. 


Fig.  72. 
Schema  der 

grauen 
Segmente. 


Fig.  73. 

Nervenzelle  der  Hintersäule.     (Nach  Deiters.) 
a  Neurit;   b  Dendriten. 


a)  Cellulae  radiculares  anteriores,  Vorderwurzel- 
zellen.   Fig.  37,  75,  79. 

Die  Vorderwurzelzellen,  die  motorischen 
Zellen  der  vorderen  Wurzeln,  in  den  Intu- 

meszenzen  die  beiden  vorderen  und  die  lateral-hintere  Zellengruppe  der  Vorder- 
säule bildend,  im  oberen  Hals-  und  im  Brustmark  unzerklüftet,  zeichnen  sich  vor 
allen  anderen  multipolaren  Nervenzellen  des  Markes  durch  die  Größe  ihres  Körpers 
und  den  Reichtum  ihrer  Dendritenverästelung  aus.  Manche  Dendritenausläufer  ragen 
in  die  weiße  Substanz  und  in  die  vordere  Kommissur  hinein.  Der  Neurit  entspringt 
vom  Zellkörper  oder  von  einem  Dendritenstamme,  tritt  durch  den  Vorderstrang  in 
die  vordere  Nervenwurzel  und  wird  so  zum  Axenzylinder  der  peripheren  motorischen 


s.  v.  Lenhossek,  Der  feine  Bau  des  Nervensystems,  2.  Aufl.,  1895. 


48 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Nervenfaser.    In  manchen  Fällen  entsendet  der  Neurit  in  der  Nähe  seines  Ursprunges 
feine  Seitenzweige,  die  sich  verästeln. 

b)  Cellulae  radiculares  posteriores,  Hinterwurzelzellen.     Fig.  74,  75,  79. 

Von  ihnen  gibt  es  zwei  Gruppen  mit  sehr  ungleicher  Zahl  der  Elemente. 
Die  eine,  weit  überwiegende  Gruppe  wird  durch  die  Zellen  der  Spinalganglien 
dargestellt;  die  kleine  andere  dagegen  durch  Zellen,  die  in  der  Vordersäule 
liegen,  ihren  Neuriten  aber  in  die  hintere  Wurzel  entsenden. 

a.  Die  Nervenzellen  der  Spinalganglien. 

Sie  verhalten  sich  zum  Ursprünge  der  hinteren  Wurzeln  ebenso,  wie  die 
Zellen    der   vorderen  Wurzeln    zu    letzteren  und  haben   hier  ihren  systematischen 


Fig.  74. 

Rückenmarkelemente  bei  der  Ringelnatter  (Tropidonotus  natrix.) 

Querschnitt  des  Rückenmarkes   eines  8  cm  langen  Embryo;    C  Kommissurenzellen ;    S  Strangzelle;    V  vordere   (ventrale) 

Kommissur;    P  multipolare  Zellen  in  den  Spinalganglien.      Der  Eintritt  der  hinteren  Wurzelfasern   und   ihre  Kollateralen 

sind  zum  Teil  zu  sehen,  ebenso  die  Kollateralen  der  Vorder-  und  Hinterstränge.    (G.  Retzius,  1898.) 

Platz  zu  finden,  obwohl  sie  im  fertigen  Marke  und  schon  früher  außerhalb  des 
Rückenmarkes  liegen.  In  der  Embryonalzeit  sind  die  Spinalganglienzellen  aller 
Wirbeltiere  spindelförmig  und  bipolar  (Fig.  75);  so  bleiben  sie  dauernd  bei  den 
Fischen;  bei  den  höheren  Klassen  werden  sie  durch  exzentrische  Wachstumsvorgänge 
pseudo-unipolar.1)  So  entsendet  die  Zelle  einen  Ausläufer,  der  sich  bald  darauf 
teilt,  und  zwar  so,  daß  die  beiden  Äste  zusammen  mit  dem  Ausläufer  eine  T-Figur 
bilden  (tubes  en  T  der  französischen  Autoren)  (Fig.  79).  Der  zentrale  Fortsatz  ist 
oft  der  schwächere;  er  stellt  den  Neuriten  der  Zelle  dar,  der  periphere  Fortsatz 
dagegen  einen  langen,  astlosen  Dendriten. 

Manche  Zellen  bringen   außerdem   auch  kurze,  gewöhnliche  Dendriten   hervor.     Nach 
neuerer  Untersuchung  v.  Lenhosseks  (Arch.  mikr.  Anat.  1906)  verlassen  diese  Zellausläufer  jedoch 


')  Die  Ganglienzellen   des  Ganglion  spirale  und   des  Ganglion  vestibuläre  bleiben   bipolar. 


Das  Rückenmark:   Feinerer  Bau. 


49 


das  Gebiet  der  Scheidenzellen  nicht,  sondern  gehen  nach  Bildung  einfacher  Schlingen  wieder  an 
den  Zellkörper  (Fig.  76),  oder  die  Ausläufer  derselben  Zelle  bilden  miteinander  ein  Netz.  Dadurch 
entstehen  die  sogenannten  „gefensterten  Zellen". 

Die  Neuriten  dieser  Zellen  legen  sich  aneinander,  bilden  so  den  Hauptbestandteil 
der  hinteren  Wurzel  und  treten  als  solche  in  das  Rückenmark  ein.  Die  Zellen  selbst 
sind  je  von  einer  besonderen  bindegewebigen  Kapsel  und  einer  dichten  Lage  von 
Scheidenzellen  umgeben  (siehe  S.  14).  Die  Kapsel  setzt  sich  in  die  Scheide  der 
ungeteilten  und  geteilten  Nervenfaser  fort.  Die  ungeteilte  Faser  erhält  in  der  Nähe 
der  Zelle  außerdem  eine  Markhülle  und  Schwannsche  Scheide,  welche  einwärts 
der  Fibrillenscheide  ihre  Lage  haben  und  beide  auf  die  Teilungsäste  übergehen. 
Auf  der  ungeteilten  Strecke  kann  die  Nervenfaser  einen  bis  zwei  Schnürringe  be- 
sitzen; die  Teilungsstelle  selbst  liegt  immer  an  einem  Schnürringe  (Fig.  183,  Abt.  1). 


Fig.  76. 

Gefensterte  Zelle  aus  dem 
Ganglion  ciliare  des  Huhnes. 
(Nach  Lenhossek,  1911.) 


Fig.   75. 

Fig.  75.    Vorderwurzelzellen  und  Hinterwurzelzellen  aus  dem  Thorakalmark   eines  Hühnerembryo  vom  9.  Tage. 

A   vordere  Wurzel;    B   hintere  Wurzel;    C  Vorderwurzelzellen  (motorische  Nervenzellen);    c  Neurit  einer  Vorderwurzel- 
zelle;   D  intramedullarer  Teil  der  hinteren  Wurzel;    e  Ursprung  einer  Kollateralen,   die  sich  nach  /  verzweigt;    g  letzte 
Reiser  der  radikularen  Kollateralen;  d  Teilungsstellen;  £  Ganglion  spinale;  h  bipolare  Ganglienzelle  ;  (' eine  andere  bipolare 
Ganglienzelle,  welche  der  Säugetierform  ähnlich  ist.    (Nach  Cajal.) 


Wie  die  Spinalganglien  sind  gebaut:  das  Ganglion  semilunare  (Gasseri),  das  Ganglion  geni- 
culi,  das  Ganglion  petrosum,  das  Ganglion  jugulare  und  das  Ganglion  nodosum. 

Denken  wir  uns  die  Spinalganglienzellen  weiter  in  die  Peripherie  gerückt  und  schließlich  in  die 
Epidermis  eingetreten,  so  liegen  Verhältnisse  vor,  wie  sie  bei  manchen  Wirbellosen  vorkommen. 
Bei  Lumbricus  sind,  wie  v.  Lenhossek  zeigte,  solche  Zellen  als  Sinnesnervenzellen  in  die 
Haut  eingeschaltet.  Bei  anderen  Wirbellosen  liegen  die  entsprechenden  Sinneszellen  in  größerer 
Tiefe  und  stellen  so  eine  Verbindungsbrücke  zu  den  Spinalganglienzellen  dar  (Retzius).  Auch 
das  weitere  Verhalten  ist  ähnlich.  Der  zentrale  Zellfortsatz  (Neurit)  strebt  zum  Bauchstrange,  dringt 
in  denselben  ein  und  zerfällt  wie  bei  den  Wirbeltieren  in  einen  auf-  und  absteigenden  Ast,  um 
früher  oder  später  frei  zu  endigen  (Fig.  77).  Neben  den  in  der  Epidermis  von  Lumbricus  vor- 
handenen Lenhossekschen  Nervenzellen  kommt  jedoch,  wie  AI.  Smirnow  1894  nachgewiesen 
und  Retzius  bestätigt  hat,  eine  freie  Nervenendigung  vor.  Auch  im  Epithel  der  Mundhöhle 
und  des  Oesophagus  von  Lumbricus  ist  diese  doppelte  Nervenendigung  vorhanden  (Fig.  78).  Die 
freien  interepithelialen  Endigungen  haben  wahrscheinlich  eine  andere  physiologische  Bedeutung. 
Im  Darmepithel  fehlt  die  zellulare  Nervenendigung,   es  ist  hier  nur  die  freie  allein  vorhanden 


50 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


(Smirnow).  Wie  die  der  freien  Endigung  zugehörigen  Nervenfasern  in  den  zentralen  Ganglien 
sich  verhalten,  ist  leider  nicht  bekannt,  doch  hängen  sie  dort  oder  auf  dem  Wege  dahin  sicher 
mit  Nervenzellen  zusammen. 

Welche  Bedeutung  den  Spinalganglienzellen  in  bezug  auf  die  Leitung  von  peripheren 
Empfindungsreizen  zukommt,  läßt  sich  schwer  sagen;  wahrscheinlich  wird  die  Leitung  eine 
Modifikation  erfahren;  hieran  denkt  man  um  so  eher,  wenn  die  Spinalganglienzelle  gewissermaßen 
als  ein  terminaler  Apparat  aufgefaßt  wird.  Eine  Umgehung  der  Zellen  von  seilen  der  Reiz- 
leitung und  ein  Überspringen  der  Erregung  von  einem  auf  den  anderen  Ast  an  dem  Punkte  der 
Teilung  der  Nervenfaser,  mit  Ausschaltung  der  Zelle,  ist  für  Wirbellose  durch  Bethe  experimentell 
nachgewiesen;  trotzdem  wird  wohl  in  der  Regel  die  ganze  verbundene  Strecke,  mit  Einschluß 
der  Zelle,  der  Übertragung  der  Erregung  zu  dienen  haben.  Das  Ergebnis  wäre  eine  Verlängerung 
und  eine  Steigerung  der  Erregung.  Es  läge  in  dem  Stamme  des  Ran vierschen  T  also  eine  merk- 
würdige Einrichtung  der  numerischen  und  zeitlichen  Summation  der  Erregung  vor.  Den  Abschluß 
der  Erregung  bildete  die  sich  unmittelbar  anschließende  Übertragung  durch  den  Zellkörper  selbst. 
Man  muß  hierbei  daran  denken,  daß  der  Stamm  des  T  eine  unmittelbare  Fortsetzung  des  Zellkörpers 
ist;    die  eine   Längshälfte   dieses   Stammes  wird   der  zentripetalen,    die    andere  der  zentrifugalen 


Fig.  77. 


Fig.  78. 


Fig.  77.     Die  zellulare  Endigung  sensibler  Nerven   des  Regenwurmes,  halbschematlsch.     (v.  Lenhossek.) 
Ep  Epidermis  (Hypodermis  aut.)  mit  sensiblen  Sinnesnervenzellen;    W  Nervenwurzel;  B.str.  Bauchstrang  mit  Bifurkation 

und  Endigung  der  sensiblen  Faser. 

Fig.  78.     Freie  Nervenendigung  in  der  Epidermis  des  Regenwurmes.    (AI.  Smirnow.) 
a  Cuticula  epidetmalis ;  b  Schleim  Zeilen  ;  c  körnige  Drüsenzellen;  d,tl\d"  Nervenfasern  zum  subepithelialen  Plexus;  e'  direkt 

,in  das  Epithel  tretende,  frei  endigende  Nervenfaser. 


Leitung  dienen.  Erwiesen  ist  ferner  (seit  Waller  1852)  die  trophische  Bedeutung  der  Spinal- 
ganglienzellen für  die  von  ihr  abgehenden  Fasern.  Durchschneidung  der  hinteren  Wurzel  zwischen 
Ganglion  und  Mark  hat  Degeneration  des  zentralen  Stumpfes  zur  Folge,  die  sich  weit  in  das  Mark 
hinein  erstreckt.  Durchtrennung  der  peripheren  sensiblen  Nerven  führt  zum  Untergang  des  peri- 
pheren Stumpfes,  während  die  Fasern  des  zentralen  Stumpfes  unversehrt  bleiben.  Für  den  Bestand 
der  sensiblen  Fasern  ist  also  ihre  Verbindung  mit  den  Spinalganglienzellen  unerläßliche  Bedingung. 
Einen  merkwürdigen  Bestandteil  der  Spinalganglien  bilden  von  Cajal  nachgewiesene  sym- 
pathische Nervenfasern.  Sie  gelangen  durch  den  Ramus  communicans  des  Spinalnerven  an  jenen 
Platz  und  bilden  innerhalb  der  Bindegewebskapsel  der  Zellen  ein  perizellulares  Geflecht. 
Siehe  unten,  Spinalganglien  und  Sympathicus. 

ß.  Die  Vordersäulenzellen  der  hinteren  Wurzeln. 

In  der  Vordersäule  sind,  bis  jetzt  allerdings  erst  beim  Hühnchen,  Zellen  nach- 
gewiesen, die  deutlich  der  motorischen  Gruppe  angehören  und  ihren  starken 
Neuriten  durch  die  Hintersäule  in  die  hintere  Wurzel  und  durch  das  Spinalganglion 
treten  lassen;  mit  den  Spinalganglienzellen  treten  sie  nicht  in  Verbindung,  sondern 
stellen  „durchtretende  Fasern"  des  Ganglion  dar,  während  die  zahlreichen  anderen 
unterbrochen    werden.     Wohin   sie  gelangen,    ist   zweifelhaft,  vielleicht  zum   Sym- 


Das  Rückenmark:   Feinerer  Bau.  51 

pathicus  (v.  Kölliker).  Fasern  der  Hinterwurzeln,  die  von  der  Vordersäule  zu  den 
Hinterwurzeln  ziehen,  wurden  zuerst  von  v.  Bechterew,  später  v.  Cajal  auf- 
gefunden; v.  Lenhossek  zeigte  darauf  auch  die  zugehörigen  Vordersäulenzellen. 

Nach  den  Versuchen  von  G.  Gabri  kommen  beim  erwachsenen  Hunde  in  den  hinteren 
Wurzeln  keine  motorischen  Elemente  vor.  Sowohl  Durchschneidungs-  und  Degcnerationsversuclie 
als  auch  Reizungsversuche  hatten  dieses  Ergebnis.     (Arch.  Mal.  Biol.  T.  2fi,  1896). 

2.  Strangzellen,  Cellulae  funi ciliares.     Fig.  74,  79,  81—83. 

Allgemeines.  Die  Strangzellen  sind  Zellen  vom  GolgitypusI;  sie  entsenden 
ihren  Neuriten  in  die  Markstränge  derselben  Seite  und  der  gekreuzten  Seite. 
Letztere  durchschreiten  die  vordere  Kommissur  (Fig.  79,  83).  Sie  bilden  eine  be- 
stimmte Gruppe,  die  Kommissuren -Strangzellen,  kurz  auch  oft  Kommissuren- 
z eilen,  Kommissurengruppe  genannt  und  liegen  im  medialen  Felde  der  Vorder- 
säule. Andere  Gruppen  von  Strangzellen  sind  diejenigen  des  Vorderstranges, 
Seitenstranges,  Hinterstranges.  Die  letzteren  sind  die  seltensten,  die  des  Seiten- 
stranges die  häufigsten.  Im  ganzen  stellen  die  Strangzellen  weitaus  das  größte 
Kontingent  von  Nervenzellen  der  grauen  Substanz  dar,  bilden  gegenüber  den 
hinteren  Wurzelzellen  Neuronen  II.  Ordnung  und  übernehmen  zum  Teil  die 
Weiterleitung  sensibler  Empfindungsreize  nach  oben  und  nach  unten;  alle  aber  stellen 
bezüglich  ihres  Neuriten  zentripetale  Bahnen  dar.  Ihre  Zellkörper  haben  durch- 
schnittlich mittlere  und  kleinere  Durchmesser;  die  Dendriten  sind  minder  zahlreich, 
können  aber  ihre  Äste  weithin  erstrecken.  Der  Neurit  entspringt  vom  Zellkörper  oder 
von  einem  Dendritenstämmchen,  gelangt  als  Strangfaser  in  einen  der  bezeichneten 
Stränge  und  geht  auf  zweierlei  Weise  in  die  Längsfasern  des  Markes  über:  ent- 
weder durch  einfache  Umbiegung  meist  zentralwärts,  oder  unter  T-förmiger  Teilung; 
der  eine,  meist  stärkere  Teilungsast,  schlägt  aufsteigende,  der  andere  absteigende 
Richtung  ein  (Fig.  81,  d).  Es  gibt  längere  und  kürzere  Strangfasern,  je  nachdem 
sie  sich  über  ein  kürzeres  oder  ein  längeres  Stück  des  Rückenmarkes  erstrecken. 
Die  längsten  sind  wohl  die  Neuriten  von  den  Zellen  der  Clarkeschen  Säule,  welche 
bis  zum  Kleinhirn  reichen.  Die  Strangfaser  ist  oft  ohne  Seitenästchen,  doch  gibt 
es  bei  den  einzelnen  Gruppen  in  dieser  Hinsicht  gewisse  Verschiedenheiten,  denn 
die  Strangzellen  mit  kurzer  Strangfaser  entsenden  zahlreiche  Kollateralen  in  die 
graue  Substanz  und  endigen  schließlich  auch  dort. 

Die  einzelnen  Zellarten:  «.  Der  Neurit  der  Kommissurengruppe  zieht 
bogenförmig  durch  die  vordere  Kommissur  zum  Vorderstrange  der  anderen  Seite. 
(Fig.  79.)  Manchmal  gehen  feine  Reiser,  selten  längere  Äste  während  seines  Ver- 
laufes zur  Kommissur  von  ihm  ab  und  ziehen  zurück  in  die  graue  Substanz.  Ein 
Neurit  kann  seine  Teilung  früher  als  gewöhnlich  vollziehen;  der  eine  Ast  macht 
den  Weg  zum  gekreuzten  Vorderstrange,  der  andere  zum  gleichseitigen  Vorder- 
strange (Kombinationsformen  von  Cajal). 

J.  Die  zahlreichen  Strangzellen  des  Vorder-Seitenstranges  haben  ihre 
Hauptlagerstätte  in  dem  zwischen  beiden  Säulen  sich  ausbreitenden  Mittelfelde 
grauer  Substanz,  greifen  von  hier  aber  nach  vorn  und  hinten  über.  Als  Clarke- 
sche  Säulen  bilden  sie  besondere  Anhäufungen;  eine  minder  scharf  gesonderte 
Gruppe  liegt  in  der  Seitensäule.  Dicht  nebeneinanderliegende  Strangzellen  können 
ihren  Neuriten  nach  sehr  verschiedenen  Richtungen  entsenden ;  Kreuzungen  ver- 
schiedener Neuriten  sind  daher  keine  Seltenheit.    In  der  Mehrzahl  bleibt  der  Neurit 


52 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


ungeteilt,  gibt  aber  meist  Seitenästchen  ab;  in  anderen  Fällen  teilt  er  sich  noch 
in  der  grauen  Substanz  in  zwei  gleichwertige  Äste.  Letztere  ziehen  entweder  zu 
den  beiderseitigen  Vordersträngen,  oder  der  eine  zieht  zum  Seitenstrange  der 
gleichen,  der  andere  zum  Vorderstrange  der  anderen  Seite;  der  eine  zum  Hinter- 
strange der  gleichen,  der  andere  zum  Vorderstrange  der  gekreuzten  Seite,  oder 
die  beiden  Fortsätze  treten  auf  der  gleichen  Seite  in  verschiedene  Gebiete  der 
weißen  Substanz.  Die  meisten  aller  dieser  Fasern  nehmen  aufsteigende  Richtung. 
Bei  einfach  winkeliger  Umbiegung  des  ungeteilten  Neuriten  ist  ebenfalls  die  auf- 
steigende Richtung  die  vorherrschende.  Bei  T-förmiger  Hauptteilung  steigt  der 
eine,  meist  längere  Ast  ebenfalls  aufwärts,  der  andere  kürzere  abwärts. 


Hinterstrang 


Spinalganglion 


Hintere  (sensible)  Wurzel 


Pyramiden-Seitenstrangbahn 
Kleinhirn-Seitenstrangbahn 


Gowerssches  Bündel 


Vorderstrang-Rest 
Fig.   79. 


Pyramiden- 
Vorderstrang 


Vordere  (motorische)  Wurzel 


Schematische  Darstellung  des  RUckenmarkbaues,  links  Kollateralen,  rechts  Nervenzellen,     (v.  Lenhossek.) 
Rechts:   Schwarz  =  motorische  Zellen,  mit  Kollateralen  an  den  Neuriten;  rot  =  Vorderseitenstrangzellen,  darunter  auch 
je  eine  Zelle  der  Clark  eschen  Säule   und   der  Marginalzone  der  Rolando  sehen  Substanz;    man   beachte  die   ansehn- 
lichen Kollateralzweige  der  Vorderstrangzellen;   lila  =  Kommissurenzellen ,   eine  „kurze"  Zelle  dieser  Art  schraffiert  dar- 
gestellt ;  grün   -  Hinterstrangzellen,  die  kleinen  stellen  die  Zellen  der  Rolando  sehen  Substanz  dar ;  b  I  a  u  =  G  o  I  g  i  sehe 

Zelle  Typus  II j  9  Seitenstrangrest  oder  Seitenstrang-Grundbündel. 
Links:  Seh warz  =  Spinalganglienzellen,  hintere  Wurzeln,  ihre  Bifurkation  und  ihre  in  verschiedenen  Gebieten  der  grauen 
Substanz  endigenden  Kollateralen,  und  zwar  von  links  nach  rechts:  Endigung  in  der  Hintersäule,  in  der  Mittelzone  der 
grauen  Substanz,  in  der  Vordersäule  (Reflexkollateralen),  in  den  Clarkeschen  Säulen  und  in  der  gekreuzten  Hintersäule 
hintere  Kommissur;  rot  ~  Kollateralen  der  Vorderseitenstränge  im  allgemeinen;  lila  =  Kollateralen  der  Kommissuren- 
zellen-Neuriten;   braun  =  Endigungsweise  der  Kollateralen  der  Pyramideribahnen. 


Die  Zellen  des  Nucleus  dorsalis  (der  Clarkeschen  Säule)  sind  ebenfalls 
multipolar  von  wechselnder  Größe  und  Form,  und  ausgezeichnet  durch  großen 
Dendritenreichtum  und  feinste  Verästelung  der  Fasern.  Ihr  Nervenfortsatz,  zuerst 
von  Laura  sicher  nachgewiesen  und  trefflich  abgebildet,  verläßt  die  Zellen  vorn 
oder  seitlich,  wendet  sich  darauf  im  Bogen  lateralwärts,  ohne  Seitenäste  abzugeben, 
und  zieht  in  die  Peripherie  des  Seitenstranges,  in  das  sogenannte  Kjeinhirnseiten- 
strangfeld  des  Markquerschnittes  (Fig.  86),  um  hierselbst  aufzusteigen.  Fasern,  die 
zu  dem  Gol Ischen  Strange  ziehen,  werden  mehrfach  angenommen,  sind  aber  durch 


Das  Rückenmark  :   Feinerer  Bau.  53 

die  neuen  Methoden  nicht  sicher  nachgewiesen.  Um  die  einzelnen  Zellen  verbreitet 
sich  eine  große  Zahl  von  Endbäumchen  der  sensiblen  Kollateralen  (siehe  unten), 
welche  jede  Zelle  korbförmig  umhüllen.     Fig.  82. 

In  der  Nähe  der  hinteren  Kommissur,  vor  den  Clarkeschen  Säulen,  werden 
manchmal  kleine  Zellen  gefunden,  die  ihren  Neuriten  lateralwärts  in  den  Seiten- 
strang entsenden,  andere  senden  ihn  in  den  Burdachschen  Strang. 

y.  Strangzellen  des  Hinterstranges  geben  ihren  Neuriten  in  den  Hinter- 
strang, woselbst  sie  zerstreut  innerhalb  des  Gollschen  und  des  Burdachschen 
Stranges  verlaufen.  In  dichterer  Anordnung  füllen  sie  den  Winkel  zwischen  den 
beiden  Hintersäulen  dorsal  von  der  hinteren  Kommissur  aus  und  bilden  so  das 
Ventralfeld  der  Hinterstränge. 

In  der  Zona  postrolandica  (oder  Zonalschicht  der  Hintersäulen,  Waldeyer)  kommen  Nerven- 
zellen vor,  Cellulae  limitantes,  s.  Cellulae  postrolandicae,  deren  Neurit  die  Substantia  gela- 
tinosa  post.  nach  vorn  durchsetzt,  um  bogenförmig  in  den  Seitenstrang  zu  gelangen;  oder  der  Neurit 
teilt  sich,  ein  Faden  zieht  zum  Seiten-,  der  andere  zum  Hinterstrange  und  geht  in  Längsrichtung  über. 

In  der  Substantia  gelatinosa  post.  selbst  gelegene  Zellen,  Cellulae  rolandicae,  senden 
ihren  Neuriten,  welcher  Nebenästchen  tragen  kann,  in  das  Gebiet  der  Zona  terminalis.  Andere 
Cellulae  rolandicae  haben  mehr  als  einen  Neuriten,  welche  alsdann  in  den  Burdachschen  Strang, 
oder  in  die  genannte  Randzone,  oder  in  den  Seitenstrang  eintreten.  Am  seltensten  sind  Zellen 
der  Hintersäulen,  deren  Neurit  in  den  Gollschen  Strang  gelangt. 

Zusammenfassung:  Die  Neuriten  der  Strangzellen  gelangen  also  in  das 
Grundbündel  des  Vorderstranges  und  in  das  Grundbündel  des  Seitenstranges.  Die 
Neuriten  der  Zellen  des  Nucleus  dorsalis  gelangen  in  die  peripherischen  Teile  des 
Seitenstranges  und  bilden  dort  eine  geschlossene  Bahn,  die  Kleinhirnseiten- 
strangbahn.  Die  Neuriten  anderer  Strangzellen  bilden  im  Seitenstrange  den 
Fasciculus  anterolateralis  (Gowerssches  Bündel).  Zellen  der  Substantia 
gelatinosa  post.  geben  ihren  Neuriten  in  das  Grundbündel  des  Seitenstranges,  in 
die  Zona  terminalis,  in  den  Hinterstrang.  Andere  Zellen  senden  ihren  Neuriten  in 
den  Hinterstrang,  woselbst  sie  sowohl  zerstreut  verlaufen  als  auch  in  größerer 
Masse  nebeneinander  das  Ventralfeld  des  Hinterstranges  bilden. 

3.  Golgi-Zellen  des  II.  Typus,  Cellulae  axi-ramificatae. 

Sie  sind  Zellen  des  II.  Golgischen  Typus,  werden  auch  einfach  als  Golgische 
Zellen  bezeichnet.  Der  Neurit  teilt  sich  in  der  Nähe  seines  Ursprunges  in  eine 
höchst  feine  Verästelung.     Fig.  3. 

Die  meisten  dieser  Zellen  liegen  in  der  Hintersäule,  an  der  medialen  Seite 
der  letzteren,  andere  lateral  vom  Zentralkanal;  letztere  schicken  ihren  Neuriten 
durch  die  vordere  Kommissur  in  die  graue  Substanz  der  anderen  Seite  und  ver- 
ästeln sich  hier.  Es  sind  dies  jene,  welche  hiernach  sachlich  Kommissurenzellen 
darstellen,  eine  besondere  Gruppe  derselben  bildend,  Cellulae  commissurales  axi- 
ramificatae.  Verbleiben  ihre  Ausläufer  in  der  grauen  Substanz?  Von  jenen  der 
Hintersäule  liegen  Beobachtungen  vor,  nach  welchen  längere  Äste  in  den  Bur- 
dachschen Strang  zu  gelangen  scheinen.  Zellen  dieser  Art  würden  Kombinations- 
formen zwischen  Hinterstrangzellen  und  Golgischen  Zellen  des  II.  Typus  dar- 
stellen. 

B.  Die  vorderen  und  die  hinteren  Wurzeln. 
1.  Die  vorderen  Wurzeln,  Radices  anteriores.    Fig.  37,  75,  79. 

Die  vorderen  oder  motorischen  Wurzelfasern,  Fila  radicularia  antt, 
sind   die  Neuriten  der  großen  motorischen  Vordersäulenzellen  derselben   Seite; 


54  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

die  Vordersäulenzellen  der  Gegenseite  liefern  hierzu  keinen  Beitrag;  die  vorderen 
Wurzelfasern  haben  also  unilateralen,  gleichseitigen  Ursprung.  Keine  vordere 
Wurzelfaser  geht  aus  den  weißen  Strängen  des  Rückenmarkes  hervor.  Die 
Ursprungskerne  der  motorischen  Wurzeln  sind  also  die  gleichseitigen 
motorischen  Vordersäulenzellen. 

2.  Die  hinteren  Wurzeln,  Radices  posteriores.    Fig.  37,  74,  75,  79—81. 

Der  Verlauf  der  hinteren  (sensiblen)  Wurzelfasern,  Fila  radicularia 
postt,  ist  viel  verwickelter.  Sie  treten  mit  quer  auseinanderweichenden  Faser- 
massen in  den  Burdachschen  Strang  ein  und  lassen  im  ganzen  eine  schwächere 
laterale  und  stärkere  mediale  Abteilung  unterscheiden  (Fig.  37).  Die  lateralen  Fasern 
ordnen  sich  gleich  hinter  der  Substantia  gelatinosa  post.  zum  Längsverlaufe;  die  am 
meisten  lateral  gelegenen  bilden  die  Zona  terminalis;  die  mächtigen  medialen 
Bündel  streben  leicht  bogenförmig  medianwärts  und  verteilen  sich  teils  in  ver- 
schiedene Bezirke  des  Burdachschen  Stranges,  teils  ziehen  sie  in  die  graue  Sub- 
stanz der  Hintersäule. 

Wie  verhalten  sich  aber  die  einzelnen  Nervenfasern  der  hinteren  Wurzeln? 
Sie  verhalten  sich  mit  Ausnahme  der  wenigen  Fasern,  welche  zu  Vordersäulen- 
zellen ziehen  und  aus  deren  Neuriten  hervorgehen  (s.  S.  50,  ß),  in  folgender  regel- 
mäßiger Weise,  die  aus  den  Fig.  79,  80  leicht  ersehen  werden  kann.  Jede  dieser 
Fasern  teilt  sich  nach  ihrem  Eintritt  in  das  Mark  in  zwei  Äste,  einen  stärkeren 
aufsteigenden  und  einen  schwächeren  absteigenden;  sie  werden  aufsteigende 
und  absteigende  Längsäste,  Ramus  ascendens,  descendens  der  hinteren 
Wurzelfaser  genannt.  Die  Höhen,  bis  zu  welchen  sie  aufsteigen,  sind  verschieden; 
ein  Teil  dringt  bis  zur  Medulla  oblongata  vor,  andere  stufenweise  weniger  hoch. 
Darnach  unterscheidet  man  lange  Fasern  oder  Bahnen  und  kurze  Fasern 
oder  Bahnen;  die  absteigenden  haben  nur  kurzen  Verlauf.  Die  zu  einer  Wurzel 
gehörigen  liegen  dicht  nebeneinander,  so  daß  bei  Degenerationen  ein  abgegrenztes 
Areal  sichtbar  wird.  Es  hat  die  Form  eines  Komma  und  wird  als  Schultzesches 
Komma  bezeichnet.  Wie  endigen  erstere  und  letztere?  Schon  während  des  auf- 
und  absteigenden  Längsverlaufes  werden  in  kurzen  Abständen  feine  rechtwinkelig 
in  die  graue  Substanz  tretende  Seitenästchen,  Kollateralen,  hier  auch  sensible 
Kollateralen  genannt,  abgegeben,  wodurch  die  Faser  allmählich  schwächer  wird. 
Zuletzt  bleibt  nur  das  Ende  der  oberen  und  der  unteren  Faser  übrig,  welches  die 
terminale  Kollaterale  der  Faser  darstellt  und  sich  ebenso  verhält,  wie  die  vorher 
abgegebenen  Kollateralen,  d.  h.  in  die  graue  Substanz  eintritt.1)  Sogar  von  der 
noch  ungeteilten  Faser  können  einzelne  Kollateralen  abgehen.  Innerhalb  der 
grauen  Substanz  verhalten  sich  die  Kollateralen  übereinstimmend  so,  daß  sie  in 
ein  zierliches,  mehr  oder  minder  dichtes  Endbäumchen,  Telodendron,  ausstrahlen. 
Die  letzten  Enden  der  Telodendren  übertragen  in  der  eingangs  geschilderten  Weise 
ihre  Erregung  auf  verschiedene  Neuronen  II.  Ordnung.  Das  Bestreichungsgebiet 
eines  sensiblen  Neuron  I.  Ordnung  ist  folglich  der  Länge  nach  ein  sehr  ausge- 
dehntes, zum  Teil  in  einem  Maße,  daß  es  der  physiologischen  Forschung  schwer 
wird,  ohne  weiteres  anzuknüpfen. 


')  Das  Ende  der  terminalen  Kollateralen  ist  unmittelbar  nicht  nachgewiesen,  aber  ein  anderes 
Verhalten  dürfte  der  ganzen  Grundlage  nach  nicht  möglich  oder  sehr  unwahrscheinlich  sein. 


Das  Rückenmark:    Feinerer  Bau. 


55 


Der  ganze  Hinterstrang  besteht,  wie  sich  ferner  ergibt,  der  überwiegenden 
Masse  nach  aus  auf-  und  absteigenden  Längsästen  der  hinteren  Wurzelfasern;  er 
enthält  nur  spärliche  Faserbeimischung  von  Hinterstrangzellen.  Der  Gollsche 
Strang  scheint  ausschließlich  lange  Bahnen  zu  enthalten,  während  der  Burdachsche 
Strang  kurze  und  lange  Bahnen  einschließt. 

Über  die  Höhen,  bis  zu  welchen  auf-  und  absteigende  Bahnen  vordringen, 
geben  folgende  Erfahrungen  weiteren  Aufschluß.  Durchschneidung  der  hinteren 
Wurzeln  oder  der  Hinterstränge  am  lebenden  Tiere,  oder  bei  dem  Menschen  ent- 
sprechende Erkrankungsfor- 
men jener  Teile,  wie  sie 
durch  Verwundung  usw.  vor- 
kommen, haben  eine  aufstei- 
gende Degeneration  zur 
Folge,  welche  unter  allmäh- 
licher Abnahme  des  degene- 
rierten Querschnittanteiles  bis 
zur  Oblongata  reichen  kann. 
Burdachsche  und  Gollsche 
Stränge  werden  betroffen,  zu 
ihnen  gesellt  sich  noch  eine 
viel  unansehnlichere  abstei- 
gende Degeneration.  Die 
Abnahme  in  der  Zahl  der  de- 
generierten Fasern  nach  oben 
und  unten  hin  findet  die  Er- 
klärung durch  das  Vorhanden- 
sein längerer  und  kürzerer 
Fasern. 

Es  wurde  schon  erwähnt, 
daß  die  Kollateralen  in  ihrem 
Verlauf  alsbald  in  die  graue 
Substanz  gelangen.  Bald 
durchbrechen  sie  einzeln,  bald 
zu  kleinen  und  größeren  Bün- 
deln geordnet  meridianartig  die  Substantia  gelatinosa  posterior,  in  größeren  Massen 
noch  die  mediale  Seite  der  Hintersäule,  um  gegen  die  Clarkesche  Säule  und  die 
Vordersäule  zu  ziehen. 

Um  welche  Zellen  befinden  sich  die  sensiblen  Endbäumchen  gelagert?  Sie 
finden  sich  fast  über  alle  Punkte  der  grauen  Substanz  der  gleichen  Markhälfte 
zerstreut;  ein  kleiner  Teil  der  sensiblen  Kollateralen  geht  auf  dem  Wege  der 
hinteren  Kommissur  zur  Gegenseite,  um  in  der  Hintersäule  in  derselben  Weise  zu 
endigen.  Am  reichlichsten  finden  sich  die  Endbäumchen  im  Mittelteile  der  grauen 
Säulen.  Die  zahlreichen  Nervenzellen  der  Hintersäulen  werden  von  den  feinsten 
Astsystemen  dicht  umgeben;  besonders  reichlich  sind  die  Endbäumchen  um  die 
Zellen  der  Clarkeschen  Säulen  entwickelt.     Fig.  79. 

Eine  besondere  Beachtung  erfordern  jene  sensiblen  Kollateralen,  welche  zu 
den  motorischen  Vordersäulenzellen  ziehen   und   an   ihnen   in   Endbäumchen  zer- 


Fig.  80. 


Fig.  81. 


Fig.  80.     Bau  eines  sensiblen  Neuron. 

g  Spinalganglienzelle ;  p  periphere  Faser;  r  zentrale  oder  Wurzelfaser  mit 
ihrer  Gabelung  in  einen  Ramus  descendens  (d)  und  Ramus  ascendens  (a); 
c,  c  die  sensiblen  Kollateralen  mit  ihren  Endbäumchen  (e),   welche   in  die 

graue  Substanz  führen. 
Fig.  81.    Ein  Stück  Rückenmark  mit  zahlreichen  motorischen  Neuronen 
(a),    einem    sensiblen   Neuron    (b)   und    einer   Strangzelle   (d).     (Nach 

Kölliker  und  Lenhossek,  1890.) 
c  Kollaterale  am  aufsteigenden  Ast;   r  Kollaterale  am  absteigenden  Ast  des 
sensiblen  Neuron   b;    e,  e,  e   Kollateralen   an  dem   absteigenden   und  dem 

aufsteigenden  Ast  der  Strangzelle  d. 


56  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

fallen.  Es  sind  die  Reflexkollateralen  von  Kölliker.  Erregungsvorgänge  in 
sensiblen  Nervenfasern  gehen  durch  jene  direkt  auf  die  motorischen  Zellen  und  durch 
letztere  auf  die  Muskeln  über  ohne  in  das  Gehirn  zu  gelangen.     Siehe  Fig.  81,  r. 

Hier  ist  noch  einer  zweiten  Möglichkeit  der  Übertragung  peripherer  zentripetaler  Erregungen 
auf  die  motorischen  Bahnen  zu  gedenken.  Während  die  vorerwähnte  Anordnung  von  Reflexkollateralen 
einen  direkten  Reflexbogen  darstellt,  sehen  wir  in  Fig.  81  zugleich  den  indirekten  Reflex- 
bogen zur  Anschauung  gebracht.  Er  wird  hervorgebracht  durch  Zwischenschiebung  eines  anderen 
Neuron,  Reflexneuron,  zwischen  das  sensible  und  das  motorische  Neuron.  Jene  Reflexneuronen 
sind  nichts  anderes  als  in  der  grauen  Substanz  liegende  Strangzellen;  eine  solche  (Fig.  81,  d) 
entläßt  einen  Neuriten,  der  in  die  weiße  Substanz  gelangt  und  sich  in  eine  auf-  und  absteigende 
Längsfaser  spaltet.  Von  beiden  gehen  Kollateralen  und  je  eine  Endfaser  (terminale  Kollaterale) 
aus,  welche  die  Erregung  auf  die  motorischen  Zellen  übertragen.  Die  Reflexzelle  selbst  wird 
erregt  durch  eine  Kollaterale  der  sensiblen  Längsfaser. 

Beachten  wir  die  Gesamtverhältnisse  der  hinteren  Wurzeln  und  vergleichen  sie  mit  den  vorderen, 
so  ergibt  sich,  daß  zwar  die  vorderen  Wurzeln  im  Rückenmark  ihre  Ursprungskerne  besitzen, 
nicht  aber  die  hinteren.  Die  hinteren  Wurzeln  haben  vielmehr  nur  so  weit  im  Mark  ihren  Ursprungs- 
kern,  als  sie  .durchtretende  Fasern"  besitzen,  die  in  der  Vordersäule  entspringen.  Alle  übrigen 
Fasern  der  hinteren  Wurzeln  haben  ihre  Ursprungskerne  in  den  Spinalganglien;  im  Rücken- 
mark stoßen  sie  dagegen  auf  ihre  Endkerne.  Vordere  und  hintere  Wurzeln  bezeichnen  also 
verschiedene  Dinge;  die  hintere  Wurzel  ist,  soweit  sie  zentripetale  Fasern  hat,  bereits  zentrale 
Bahn  zum  Endkerne,  die  vordere  Wurzel  dagegen  ein  Teil  der  peripheren  Bahn. 

C.  Die  Vorderstränge  und  die  Seitenstränge.     Fig.  82. 

Wie  die  Hinterstränge  massenhaft  Kollateralen  entwickeln  und  schließlich  ganz 
in  solche  auslaufen,   so  ist  es  auch  mit  den  Vorder-  und  Seitensträngen  der  Fall. 

Alle  Längsfasern  des  Vorder-Seitenstranges  entsenden,  wie  Golgi  und  Cajal 
gezeigt  haben,  von  Strecke  zu  Strecke  feine  Zweige,  welche  in  die  graue  Substanz 
eindringen  und  mit  einem  Endbäumchen  endigen.  Diese  umspinnen  die  mit  der 
Weiterleitung  betrauten  Zellen  oder  gehen  im  Neuropilem  auf. 

An  guten  Längsschnitten  werden  keine  längeren  Fasern  gesehen,  die  nicht  Kollateralen  ent- 
senden. Mögen  es  kurze  oder  lange  Bahnen  sein,  d.  h.  Bahnen,  welche  im  Rückenmark  entspringen 
und  endigen,  oder  solche,  welche  im  Rückenmark  entspringen  und  hirnwärts  ziehen,  mögen  es 
zentrifugal  oder  zentripetal  leitende  Bahnen  sein,  überall  tritt  die  gleiche  Erscheinung  der  Kolla- 
teralen entgegen.  Nicht  nur  die  Neuronen  erster  Ordnung  also,  die  uns  in  den  Spinalganglien- 
zellen und  sensiblen  Wurzelfasern  entgegentraten,  vermögen  Kollateralen  zu  entwickeln,  sondern 
dieselbe  Struktureigentumlichkeit  kommt  auch  Neuronen  höherer  Ordnung  zu.  Der  Einfluß  von 
Längsfasern  auf  große  Gebiete  grauer  Substanz  ist  folglich  auch  bei  diesen  vorhanden. 

In  der  Anordnung  und  Verlaufsrichtung  der  Kollateralen  des  Vorder-Seiten- 
stranges zeigen  sich  auf  dem  Markquerschnitt  gewisse  Besonderheiten. 

Der  Vorderstrang  entsendet  von  seiner  medialen,  fissuralen  Abteilung,  dem 
sogenannten  Fasciculus  cerebrospinalis  anterior,  zahlreiche  Kollateralen  in  die 
gleichseitige  Vordersäule,  welche  an  den  motorischen  Zellen  dieser  Säule 
perizellular  endigen. 

Der  Übergang  von  Kollateralen  der  Pyramiden -Vorderstrangbahn  zu  den 
Vordersäulenzellen  der  gekreuzten  Seite  ist  nach  v.  Lenhossek  (1895)  nicht 
vorhanden. 

Zahlreiche  Kollateralen  des  Vorderstranges  kommen  aus  jener  Abteilung  des- 
selben, welche  lateral  vom  Fasciculus  cerebrospinalis  anterior  gelegen  ist.  Sie 
erreichen  die  Kommissurengruppe,  tiefer  gelegene  zentrale  Zellen,  auch  die  mediale 
motorische  Gruppe.  Zahlreiche  Kollateralen  entsendet  ferner  das  Gowerssche 
Bündel  in  die  Gegend  der  motorischen  Zellgruppen  und  an  die  Zellen  der  Seiten- 


Das  Rückenmark:   Feinerei   Bau. 


57 


säule.  Von  allen  Feldern  des  Vorder-Seitenstranges  ist  es  die  der  lateralen  Ein- 
buchtung der  grauen  Säule  entsprechende  große  Abteilung  des  Seitenstranges,  näm- 
lich dessen  Grundbündel,  ferner  der  Fasciculus  cerebrospinalis  lateralis  und  das 
Kleinhirnseitenstrangfeld,  aus  welchen  die  Einstrahlung  von  Kollateralen  in  die 
graue  Substanz  sich  am  reichlichsten  vollzieht.  Die  Einstrahlung  ist  teils  eine 
diffuse,  teils  eine  bündelartige:  Die  Kollateralen  des  Fasciculus  cerebrospinalis 
lateralis  treten  zu  den  motorischen  Zellgruppen;  diejenigen  des  Grundbündels  zu 


Hinteres  Bündel  der  hinteren  Kommissur 


Mittleres  Bündel  der  hinteren  Kommissur 


Endigungen  um  Zellen 
der  Hintersäule 


Kollateralen, 
welche  im 


Nucleusdorsalis    / 
endigen 


Perizellulare 
Endigungen  der 
Vorderstrang- 
kollateralen 


Kollateralen  von  Fasern 
des  Hinterstranges  zum 
Scheitel   der    Hintersäule 


Kollateralen  der 
Fasern  des  Hinter- 
stranges zum 
motorischen 
Vorderwurzel- 
zellengebiet 


Kollateralen  der  Strangfasern. 

Querschnitt  durch  das  Rückenmark  eines  neugeborenen  Kindes.     (Cajal.) 

Zellen  der  Vordersäule,  Hintersäule  und  des  Mittelgebietes;  die  der  Kleinhirnseiten- 
strangbahn  zu  Zellen  des  lateralen  Mittelgebietes.     Fig.  79,  82. 

Physiologisches. 

Die  vorderen  Wurzeln  enthalten  außer  den  myo motorischen  Fasern  auch  Vasomotoren 
(Pflüger)  und  Nerven  für  Schweißsekretion  (Vulpian  und  Adamkiewicz). 

Auch  die  hinteren  Wurzeln  enthalten  vasomotorische  Fasern,  neben  den  sensiblen  usw. 
(Steiner,  Brown-Sequard,  Stricker). 

Ch.  Bell  hat  die  myomotorische  Funktion  der  vorderen  Wurzeln  nachgewiesen,  Magendie 
aber  die  Sensibilität  der  hinteren  Wurzeln,  sowie  die  *  rückläufige"  Sensibilität  in  den  vorderen 
Wurzeln  (siehe  unten). 


D.  Zahlenverhältnis  der  Fasern  der  Nervenwurzeln  und  des  Markmantels. 

Man  hatte  in  früherer  Zeit,  als  eingehendere  Untersuchungen  über  den  Faserverlauf  und  den 
Bauplan  des  Rückenmarkes  noch  fehlten,  annehmen  zu  dürfen  geglaubt,  daß  alle  Nervenwurzelfasern 
innerhalb   der  weißen   Stränge  des  Rückenmarkes  nach  oben  zum  Gehirn  verliefen.     Es  wurden 


58  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

mühsame  Querschnittsmessungen  und  Faserzählungen  angestellt,  welche  über  diese  Verhältnisse  ent- 
scheiden sollten.  So  maß  Volkmann  beim  Pferde  den  Querschnitt  der  weißen  Substanz  in  der 
Lendengegend  (30.  Nerv)  zu  121,  im  obersten  Halsmarke  aber  zu  109  qmm.  Die  Summe  der  Quer- 
schnitte aller  Spinalnerven  bei  einer  Schlange  (Crotalus)  übertraf  nach  seiner  Berechnung  die  des 
Halsmarkes  mindestens  11  mal.  Bratsch  und  Ranchner  zeigten  durch  Messungen,  daß  eine 
kontinuierliche  Zunahme  der  weißen  Substanz  des  Rückenmarkes  von  unten  nach  oben  nicht  statt- 
finde, daß  ihr  Querschnitt  in  der  Lendenanschwellung  etwas  größer  sei  als  im  unteren  Brustmark, 
in  der  Halsanschwellung  etwas  größer  als  im  Gebiete  des  2.  Halsnerven;  daß  also  in  den  An- 
schwellungen nicht  nur  eine  Vermehrung  der  grauen,  sondern  auch  der  weißen  Substanz  stattfinde. 
Stilling  fand  den  Flächeninhalt  der  Querschnitte  aller  Nervenwurzeln,  wie  schon  vorher  Kolli k er, 
mehr  als  viermal  so  groß  als  denjenigen  der  weißen  Substanz  im  oberen  Teil  des  Rückenmarkes. 
Nun  konnte  aber  eine  Verschmälerung  der  Nervenfasern  im  Rückenmark  stattfinden  und  das 
Ergebnis  der  Flächenmessung  illusorisch  machen.  Stilling  betrat  daher  den  Weg  der  Zählung 
der  Nervenfasern  in  den  Nervenwurzeln  und  im  Mark.     Er  fand,  daß 

die  vorderen  Spinalnervenwurzeln  zusammen    303265  Fasern 
die  hinteren  .  dagegen        504473 

enthielten,  was  eine  Summe  von  807738  Fasern 

ergibt.  Die  weiße  Substanz  aber  hatte  im  Gebiete  des  zweiten  Halsnerven  nur  401694  Fasern.  So 
viel  traten  ungefähr  zur  Medulla  oblongata  und,  da  diese  bereits  ein  Gehirnteil  ist,  zum  Gehirn 
über.  Wie  viele  davon  Wurzelfasern  seien,  konnte  man  freilich  nicht  wissen;  man  hatte  aber  damit 
erkannt,  daß  jedenfalls  nicht  alle  Wurzelfasern  zum  Gehirn  gelangen.  Beurteilt  man  die  Ergebnisse 
der  Zählung  im  Lichte  unserer  gegenwärtigen  Erfahrungen  über  den  Faserverlauf  und  den  Bauplan 
des  Rückenmarkes,  so  sinkt  ihr  Wert  für  die  Aufhellung  des  Faserverlaufes  fast  zu  nichts 
zusammen.  Dagegen  bleibt  den  Zahlenangaben  über  die  Menge  der  in  den  Nervenwurzeln  ent- 
haltenen Fasern  für  alle  Zeit  eine  hohe  Bedeutung. 

Nicht  wie  viele  Fasern  des  Markmantels  im  ganzen  zum  Gehirn  übertreten,  ist  gegenwärtig 
die  Frage,  sondern  wie  viele  von  jeder  langen  und  kurzen  Bahn,  und  zu  welchen  Hirn-  und  Rücken- 
marksteilen sie  gelangen;  das  Ideal  ist,  von  jedem  einzelnen  Neuron  volle  Kenntnis  nach  allen 
Seiten  hin  zu  besitzen. 

E.  Übersicht  des  Gesamt- Aufbaues  des  Rückenmarkes. 

Der  Zentralkanal  verläuft  ungefähr  in  der  Längsaxe  des  Rückenmarkes;  er 
liegt  etwa  in  der  Mitte  des  Querschnittbildes.  Die  ihn  auskleidenden  zylindrischen 
Ependymzellen  senden  einen  Haarbüschel,  die  Ependymhärchen,  in  den  Kanal, 
ihren  großen  peripheren  Fortsatz  aber  wahrscheinlich  bis  zur  Markperipherie.  Die 
den  Zentralkanal  und  die  Körper  der  Ependymzellen  zunächst  umgebende  Zone 
grauer  Substanz,  die  Substantia  gelatinosa  centralis,  bildet  mit  dem  Zentral- 
kanal den  zentralen  Ependymfaden  des  Markes.  Ihre  Neurogliazellen  sind 
reich  verzweigt,  die  feine  Verzweigung  konzentrisch  um  den  Zentralkanal  geordnet. 
In  ihrem  Gebiete  kommen  nur  spärliche  Kommissuren-  und  Strangzellen  vor. 

Die  Commissura  anterior  alba  besteht  aus  einer  großen  Anzahl  sich 
kreuzender  markhaltiger  Neunten.  Diese  stammen  1.  von  Zellen  der  hinteren 
medialen  Gruppe  der  Vordersäulenzellen,  welche  wir  als  Kommissurenzellen  kennen 
gelernt  haben  (Fig.  79,  83).  Die  Neuriten  dieser  Zellen  ziehen  teils  zur  grauen, 
teils  zur  weißen  Substanz  der  Gegenseite,  und  zwar  zum  Vorderstrang  und  zum 
Seitenstrang.  2.  Andere  Neuriten  dieser  Kommissur  stammen  von  Zellen  in  der 
Wurzel  der  Hintersäule,  diese  ziehen  zum  Gowersschen  Bündel  der  anderen  Seite. 

3.  Zweifelhaft  sind  Kollateralen  von  Fasern  des  Pyramiden-Vorderstranges,  welche  zu  moto- 
rischen Vordersäulen-Zellen  der  anderen  Seite  ziehen  sollen. 

Vom  Zentralkanal  zur  vorderen  Fissur  erstreckt  sich  der  vordere  Ependym- 
keil,  als  Gebilde  der  vorderen   Ependymzellen;    ferner  entsenden  stark  verästelte 


Das  Rückenmark:   Feinerer  Bau. 


vi 


Sensible  Wurzelfasern 
(Teilung) 


Faser  zum 

Gowersschen  . 

Bündel 


Sensible  Kollaterale 

Hintere  (sensible) 

Wurzelfasern 

Sensible 

Kollaterale 


Strang- 
zellen 


Neurogliazellen    viele   büschelförmige  Zweige   durch    die   vordere  Kommissur  und 
bilden  dadurch  die  Commissura  ant.  grisea. 

Die  markhaltigen  Fasern  der  Commissura  post.  des  menschlichen  Markes 
sind  sensible  Kollateralen,  die  dem  vorderen  Teil  des  Burdachschen  Stranges 
entstammen,  medial  an  der  Clarkeschen  Säule  vorbeiziehen,  die  Mittellinie  über- 
schreiten und  in  der  Hintersäule  der  anderen  Seite  ihre  Endbäumchen  entwickeln. 
Fig.  79. 

Von  den  Zellengruppen  der  Vordersäule  enthalten  die  beiden  vorderen 
und  die  laterale  hintere  Gruppe  motorische  Zellen,  und  heißen  deshalb  Ursprungs- 
kerne der  vorderen  Nervenwurzeln;  sie  enthalten  auch  die  spärlichen 
Ursprungszellen  der  durchtretenden  Fasern  der  hinteren  Wurzeln.  Die  mediale 
hintere  Gruppe  enthält  wesentlich  Kommissurenzellen.  Die  zentrale  Gruppe  enthält 
Strangzellen,  deren  Neuriten  zum  Vorder- 
strang und  zum  Seitenstrang  ziehen.  Die 
Nervenzellen  sind  von  einem  dichten  Ner- 
venfilze umgeben,  welcher  von  reichver- 
zweigten Dendriten,  den  etwa  vorhandenen 
Seitenzweigen  (Kollateralen)  der  Neuriten, 
sowie  von  überaus  zahlreichen  Kollateralen 
der  Stränge  und  von  ihren  Endbäumchen 
gebildet  wird.  Die  bezüglichen  Kollate- 
ralen werden  geliefert  von  den  Grund- 
bündeln des  Vorder-  und  Seitenstranges, 
von  den  besonderen  Bündelndes  Vorder- 
und  Seitenstranges,  von  dem  Hinterstrange 
(Reflexkollateralen).  Die  Vordersäule  wird  ferner  durchzogen  von  den  Anfangsteilen 
der  motorischen  Wurzelfasern,  den  Neuriten  der  in  ihr  gelegenen  Strangzellen, 
den  peripheren  Fortsätzen  von  Ependymzellen,  dem  verwickelten  Neurogliagerüst, 
zahlreichen  Blutgefäßen  und  Lymphbahnen. 

Zwischen  dem  hinteren  Rande  (Basis)  der  Vordersäule  und  dem  vorderen 
Rande  (Basis)  der  Hintersäule  ist  das  Mittelfeld  der  grauen  Säule  gelegen.  Das- 
selbe enthält  vor  allem  zahlreiche  Strangzellen,  einzelne  Kommissurenzellen;  ferner 
ansehnliche  Bündel  von  Kollateralen  des  Seiten-  und  Hinterstranges,  sowie  im 
Brustlendenteile  Neuritenbündel  der  Clarkeschen  Säulen. 

Die  Seitensäule  enthält  als  Hauptbestandteil  Strangzellen. 

Auch  in  der  Formatio  reticularis  kommen  vereinzelte  Strangzellen  vor. 

Der  Nucleus  dorsalis  (Clarkesche  Säule)  enthält  zahlreiche  große  Ganglien- 
zellen und  eine  große  Menge  sensibler  Kollateralen  aus  dem  Burdachschen  Strang 
(Fig.  79).  Die  Neuriten  seiner  Ganglienzellen  ziehen  quer  durch  die  graue  Sub- 
stanz und  den  Seitenstrang,  und  bilden  den  kranialwärts  ziehenden  Kleinhirn- 
Seitenstrang.     Fig.  86. 

Die  Zellen  der  Hintersäule  liegen  meist  einzeln.  Die  Mehrzahl  sind  Seiten- 
strang-, ein  kleinerer  Teil  Hinterstrangzellen;  dazu  kommen  im  medialen  Gebiet  der 
Basis  der  Hintersäule  Golgische  Zellen  des  Typus  II  (Cellulae  axiramificatae)  vor. 
Massenhaft  sind  Kollateralen  in  der  Hintersäule  vorhanden,  insbesondere  Hinter- 
strangkollateralen,  aber  auch  solche  des  Seitenstranges.  Die  Hintersäule  wird  ferner 
durchzogen  von  den  starken  Neuriten  der  durchtretenden  Fasern. 

Raubee-Kopsch,  Anatomie.    10.  Aufl.    V.  Abt.  4 


Faser  zum 

Vorderstrangrest        Vorderstrangfaser 

Fig.   83. 

Ursprung   und  Verlauf   von  Fasern   der  Commissura 

alba  anterior. 
Verlauf  einiger  sensibler  Kollateralen.    (Nach  Kolli ker.) 


60  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

Die  in  der  weißen  Substanz  des  Rückenmarks  vorhandenen  Faserarten, 
Bahnen,  Stränge,  kann  man  in  zwei  große  Gruppen  einteilen,  in  lange  Bahnen 
und  kurze  Bahnen. 

Die  langen  Bahnen  verlaufen  durch  die  ganze  Länge  des  Rückenmarks 
und  reichen  bis  zum  Gehirn. 

Die  kurzen  Bahnen  verlaufen  über  längere  oder  kürzere  Strecken  des 
Rückenmarks,  aber  nicht  durcli  den  größten  Teil  oder  die  ganze  Länge.  Kurze 
Bahnen  des  Cervikalmarkes  ziehen  zur  Medulla  oblongata  und  umgekehrt  reichen 
in  das  Cervikalmark  auch  kurze  Bahnen  aus  dem  Gehirn  hinein. 

Wenn  man  das  Verhältnis  der  langen  und  kurzen  Bahnen  durch  ein  Beispiel  erläutern  will,  so 
scheint  es  passend,  sie  mit  Telephonleitungen  zu  vergleichen.  Die  kürzesten  Bahnen  (Strangzellen) 
können  mit  Leitungen  verglichen  werden,  welche  die  Räume  eines  Hauses  miteinander  in  Verbin- 
dung setzen.  Längere  Züge  der  kurzen  Bahnen  würden  den  Stadtleitungen  entsprechen,  weiche 
die  einzelnen  Häuser  und  durch  Vermittlung  der  Hausleitungen  alle  einzelnen  Räume  verschiedener 
Häuser  miteinander  zu  verbinden  ermöglichen.  Die  langen  Bahnen  sind  Kabeln  vergleichbar, 
welche  die  Städte  miteinander  verbinden  und  zusammen  mit  den  Stadt-  und  Hausleitungen  die 
Verbindung  zweier  beliebiger  Räume  miteinander  ermöglichen. 

Eine  andere  Einteilung  der  Faserarten,  welche  sich  nicht  ganz  mit  der  zuerst 
genannten  deckt,  ist  folgende;  man  unterscheidet: 

a)  Absteigende    Fasern,    die    im    Gehirn    ihre   Ursprungszellen   besitzen: 

1.  Fasciculus  cerebrospinalis  ant.  (pyramidalis  ant.),  Pyramiden-Vorderstrang-Bahn; 

2.  Fasciculus  cerebrospinalis   lat.  (pyramidalis  lat.),    Pyramiden-Seitenstrang-Bahn; 

3.  Tractus  rubrospinalis,  Monakows  Bündel;  4.  Tractus  tectospinalis;  5.  Tractus 
vestibulospinalis;  6.  Fasciculus  longitudinalis  medialis,  mediales  (hinteres)  Längs- 
bündel. 

b)  Aufsteigende  Fasern,  welche  in  den  Spinalganglien  ihre  Ursprungs- 
zellen besitzen  und  teilweise  zum  Gehirn  ziehen:  1.  Funiculus  post,  Hinterstrang 
mit  Gollschem  und  Burdachschem  Strange. 

c)  Auf-  und  absteigende  Strangzellenbahnen;  sie  finden  teils  schon 
im  Rückenmark  ihr  Ende,  teils  im  Gehirn.  Die  langen,  aus  ihren  Neuriten  ge- 
bildeten Bahnen  sind:  1.  Fasciculus  cerebellospinalis,  Kleinhirn-Seitenstrang-Bahn 
(Flechsig);  2.  Fasciculus  anterolateralis  superficialis,  Gowerssches  Bündel;  3.  Trac- 
tus spinothalamicus  (Edinger);  4.  Tractus  spinoolivaris  (Bechterew)  oder  Hell- 
wegs Dreikantenbahn;  5.  Tractus  cervicolumbalis  dorsalis  (Flechsig).  Die  kurzen 
Strangzellenfasern  bilden  den  Rest  des  Vorderstranges,  den  Rest  des  Seitenstranges 
und  das  ventrale  Feld  der  Hinterstränge. 

Von  Ursprung,  Verlauf  und  Ende  aller  dieser  Bahnen  soll  im  Folgenden  die 
Rede  sein.     Diejenigen  Teile  dieser  Bahnen,  welche  nicht  dem  Rückenmark  an- 
gehören, können  hier  natürlich  nur  ganz  kurz  genannt  werden;  sie  finden  an  ent- 
sprechender Stelle  weiter  unten  eingehendere  Behandlung, 
a)  Absteigende  Bahnen. 

1.  Fasciculus  cerebrospinalis  ant.  (pyramidalis  ant.),  Pyramiden- 
Vorderstrang-Bahn.  Sie  besteht  ebenso  wie  die  Pyramiden-Seitenstrang-Bahn 
aus  den  Neuriten  der  großen  Pyramidenzellen  eines  bestimmten  Bezirkes  der 
vorderen  Zentralwindung  der  Hirnrinde  (Fig.  85).  In  der  Medulla  oblongata 
bilden  diese  Neuriten  die  sogenannten  Pyramiden.  Ein  Teil  der  Fasern  zieht  durch 
die  Pyramidenkreuzung  in  den  Seitenstrang  der  anderen  Seite  als  Pyramiden-Seiten- 


Das  Rückenmark:   Feinerer  Bau. 


61 


Strang-Bahn,  ein  anderer  Teil  verläuft  ungekreuzt  kaudalwärts  als  Pyramiden- 
Vorderstrang-Bahn.     Fig.  84, pv. 

Letztere  bildet  beim  Menschen  die  der  vorderen  Medianfissur  anliegenden 
Teile  der  Vorderstränge  und  wird  lateralwärts  vom  Sulcus  intermedius  anterior  ab- 
gegrenzt. Im  Absteigen  allmählich  abnehmend,  erreicht  sie  an  der  Lendenan- 
schwellung ihr  Ende.  Die  Kollateralen  und  Endäste  ihrer  Fasern  ziehen  zu  den 
motorischen  Vordersäulen-Zellen  ihrer  Seite  und  übermitteln  diesen  die  Erregung 
(Fig.  79).  Ob  auch  Fasern  durch  die  vordere  Kommissur  zu  den  entsprechenden 
Zellen  der  anderen  Seite  gelangen,  ist,  wie  schon  (S.  56)  gesagt,  nicht  sicher. 

2.  Fasciculus  cerebrospinalis  lateralis  (pyramidalis  lat.),  Pyra- 
miden-Seitenstrang-Bahn (Fig.  84,  ps).  Sie  erstreckt  sich  von  der  Pyramiden- 
kreuzung in  der  Medulla  oblongata  bis  zum  unteren  Ende  der  Lendenanschwellung 
(N.  sacralis  III — IV),  wobei  sie  beständig  und  besonders  an  den  Anschwellungen 
im  Querschnitte  abnimmt.     Die  Abnahme  findet  dadurch  statt,  daß  die  einzelnen 


Cerv.  VI.  g 


Lumb.  IV. 


pv 

Fig.  84. 

Lage  der  Pyramiden-Vorderstrang-Bahn  (pv),  der  Pyramiden-Seitenstrang-Bahn  (ps),  der  Klelnhirn-Seitenstrang- 
Bahn  iks),  des  Gollschen  Stranges  (g)  in  verschiedenen  Höhen  des  Rückenmarkes.     (P.  Flechsig.)     Schematisch. 


Fasern  in  verschiedenen  Segmenten  des  Rückenmarkes  ihr  Ende  erreichen.  Die 
Kollateralen  und  Endäste  gehen  zu  den  motorischen  Vordersäulen-Zellen  ihrer 
Seite.     Fig.  79,  85,  86. 

Die  Pyramiden-Seitenstrang-Bahn  nimmt  auf  dem  Querschnitt  des  oberen 
Brustmarkes  ein  ovales  oder  leicht  eckiges  Feld  im  hinteren  Drittel  des  Seiten- 
stranges ein,  welches  mit  seinem  hinteren  Ende  die  gelatinöse  Substanz  und  die 
Spitze  der  Hintersäule  erreicht,  von  dem  Basalteil  der  Hintersäule  aber,  sowie 
von  der  Oberfläche  des  Markes  durch  andere  Fasermassen  getrennt  wird.  Von 
der  Mitte  des  Brustmarkes  abwärts  erreicht  das  Feld  die  Oberfläche.  In  der  Höhe 
des  I.  Halsnerven  erreicht  es  die  laterale  Fläche  der  grauen  Substanz,  befindet  sich 
also  im  Bereich  des  Processus  reticularis.     Fig.  79,  84,  86. 

Die  Pyramidenbahnen  können,  wie  schon  A.  Kolli k er  wußte,  bei  Tieren  anders  ver- 
laufen. Was  die  Lage  der  Pyramidenbahnen  im  Hinterstrange  betrifft,  so  gibt  Th.  Ziehen 
(Anat.  Anz.  XVI,  1899)  folgende  Zusammenstellung  des  Situs: 

1.  Ratte,  Maus,  Eichhorn,  Murmeltier:  ventrale  Kuppe  des  Hinterstranges  medial  vom  Angulus 
internus;  2.  Pseudochirus,  Phascolarctus  (A.  Kölliker):  Nische  des  Hinterstranges  zwischen  An- 
gulus internus  und  externus;  3.  Schaf:  frei  im  Burdachschen  Strange. 

3.  Tractus  rubrospinalis,  Monakows  Bündel  (Fig.  86).  Es  liegt  ventral 
von  der  Pyramiden-Seitenstrang-Bahn  und  innerhalb  derselben.  Seine  Fasern  entspringen  im  Nucleus 
ruber  und  sind  bis  zum  Lumbaimark  verfolgt  worden.    Es  wird  kaudalwärts  allmählich  schwächer. 

4.  Tractus  tectospinalis.  Seine  Fasern  kommen  aus  der  Vierhügelgegend  und 
ziehen  (Edinger)  gekreuzt  und  ungekreuzt  zum  Rückenmark,  wo  sie  im  Vorder-Seitenstrange  liegen. 

5.  Tractus  vestibulospinalis  (Fig.  86).  Seine  Fasern  entspringen  aus  dem 
Dcitersschen  Kern  und  verlaufen  im  Vorderstrange  des  Rückenmarks. 

4* 


62 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Es  ist  noch  nicht  bekannt,  in  welchen  Teilen  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarks  die 
Fasern  der  Bahnen  3—5  endigen.  Es  ist  jedoch  zu  vermuten,  daß  sie  zu  den  motorischen  Vorder- 
säulenzellen  ziehen. 

6.  Fasciculus  longitudinalis  medialis,  mediales  (hinteres)  Längs- 
bündel (Fig.  86).     Es  enthält  aufsteigende  und  absteigende  Fasern,  beginnt  im  Thalamus  mit 

einem  besonderen  Kern,  erhält  auch  zahlreiche 
Fasern  aus  dem  Deitersschen  Kern  und  liegt 
im   Bereich   des  Rückenmarks   im  Vorderstrang. 

b)  Aufsteigende  Bahnen, 
welche  in  den  Spinalganglien- 
zellen entspringen. 

1.  Funiculus  posterior,  Hinter- 
strang. Er  besteht  zum  größten  Teil 
aus  den  Neuriten  der  (sensiblen)  Spinal- 
ganglienzellen, welche  als  hintere  (sensible) 
Wurzeln  in  das  Rückenmark  eintreten. 
Von  den  eingetretenen  Fasern  zieht 
der  größere  Teil  medianwärts,  ein  mittlerer 
Teil  zieht  direkt  zur  grauen  Substanz 
der  Hintersäule,  der  laterale  Teil  geht 
über  in  die  Zona  terminalis  (Fig.  79,  86). 
Der  Teil  des  Burdachschen  Stranges,  in 
welchen  die  Wurzelfasern  eintreten,  heißt 
Wurzeleintrittszone. 

Jede  der  eingetretenen  Wurzelfasern 
teilt  sich  innerhalb  der  weißen  Substanz 
in  einen  (kürzeren)  absteigenden  und 
einen  (längeren)  aufsteigenden  Ast. 
Fig.  79—81. 

Die  absteige  n den  Äste  der  Fasern 
einer  Wurzel  liegen  dicht  nebeneinander 
und  bilden  so  ein  zusammengehöriges 
Bündel,  welches  auf  dem  Querschnitt 
kommaförmig  aussieht  und  Schultze- 
sches  Komma  genannt  wird.  -  -  Es  ist 
nur  bei  Degenerationen  darzustellen.  — 
Die  aufsteigenden  Äste  verlaufen  über 
verschieden  große  Strecken  kranialwärts 
und  endigen  nach  kürzerem  oder  längerem 
Verlauf.  Die  längsten  von  ihnen  reichen  bis 
zurMedulla  oblongata,  woselbst  sie  im  Nucleus  fasciculi  gracilis  und  cuneati  aufhören. 
Während  des  kranialwärts  gerichteten  Verlaufes  werden  die  langen  der  auf- 
steigenden Äste  durch  die  eintretenden  hinteren  Wurzeln  allmählich  medianwärts 
gegen  das  Septum  posterius  gedrängt;  so  entsteht  nach  verbreiteter  Ansicht  der 
Gollsche  Strang. 

Derselbe  enthält  die  langen  (sensiblen)  Bahnen  aus  dem  kaudalen  Teil  des 
Rückenmarks    ungefähr    bis   zum    vierten    Thorakalsegment,    d.    h.    also   aus   der 


Fig.  85. 

Verlauf  der  motorischen  Pyramiden-Seitenstrang-Bahn 
und  der  (sensiblen)  Hinterstrangbahn. 

A  psychomotorische  Region  (Gyrus  centralis  ant.)  der  grauen 
Rinde    des    Großhirns;    B   Rückenmark;    C  Muskelfasern; 

D  Spinalganglion;  D'  Haut. 
Der  Neurit  (a)  einer  Pyramidenzelle  der  Großhirnrinde  zieht 
in  den  Seitenstrang;  er  gibt  einige  Kollateralen  ab  und 
sendet  seinen  Endast  (bei  b)  zu  einer  motorischen  Vorder- 
säulen-Zelle, deren  Neurit  die  Muskelfasern  (C)  innerviert. 
Die  Nervenendigungen  des  sensiblen  Neuron  liegen  in 
der  Haut  (D,).  Die  Nervenfaser  zieht  im  Nerven  (d)  zur 
Spinalganglienzelle  im  Ganglion  D.  Von  letzterer  geht  aus 
die  hintere  Wurzelfaser  (c),  welche  zum  Hinterstrang  des 
Rückenmarkes  zieht.  Hier  teilt  sie  sich  in  einen  auf- 
steigenden und  in  einen  absteigenden  Ast.  Beide  geben 
während  ihres  Verlaufes  Kollateralen  zurgrauen  Substanz.  Der 
Endast  endigt  bei  /  (im  Nucl.  fasciculi  gracilis),  woselbst  ein 
neues  Neuron  die  Weiterleitung  übernimmt  und  die  Erregung 
zur  Großhirnrinde  leitet,  woselbst  das  Endbäumchen  (g)  die 
Weiterleitung  auf  die  Pyramidenzellen   besorgt.      (Ca ja!.) 


Das  Rückenmark:   Feinerer  Bau. 


63 


unteren  Rumpfhälfte,  und  führt  sie  zum  Nucleus  fasciculi  gracilis  der  Medulla 
oblongata. 

Der  Burda  chsche  Strang  enthält  in  seinem  ganzen  Verlauf  lange  und 
kurze  (sensible)  Fasern  gemischt.  Sein  cervikaler  Teil  führt  die  langen  und  die 
kurzen  Fasern  der  oberen  Rumpfhälfte  zum  Nucleus  fasciculi  cuneati  der  Medulla 
oblongata. 

Von  beiden  Ästen,  aufsteigendem  und  absteigendem,  gehen  Kollateralen  und 
Endäste  in  die  graue  Substanz  des  Rückenmarks,  und  endigen  dort  an  den  ver- 
schiedensten Stellen  derselben  und  der  gekreuzten  Seite.    Sie  ziehen  zu  den  moto- 

Medio-peripheres  Bündel 
_,■  G  oll  scher  Strang 

Intermediäres  Bündel 

Hintere  I         Zone  des 

Mittlere  Burdach  sehen 

Vordere  I  Stranges 

Zona  terminalis 

Substantia  gelatinosa  posl. 
(Rolandi)  u.  Zona  spongiosa 

Fasciculus  cerebrospina- 
*'lis  lat.  (pyramidalis  lat.) 

Fasciculus 

cerebellospinalis 

(Flechsig) 

Tractus  rubrospinalis 
(Monakow) 

Tractus  tectospinalis 

Fasciculus  anterolat. 

superf.  (Gowersi) 

Fasciculus   lat.  proprius 

(Flechsi  gi) 


Fasciculus  ant.  proprius  (Flechsigi) 


Tractus  spinoolivaris 
(Bechterew) 


Tractus  vestibulo-spinalis 
Fasciculus  cerebrospinalis  ant.  (pyramidalis  ant.) 


Fasciculus  longitudinalis  medialis      (Mediales  aufsteigendes  Bündel) 

Fig.  86. 

Rückenmarksquerschnitt  mit  den  Bezirken  der  verschiedenen  Bahnen. 

Ursprung  und  Endigung  von  einem  Teil  der  Bahnen  ist  ebenfalls  angegeben.    (Bechterew.) 
ca  Vordersäulenzelle ;    es  Zelle  in  der  Substantia  gelatinosa  post.  (Rolandi);   gc  Mittelzelle;   gs  Hintersäulenzelle;    N.  d 
Nucleus  dorsalis   (Clarkesche  Säule);    ra  vordere  Wurzelfasern;    rpi  innere  hintere  Wurzelfasern;    rpe  äußere   hintere 

Wurzelfasern.     (Bechterew.) 

rischen  Vordersäulen-Zellen,  zu  den  Zellen  der  Clarkeschen  Säule  und   zu  dem 
Heer  der  Strangzellen.     Fig.  79,  81,  86. 

c)  Auf-  und  absteigende  Strangzellenbahnen. 
1.  Fasciculus  cerebellospinalis  (Flechsig),  Kleinhirn-Seitenstrang- 
Bahn  (Fig.  79,  86).  Sie  besteht  aus  den  Neuriten  der  Zellen  des  Nucleus  dorsalis 
(der  Clarkeschen  Säule),  welche  in  querer  Richtung  zur  peripherischen  Zone  des 
Seitenstranges  ziehen,  dort  kranialwärts  umbiegen  und  zu  einem  Bündel  vereinigt 
zur  Medulla  oblongata  und  (durch  Vermittlung  des  Corpus  restiforme)  zum  Wurm 
des  Kleinhirns  ziehen.  Die  Fasern  entsenden  während  ihres  Verlaufes  Kollateralen 
zur  trauen  Substanz.     Fiel-  79. 


64  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Die  Kleinhirn-Seitenstrang-Bahn  entsteht  im  Bereich  des  II.  oder  III.  Lumbalsegrnentes,  denn 
die  Clarkesche  Säule  reicht,  wie  wir  gesehen  haben,  nicht  weiter  kaudalwärts.  Kranialwärts  wird 
die  Bahn  durch  Aufnahme  neuer  Fasern  fortdauernd  stärker. 

Sie  bildet  eine  schmale  periphere  Zone  des  Seitenstranges,  lateral  von  der 
Pyramiden-Seitenstrang-Bahn  und  reicht  von  der  Zona  terminalis  ungefähr  bis  zur 
Abgangsstelle  des  Lig.  denticulatum.     Fig.  37,  86. 

2.  Fasciculus  anterolateralis  superficialis,  Gowerssches  Bündel. 
Es  bildet  als  schmales,  im  Querschnitt  halbmond-  oder  kommaförmiges  Bündel 
einen  Teil  der  peripherischen  Zone  des  Seitenstranges,  ventral  von  der  Kleinhirn- 
Seitenstrang-Bahn.     Fig.  37,  79,  86. 

Seine  Fasern  sind  die  Neuriten  von  Strangzellen  aus  der  Vordersäule  und 
dem  Mittelteil  der  grauen  Substanz  (Fig.  79,  83,  86).  Sie  gelangen  entweder  un- 
gekreuzt oder  gekreuzt  unter  Überschreitung  der  Commissura  ant.  zu  der  genannten 
Stelle  des  Seitenstranges.  Dort  biegen  sie  kranialwärts  um  und  ziehen  unter  an- 
dauerndem Zuwachs  durch  neu  hinzutretende  Fasern  durch  Medulla  oblongata, 
Pons  und  Brachia  conjunetiva  zum  Wurm  des  Kleinhirns. 

3.  TractUS  spinothalamicus  (Edinger)  ist  ein  Zug,  dessen  Fasern  aus  Zellen 
der  Hintersäule  stammen  und  durch  die  vordere  Kommissur  zum  Seitenstrang  der  gekreuzten  Seite 
medial  vom  Gowersschen  Bündel  gelangen.  Dort  biegen  sie  in  kraniale  Richtung  um  und  ver- 
laufen durch  Medulla  oblongata  und  Pons  zum  Thalamus. 

4.  TractUS  spinotectalis  sind  Fasern,  welche  zusammen  mit  dem  Tractus  spino- 
thalamicus verlaufen,  jedoch  im  Vierhügelgebiet  endigen. 

Die  unter  1 — 4  genannten  Bündel  sind  sensible  Neuronen  II.  Ordnung.  Sie  empfangen  den  Reiz 
von  den  hinteren  Wurzelfasern  und  leiten  ihn  zum  Kleinhirn,  Thalamus  und  den  Vierhügeln. 

5.  Tractus  spinoolivaris  (Bechterew)  (oder  Hellwegsche  Dreikanten- 
bahn) ist  ein  Zug  an  der  Peripherie  des  Vorderstranges,  welcher  vom  III.  Cervikalsegment  an 
nachgewiesen  ist  und  zur  seitlichen  Umgrenzung  des  Nucleus  olivaris  inf.  zieht.     Fig.  86. 

6.  Tractus  cervicolumbalis  dorsalis  (Flechsig).  Er  besteht  im  oberen 
Cervikalmark  aus  zerstreuten  Fasern,  welche  weiter  kaudal  einen  dünnen  Saum  an  der  Peripherie 
der  Hinterstränge  bilden,  im  Sakralmark  neben  dem  Septum  post.  auf  jeder  Seite  ein  halbovales 
Feld  einnehmen.  Er  endigt  in  der  grauen  Substanz  des  Conus  medullaris;  der  Ursprung  ist  noch 
nicht  bekannt. 

I.  Das  Gehirn.     Encephalon. 
1.  Form  und  Lage. 

Das  Gehirn,  der  umfangreiche  kraniale  Teil  des  Medullarrohres,  ruht,  von 
denselben  drei  Häuten  umgeben,  welche  das  Rückenmark  bekleiden,  innerhalb  des 
Neurocranium  und  besitzt  im  allgemeinen  die  Gestalt  der  Schädelhöhle. 

Die  Ausfüllung  der  Schädelhöhle  durch  das  Gehirn  ist  eine  weit  vollständigere,  als  die  des 
.Wirbelkanals  durch  das  Rückenmark.  Nur  an  gewissen  Stellen  sind  die  Spalträume  zwischen  den 
beiden  inneren  Hirnhäuten  weiter,  an  den  meisten  Stellen  aber  klein  oder  nur  kapillar.  Im  ganzen 
liegt  daher  das  Gehirn  der  Innenwand  des  Hirnschädels  so  nahe  an,  daß  nicht  nur  dessen  Gesamt- 
form wiederholt  wird,  sondern  daß  auch  zahlreiche  Besonderheiten  der  Hirnoberfläche  sich  an  jener 
Innenwand  ausprägen.  Ein  Ausguß  der  Schädelhöhle  gibt  die  Hirnform  nur  um  ein  kleines  ver- 
größert bis  zu  einem  gewissen  Grade  wieder;  es  kann  also  von  einem  vorliegenden  Schädel  auf 
die  Form  des  zugehörigen  Gehirns  zurückgeschlossen  werden.  So  wird  es  möglich,  Formen  von 
Gehirnen  miteinander  vergleichen  zu  können,  die  gar  nicht  mehr  vorhanden  sind,  längst  vergangene 
Gehirne  unter  sich  und  mit  gegenwärtigen,  gegenwärtige  untereinander,  ohne  daß  man  sie  besitzt. 
Dies  gilt  nicht  allein  vom  Menschen,  sondern  auch  von  zahlreichen  Gliedern  der  Tierwelt;  auf 
Grund  dieses  Verhältnisses  haben  sich  wichtige  Tatsachen  auf  paläontologischem  Gebiet 
feststellen   lassen.    Andererseits   ist   daran  zu   erinnern,   daß   die  Anlagerung  des  Gehirns  an  die 


Das  Gehirn:   Form  und  Lage,  Allgemeine  Übersicht.  65 

Schädelwand,  ferner  deren  im  Verhältnis  zur  Wirbelsäule  geringere  Stärke,  sowie  ihre  schwächere 
Bedeckung  mit  Wcichteilen  leichter  eine  Verletzung  des  Gehirns  durch  äußere  Einwirkungen 
ermöglichen,  als  es  bei  dem  Rückenmark  der  Fall  ist. 

Entsprechend  den  Varietäten  der  Schädelform  nähert  sich  das  mensch- 
liche Gehirn  bald  mehr  der  Kugelgestalt,  bald  mehr  dem  langgestreckten  Ell i- 
psoide.  In  beiden  Fällen  ist  seine  Grund-  oder  ventrale  Fläche,  Basis  en- 
cephali,  abgeplattet,  die  dorsale  Facies  convexa  cerebri  gewölbt;  auch  am 
Rückenmark  zeigte  sich  ventrale  Abplattung,  stärkere  dorsale  Wölbung.  Der 
sagittale  Durchmesser  (die  Länge)  des  Gehirns  beträgt  etwa  160 — 170  mm,  der 
größte  quere  140,  der  größte  vertikale  125  mm.  Das  weibliche  Gehirn  ist  durch- 
schnittlich etwas  kürzer. 

2.  Allgemeine  Übersicht  des  Gehirns. 

An  der  dorsalen  Oberfläche  des  Gehirns  zeigt  ein  tiefgehender  medianer 
Einschnitt,  die  Mantelspalte,  Fissura  longitudinalis  cerebri,  eine  Teilung 
in  zwei  symmetrische  Hälften,  die  beiden  Hemisphären  des  Endhirns  an;  jede 
Hälfte  wird  von  vielen  Furchen,  Sulci,  durchzogen  und  in  entsprechende  Win- 
dungen, Gyri,  zerlegt.     Fig.  87. 

Viel  verwickelter  ist  die  Oberflächengestaltung  der  Basis  encephali. 

Während  bei  der  Rückenbetrachtung  des  Gesamthirns  (Fig.  92)  der  das 
Rückenmark  zunächst  aufnehmende  Teil  gar  nicht  gesehen  wird,  tritt  er  bei  ven- 
traler Betrachtung  (Fig.  96)  als  ein  kegelförmiger  Körper  von  25  mm  Länge  zu- 
tage, welcher  fast  unmerklich  aus  dem  Rückenmark  hervorgeht,  an  seinem  kranialen 
Ende  aber  scharf  begrenzt  ist;  man  nennt  diesen  Körper  Medulla  oblongata; 
er  läßt  eine  Menge  von  Besonderheiten  erkennen,  welche  später  zu  betrachten 
sein  werden.  Am  rostralen  Ende  der  Oblongata  liegt  ein  breiter,  vorn  und  hinten 
scharf  gerandeter  Querwulst  von  markweißer  Farbe,  die  Brücke,  Pons,  deren 
seitliche  Enden  in  das  Kleinhirn  eintreten. 

Vom  Kleinhirn,  Cerebellum,  ist  nur  die  untere  Fläche  seiner  beiden 
Seitenhälften,  der  sogenannten  Hemisphären  des  Kleinhirns,  sichtbar,  während 
der  Mittelteil  des  Kleinhirns  von  der  Oblongata  verdeckt  wird.  Die  Oberfläche 
der  Kleinhirnhemisphären  zeigt  graue  Farbe  und  ist  in  schmale  Windungen  ge- 
gliedert. 

Am  rostralen  Rande  der  Brücke  treten,  als  wären  sie  verstärkte  Fortsetzungen 
der  Oblongata,  seitlich  von  der  Mittellinie  zwei  mächtige,  weiße  Stränge  hervor, 
welche  in  auseinanderweichender  Richtung  in  das  Gehirn  eindringen  und  sich  bald 
dem  Blicke  entziehen.  Es  sind  die  Großhirnstiele,  Pedunculi  cerebri.  Sie 
werden,  bevor  sie  in  die  Tiefe  treten,  quer  überlagert  je  von  einem  schmalen 
Markbande,  dem  Sehstreifen,  Tractus  opticus.  Die  vorderen  Enden  der  beiden 
Tractus  optici  verbinden  sich  bogenförmig  miteinander  zur  Sehnervenkreuzung, 
Chiasma  opticum,  und  lassen  jenseits  dieser  Verbindung  die  beiden  Sehnerven, 
Nervi  optici,  hervorgehen. 

Zwischen  dem  rostralen  Brückenrande  und  den  medialen  Rändern  der  Hirn- 
stiele  sinkt   die    Hirnbasis   zu    einem  rhombischen  Felde  ein,  welches  vorn  vom 
Chiasma  opticum  abgeschlossen  wird.    In  diesem  Felde  treten  mehrere  Besonder- 
heiten  hervor,    zunächst  die   beiden   Markkügelchen,    Corpora    mamillaria 
welche  dicht  neben  der  Mittellinie  ihren  Platz  haben  und  sich  berühren.    Die  hinter 


66  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

ihnen  liegende  dreieckige  graue,  von  Gefäßlöchern  durchsetzte  Substanzplatte  wird 
Substantia  perforata  posterior  genannt.  Vor  den  Markkügelchen  erhebt  sich 
der  Boden  in  Form  eines  grauen  Wulstes,  Tuber  cinereum,  aus  welchem  ein 
5  mm  langer  hohler  Fortsatz,  der  Trichter,  Infundibulum,  hervorgeht.  Wie 
eine  Beere  an  ihrem  Stiele,  so  sitzt  an  dem  Trichter  bei  unversehrter  Beschaffen- 
heit des  Gehirns  der  ansehnliche  Hirnanhang,  Hypophysis,  welcher  in  der 
Sattelgrube  des  Keilbeinkörpers  seine  Lage  hat. 

Eine  dünne,  leicht  einreißende  Platte  grauer  Substanz,  Lamina  terminalis, 
erstreckt  sich  von  dem  vorderen  Rande  des  Chiasma  opticum  nach  oben.  Sie  legt 
sich  der  unteren  Fläche  des  Gehirnbalkens,  Corpus  callosum,  an,  dessen 
vorderer  ventraler  Teil  in  der  Tiefe  der  Mantelspalte  des  Gehirns,  beim  Auseinander- 
ziehen der  Stirnteile  beider  Hemisphären  des  Endhirns,  sichtbar  wird. 

Jederseits  von  dem  vorderen  Ende  des  Tractus  opticus  befindet  sich  die  graue, 
von  vielen  Gefäßlöchern  durchsetzte  Substantia  perforata  anterior.  Die  von 
ihr  eingenommene  Grube  führt  zwischen  dem  Stirn-  und  Schläfenlappen  des  End- 
hirnes in  eine  an  der  lateralen  Hirnfläche  weithin  sich  ausdehnende  tiefe  Spalte, 
Fissura  cerebri  lateralis  (Sylvii).  Vor  der  Substantia  perforata  anterior  erhebt 
sich  ein  dreieckiges  Feld,  Trigonum  olfactorium,  welches  sich  in  den  schmalen 
Tractus  olfactorius  und  in  dessen  vorderen  Abschluß,  den  Riechkolben, 
Bulbus  olfactorius,  fortsetzt.  Von  der  ventralen  Fläche  des  letzteren  gehen 
die  bei  der  Herausnahme  des  Gehirnes  aus  der  Schädelhöhle  abreißenden  Riech- 
fäden, Nervi  olfactorii,  aus. 

An  verschiedenen  Stellen  der  Hirnbasis  sieht  man  die  übrigen,  noch  nicht 
erwähnten  Hirnnerven  hervortreten  und  ihren  Weg  nehmen;  auf  sie  ist  erst  später 
einzugehen.  Hier  aber  ist  noch  hervorzuheben,  daß  das  im  Obigen  beschriebene 
mittlere  Gebiet  der  Hirnbasis  vorn,  seitlich  und  hinten  sich  umgeben  zeigt  von 
Furchen  und  Windungen  tragenden  basalen  Teilen  des  Endhirnes. 

Eine  mediane  Furche  durchzieht  den  größten  Teil  der  Basis  des  Gesamthirnes, 
nur  einzelne  Abschnitte  überspringend.  Diese  Mittelfurche  ist  die  unmittelbare 
Fortsetzung  der  Fissura  mediana  anterior  des  Rückenmarkes. 

Bei  seitlicher  Betrachtung  des  Gehirnes  werden  noch  zwei  andere  Fissuren 
sichtbar;  eine,  welche  von  hinten  her  zwischen  Kleinhirn  und  Oblongata  eindringt, 
Fissura  transversa  cerebelli;  und  eine  zweite,  welche  ebenfalls  von  hinten 
her  zwischen  Groß-  und  Kleinhirn  eindringt,  Fissura  transversa  cerebri. 

3.  Einteilung  des  Gehirnes. 

Nach  Erlangung  einer  allgemeinen  Übersicht  der  Gehirnform  ist  es  erforder- 
lich, von  der  wichtigen  Tatsache  Kenntnis  zu  nehmen,  daß  das  Gehirn  keinen 
einheitlichen  Körper  darstellt,  sondern  aus  mehreren,  zwar  zusammenhängenden, 
aber  sehr  verschiedenartigen  aufeinanderfolgenden  Abteilungen  besteht,  welche 
nicht  neuralen  Segmenten  entsprechen,  sondern  einem  anderen  Gliederungsprinzip 
ihr  Dasein  verdanken.  Solcher  Abteilungen  gibt  es  auf  entwicklungsgeschicht- 
licher Grundlage,  welche  von  der  vergleichenden  Anatomie  bestätigt  wird,  sechs. 
Es  sind  (siehe  Fig.  87)  die  folgenden: 

I.  Endhirn  oder  Hemisphärenhirn,  Telencephalon, 

II.  Zwischenhirn  oder  Sehhügelhirn,  Dien  cep  ha  Ion, 


Das  Gehirn:   Einteilung,  Gewicht,  Volum,  Oberfläche. 


67 


III.  Mittelhirn  oder  Vierhügelhirn,  Mesencephalon, 

IV.  Hirnenge,  Isthmus, 

V.  Hinterhirn  oder  Brücke  und  Kleinhirn,  Metencephalon , 
VI.  Nachhirn,  Medulla  oblongata,  Myelencephalon. 
I  und  II  machen  zusammen  das  Vorderhirn,  Prosenzephalon,  aus; 
IV,  V  und  VI  bilden  zusammen  das  Rhombencephalon; 
I,  II  und  III  stellen  das  Cerebrum,  Großhirn,  dar1). 

Diese  Abteilungen  gehen  schon  in  früher  Embryonalzeit  aus  drei  primitiven  Erweiterungen 
des  Medullarrohres  hervor,  den  drei  primären  Gehirnbläschen,  d.  i.  dem  vorderen,  mittleren 
und  hinteren  Gehirnbläschen,  in  der  Weise, 
daß   das  vordere  und   das  hintere  primäre 
Hirnbläschen    sich    sekundär   in   zwei   und 
drei  Abteilungen  gliedern. 

In  Fig.  87  sind  fünf  von  diesen 
sechs  Abteilungen  in  Seitenansicht  erkenn- 
bar; nur  die  Abteilung  II  wird  vom  Endhirn 
verdeckt. 

Bei  dorsaler  Ansicht  des  Gesamt- 
hirnes (Fig.  92)  ist  nur  das  Endhirn  sichtbar; 
bei  ventraler  Ansicht  dagegen  liegen  von 
allen  Abteilungen  mehr  oder  weniger 
ausgedehnte  Gebiete  frei.     Fig.  96. 

4.  Gewicht,  Volum,  Oberfläche. 

Das  spezifische  Gewicht  der 
grauen  Substanz  ist  1029 — 1039,  das 
der  weißen  1039—1043,  das  des  ge- 
samten Gehirnes  1035 — 1043. 

Die  graue  Substanz  macht  37,7  bis 
39,0  °/o,  die  weiße  61,0— 62,3 °/0  des  End- 
hirngewichtes aus.  Etwa  6%  der  grauen 
fallen  hiervon  auf  die  Ganglien,  33%  auf 
die  Rinde.  Zur  Ermittelung  der  Gewichts- 
verhältnisse, in  welchen  graue  und  weiße  Substanz  das  Gehirn  zusammensetzen,  benutzte  Forster 
die  Tatsache,  daß  die  grauen  Massen  wasserreicher  sind  als  die  weißen. 

Der  Wassergehalt  des  erwachsenen  Gehirns  beträgt  durchschnittlich  79  %•  Die  graue  Sub- 
stanz hat  gegen  85°/0,  die  weiße  70°/o  Wassergehalt. 

Die  mittlere  Dicke  der  grauen  Substanz  der  Endhirnrinde  ist  2,5mm.  Direkte  Mes- 
sungen der  Endhirnoberfläche  rühren  von  R.  und  H.  Wagner  her;  sie  fanden  dieselbe  zu 
1867,72  bis  2195,88  qcm. 

Messungen  des  gesamten  Hirnvolums  ergaben  einen  Durchschnittswert  von  1330  ccm. 

Das  Gewicht  des  ganzen  Gehirns,  sowie  einzelner  Teile  desselben  ist  der  Gegenstand  zahl- 
reicher Untersuchungen  gewesen. 

Als  mittleres  Gewicht  für  das  Gehirn  des  erwachsenen  Mannes  ergibt  sich  in  runder  Summe 
1375  g:  des  erwachsenen  Weibes  1245  g.  Als  Minimalgewicht  des  weiblichen  Gehirns  wurden  800, 
des  männlichen  960  g  gefunden.  Das  Maximalgewicht  ist  etwas  unsicher;  es  werden  Gewichte  von 
1807,  1861,  sogar  von  über  2000  g  angegeben.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  zahlreiche  weib- 
liche Gehirne  viele  männliche  an  absolutem  Hirngewicht  übertreffen  können.  Doch  zeigen  nach 
Rüdinger  schon  die  Hirngewichte  Neugeborener  eine  Geschlechtsdifferenz. 

Von  wesentlichem  Einfluß  auf  das  Hirngewicht  ist  natürlich  das  Alter  der  untersuchten  Indi- 
viduen.   Nach  den  Wägungen  von  R.  Boyd  wächst  das  mittlere  Hirngewicht  bis  zum  7.  Lebens- 

')  Mit  der  oben  gegebenen  Einteilung  (Basler  anatomische  Nomenklatur  B.  N.  A.) 
streitet  eine  andere,  ebenfalls  embryologisch  begründete,  noch  um  den  Vorrang.    Siehe  unten. 


Fig.  87. 

Schematische    Darstellung  des  Gehirnes,    von   der  rechten 
Seite  aus  gesehen.     1  :3. 

A   Endhirn;    B    Kleinhirn;     C   Brücke;    D   Medulla    oblongata; 
a   Hirnschenkel;    b   Vierhügel;    c   Brückenarm   des   Kleinhirnes; 
d  Corpus  restiforme ;  e  Fissura  lateralis ;  /  Stirnlappen ;  g  Schläfen- 
lappen ;   h  Hinterhauptlappen. 


68  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

jähre  rasch  an  und  erreicht  langsam  gegen  Ende  des  20.  Jahres  in  beiden  Geschlechtern  die  für  den 
Erwachsenen  erwähnten  Mittelzahlen.  Vom  20. — 50.  Jahre  pflegt  das  Gewicht  stationär  zu  bleiben; 
von  hier  an  tritt  ein  langsames  Fallen  ein,  dessen  Mittel  im  hohen  Alter  auf  1285  g  beim  Manne, 
1130g  beim  Weibe  zurückgeht.  Nach  Weisbachs  Wägungen  ist  das  Hirngewicht  am  größten 
zwischen  dem  20.  und  30.  Lebensjahre;  von  hier  an  erfolgt  ein  langsames,  nach  dem  50.  Jahre  ein 
rasches  Abnehmen. 

Bemerkenswert  ist  ferner  der  Einfluß  der  Kultur.  Bei  Kulturvölkern  nimmt  im  Laufe  der 
Zeiten  die  Gehirnmasse  wahrscheinlich  etwas  zu  (P.  Broca,  nach  Messungen  verschiedener  Gene- 
rationen der  Pariser  Bevölkerung  aus  verschiedenen  Jahrhunderten).  Von  hoher  Kulturstufe  herab- 
gesunkene Völker  zeigen  eine  etwas  geringere  Schädelkapazität,  als  zur  Zeit  ihrer  Kulturblüte 
(E.  Schmidt,  nach  Messungen  an  Ägypterschädeln).  Die  Landbevölkerung  hat  ein  etwas  geringeres 
Hirngewicht  als  die  Stadtbevölkerung  (J.  Ranke). 

Ein  Einfluß  der  Schädelform  macht  sich  darin  geltend,  daß  bei  langköpfigen  Völker- 
schaften das  mittlere  Hirngewicht  etwas  geringer  ist  als  bei  breitköpfigen. 

Über  den  Einfluß  der  Rasse  liegen  mehrere  Untersuchungen  vor.  Die  kaukasische  Rasse 
hat  nach  Davis  ein  mittleres  Hirngewicht  von  1335g  (1367g  Männer,  1206g  Weiber).  Das  Hirn- 
gewicht der  Hindu  ergab  nur  1253  g  für  den  Mann,  1133  g  für  das  Weib.  Ein  hohes  Hirngewicht 
bei  kleiner  Statur  zeigen  die  Chinesen  (1332  g).  Dann  folgen  die  Sandwich-Insulaner  mit  1303  g, 
die  Malaien  mit  1266,  die  Indianer  mit  1266  g,  die  Neger  mit  1244  g,  die  Australier  und  Tasmanier 
mit  1185  g. 

G.  Retzius,  Das  Hirngewicht  der  Schweden.  Biol.  Untersuchungen  IX,  1900.  Die  Mittelzahl 
von  450  männlichen  schwedischen  Gehirnen  ist  rund  1399;  von  250  weiblichen  =  1248. 

Bei  allen  Völkern  ist  das  mittlere  Hirngewicht  (wie  die  Körperlänge  und  das  Gewicht)  der 
Weiber  etwas  geringer;  die  Differenz  steigt  mit  dem  Grade  der  Kultur.  Die  geringsten  Ge- 
schlechtsdifferenzen im  Hirngewicht  zeigen  nach  Davis  die  Neger  und  Australier. 

Auch  innerhalb  der  europäischen  Völker  sind  erhebliche  Unterschiede  im  Hirngewicht 
vorhanden.  Nach  Weisbach  stehen  die  Deutschösterreicher  mit  1314,5g  den  Tschechen  mit  1368,31, 
überhaupt  den  Slaven  nach,  ebenso  den  Magyaren.  Die  Italiener  zeigen  ein  mittleres  Hirngewicht 
von  1301,37g.  Nach  Davis  haben  die  Deutschen  1425,  die  Engländer  1346,  die  Franzosen  1280g 
mittleres  Hirngewicht. 

Einen  wichtigen  Einfluß  auf  das  Hirngewicht  übt  ferner  das  Körpergewicht  aus.  Bei 
schwereren  Personen  ist  im  allgemeinen  ein  schwereres  Gehirn  nachzuweisen.  Andererseits  läßt 
sich  auch  behaupten,  daß  leichtere  Individuen  ein  relativ  schwereres  Gehirn  besitzen  als  schwerere 
und  umgekehrt.  Das  relative  Hirngewicht  ist  daher  auch  bei  Weibern  etwas  günstiger  gestellt 
als  bei  Männern,  bei  jenen  etwa  1/i;>,  bei  diesen  '/jo  des  Körpergewichts  (Bischoff). 

Auch  die  Körperlänge  hat  einen  Einfluß.  Mit  Zunahme  der  Körperlänge  ist  durchschnitt- 
lich auch  eine  Zunahme  des  Hirngewichts  verbunden.  Aber  kleinere  Personen  besitzen  dennoch 
ein  relativ  schwereres  Gehirn  als  große  (Bischoff). 

Der  Schlüssel  zu  diesen  scheinbaren  Widersprüchen  ist  einmal  darin  zu  finden,  daß  der  Anspruch 
an  die  somatischen  Funktionen  des  Gehirns  nicht  überall  in  geradem  Verhältnis  zur  Körpermasse 
steht,  sondern  relativ  um  so  größer  ist,  je  geringer  die  Masse  (A.  Brand);  sodann  darin,  daß  das 
Gehirn  nicht  nur  Zentralorgan  für  die  somatischen  Funktionen  des  Organismus  ist,  sondern  auch 
für  die  psychischen.  Die  somatischen  Anforderungen  an  das  Gehirn  können  bei  zwei  Personen 
gleich  oder  verschieden  sein;  ebenso  die  psychischen.  Hierfür  gibt  Bischoff  ein  anschauliches  Bei- 
spiel an  dem  Gehirn  des  Hundes.  Große  und  kleine  Hunde  haben  ungefähr  einen  gleichen  Grad  von 
Intelligenz,  obgleich  ihre  Hirne  sehr  verschieden  groß  und  schwer  sind;  der  somatische  An- 
spruch ist  bei  ihnen  ein  verschiedener.  Tiere  mit  gleichem  Körpergewicht  als  der  Mensch  haben  doch 
ein  viel  leichteres  Gehirn  als  dieser;  sein  schweres  Gehirn  ist  auf  sein  psychisches  Übergewicht  zu 
beziehen.  Bedeutende  Unterschiede  im  Hirngewicht  verschiedener  Menschen  sind  vorzugsweise  auf 
Unterschiede  der  psychischen  Anlagen  zu  beziehen.  Je  größer  im  Tierreich  das  Gehirn  im  Verhältnis 
zum  Rückenmark  ist,  umsomehr  ist  es  als  Seelenorgan  aufzufassen;  und  umgekehrt,  je  stärker 
das  Rückenmark  im  Verhältnis  zum  Gehirn  ist,  umsomehr  ist  es  somatisches  Organ.  Bei  keinem 
Tier  besteht  ein  solches  Verhältnis  wie  bei  dem  Menschen  (Bischoff).  Dasselbe  gilt  auch  von  der 
geringen  Stärke  der  Hirnnerven  bei  dem  Menschen  (Sömmering).  Hiermit  ist  bereits  der 
Einfluß  der  Intelligenz  auf  das  Hirngewicht  in  Betracht  gezogen. 


Das  Gehirn:   Gewicht,  Volum,  Oberfläche. 


69 


Setzt  man  nach  O.  S  n  e  1 1  (Bericht  der  Gesellschaft  für  Morphologie  u.  Physiologie  in  München 


VII,  1891)  das  Gewicht  des  ganzen  Gehirns  = 

bei  dem 

Menschen 0,78 

Fuchs 0,686 

Hasen 0,567 


1,  so  betrügt  das  Gewicht  der  Endhirnhemisphären 

Maulwurf 0,56 

Kaninchen 0,538 

Wiesel 0,522. 

S.  auch  Weber,  M.,  Vorstudien  über  das  Hirngewicht  der  Säugetiere:  in  der  Fcstschri  ft 
für  Gegenbaur,  Leipzig,  W.  Engelmann  1896. 

Nach  Zusammenstellungen  verschiedener  Autoren  (R.Wagner,  H.  Welcker,  C.  Kupffcr, 
Th.  Bischoff,  G.  Retzius,  Hansemann)  über  die  Gehirne  berühmter  Männer  und  Frauen  be- 
trug das  Hirngewicht  von 


Alter 

Cuvier  (Anatom)  ....  63 

Byron  (Dichter)    ....  36 

Dirichlet  (Mathematiker)   .  54 

Fuchs  (Mediziner)     ...  52 

Gauss  (Mathematiker)  .     .  78 

Dupuytren  (Chirurg)     .     .  58 

Hermann  (Philologe)     .     .  51 

Hausmann  (Mineraloge)     .  77 

Schiller  (Dichter) ....  46 

Dante  (Dichter)    .    .     .     .  — 

Kant  (Philosoph)  ....  82 

Hermann  (Nationalökonom)  73 

Pfeufer  (Mediziner)  ...  60 


g 
1861 
1807 
1520 
1499 
1492 
1437 
1358 
1226 

1580  (berech.; 
1420 
1600 
1590 


Ch.  Bischoff  (Mediziner) 
Melchior  Meyr  (Dichter) 
J.  Huber  (Philosoph)    . 
Fallmerayer  (Historiker) 
J.  v.  Liebig  (Chemiker) 
Fr.  Tiedemann  (Physiolog 
E.  Harless  (Physiolog)  . 
Ignaz  Döllinger  (Physiolog)  . 
Sonja  Kowalewski(Mathematike 
H.  Gylden  (Astronom)  .     .     . 
Bunsen  (Chemiker)  .... 
Mommsen  (Historiker)      .    . 
Menzel  (Kunstmaler)     .     .    . 

*  Nach   dem   durch  Fror 


in) 


ep 


Alter 

g 

79 

1452 

61 

1415 

49 

1409 

74 

1349 

70 

1352 

79 

1254 

40 

1238 

71 

1207 

41  ca 

1385 

55 

1452 

88 

1295* 

86 

1425* 

89 

1298f 

unters 

uchten 

1488 
*  Starke  Altersatrophie  des  Gehirns. 

Schädel  1300  g. 
f  Ohne  Pia  und  ohne  Flüssigkeit  gewogen,  keine  sichtbaren  Altersveränderungen  des 
Gehirns. 

Die  Mehrzahl  der  erwähnten  Gehirne  erhebt  sich  mehr  oder  weniger  stark  über  das  Durch- 
schnittsmittel von  1375;  einige  bleiben  unter  ihm,  wie  es  denn  überhaupt  feststeht,  daß  auch  bei 
sehr  intelligenten  Menschen  nicht  allzu  selten  verhältnismäßig  niedrige  Hirngewichte  vorkommen. 
Im  allgemeinen  aber  glaubt  man  sich  zu  der  auch  im  Volke  weit  verbreiteten  Ansicht  berechtigt, 
daß  bei  dem  Menschen  ein  einigermaßen  schweres  Gehirn  zu  bedeutenderen  psychischen  Leistungen 
befähigt  als  ein  leichteres.  Ein  auffallend  unter  dem  Mittelgewicht  stehendes,  windungsarmes  Ge- 
hirn wird  keine  bedeutenderen  geistigen  Leistungen  erwarten  lassen;  es  wird  vielmehr  in  seinen 
Leistungen  hinter  der  Durchschnittsleistung  eher  zurückbleiben.  Ein  schweres  und  windungsreiches 
Gehirn  wird  nicht  notwendig  während  des  Lebens  bedeutende  geistige  Leistungen  offenbaren,  denn 
seine  Anlagen  können  unentwickelt  bleiben. 

Zur  weiteren  Beurteilung  dieser  Verhältnisse  ist  ferner  zu  beachten,  daß  das  Gehirn  ein  aus 
sechs  hintereinander  liegenden  Abteilungen  bestehender  Körper  ist,  welche  in  Größe,  Bau  und 
Funktionen  sehr  weit  voneinander  verschieden  sind,  obwohl  sie  alle  wesentlich  aus  Nervenzellen  und 
Nervenfasern  bestehen.  Hieraus  erhellt,  daß  eine  Wägung  des  Gesamthirnes  doch  nur  einen  sehr 
unvollkommenen,  beiläufigen  und  unsicheren  Ausdruck  für  die  psychische  Leistungsfähigkeit  darzu- 
stellen vermag.  Die  verschiedenen  Abteilungen  müssen  nicht  gleichmäßig  miteinander  an  Größe  und 
Gewicht  zu-  oder  abnehmen,  sondern  es  kann  eine  Abteilung  vergrößert  sein  auf  Kosten  einer  anderen. 
Bessere  Aussicht  auf  Gewährung  eines  richtigeren  Ausdruckes  wird  also  gegeben  sein  mit  der 
Wägung  der  einzelnen  Teile  des  Gehirns,  besonders  derjenigen,  an  welche  die  höheren 
psychischen  Funktionen  vor  allem  gebunden  sind,  mit  der  Wägung  der  grauen  Substanz  des  End- 
hirnes. Aber  auch  hier  ist  zu  beachten,  daß  die  einzelnen  Gebiete  der  Endhirnrinde  in  ihren  Funk- 
tionen sehr  ungleich  und  in  ihrer  Größenentwicklung  sehr  verschieden  sind. 

Niemand  wird  ferner  im  Zweifel  sein,  daß  nicht  allein  das  Gewicht  dieser  grauen  Massen 
entscheidend  sein  könne  für  die  Funktion,  sondern  daß  auch  der  feinere  Bau  und  die  chemischen 
Verhältnisse  Berücksichtigung  verdienen;  hier  können  bedeutende  individuelle  usw.  Verschieden- 
heiten sich  ausprägen.  „Eine  Turmuhr",  wie  ein  grober  Vergleich  lautet,  „muß  nicht  notwendiger- 
weise besser  gehen  als  eine  Taschenuhr." 


70  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

Aber  auch  die  Kehrseite  ist  zu  beachten.  Man  wird  nicht  mit  jenen  übereinstimmen  können, 
welche  der  Ansicht  sind,  daß  eine  Ameise  oder  ein  Orang  sehr  wohl  dazu  befähigt  seien,  im 
stillen  Walde  Kubikwurzeln  auszuziehen  und  über  kosmogonische  Probleme  nachzudenken.  Die  An- 
hänger dieser  Meinung,  die  nicht  allzu  selten  sind,  geben  als  Grund  für  dieselbe  an,  daß  niemand 
wissen  könne,  was  diese  Tiere  denken.  Dieser  Grund  erinnert  lebhaft  an  die  Satire  eines  unserer 
Dichter,  welcher  den  Affen,  entsprechend  dem  Glauben  der  Eingeborenen,  nachsagt,  daß  sie  sehr  wohl 
reden  könnten,  wenn  sie  wollten,  daß  sie  aber  zu  klug  seien,  es  zu  zeigen.  Denn  wenn  die  Menschen 
in  Erfahrung  bringen  würden,  daß  die  Affen  reden  und  alles  ebenso  gut  besorgen  könnten  wie  die 
Menschen,  so  würden  sie  gezwungen  werden,  ebensoviel  zu  arbeiten  wie  die  Menschen,  was  den  Affen 
aber  nicht  behage. 

Gewichtsbestimmungen  einzelner  Hauptabschnitte  des  Gehirns  hat  schon  Huschke  vor- 
genommen; auch  Weisbach  führte  zahlreiche  Wägungen  ähnlicher  Art  aus.  Meynert  trennte  den 
Hirnstamm  samt  Streifenhügel  vom  Endhirn  ab  und  bestimmte  am  Stammhirn  wieder  das  Kleinhirn 
gesondert;  er  untersuchte  ferner  die  Gewichte  einzelner  Abschnitte  der  Hemisphären;  ebenso,  in  etwas 
verschiedener  Abgrenzung  der  Abschnitte,  Bischoff.  Der  erstere  grenzte  durch  einen  dem  Sulcus 
centralis  folgenden  Schnitt  den  Stirnlappen,  durch  einen  zweiten  Schnitt,  welcher  den  hinteren  Ast 
der  Fissura  lateralis  mit  der  Fissura  parieto-occipitalis  verbindet,  den  Scheitellappen  von  dem  Hinter- 
haupt-Schläfenlappen ab.  Der  Stirnlappen  wog  bei  Männern  214,06,  bei  Weibern  195,8;  der  Scheitel- 
lappen 123,55  und  108g;  der  Hinterhaupt-Schläfenlappen  177,73  und  157,4g. 

Über  Hirngewicht  siehe  ferner  W.  Braune,  Archiv  für  Anat.  und  Phys.  1892;  W.  Krause, 
Internationale  Monatsschrift  1888,  Bd.  V;  sowie  H.  Vierordt,  Anatomische  Daten  und  Tabellen, 
3.  Aufl.  1906. 

Auffallend  selten  sind  Wägungen  an  kindlichen  Gehirnen  vorgenommen  worden.  In  der 
gesamten  Literatur  finden  sich  nach  Mies  nicht  mehr,  als  wenig  über  2000  Fälle  von  Hirngewichts- 
zahlen aus  den  beiden  ersten  Jahrzehnten  des  Lebensalters,  und  unter  diesen  nur  627  Einzel- 
bestimmungen. Ihnen  fügt  neuerdings  H.  Pfister  (Das  Hirngewicht  im  Kindesalter,  Archiv  für 
Kinderheilkunde,  Bd.  23,  1897)  die  Wägungen  von  156  kindlichen  Gehirnen  aus  dem  Friedrich- 
Kinderkrankenhause  in  Berlin  hinzu. 

Nach  Mies  zeigt  der  neugeborene  Mensch  folgende  Mittel: 

Mädchen  =  330  (329,99  g\  Knabe  =  340  (339,25  g). 
Das  weibliche  Gehirn  nimmt  im  Verlauf  der  weiteren  Entwicklung  um  ca.  900  g  zu  (Endgewicht  = 
1230  g);  das  männliche  um  1050  g  (Endgewicht  =  1400  g).  Diese  Zunahme  erfolgt  derart,  daß  die 
Gewichtsvermehrung  um  300  bzw.  350  g  (=  erstes  Drittel  der  Gesamtzunahme)  im  9.  Monate  erreicht 
wird.  Das  zweite  Drittel  wird  vom  letzten  Vierteljahre  des  1.  bis  zum  2.  Viertel  des  3.  Jahres  ge- 
wonnen. Dann  wächst  das  Gehirn  immer  langsamer  weiter,  um  jedenfalls  erst  nach  dem  2.  Jahr- 
zehnte sein  Maximalgewicht  zu  erreichen.  (Vgl.  Fr.  Merkel,  Altersverschiedenheiten  des  Schädels, 
siehe  Abt.  II,  S.  141.) 

Was  das  gegenseitige  Verhältnis  von  Hirn- und  Körpergröße  betrifft,  so  ist  nach  Mies  zu 
konstatieren,  daß  vor  dem  Ende  der  Schwangerschaft  mit  zunehmendem  Alter  der  Frucht  immer 
weniger  Körpergröße  auf  1  g  Hirn  entfällt.  Extrauterin  nimmt  die  Körpergröße  beim  Kinde  bis  ins 
2.  und  3.  Jahr  langsamer  zu  als  das  Hirngewicht  (bei  Knaben  länger  dauernd  als  bei  Mädchen).  Vom 
2.  bzw.  3.  Jahre  ab  findet  ein  stetiges  Wachsen  der  Verhältniszahl  zwischen  Hirngewicht  und  Körper- 
größe bis  zum  Ende  des  2.  Jahrzehnts  auf  Kosten  des  Hirngewichts  statt. 

In  den  ersten  3  Monaten  entspricht  1  g  Hirn  nicht  ganz  6  g  Körper  ($  =  5,96  g,  c?  =  5,92g,i. 
In  den  ersten  7  Jahren  vermehrt  sich  der  1  g  Hirn  entsprechende  Körpergewichtsteil  langsam  nur 
um  $  4'/.,  bzw.  cT  4  Vag  (?=  10,46g,  ,J,  =  10,28g)  Körpergewicht;  von  da  ab  jedoch  bis  zum  Ende 
des  2.  Jahrzehntes  sehr  schnell,  noch  fast  um  25  Einheiten  (V'  =  35,00,  3  =  35,06  g)  (zitiert  nach 
Pfister). 

Nach  Erfahrungen  von  Pfister  haben  stark  hyperämische  Gehirne  eine  Gewichtsver- 
mehrung, stark  anämische  einen  Gewichtsverlust  von  7,5g  vom  Hundert  erlitten.  Im  übrigen 
stimmen  seine  Ergebnisse  gut  mit  den  von  Mies  erhaltenen  überein.  Die  weiblichen  Mittelgewichte 
der  kindlichen  Gehirne  halten  sich  stets  etwas  unter  dem  Mittelgewichte  des  Mannes.  Der  Unter- 
schied beträgt  beim  Neugeborenen  ca.  10g,  steigt  jedoch  im  Laufe  der  Entwicklung  weiter  an.  Was 
die  Gewichte  der  beiden  Hemisphären  bei  Kindern  betrifft,  findet  nach  Pfister  eine  mäßige 
Prävalenz  der  linken  Hemisphäre  statt,  ohne  daß  man  sexuellen  oder  Altersunterschieden  einen 


Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Gehirnabteihingen.  71 

deutlichen  Einfluß  zuschreiben  kann.  Dagegen  ist  das  absolute  Kleinhirngcwicht  der  Knaben 
durchschnittlich  etwas  grüßer  als  das  der  Mädchen. 

Ergänzungen  siehe  in  dem  Abschnitt:  Allgemeines  über  Hirnwindungen. 

Chiarugi,  G.,  Proposition  d'une  ctude  collective  sur  le  poids  de  l'encephale  chez  les  Italiens. 
Arch.  ital.  de  Biol.  XXXV,  1901.  —  Thudichum,  L.  W.,  Die  chemische  Konstitution  des  Gehirns 
des  Menschen  undderTiere.  Tübingen  1901.  —  Winkler,  C,  Das  relative  Gewicht  der  menschlichen 
Hirnwindungen;  in  „Petrus  Camper"  I,  1901.  —  Marchand,  F.,  Über  das  Hirngewicht  des  Menschen. 
Abhandlungen  der  K.  S.  Ges.  d.  Wiss.,  math.-ph.  Kl.  XXVII,  1902;  auszugsweise  im  Biol.  Zentralbl. 
XXII,  1902.  Gehirne  unter  1250  sind  als  abnorm  klein,  solche  über  1550  als  abnorm  groß  zu  bezeichnen 
(bei  Männern).  Wahrscheinlich  ist  bei  der  noch  in  der  Breite  der  Norm  liegenden  Verschiedenheit 
des  Hirngewichts  von  300 — 350  g  einer  verschiedenen  Ausbildung  der  Markmasse  der  Hauptanteil 
des  Unterschiedes  zuzuschreiben.  —  Über  Gehirngewichte  bekannter  Personen  und  die  betreffende 
Literatur  siehe  Dräseke,  Arch.  f.  Rassen-  und  Ges.  Biol.  1906.  —  Hansemann:  Über  die  Gehirne 
von  Mommsen,  Bunsen,  Menzel.    Stuttgart  1907.  —  Waldeyer,  Ergebnisse  d.  Anat.  VIII,  1899. 

5.  Die  einzelnen  Gehirnabteilungen. 

A.  Das  verlängerte  Mark,  Medulla  oblongata. 

Die  Medulla  oblongata  hat  die  Form  eines  abgestumpften  Kegels,  dessen 
Basis  der  Brücke  zugewendet  ist,  während  das  kaudale  Ende  in  das  Rückenmark 
übergeht. 

Die  kaudale  Grenze  ist  durch  die  Austrittsstelle  der  oberen  Wurzelbündel  des  1.  Cervikalnerven- 
paares,  oder,  auf  der  ventralen  Fläche,  durch  das  kaudale  Ende  der  Pyramidenkreuzung  gegeben.  Als 
rostrale  Grenze  auf  der  dorsalen  Fläche  gelten  die  Striae  medulläres  der  Rautengrube.  Ihre  Länge 
beträgt  25,  ihre  untere  Breite  10 — 11,  die  obere  Breite  17 — 18mm;  die  Dicke  wächst  aufwärts  von  9 
zu  15  mm. 

Skeletotopisch  erstreckt  sie  sich  vom  oberen  Rande  des  Atlas  bis  zur  Mitte  des  Clivus  und 
liegt  hier  zwischen  den  Tubercula  jugularia.  Ihre  Richtung  ist  demgemäß  eine  schräg  aufsteigende; 
der  veränderliche  Neigungswinkel  gegen  den  Horizont  beträgt  etwa  45°.  Der  Übergang  in  das 
Rückenmark  kann  sich  in  sanfter  Weise,  aber  auch  durch  eine  rasche,  winklige  Biegung  vollziehen. 

a)  Furchen. 

Die  Fissura  mediana  anterior  des  Rückenmarks  wird  bei  ihrem  Über- 
gange auf  die  Oblongata  meist  stark  beeinflußt  durch  die  Pyramidenkreuzung 
(Fig.  88,  89,  96).  Letztere,  Decussatio  pyramidum,  untere  oder  motorische 
Pyramidenkreuzung,  ist  6 — 7  mm  lang  und  liegt  oberflächlicher  oder  tiefer:  es 
bedarf  immer  des  Auseinanderdrängens  der  beiden  Seitenhälften,  um  sie  gut  zu 
sehen.  Sie  besteht  darin,  daß  von  jeder  Seite  3 — 5  ansehnliche  Kreuzungs- 
bündel, die  von  den  Pyramiden  der  Oblongata  herabsteigen,  unter  spitzem  Winkel 
die  Medianlinie  überschreiten,  sich  verschränken  und  in  der  Tiefe  verschwinden. 
Sie  treten  hier  durch  die  grauen  Säulen  in  den  Seitenstrang  des  Rückenmarks 
über  und  stellen  dessen  Fasciculus  cerebrospinalis  lateralis  dar  (Fig.  88,  89).  In 
der  Regel  bleibt  ein  kleiner  Teil  der  Pyramidenfasern  der  Oblongata,  nämlich  der 
laterale,  ungekreuzt  und  setzt  sich  in  den  Fasciculus  cerebrospinalis  anterior 
des  Rückenmarks  fort. 

Prägt  sich  die  Kreuzung  äußerlich  nur  schwach  aus,  so  tritt  die  Medianfissur 
des  Markes  ununterbrochen,  doch  minder  tief,  auf  die  Oblongata  über.  Oft  ist 
die  Kreuzungsstelle  nur  an  einer  leichten  Ausbiegung  der  Medianfissur  kennt- 
lich; in  manchen  Fällen  ist  letztere  ganz  unterbrochen;  meist  setzt  sich  die  Fissur 
verflacht  über  die  Kreuzungsstelle  fort.  Jenseits  der  letzteren,  zwischen  ihr  und 
der  Brücke,  ist  die  Fissur  von  individuell  wechselnder  Tiefe.  Dicht  an  der  Brücke 
erweitert  sie  sich  zu  einem  Grübchen,  Foramen  caecum.     Fig.  95,  109. 


72 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Die  Fissura  mediana  posterior  der  Oblongata  wird  alsbald  abgeschlossen 
durch  ein  queres  Markblättchen,  Riegel,  Obex  (Fig.  114).  Diese  Stelle  entspricht 
dem  Übergange  des  Canalis  centralis  in  den  Ventriculus  quartus. 

Der  Sulcus  intermedius  posterior  tritt  auf  die  Oblongata  über,  weicht 
im  oberen  Teile  etwas  zur  Seite  und  verstreicht  darauf. 

Im  Sulcus  lateralis  anterior  der  Oblongata  treten  die  Wurzelbündel  des 
XII.  Hirnnerven  (des  Hypoglossus,  Zungenfleischnerven)  zur  Oberfläche;  der  Zu- 
sammenhang mit  der  gleichnamigen  Rückenmarksfurche  kann  durch  starke  Gürtel- 
fasern, Fibrae  arcuatae  externae,  unterbrochen  sein.     Fig.  90. 


Oliva 


lat.  ant. 
Sulcus  lat.  post. 
Sulc.  lat.  olivae 


Fibrae  arcuatae  ext. 


|  Decussatio 
|  pyramidum 


Sulcus  lat.  ant. 
Fissura  mediana  ant. 
Sulcus  intermedius  an:. 


Fig.  88. 


Fig.  89. 


Fig.  90. 


Fig.  88.    Ansicht  der  ventralen  Fläche  der  Brücke  und  des  verlängerten  Markes. 
a,  a  Pyramiden;   b  ihre  Kreuzung;  c,  c  Oliven;   d,  d  Corpora  restiformia;   e  und  /  Fibrae  arcuatae;  g  Vorderstrang  des 
Rückenmarkes;  h  Seitenstrang  desselben;  p  Brücke;  i  schräge  Brückenfasern.     Bei  *  ist  die  Verbindung  der  Brückenarme 
mit  dem  Kleinhirne  durchschnitten;  s,  s  Austrittsstelle  des  Trigeminus.     Das  kraniale  Ende  der  Pyramiden  a,  a  ist  hinter 
der  Brücke  von  Querfasern  bedeckt,  die  den  Propons  bilden. 
Flg.  89.     Pyramidenkreuzung  (vergrößert). 
Beide  Seitenhälften  sind  in  der  Gegend  der  Pyramidenkreuzung  etwas  auseinandergedrängt.     1  rechte.  2   linke  Seite  der 
Kreuzungsstelle;  3 — 4  Fissura  mediana  anterior  der  Oblongata;   5  Sulcus  intermedius  anterior;   6  Sulcus  lateralis  anterior. 

Fig.  90.     Linke  Hälfte   einer  Medulla   oblongata   mit   oberem    Stück   des  Rückenmarkes  (die  .Medulla  oblongata  hat 

nur  25  mm  Länge).    Ventrale  (vordere)  Fläche.     Die  Nn.  glossopharyngeus,  vagus,  accessorius,  hypoglossus  sind  entfernt. 

P  Pyramis;    VI  N.  abducens;    VII  N.  facialis;   VIII  N.  acusticus. 

Im  Sulcus  lateralis  posterior  der  Oblongata  treten  in  einer  Längsreihe 
drei  Hirnnerven  aus:  der  IX.  bis  XL,  oder  N.  glossopharyngeus,  N.  vagus,  die 
oberen  Bündel  des  N.  accessorius  =  Accessorius  vagi. 


b)  Stränge  und  Querfaserzüge. 

Die  Pyramide  der  Oblongata,  Pyramis  (medullae  oblongatae)  liegt 
zwischen  der  Fissura  mediana  anterior  und  dem  Sulcus  lateralis  anterior,  hat 
5 — 6  mm  Breite  und  darf  nach  dem  über  die  Pyramidenkreuzung  zuvor  Gesagten 
nicht  mit  dem  Vorderstrange  des  Rückenmarkes  verwechselt  werden. 

Der  Seitenstrang  der  Oblongata,  Funiculus  lateralis,  zwischen  dem 
Sulcus  lateralis  anterior  und  posterior  gelegen,  zeigt  als  Besonderheit  eine  ansehn- 
liche, lang  elliptische  Erhabenheit,  die  Olive,  Oliva,  deren  medialer  Längsrand 
mit  dem  Sulcus  lateralis  anterior  zusammenfällt.    Sie  ist  14  mm  lang,  7  mm  breit 


73 


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Sulcus  frontalis  sup. - 


Sulcus  praecentralis 


Sulcus  centralis  - 


Sulcus  retrocentralis 


Sulcus  cinguli 
(Pars  marginalis) ' 


Sulcus  interparietalis- 


Sulcus  occipitalis  transversus 


Fissura  parieto-occipitalis^' 


Sulci  occipitales  supp. 


Polus  frontalis 


Fissura  parieto- 
occipitalis 


Polus  occipitalis 


Fissura  longitudinalis  cerebri 


Fig.  92.    Furchen  und  Windungen  der  Großhirnhemisphären  von  oben  gesehen. 


Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Geliimabteiliingcn. 


75 


und  schließt  ein   zierlich   gefaltetes  Blatt  grauer  Substanz  ein,  den  Olivenkern, 
Nucleus  olivaris  inferior. 

Das  kaudale,  spitzere  Ende  der  Olive  liegt  in  gleicher  Höhe  mit  der  kaudalen 
Spitze  der  Rautengrube,  wenig  rostral  des  Beginnes  der  Pyranhdenkreuzung,  und 
ist  oft  von  starken  Fibrae  arcuatae  extt.  bedeckt;  ihr  rostrales  Ende  wird  durch 
eine  tiefe  Furche  vom  kaudalen  Brückenrande  getrennt.  Der  hintere  Olivenrand  ist 
vom  Sulcus  lateralis  posterior  2 — 3  mm  weit  entfernt. 

Der  Hinterstrang  der  Oblongata,  Corpus  restiforme,  liegt  anfänglich 
zwischen  dem  Sulcus  lateralis  posterior  und  dem  Sulcus  medianus  posterior;  später 
tritt  an  Stelle  des  letzteren  der  Seitenrand  des  IV.  Ventrikels.  Der  Hinterstrang 
der  Oblongata  wird  im  Aufsteigen  durch  Einlagerung  grauer  Massen  mächtiger 
und  wird  durch  den  Sulcus  intermedius  posterior  in  zwei  Teile  geschieden. 

«.  Der  mediale  Strang,  die  Fortsetzung  des  Gollschen  Stranges,  Fasciculus 
gracilis,    nimmt   aufwärts  an  Breite  zu  und  schwillt  an  der  Seite  des   hinteren 


Brachium  pontis 

Corpus  restiforme 
Taenia  ventriculi  IV 
Calamus  scriptorius 

Clava 
Tuberculum    cuneatum 


Fasciculus  gracilis 


Pons 


"  Fibrae  arcuatae  ext. 


Funiculus  lat. 
Tuberculum  cinereum 


Sulcus     medianus 
Fovea  sup 

Striae  medulläres  tjj 
Tuberculum  cinereum 

Funiculus  lat. 
Fasciculus  cuneatus  '  ' 
Fissura  mediana  post. 

Fig.  94. 


Brachium  conjunctivum 
Brachium  pontis 

;A-  Corpus  restiforme 
Tuberculum  acusticum 
Ala  cinerea 

Clava 


Fasciculus  gracilis 


Fasciculus  cuneatus     Fasciculus  cerebellospinalis 

Fig.  93. 

Fig.  93.    Medulla  oblongata  vom  Gehirn  eines  Kindes.     Halbprofil  der  dorsalen  Fläche. 
Fig.  94.    Medulla  oblongata  und  Rautengrube  vom  Gehirn  eines  Kindes,    va  Velum  medulläre  ant. 


Teiles  der  Rautengrube  zur  Keule,  Clava,  an,  die  im  Inneren  einen  grauen 
Kern,  Nucleus  fasciculi  gracilis  enthält.  Jenseits  der  Clava  spitzt  sich  der 
Strang  wieder  zu  und  verliert  sich  im  medialen  Felde  des  Corpus  restiforme. 
Fig.  113,  114. 

ß.  Der  laterale  Strang,  Keilstrang,  Fasciculus  cuneatus,  verbreitert  sich 
im  Aufsteigen  beträchtlich  und  wird  durch  eine  seichte  Furche  der  Länge  nach  in 
zwei  Bündel  geteilt,  Fasciculus  cuneatus  medialis  und  lateralis.  Der  laterale 
Keilstrang  enthält  die  verdickte  Fortsetzung  des  Kopfes  der  grauen  Hintersäule  des 
Rückenmarkes.  Nähert  sich  dieser  Kopf  infolge  geringer  Bedeckung  durch  weiße 
Faserzüge  der  Oberfläche,  so  ist  die  Stelle  durch  dunkle  Färbung  bezeichnet; 
sie  kann  sogar  einen  Vorsprung  bilden,  welcher  den  Namen  Tuberculum 
cinereum  führt.  Der  mediale  Keilstrang  entwickelt  in  der  Höhe  der  Clava 
ebenfalls  eine,  bei  Kindern  leichter  wahrnehmbare  Anschwellung,  Tuberculum 
cuneatum,  welche  einen  ansehnlichen  grauen  Kern  beherbergt,  den  Nucleus 
fasciculi  cuneati.  Zu  den  Fasciculi  gracilis  und  cuneatus  gesellt  sich  im  obersten 
Abschnitt  des  Corpus  restiforme  noch  ein  dritter  Strang,  die  S.  63  bereits  be- 
kannt   gewordene    Kleinhirn-Seitenstrangbahn.     Im   Beginn   der   Oblongata 


76  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

an  die  hintere  Seitenfurche  angrenzend,  überschreitet  sie  in  der  Nähe  des  kaudalen 
Olivenendes  die  Accessoriuslinie,  geht  vor  dem  Tuberculum  cinereum  und  cunea- 
tum  hinweg  zur  dorsalen  Fläche  des  Corpus  restiforme  und  verliert  hier,  zum 
Kleinhirn  ziehend,  ihre  Abgrenzung.     Fig.  93,  94. 

So  zusammengesetzt  senkt  sich  das  Corpus  restiforme  mit  einem  jetzt  nicht 
näher  zu  untersuchenden  Teil  seiner  Fasermassen  unter  rascher  Krümmung  in  das 
Kleinhirn. 

Außer  den  genannten  Längsfaserzügen  kommen  an  der  Oblongata  auch 
Querfaserzüge  vor,  die  in  ihrer  Gesamtheit  den  Namen  Stratum  zonale, 
Gürtelschicht,  Gürtelfasern,  führen  und  wechselnde  Ausbildung  zeigen. 

Die  Querfasern  entwickeln  sich  an  der  lateralen  Fläche  der  rostralen  Enden 
der  Corpora  restiformia  und  verlaufen  bogenförmig  zur  vorderen  Fläche  der 
Oblongata,  wo  sie  in  die  vordere  Medianfissur  eindringen.  Die  das  kaudale  Ende 
der  Oliven  umgreifenden,  auf  die  Pyramiden  übertretenden  Bündel  haben  oben 
bereits  als  Fibrae  arcuatae  externae  Erwähnung  gefunden. 

Besondere  Querfasern  umziehen  in  vielen  Fällen  das  rostrale  Ende  der  Pyramiden,  bevor  sie  in 
die  Brücke  dringen.  Sie  sind  unter  dem  Namen  Vorbrückchen ,  Propons,  bekannt  und  ver- 
schwinden jederseits  neben  den  Pyramiden,  sowie  in  der  Tiefe  der  vorderen  Medianfissur. 

Dexter,  F.,  Morphology  of  the  Medulla  oblongata  of  the  Rabbit.  Arch.  Anat.  u.  Phys.  1896. 
—  Kölliker,  A.,  Sur  l'entrecroisement  des  Pyramides  chez  les  Marsupiaux  et  les  Monotremes.  Vol. 
jubilaire  publie  par  la  Societe  de  Biologie  ä  Paris.  —  Sabin,  Fl.  R.,  Model  of  the  Medulla,  Pons  and 
Midbrain  of  a  New  born  Babe.    John  Hopkins  Hosp.  Reports,  1901. 

c)  Der  IV.  Ventrikel,  Ventriculus  quartus.     Fig.  94,  95,  97,  101,  113,  114. 

Die  IV.  Hirnkammer  ist  ein  im  Gebiet  des  Rhombencephalon  enthaltener, 
ependymbekleideter  Hohlraum,  eine  Erweiterung  des  Zentralkanals,  welche  Liquor 
cerebrospinalis  enthält.  Man  unterscheidet  an  ihr  einen  Boden  und  ein  Dach,  zwei 
seitliche  Begrenzungsränder,  zwei  seitliche  weithin  gestreckte  Ausbuchtungen,  eine 
rostrale  in  den  Aquaeductus  des  Vierhügelhirns  führende,  und  eine  kaudale  in 
den  Zentralkanal  der  Oblongata  führende  Mündung,  sowie  eine  mediane  und  zwei 
seitliche  Öffnungen  in  den  Subarachnoidalraum.    Ihre  Länge  beträgt  gegen  25  mm. 

Das  Dach  der  IV.  Hirnkammer,  Tegmen  ventriculi  quarti,  besteht  aus 
drei  verschiedenen  Gebilden:  rostral  aus  dem  Velum  medulläre  anterius  und 
den  seitlich  dasselbe  begrenzenden  Brachia  conjunctiva  (cerebelli),  in  der 
Mitte  aus  einem  Teil  des  Kleinhirns  selbst,  kaudal  aus  dem  Velum  medulläre 
posterius  und  der  Tela  chorioidea  ventriculi  quarti.  Der  gegen  das  Klein- 
hirn zugeschärft  sich  erhebende  Teil  des  Daches  heißt  das  Zelt,  seine  Kante  die 
Giebelkante,  Fastigium.     Fig.  97. 

Der  kaudale  Teil  des  Tegmen  ventriculi  IV.  hat  leicht  verdickte  Seitenränder, 
welche  sich  vom  Obex  zum  lateralen  Ende  des  Recessus  lateralis  erstrecken  und 
an  der  Oblongata  meist  haften  bleiben,  wenn  die  übrige  Deckplatte  entfernt  wird; 
sie  führen  den  Namen  Taenia  ventriculi  IV  (Fig.  113,  114).  Ein  vorderer  Teil 
der  Taenia  erstreckt  sich  von  der  Flocke  des  Kleinhirns  zum  Nodulus  desselben 
(Fig.  120);  siehe  unten  Kleinhirn,  S.  84  und  Marksegel,  S.  92.  Über  den 
Bau  der  aus  Epithel  und  Pia  bestehenden  Deckplatte,  ihre  Durchlöcherungen, 
ihre  Gefäßplexus  siehe  Hüllen  des  Gehirns.     S.  159. 

Der  Boden  der  IV.  Kammer,  seiner  Form  und  leichten  Tieflage  wegen 
Rautengrube,  Fossa  rhomboidea,  genannt,  zeigt  graue  Farbe  und  viele  Be- 


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Sulcus  olfactorius       Gvrus  rectus 


Gyn  oibitales 


Sulci  orbitales 

Fissura  cerebri 
lat.  [Sylvii] 

Gyrus 
temporalis  inf. 

A.  cerebri  media 

Tuber  cmereum 

Sulcus 
temporalis  inf. 
U  ncus 
gyri   hippocampi 

A.  basilaris 

Gyrus  fusiformis  |^ 

N.  intermedius 

Gyrus  fusiformis 

Flocculus 

Sulcus  horizon- 
talis  cerebelli 

Lobulus  biventer 


Tonsilla 

Lobulus 
seinilunaris  inf. 

Lobulus 
semilunaris   sup. 


Bulbus  olfactoi ins 

Tractus  olfactoi  in; 

A.  commuiiicans  mit 

Chiasma  opticum 

N.  opticus 

Substantia 
perforata  ant. 
Infuiidibulum 

—  A.  carotis  int. 
A.communicanspost 
N.  oculomotorius 

-  N.  trochlearis 
»~  A.  cerebelli  sup. 

A.  cerebri  post. 
Corpus  mamillare 
N.  tri  gern  inus 
N.  abducens 
N.  facialis 
N.  acusticus 
N.  glossopharyngeus 
N.  vagus 
N.  bypoglossus 
N.  accessorius 
[W  i  1 1  isi  i] 

N.  cervicalis  I. 

Decussatio  pyra- 
midum 


Incisura  cerebelli  post. 

Fig.  96.    Gehirnbasis. 


Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Gchirnabtcilungcn.  79 

Sonderheiten  seiner  Oberflächengestaltung.  Die  graue  Substanz  der  Rautengrube, 
Stratum  cinereuni  fossae  rhomboideae,  liegt  dicht  unter  dem  Ependym 
und  ist  die  flächenhaft  ausgebreitete  Fortsetzung  der  grauen  Säulen  des  Rücken- 
markes. 

Das  kaudale,  zugespitzte  Ende  der  Rautengrube  heißt  wegen  seiner  Ähnlich- 
keit mit  einer  Schreibfederspitze  Calamus  scriptorius.     Fig.  114. 

Eine  Längsfurche,  Sulcus  medianus  fossae  rhomboideae,  teilt  die 
Rautengrube  in  zwei  symmetrische  Hälften.  Ein  stärkerer,  oder  mehrere  feine 
markweiße  Querstreifen,  Striae  medulläres  (Fig.  97,  101),  ziehen  von  der  Gegend 
der  Recessus  laterales  quer  gegen  die  Medianlinie  und  grenzen  dadurch  ein  vor- 
deres, mittleres  und  hinteres  Gebiet  ab. 

Das  hintere  Gebiet,  Pars  inferior  fossae  rhomboideae,  gehört  der 
Medulla  oblongata  an;  es  liegt  zwischen  den  beiden  Corpora  restiformia.  Das 
mittlere,  Pars  intermedia  fossae  rhomboideae  gehört  zum  Metencephalon; 
es  ist  das  von  den  Striae  medulläres  durchzogene  Gebiet,  und  setzt  sich  seitwärts 
fort  in  den  Recessus  lateralis  ventriculi  quarti  (Fig.  114),  welcher  sich  um 
das  Corpus  restiforme  herumschlingt  und  am  Stiel  des  Flocculus  endet  (Fig.  120). 
Der  rostrale  Teil  der  Rautengrube,  Pars  superior  fossae  rhomboideae,  gehört 
zum  Isthmus;  er  wird  von  den  Brachia  conjunetiva  seitlich  begrenzt. 

Neben  der  Medianfurche  durchzieht  jederseits  ein  flacher  Längswulst  die 
ganze  Länge  der  Rautengrube,  wird  aber  im  vorderen  Gebiet  breiter  und  deut- 
licher, die  Eminentia  medialis  (Fig.  113,  114),  die  das  Gebiet  der  motorischen 
Hirnnervenkerne  einschließt;  seine  seitliche  Abgrenzung  wird  gebildet  von  einer 
flachen  Furche,  Sulcus  limitans  (fossae  rhomboideae).  Im  kaudalen  Teil  der 
Rautengrube,  Fovea  inferior,  bemerkt  man  ferner  ein  durch  tiefgraue  Farbe  und 
leicht  vertiefte  Lage  bestimmtes  dreieckiges  Feld,  Ala  cinerea,  unter  welchem 
einer  der  Endkerne  des  N.  vagus,  der  Nucleus  alae  cinereae  seine  Lage  hat. 
Zieht  man  von  der  rostralen  Spitze  der  Ala  cinerea  eine  Senkrechte  auf  den  Sulcus 
medianus,  so  wird  ein  dreiseitiges  Feld  abgegrenzt,  Trigonum  nervi  hypo- 
glossi,  unter  welchem  der  Kern  des  N.  hypoglossus  liegt.  Lateral  und  vor  der 
Ala  cinerea  erhebt  sich  am  Eingang  in  den  Recessus  lat.  der  Boden  zu  einem 
flachen  Hügel,  Tuberculum  acusticum.  Es  ist  nur  ein  Teil  der  großen  Area 
acustica,  deren  Grenzen  durch  den  Sulcus  limitans,  die  Taenia  ventriculi  quarti 
und  das  Brachium  pontis  gegeben  werden.    Fig.  113,  114. 

Vor  den  Striae  medulläres  zeigt  die  verbreiterte  Eminentia  medialis  einen 
stärkeren  rundlichen  Vorsprung,  Colliculus  facialis,  welcher  durch  das  die 
Oberfläche  vorwölbende  innere  Knie  des  N.  facialis  bedingt  wird.  An  dem  late- 
ralen Rande  des  Vorsprunges  sinkt  die  Oberfläche  zu  einer  kleinen  Grube,  Fovea 
superior,  ein.  Vor  der  Fovea  superior  liegt  jederseits  dicht  am  Brachium  con- 
junetivum  eine  bläulich  gefärbte  Stelle,  welche  sich  bis  zum  Eingang  in  den 
Aquädukt  hinzieht,  der  Locus  caeruleus.  Die  blaue  Farbe  dieser  Stelle  ent- 
steht, wie  überall  im  Tierreich  die  blaue  Farbe  entsteht,  dadurch,  daß  (bräunlich) 
pigmentierte  Nervenzellen  durch  die  durchsichtige  über  ihnen  liegende  Gehirn- 
substanz durchschimmern. 

Über  den  Sulcus  limitans  siehe  unten. 

Über  die  Relief-Verhältnisse  der  Rautengrube  vgl.  G.  Retzius,  Das  Menschenhirn.  1896.  S.39ff. 

Raüber-Kofsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  5 


80  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

B.  Das  Hinterhirn,  Metencephalon. 

I.  Die  Brücke,  Pons  (Varoli).     Fig.  96,  109,  112. 

Die  Brücke  ist  ein  weißer  mächtiger  Vorsprung  der  Hirnbasis,  welcher  kaudal 
von  der  Oblongata,  rostral  von  den  Pedunculi  cerebri  scharf  begrenzt  wird.  '  Dies 
ist  aber  nur  die  Pars  basilaris  der  Brücke.  Mit  ihrer  Pars  dorsalis  begrenzt 
sie  den  rostralen  Teil  der  Rautengrube.  Die  lateralen  Grenzen  der  Brücke  werden 
künstlich  durch  je  eine  Linie  bestimmt,  welche  die  Austrittsstellen  der  Wurzeln 
des  N.  trigeminus  und  facialis  verbindet,  d.  i.  durch  die  Trigeminus-Facialislinie. 
Die  lateral  von  dieser  Linie  gelegene,  in  das  Kleinhirn  sich  einsenkende  Fort- 
setzung der  Brücke  stellt  die  Brückenarme,  Brachia  po ntis,  dar. 

Die  ventrale  Oberfläche  der  Brücke  ist  in  querer  und  sagittaler  Richtung 
stark  gewölbt  und  durch  eine  kräftig  ausgesprochene  Querfaserung  ausgezeichnet. 
Im  allgemeinen  nehmen  die  Querfasern  ihren  Weg  zum  Brückenarm.  Die  rostralen 
Züge  neigen  sich  dabei  lateralwärts  und  rückwärts.  Ein  mittleres  Bündel  zeigt 
diese  rückwärts  geneigte  Bahn  besonders  stark,  überschreitet  die  queren  Bündel 
und  schlägt  die  Richtung  gegen  die  Austrittsstelle  des  N.  facialis  ein,  Fasciculus 
obliquus  (pontis).     Fig.  112. 

Die  ventrale  Brückenfläche  trägt  eine  mediane  Längsfurche,  Sulcus  basi- 
laris (Fig.  109),  welche  die  A.  basilaris  aufnimmt;  doch  fehlt  die  Furche  nicht, 
auch  wenn  die  Arterie  ungewöhnlich  verläuft.  An  der  rostralen  Grenze  der  Brücke 
verlaufen  die  Fila  lateralis  pontis  (Fig.  114).  Sie  beginnen  in  der  Furche 
zwischen  dem  Brachium  conjunctivum  und  dem  Brachium  pontis,  folgen  dem 
rostralen  Rande  der  Brücke  und  gehen  in  die  Pedunculi  cerebri  über. 

Die  Länge  der  ventralen  Brückenoberfläche  beträgt  20 — 30,  die  Breite  30 — 36, 
die  Dicke  gegen  25  mm.  Die  dorsalen  Grenzen  der  Brücke  sind  kaudal  durch  die 
Striae  medulläres,  rostral  durch  das  Ende  des  Ventrikelbodens  gegeben. 

Skeletotopisch  hat  die  Brücke  ihre  Lage  auf  dem  vorderen  Teil  des 
Clivus  und  reicht  aufwärts  bis  an  den  oberen  Rand  der  Sattellehne. 

Das  einfache  Aussehen  der  Brücke  bei  ventraler  Ansicht  ist  sehr  trügerisch, 
wenn  man  nach  ihm  etwa  sein  Urteil  über  ihre  inneren  Verhältnisse  einrichten 
wollte.  Sie  verdient  vielmehr  in  letzterer  Hinsicht  ganz  den  alten  Namen  Nodus 
cerebri.  Über  ihre  grauen  Massen,  Nuclei  pontis,  und  verschlungenen  Leitungs- 
bahnen siehe  unten. 

II.  Das  Kleinhirn,  Cerebellum. 

Das  Kleinhirn  hat  die  Form  eines  liegenden,  vertikal  abgeplatteten  Ellipsoides; 
es  ist  mit  seiner  langen  Axe  (9 — 11  cm)  quergestellt,  während  die  kurze  (4 — 6  cm) 
sagittal,  die  Dickenaxe  (gegen  3  cm)  vertikal  verläuft.     Fig.  95,  108. 

Lage:  Das  Kleinhirn  deckt  die  Oblongata,  überragt  sie  weit  nach  beiden  Seiten  und  füllt  die 
Fossae  cerebellares  der  Hinterhauptschuppe  fast  ganz  aus.  Oben  grenzt  es  an  das  Tentorium  und  die 
Hinterhauptlappcn  des  Endhirnes.  Die  Tonsillae  cerebelli  ragen  manchmal  neben  der  Medulla  ob- 
longata bis  in  das  Hinterhauptloch  hinein  (Schwalbe). 

Sein  Gewicht  ist  bei  Männern  und  Weibern  etwa  gleich  groß  und  beträgt  120 — 150g. 

Man  unterscheidet  an  ihm  eine  obere  und  eine  untere  Fläche,  Facies 
sup.,  in  f.,  einen  vorderen  und  einen  hinteren  Rand.  Der  vordere  Rand  ist  durch 
die  Incisura  cerebelli  anterior,  der  hintere  Rand  durch  die  tiefere  Incisura 
cerebelli  posterior  eingeschnitten.     Fig.  108. 

Der  zwischen  den  beiden  Einschnitten  gelegene  Mittelteil  des  Kleinhirnes 


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Radiatio 
corporis  callosi 
(Pars  frontalis) 


Radiatio 
corporis  callosi 
(Pars  parietalis) 


Polus  frontalis 


Radiatio 
corporis  callosi 
(Pars  occipitalis) 


Polus  occipitalis 


Fig.  98.     Balken,  Corpus  callosum  von  oben  und  Centrum  semiovale. 

Nach  Wegnahme  der  oberen  Teile  beider  Großhirnhemisphären  bis   zur  Höhe  der  oberen   Fläche  des 
Balkens  und  nach  Entfernung  der  das  Genu  und  das  Splenum  deckenden  Teile  des  Gyrus  cinguli. 


Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Gchirnabteihmgen.  83 

führt  den  Namen  Wurm,  Vermis,  weil  er  durch  zahlreiche  quere  Einschnitte  an 
einen  Ringelwurm  erinnert.  Dorsal  wird  der  Oberwurm,  Vermis  superior, 
durch  zwei  seichte  Furchen,  ventral  der  Unterwurm,  Vermis  inferior,  durch 
zwei  tiefe  Furchen  von  den  Seitenmassen  des  Kleinhirnes  (Fig.  119,  120)  getrennt, 
welche  im  Gegensatz  zum  Wurm  die  beiden  Hemisphären  des  Kleinhirnes, 
Hemisphaeria  cerebelli,  darstellen. 

Beide  Flächen  des  Kleinhirnes  sind  gewölbt,  die  untere  stärker  als  die  obere. 
Die  Gesamtwölbung  der  unteren  Fläche  aber  wird  unterbrochen  durch  eine  tiefe 
Einsenkung,  welche  hinten  in  die  Incisura  posterior  übergeht.  Die  Einsenkung 
heißt  das  Tal,  Vallecula  cerebelli.  Der  Grund  des  Tales  wird  von  dem  Unter- 
wurm eingenommen. 

Der  Bau  des  Kleinhirnes  ist  blättrig,  d.  h.  die  Substanz  ist  durch  eine  große 
Zahl  mehr  oder  minder  tief  eindringender,  langgezogener,  einander  parallel  ver- 
laufender Einschnitte,  Sulci  cerebelli,  in  eine  große  Zahl  kleiner  Blätterwin- 
dungen, Gyri  cerebelli,  geteilt.  Eine  Kleinhirnwindung  hat  eine  durchschnitt- 
liche Breite  von  2 — 3  mm.  Es  gibt  Furchen  von  2 — 27  mm  Tiefe;  an  gewissen 
Stellen  aber  ist  nur  eine  Andeutung  von  Furchen  vorhanden. 

Die  Tiefe  der  Furchen  und  die  Ergebnisse  der  Entwicklung  hat  man  dazu 
benutzt,  um  die  Hemisphären  und  den  Wurm  in  verschiedene  Lappen  zu  zerlegen. 

a)  Lappen  der  Hemisphären. 

Auf  der  oberen  Hemisphärenfläche  wird  durch  eine  tiefe  Furche,  Sulcus 
superior  cerebelli,  ein  viereckiger  von  einem  halbmondförmigen  Lappen  geschieden. 
Ersterer:  Lobulus  quadrangularis  (Fig.  108),  zerfällt  durch  eine  der  vorigen 
nahezu  parallele  kleinere  Furche,  Sulcus  collateralis  superior,  in  eine  Pars  an- 
terior und  posterior.  Beide  zusammen  bilden  den  Oberlappen  der  Hemi- 
sphäre. Vor  ihm  liegt  dicht  auf  dem  Brachium  conjunctivum  die  Ala  lobuli 
centralis.     Fig.  120. 

Hinter  ihm  folgt  der  Lobulus  semilunaris  superior  (Fig.  108).  Er  wird 
von  dem  angrenzenden,  wesentlich  der  Unterfläche  angehörigen  Lobulus  semi- 
lunaris inferior  (Fig.  119)  durch  eine  lange  und  tiefe  Furche  getrennt,  den 
Sulcus  horizontalis  cerebelli  (Fig.  108),  welcher  sich  noch  über  die  Lobuli 
semilunares  hinaus  zum  Brückenarm  erstreckt  und  über  diesen  bis  zur  vorderen 
Mittellinie  verfolgt  werden  kann.  In  ihn  münden  alle  übrigen  großen  Furchen  aus. 
Von  dem  Lobulus  biventer  trennt  ihn  der  Sulcus  inf.  cerebelli. 

Auf  der  unteren  Hemisphärenfläche  unterscheidet  man  drei  ungleich  große 
Teile,  einen  lateralen,  einen  medialen  und  einen  vorderen.  Der  laterale,  Lobulus 
biventer  (Fig.  119),  ist  der  größte  von  ihnen  und  wird  durch  den  Sulcus  collateralis 
inferior  oft  in  zwei  Teile  zerlegt.  Der  mediale,  die  Mandel,  Tonsilla  cere- 
belli, von  dem  Biventer  durch  den  Sulcus  medialis  inferior  geschieden,  besteht 
aus  einer  hufeisenförmig  geordneten  Gruppe  von  Windungen.  Sie  liegt  in  einer 
Vertiefung,  welche  beim  Aufheben  des  medialen  Schenkels  der  Tonsille  sichtbar 
wird,  und  das  Nest,  Nidus  avis,  genannt  wird  (Fig.  120).  Vor  dem  Biventer  und 
der  Tonsille  liegt  als  vorderer  Teil  des  Unterlappens,  die  Flocke,  Flocculus, 
durch  den  Sulcus  inferior  anterior  von  jenen  beiden  geschieden.  Die  Flocke  ruht 
auf  der  unteren  Fläche  des  Brückenarmes  und  läuft  medial  in  den  markweißen 
Flockenstiel,    Pedunculus   flocculi    aus;   der   letztere   setzt  sich  medial  fort 

5* 


84  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

in  ein  dünnes  Blatt,  das  hintere  Marksegel,  Velum  medulläre  posterius 
(Fig.  120),  welches  selbst  wieder  mit  dem  Nodulus  des  Unterwurmes  in  Verbindung 
steht.  Häufig  liegt  lateral  von  der  Flocke,  in  dem  Winkel  zwischen  Biventer  und 
Quadrangularis,  auf  dem  Brückenarme  noch  eine  kleine  besondere  Gruppe  von 
Windungen,  die  Nebenflocke,  Flocculus  secundarius. 

b)  Wurm. 

Die  Windungen  (Gyri)  des  Wurmes  hängen  mit  denjenigen  der  Hemisphären 
zusammen,  trotz  der  tiefen  Furchen,  welche  den  Unterwurm  von  ihnen  abgrenzen. 
Der  Oberwurm  hat  folgende  Abteilungen:  siehe  Fig.  95. 

1.  Das  Züngelchen,  Lingula  cerebelli  (Fig.  102,  114),  besteht  aus  4 — 6 
flachen  Gyri,  welche  zwischen  den  Brachia  conjunctiva  auf  dem  Velum 
medulläre  ant.  liegen.  Sie  haben  in  ihrer  Gesamtheit  große  Ähnlichkeit 
mit  einer  Zunge.  Zur  Seite  der  hinteren  Blättchen  der  Lingula  liegen  noch 
einige  kleine  Vorsprünge,  Vincula  lingulae,  die  sich  gegen  den  Brücken- 
arm ausdehnen. 

2.  Das  Zentralläppchen,  Lobulus  centralis  (Fig.  120).  Es  liegt  über 
dem  vorderen  Marksegel  und  setzt  sich  jederseits  fort  in  die  Ala  lobuli 
centralis. 

3.  Der  Berg,  Monticulus(Fig.  108),  ist  der  größte  Teil  des  Oberwurmes.  Man 
unterscheidet  an  ihm  den  Gipfel,  Culmen,  und  den  Abhang,  Declive, 
deren  Windungen  die  Lobuli  quadrangulares  beider  Seiten  verbinden. 
Zwischen  Culmen  und  Declive  dringt  eine  tiefe,  bis  in  die  Nähe  des 
Ventrikeldaches  reichende  Furche  vor  (Fig.  95),  welche  dem  Sulcus  colla- 
teralis  superior  der  Hemisphäre  entspricht.  Der  Pars  anterior  des  Lobus 
quadrangularis  gehört  der  Monticulus,  der  Pars  posterior  das  Declive  an. 

4.  Das  Wipfelblatt,  Folium  vermis  (Fig.  95).  Es  bildet  die  schmale 
Verbindungsbrücke  der  medialen  Enden  der  oberen  Semilunarlappen  und 
liegt  in  der  Incisura  posterior  cerebelli.  Seine  obere  und  seine  untere  Fläche 
sind  quergefurcht. 

Der  Unterwurm  hat  folgende  Teile: 

1.  Der  Wulst,  Tuber  vermis  (Fig.  119).  Seine  Gyri  verbinden  die  unteren 
halbmondförmigen  Lappen. 

2.  Die  Pyramide,  Pyramis  (vermis)  (Fig.  119),  mit  stark  nach  hinten  kon- 
vexen Gyri,  welche  die  Lobuli  biventeres  verbinden. 

3.  Das  Zäpfchen,  Uvula  (vermis)  (Fig.  119),  eine  schmale  langgestreckte 
Quergruppe  von  Gyri,  welche  die  hinteren  Enden  der  Mandeln  verbinden. 

4.  Das  Knötchen,  Nodulus  (Fig.  120)  ein  zapfenförmiger,  aus  dicht- 
gedrängten Gyri  bestehender  Körper,  welcher  mittels  des  hinteren  Mark- 
segels und  der  Flockenstiele  die  Flocken  verbindet. 

c)  Marklager  des  Kleinhirns. 

Das   Mark   des  Cerebellum    ist   teils   in    den    Hemisphären,  teils  in  dem 
Wurm  enthalten. 

1.  Das  Marklager  der  Hemisphäre,  Corpus  medulläre  (hemisphaerii 
cerebelli).     Fig.  102. 


85 


Polus  frontalis 


Caput  nuclei  caudati  _£___ 


Stria  terminalis 


Lamina  affixa 


Calcar  avis 


Fissura  calcarina 


Cornu  ant.  ventriculi  lat. 
Gyri  breves 


insulae 


^.Gyrus  longus 


Pars  centralis 
ventriculi  lat. 


Plexus  chorioideus 
ventriculi  lat. 


Glomus  chorioideum 
Trigonum  collaterale 


Cornu  post.  ventriculi  lat. 


Polus  occipitalis 

Fig.  99.     Die  beiden  Seitenventrikel,  Ventriculi  laterales  von  oben  eröffnet. 

Rechts  ist  die  Insel  freigelegt. 


86 


Polus  frontalis 


Cavum  septi  pellucidi 

Lamina(dextra)sepli 
pellucidi 


Foramen  intei ventri 
ciliare  [Monroi] 


Corpus  fornicis 


Crus  fornicis 

Commissura 

hippocampi 


Calcar  avis 


Polus  occipitalis 


Fig.  100.     Seitenventrikel,  Ventriculus  lateralis;  Fornix;  Septuni  pelluciduni;  Foramen  inter- 

ventricularc  (Monroi). 

Nach  Entfernung  des  Truncus  corporis  callosi. 


Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Gehirnabteilungen. 


87 


Es  hat  ungefähr  die  Form  der  Hemisphäre,  hängt  medial  mit  dem  Mark  des 
Wurmes  zusammen  und  vereinigt  sich  durch  je  drei  mächtige  paarige  Stiele  mit 
der  Oblongata,  der  Brücke,  und  dem  Vierhügelhirn  (Fig.  101,  120).  Der  Stiel  zur 
Oblongata  ist  als  Corpus  restiforme  bereits  bekannt  geworden  (S.  75);  ebenso 
der  Stiel  zur  Brücke:  Brachium  pontis  (S.  80).  Somit  ist  nur  noch  der  Stiel 
zum  Vierhügelhirn  zu  erwähnen,  Bindearm  genannt,  Brachium  conjunetivum 
(Fig.  101,  102).  Die  Stiele  dringen  jederseits  vom  hinteren  Rand,  von  der  unteren 
und  von  der  oberen  Fläche  in  das  Innere  des  Kleinhirnes,  bilden  so  die  Grundlage 
des  Markes  der  Hemisphären  und  des  Wurmes  und  spalten  sich  auf  ihrem  Wege 
zu  den  Randwülsten  in  Blätter,  Laminae  medulläres.  Die  vom  Markkern 
ausgehenden  stärkeren  Laminae  medulläres  entsenden  unter  meist  spitzen  Winkeln 


Corpora  quadrigemina 

Trigonum  lemnisci  .. 

Sulcus  lat.  mesencephali 

Brachium  conjunetivum      &?^. 
Sulcus  medianus 

Striae  medulläres  — 


Pedunculus  cerebri 

Sulcus  lat.  mesencephali 

■  Brachium  conjunetivum 


Corpus  restiforme 

Clava 


Fig.   101. 

Rautengrube,  Kleinhirnstiele  und  Vierhügel.    (Sappey.) 

Auf  der  linken  Seite  sind  die  drei  Kleinhirnstiele  abgeschnitten;  auf  der  rechten  Seite  dagegen   sind  der  obere  und  der 

untere  Stiel  noch  im  Zusammenhang  mit  der  Markmasse  des  Kleinhirns,  während  der  Brückenarm  durchschnitten  ist. 


sekundäre  und  tertiäre  Markblätter,  welche  endlich  von  grauer  Substanz  umhüllt 
werden  und  dadurch  die  Windungen,  Gyri,  des  Kleinhirnes  bilden. 

Der  von  den  Laminae  medulläres  befreite  Markkern  hat  eine  Dicke  von  10 — 15  mm,  d.  i.  etwa 
ein  Drittel  der  Hemisphärendicke. 

Die  Zahl  der  vom  Markkern  der  Hemisphäre  ausgehenden  primären  Blätter  schwankt 
zwischen  10  und  15;  Endleisten  und  Gyri  sind  auf  einem  größten  Schnitte  durch  die  Hemisphäre 
gegen  315  zu  zählen. 

2.  Das  Marklager  des  Wurmes,  Corpus  medulläre  vermis. 

Es  ist  weit  kleiner  als  das  der  Hemisphären  und  hat  2 — 3  mm  Dicke.  Der 
Sagittalschnitt  zeigt  wiederum  eine  zierliche  baumförmige  Figur,  den  Lebens- 
baum, Arbor  vitae,  dessen  einzelne  Äste  in  Fig.  95  nachzusehen  sind. 

Die  Zeltspitze  der  IV.  Hirnkammer  dringt  in  den  Markkern  des  Wurmes  ein.  Den  7  primären 
Markblättern  des  Wurmes  entsprechen  auf  dem  Medianschnitt  gegen  215  Endleisten  und  Endläppchen, 
Gyri  vermis. 

d)  Markfortsätze  oder  Stiele  des  Kleinhirns. 

Die  Stiele  des  Kleinhirns  sind,  wie  oben  erwähnt,  in  der  Anzahl  von  drei 
Paaren  vorhanden,  welche  symmetrische  Anordnung  zeigen. 

1.  Die  Brückenarme,  Brachia  pontis.     Fig.  101,  114,  120, 
bilden    das   weitaus   stärkste   Paar;   sie  treten    am   vorderen  Rande   des   Lobulus 


88 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


quadrangularis,  Lobulus  biventer  und  der  Tonsille  aus  dem  Markkern  der  Hemi- 
sphäre hervor,  werden  von  den  Flocken,  Flockenstielen  und  Nebenflocken  bedeckt, 
verlaufen  konvergierend  und  an  Breite  gewinnend  nach  vorn  und  gehen  in  die 
Brücke  über.  Ihr  Austritt  aus  dem  Kleinhirn  liegt  von  allen  Stielen  am  meisten 
lateral. 

2.  Die  Bindearme,  Brachia  conjunctiva  (cerebelli),  Fig.  101,  102, 
114,  120,  stellen  plattrundliche  Stränge  dar  und  verlassen  das  Kleinhirn  am  vor- 
deren Rande,  medial  von  den  vorigen.  Um  sie  in  oberer  Ansicht  zu  sehen,  müssen 
die  vorderen  Teile  des  Oberwurmes  und  der  Hemisphären  zurückgelegt  oder  ent- 


Seplum  peilucidum 
—  Corpus  strialum 

Columna  fornicis 
— — -Vena  terminalis 
I! Tuberculum  ant.  thalami 

—  Stria  terminalis 

—  Corpus  pineale  (umgeschlagen) 
---  Habenula 
i"  Commissura  post. 
|-  Pulvinar 

"-    Brachium  quadrigeminum  inf. 
Frenulum  veli  medullaris  ant. 
Brachium  conjunctivum 
Brachium  pontis 

r- -  Lingula 

Rfc. 

-y — jJk. —  Corpus  medulläre  cerebelli 
.— .Nucleus  dentatus  cerebelli 


m 

Corpora  quadrigemina  mLjv ^b^-       -Jfll 

Pedunculus  curcnn -^i'f^i0^^T 

Trigonum  lemnisci 

Sulcus  lat.   mesencephali ./%-*u 

Velum  medulläre  am. ^rVc&- 

Brachium  pont:>      ■Ov*£,'' 
Brachium  conjunctivum  ^^/.^^ 


Fig.  102. 

Hirnstamm,   von   oben   gesehen,   vorn   in  Verbindung   mit   dem  Streitenhügel,    hinten    bedeckt  vom   horizontal 

halbierten  Kleinhirn.     1:2.     (Sappey.) 

lernt  werden.  Bei  ihrem  Hervorgehen  aus  dem  Markkern,  etwa  1  cm  voneinander 
entfernt,  konvergieren  sie  nach  vorn-oben  und  haben  sich  an  der  Stelle,  wo  sie 
unter  die  Vierhügel  treten,  bis  zur  Berührung  genähert. 

Die  zwischen  ihnen  wie  zwischen  zwei  Leisten  ausgespannte  dünne  Lamelle 
ist  das  vordere  Marksegel,  Velum  medulläre  anterius,  welches  dorsal  die 
Lingula  des  Kleinhirnes  trägt.     Fig.  102. 

3.  Die  Corpora  restiformia.     Fig.  101,  114,  120. 

Das  Corpus  restiforme  befindet  sich  zwischen  den  medial  austretenden  Vier- 
hügel- und  den  lateral  austretenden  Brückenarmen,  zieht  nach  hinten-unten  und 
verläßt  das  Mark  des  Kleinhirns  unter  rechtwinkliger  Umbiegung.  An  der  Um- 
biegungsstelle  wird  es  vom  deckenden  Bindearme  gekreuzt.  Beide  Corpora  resti- 
formia konvergieren  kaudalwärts  und  hören  in  der  Mitte  der  Medulla  oblongata 
allmählich  auf. 

Der  Querschnitt  der  Brückenarme  ist  anfänglich  fast  kreisförmig,  der  des 
Bindearmes  elliptisch,  der  des  Corpus  restiforme  dreieckig  mit  gerundeten  Winkeln. 


89 


Polus  frontalis 


Caput  nuclei  caudati 


Stria  terminalis 


Vena  cerebri  int. 


A.  chorioidea 

Commissura  hippo-__. 
campi 

Olomuschorioideum 


Cavumsepti  pellucidi 


Septum  pellucidum 


Columna  fornicis 
(durchschnitten) 


Tela  chorioidea 
ventriculi  III 


-  Hippocampus 

_  Taenia  fornicis 

-  Corpus  fornicis 


Polus  occipitalis 

Fig.  103.     Seitenventrikel,  Ventriculus  lateralis;   Tela  chorioidea  ventriculi  III. 

Nach  Durchschneidung  der  Columnae  fornicis  vom  Foramen  interventriculare  [Monroi]  aus  und  unter 
Zurückklappen  des  linken  und  des  rechten  Corpus  fornicis  nebst  Commissura  hippocampi. 


•III 


I'olus  frontalis 


Gen u  corporis 
callosi 

Gyri  breves  insulae  .- 


Gyrus  1ongus__ 
insulae 

Cauda  nuclei__.J 
caudati 


Crus  fornicis 


Spien i um  corporis 
callosi 


Cornu  posterius 


Cavum  septi  pellucidi 
Cornu  anterius 

Septum  pellucidum 
Caput  nuclei  caudati 

Stria  terminalis 
Corpus  fornicis 


Polus  occipitalis 

Fig.  104.     Seitenventrikel,  Ventriculus  lateralis;  Insel  rechts  und  links  freigelegt. 
Angabe  der  Schnitte  (A,  B),  welche  zur  Herstellung  der  in  den'  Fig.  108  und   118  abgebildeten 

Präparate  notwendig  sind. 
A.  Durchschneidung  der  Columnae  fornicis  vom  Foramen   interventriculare  aus.     B.  Trennung  des  linken 
vom  rechten  Fornix  durch  einen  Medianschnitt,  welcher  auch  das  Splenium  corporis  callosi  durchschneidet. 


Das  Gehirn:  Die  einzelnen  Gehirnabteilungen. 


91 


e)  Die  grauen  Kerne  des  Kleinhirnes.    Fig.  102,  105. 

1.  Die  Kleinhirnolive,  Nucleus  dentatus  cerebelli,  liegt  im  medialen 
vorderen  Teil  des  Marklagers  jeder  Hemisphäre  als  längliches,  plattrundes  Gebilde, 
dessen  Oberfläche  wellig  gebogen   und   medial  offen  ist,  Hilus  nuclei  dentati. 

Die  Dicke  der  sie  bildenden  grauen  Platte  beträgt  0,6  mm.  Ihr  längster  Durchmesser  ist  schräg 
nach  vorn  geneigt,  das  vordere  Ende  hakenförmig  umgebogen.  Ihre  untere  mediale  Fläche  liegt  dem 
Dachkerne  sehr  nahe. 

Der  Nucleus  dentatus  steht  zu  den  Brachia  conjunetiva  cerebelli  in  wichtigen  Beziehungen; 
hierauf  weist  schon  seine  Lage  hin,  die  sich  an  der  Stelle  befindet,  wo  die  Bindearme  in  den  Mark- 
kern einstrahlen  (Fig.  102).    Die  den  Kern  zunächst  umgebende  Marksubstanz,  Capsula  nuclei 


Fig.  105. 

Graue  Kerne  des  Kleinhirnes.     Horizontalschnitt  durch  den  Markkern  des  Wurmes  und  der  Hemisphären 

des  Kleinhirnes.    2  :  1.     (BT  Stilhrig.) 

li  angeschnittene  Gyri  der  Lingula.     Die  graue  Rinde  der  Hemisphären  ist  nur  teilweise  ausgeführt,   teilweise  sind   ihre 

Grenzen  nur  skizziert;  v.i.  angeschnittene  Windungen  des  Vermis  inferior;  a,  a  Dachkern  ;  g,  g1,  g2  Teile  des  Kugelkernes  ; 

e  Pfropf  (Embolus);   d,  d  Nucleus  dentatus;  c  große  vordere  Kreuzungskommissur  des  Wurmes. 

dentati,  Vliesregion,  läßt  sich  teilweise  als  konzentrisch  gebogene  Faserschicht  abblättern.  Die 
vom  Kerne  eingeschlossene  Markmasse  bildet  dagegen  den  Markkern,  Centrum  medulläre 
nucl  ei  dentati. 

2.  Der  Dachkern,  (Kölliker),  Nucleus  fastigii,  ist  im  Dache  des  IV.  Ven- 
trikels enthalten,  liegt  nahe  über  dem  Ventrikelepithel,  unter  dem  Lobulus  centralis 
und  der  Lingula.     Fig.  105,  a. 

Er  hat  die  Form  eines  abgeplatteten  Ellipsoides,  reicht  nahe  an  die  Medianebene  und  ist  als 
gelblich  durchscheinender  Streifen  in  der  weißen  Substanz  sichtbar.  Seine  Länge  beträgt  9 — 10,  die 
Breite  5—6,  die  Dicke  3  mm;  sein  hinteres  Ende  pflegt  in  mehrere  Spitzen  auszulaufen. 


92  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

3.  Der  Pfropfkern,  Nucleus  emboliformis  (Sti Hing),  liegt  medial 
neben  dem  Nucleus  dentatus  und  hängt  mit  dessen  oberem  medialen  Ende  durch 
dünne  Streifen  zusammen.     Fig.  105,  £. 

Seine  Basis  ist  nach  vorn,  die  Spitze  nach  hinten  gerichtet.  Seine  Länge  beträgt  13 — 18,  seine 
größte  Dicke  3 -4  mm. 

4.  Der  Kugelkern,  Nucleus  globosus  (Stilling),  liegt  an  der  lateralen 
Seite  des  Dachkernes,  oberhalb  des  Nestes,  an  der  medialen  und  unteren  Seite 
des  vorigen.     Fig.  105, g,g\g-. 

Er  hat  Pilzform  und  kehrt  sein  dickeres  Ende  nach  hinten.  Seine  Länge  beträgt  12 — 14  mm, 
seine  größte  Breite  gegen  4,  die  größte  Dicke  gegen  6  mm.  An  Schnitten,  die  ihn  nicht  in  seiner 
Axe  treffen,  tritt  er  meist  in  mehrere  Kugeln  zerfallen  hervor. 

f)  Die  Marksegel,  W'la  medullaria. 

1.  Das  Velum  medulläre  posterius  wird  am  leichtesten  gefunden,  wenn 
man  vorsichtig  die  Tonsilla  cerebelli  herauslöst  (Fig.  120).  Es  ist  ein  dünnes  Mark- 
blättchen,  welches  lateral  an  den  Flockenstielen,  medial  am  Nodulus  des  Klein- 
hirns befestigt  ist;  kaudalwärts  hängt  es  mit  dem  Plexus  chorioideus  ventriculi  IV. 
zusammen.  Sein  Insertionsrand  ist  der  vordere  Teil  jder  Taenia  ventriculi  IV.;  es 
stellt  einen  mehr  oder  minder  breiten  und  dicken,  meist  sehr  zarten  vorderen 
Seitenteil  der  dünnen  Deckplatte  des   IV.  Ventrikels  dar. 

2.  Das  Velum  medulläre  anterius;  siehe  Isthmus  rhombencephali  und 
Fig.  97. 

C.  Isthmus  rhombencephali. 

Der  Isthmus  ist  ein  schmaler,  das  rostrale  Ende  des  IV.  Ventrikels  und  der 
Rautengrube  umfassender  Gehirnteil,  welchem  die  Bindearme,  das  Velum  medulläre 
anterius  und  die  Schleife  angehören.  Die  Fig.  102,  114  gewähren  eine  deutliche 
dorsale  Ansicht  des  Isthmus,  welcher  kaudal  vom  Kleinhirn,  rostral  von  den  Vier- 
hügeln  begrenzt  wird. 

1.  Die  Bindearme,  Brachia  conjunctiva.  Sie  sind,  des  Zusammenhanges 
wegen,  bereits  bei  den  Stielen  des  Kleinhirnes  (S.  88)  beschrieben  worden. 

2.  Das  Velum  medulläre  anterius  hilft  den  rostralen  Teil  des  IV.  Ven- 
trikels von  oben  her  bedecken;  es  ist  zwischen  den  Längsbalken  der  Brachia  con- 
junctiva und  dem  Kleinhirn  ausgespannt  und  wird  dorsal  von  der  mit  ihm  ver- 
wachsenen Lingula  des  Kleinhirns  bedeckt.  Durch  Zurücklegen  des  vorderen  Randes 
des  Kleinhirnes  tritt  es  frei  zu  Tage.  Im  ganzen  bildet  das  Velum  medulläre  an- 
terius eine  dünne,  hinten  breitere  und  dickere  Substanzplatte.    Fig.  97  und  102,  114. 

Vom  rostralen  Ende  des  Velum  medulläre  anterius  zum  unteren  Vierhügel- 
paare erstreckt  sich  ein  2  mm  breiter  längsgefurchter  Streifen,  Frenulum  veli 
medullaris  anterioris.     Fig.  102,  114. 

3.  Die  Schleife,  Lemniscus.  Es  gibt  eine  mediale  oder  sensible 
Schleife,  Lemniscus  medialis  (sensitivus)  und  eine  laterale  oder  Akustikus- 
Schleife,  Lemniscus  lateralis  (acusticus).  Beide  verlaufen  im  Innern  der  Me- 
dulla  oblongata  und  des  Pons.  Sie  erreichen  die  Oberfläche  am  Isthmus  rhomb- 
encephali im  Gebiet  eines  gegen  8  mm  langen  dreiseitigen  Feldes,  Trigonum 
lemnisci,  dessen  Grenzen  gebildet  werden  durch  den  Sulcus  lateralis  mesen- 
cephali,  durch  das  Brachium  quadrigeminum  inferius  und  durch  das  Brachium 
conjunctivum.     Fig.  109,   114. 


Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Gehirnabteilungen. 


'.!.: 


D.  Das  Mittelhirn,  Mesencephalon.     Fig.  111. 

Das  Vierhügel-  oder  Mittelhirn  ist  mit  dem  Isthmus  die  kleinste  der  6  ver- 
schiedenen Hirnabteilungen  und  hat  eine  dorsale  Längsausdehnung  von  20,  eine 
ventrale  von  10  mm.  Erstere  erstreckt  sich  vom  kaudalen  Rande  der  Vierhügel- 
platte bis  zur  Wurzel  des  Corpus  pineale  (Fig.  102,  114);  letztere  vom  rostralen 
Rande  der  Brücke  zu  den  Corpora  mamillaria  (Fig.  107,  109,  111).  Die  ventrale 
Fläche  der  Basis  des  Mittelhirnes  liegt  der  Sattellehne  des  Keilbeines  gegenüber. 

Das  Mittelhirn  besteht  aus  einem  dorsalen,  einem  ventralen  und  einem  late- 
ralen Teil.  Der  dorsale  Teil  wird  gebildet  von  der  Vierhügelplatte,  La- 
mina  quadrigemina;  der  ventrale  von  den  beiden  Großhirnschenkeln, 
Pedunculi  cerebri,  und  der  Substantia  perforata  posterior;  der  late- 
rale von  den  beiden  Brachia  quadrigemina  superius  et  inferius. 

Das  Mittelhirn  wird  von  einem  Längskanal  durchzogen,  dem  Aquaeductus 
cerebri  (Sylvii). 


Tuber  cinereum 

Tractus  opticus 

Pedunculus  cerebri 

N.  oculomotorius 
-  Sulcus  n.  oculomotorii 


Fig.  106.  Fig.  107. 

Fig.  106.     Querschnitt  durch  das  Mittelhirn.     /.  q.  Lamina  quadrigemina';  aq.  Aquaeductus  cerebri;  5.  /.  Sulcus  lateralis 

mesencephali;   J.  n.  Substantia  nigra;  p  Fuß  des  Hirnschenkels;   /  Haube  (tegmentum) ;   s.  o.  Sulcus  n.  oculomotorii. 

Fig.  107.     Basis  des  Mittelhirnes  eines  Erwachsenen. 

Chi  Chiasma  opticum ;   i  Infundibuium ;  p  Pons;   Sp  Substantia  perforata  post. 

I.  Die  Großhirnschenkel,  Pedunculi  cerebri.    Fig.  107,  112 
bilden    den    ventralen  Abschnitt   des  Mittelhirnes  und  stellen  den  weitaus   über- 
wiegenden Bestandteil  desselben  dar. 

Sie  werden  hinten  von  der  Brücke  und  dem  Brückenarme,  vorn  vom  Tractus 
opticus  begrenzt  und  sind,  wie  Querschnitte  des  Mittelhirnes  (Fig.  106)  deutlich 
zeigen,  in  zwei  übereinander  liegende  Abteilungen,  den  Hirnschenkelfuß,  Basis 
pedunculi,  und  die  Hirnschenkelhaube,  Tegmentum,  geschieden.  Zwischen 
Hirnschenkelfuß  und  -Haube  liegt  eine  ansehnliche,  mit  freiem  Auge  leicht  sicht- 
bare Platte  grauer  (schwarzbrauner)  Substanz,  welche  aus  einem  Lager  dunkel- 
pigmentierter Nervenzellen  besteht,  die  Substantia  nigra.     Fig.  106. 

Fuß  und  Haube  des  Hirnschenkels  werden  äußerlich  durch  Furchen  von- 
einander geschieden.  Auf  der  lateralen  Fläche  durch  den  Sulcus  lateralis 
mesencephali  (Fig.  114),  auf  der  medialen  Fläche  durch  den  Sulcus  n.  ocu- 
lomotorii (Fig.  97,  107),  aus  welchem  der  III.  Hirnnerv,  N.  oculomotorius,  an  die 
Oberfläche  tritt.    Das  Tegmentum   pedunculi  ist  dorsal  bedeckt  von  der  Lamina 

quadrigemina. 

a)  Fuß  des  Hirnschenkels.    Fig.  112. 

Beide  Hirnschenkelfüße  schlagen  sofort  bei  ihrem  Hervortreten  aus  der  Brücke 

eine  um  etwa  80°  divergierende,  zugleich  aufsteigende  Richtung  ein  und  lassen 

eine  schraubenförmige  Drehung  ihrer  zahlreichen  Bündel  erkennen. 


94  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Ihre  Breite  beträgt  anfangs  12— 15  mm;  im  Vordringen  verbreitern  sie  sich  auf  18— 20  mm  und 
haben  eine  Gesamtlänge  von  10 — 15  mm.  Am  Tractus  opticus  angelangt  entziehen  sie  sich  dem 
Blicke  und  treten  in  das  Innere  des  Gehirnes  ein.  Anfänglich  sind  sie  kaum  2  mm,  am  Hinter- 
rande der  Tractus  optici  aber  15  mm  voneinander  entfernt. 

Durch  die  medialen  Ränder  der  Hirnschenkel  und  die  Corpora  mamillaria 
wird  eine  kleine  dreieckige  Grube  abgegrenzt,  Fossa  interpeduncularis 
(Tarini).  Ihr  Boden  enthält  neben  und  in  einer  medianen  Längsfurche  eine  zer- 
streute Gruppe  von  Gefäßlöchern,  sowie  lateral  davon  einen  freiliegenden  basalen 
Teil  des  Tegmentum,  der  undurchlöchert  ist.  Das  durchlöcherte  Feld  führt  den 
Namen  Substantia  perforata  posterior  (Fig.  107).  Der  hintere  Teil  der  Fossa 
interpeduncularis  wird  als  Recessus  posterior,  der  vordere  als  Recessus  ant. 
bezeichnet.     Fig.  97. 

b)  Haube  des  Hirnschenkels. 

Die  Haube,  Tegmentum,  des  Hirnschenkels  wird  durch  die  Substantia 
nigra  vom  Fuße  getrennt.  Die  medialen  Flächen  beider  Hauben  hängen  miteinander 
zusammen  (Fig.  106);  ihre  laterale  und  ein  kleiner  Teil  ihrer  unteren  Fläche  liegen 
frei;  ihre  dorsale  Fläche  hängt  mit  der  Lamina  quadrigemina  zusammen.  An  der 
Stelle,  wo  die  Hauben  beider  Seiten  mit  der  Lamina  quadrigemina  zusammen- 
stoßen, liegt  der  Aquaeductus  cerebri. 

Die  Haube  besteht,  wie  der  Fuß,  aus  einer  Anzahl  der  wichtigsten  Längst aserzüge.  Dazu 
kommen  netzförmig  verflochtene  Längs-  und  Querfasern  mit  reichlichen  Mengen  grauer  Substanz 
und  besonderen  grauen  Kernen.    (Näheres  darüber  siehe  weiter  unten.) 

II.  Die  Vierhügelplatte,  Lamina  quadrigemina.     Fig.  102,  111,  114. 

Sie  erstreckt  sich  vom  rostralen  Ende  des  Velum  medulläre  anterius  bis  zur 
Wurzel  des  Corpus  pineale.  Dieses  liegt  am  unveränderten  Gehirn  mitten  auf  dem 
oberen  Abschnitt  der  Vierhügelplatte,  während  der  vordere  Teil  des  Kleinhirnes 
das  untere  Hügelpaar  bedeckt.  Die  Lamina  quadrigemina  verdankt  ihren  Namen 
zwei  Hügelpaaren,  die  ihre  Oberfläche  krönen,  einem  oberen  umfangreicheren 
flacheren,  und  einem  unteren  kleineren  stärker  gewölbten  Paar,  Colliculus 
superior  et  inferior. 

Die  Hügel  beider  Seiten  sind  voneinander  getrennt  durch  eine  mediane  breite  Längsfurche,  die 
vorderen  von  den  hinteren  durch  eine  Querfurche,  so  daß  im  Ganzen  eine  Kreuzfurche  entsteht. 
Im  vorderen  Teil  der  Längsfurche  liegt  ein  kleiner  flacher  Wulst,  Colliculus  subpinealis  (Schwalbe). 
Vom  Velum  medulläre  anterius  zum  hinteren  Teil  der  Längsfurche  erhebt  sich  das  schon  erwähnte 
Frenulum  veli  medullaris  anterioris.  Links  und  rechts  von  seiner  Wurzel  liegt  die  Austritts- 
stelle des  IV.  Hirnnerven,  des  N.  trochlearis. 

IM.  Die  Vierhügelarme,  Brachia  quadrigemina.     Fig.  114. 

Vom  lateralen  Rande  des  vorderen  und  des  hinteren  Hügels  geht  je  ein 
wichtiger  Strang  aus,  Brachium  quadrigeminum,  deren  es  somit  je  ein  oberes  und 
ein  unteres  Paar  gibt. 

Das  Brachium  quadrigeminum  superius  zieht  vom  oberen  Hügel  als 
scharfgeschnittener  markweißer,  gegen  2  mm  breiter  Strang  zwischen  dem  Polster 
des  Sehhügels  und  dem  medialen  Kniehöcker  lateralwärts  sowie  abwärts  und  endlich 
vorwärts,  gelangt  in  die  Gegend  des  lateralen  Kniehöckers  und  läuft  hier  teils  in  den 
Sehhügel,  teils  in  das  laterale  Bündel  des  Tractus  opticus  aus;  es  enthält  somit 
eine  aus  dem  oberen  Hügel  kommende  Wurzel  des  Tractus  opticus.  Bis  zum 
lateralen  Kniehöcker  sich  erstreckend,  hat  es  eine  Länge  von  etwa  25  mm. 


95 


Polus  frontalis 


Genu  corporis  callosi 
Cornu  ant.  ventriculi  lat. 


Caput  miclei  caudati 

Tuberculum  ant.  thalami 

Thalamus 

Commissura  post.  (cerebri) 

Habenula 

Corpus  pineale 

Pulvinar 

Incisura  cerebelli  ant. 

Lobulus  quadrangularis 
Sulcus  horizontalis  cerebelli' 

Lobulus  semilunaris  sup. 


Cavum  septi  pcllucidi 
Septum  pellucidum 

Columnae  fornicis 

Stria  terminalis 
Lamina  affixa 

Taenia  chorioidea 

Stria  medullaris 
Taenia  thalami 
Trigonum  habenulae 
Colliculus  sup. 
Colliculus  inf. 

Culmen 


Monticulus 


Declive 


Incisura  cerebelli  post. 

Fig.  108.    Dritter  Ventrikel,  Hirnstamm  mit  den  großen  Ganglien,  Vierhügel,  obere  Fläche 

des  Kleinhirns. 

Nach   medianer  Durchschneidung;  der  Commissura  hippocampi  und  des  Splenium  corporis  callosi,  nach 

Entfernung  des  Occipital-  und  Temporallappens  der  Großhirnhemisphären  (dieses  Stück  ist  in  Fig.  118 

dargestellt)  und  nach  Wegnahme  der  Tela  chorioidea  ventriculi  III. 


96 


Bulbus  olfactorius 


(I) 


Gyri  orbitales 


Sulci  orbitales 


Stilcus  olfactorius 


Oyrus  rectus 


Substantia 
perforata  aut. 


Tractus  olfactoriusj 
Stria  medialis 
/  Stria  intermedia 

Stria  lateralis 
Liinen  iusulae 
N.  opticus  (III 
Chiasma  opticum 
.Tractus  opticus 


Pyramis  (rnedullae  oblongatae) 

Decussatio  pyramidum 

Sulcus  Iat.  ant. 


Corpus  geniculatum  laterale 
,-  Corpus  geniculatum   mediale 

•  l'ulvinar 

--  Trigonum  lemnisci 

-  N.  trochlearis  (IV) 
N.  trigeminus  (\-) 
N.  oculomotorius  (III) 
N.  abducens  (VI) 
N.  facialis  (VII) 
N.  acuslicus  (VIII) 
N.  glossopharyngeus  (IX) 
N.  vagus  (X) 

N.  hypoglossus  (XII) 

N.  accessorius  [Wi  llisi  i]  (XI) 


Fig.  109.     Hirnstamm   und  Hirnnerven   mit  der  Insel   und   einem   Teil   des   Stirnlappens 

von  der  Seite  und  von  unten. 
*  Sulcus  lateralis  mesencepliali. 


Das  Gehirn:    Die  einzelnen  Gehirnabteilungen. 


97 


Das  Brach i  11  in  quadrigeminum  inferius  ist  kürzer,  breiter,  flacher, 
weniger  weiß,  geht  vom  unteren  Hügel  aus  und  verbirgt  sich  nach  einem  Laufe 
von  5 — 8  mm  unter  dem  medialen  Kniehöcker.  Jenseits  dieses  Hügels  tritt  wieder 
ein  weißer  Streifen  auf,  der  in  das  mediale  Bündel  des  Tractus  opticus  übergeht. 

Aquaeductus  cerebri.  Fig.  97,  106,  110. 
Die  Wasserleitung  des  Mittelhirnes  ist  15 — 20  mm  lang,  vom  Ependym  aus- 
gekleidet, stellt,  ursprünglich  selbst  ein  weiter  Ventrikel,  eine  kanalartige  Verbin- 
dung zwischen  dem  IV.  und  III.  Hirnventrikel  dar  und  mündet  in  letzteren  unter 
der  hinteren  Kommissur  des  Zwischenhirnes.  Sie  hat  dorsal  die  Vierhügelplatte, 
ventral  die  beiden  Hauben  zur  Begrenzung.  Der  Sulcus  longitudinalis  fossae 
rhomboideae  setzt  sich  in  den  Aquädukt  fort,  wie  Querschnitte  lehren.  Letztere 
zeigen  zugleich  die  wechselnden  seitlichen  und  dorsalen  Begrenzungslinien.  Fig.  110. 


<* 


Fig.  110. 

Querschnitte  durch  den  Aquaeductus  cerebri. 

(Nach  Gerlach.)    4:  1. 

1  Aus    der    Gegend    der    hinteren    Kommissur; 

2  aus  der  Mitte  der  oberen  Vierhügel ;  3  aus  dem 
Ende  der  unteren  Vierhügel;  4  unter  dem  Velum 

medulläre  anterius. 

Fig.    111.     Mesencephalon    des  Erwachsenen. 

Rechte  Seite.    (G.  Retzius.) 


Lamina 
quadrigemina  f~ 


Fig.  111 


Pons 


Tractus  opticus 
sis  peduneuli 


E.  Das  Zwischenhirn,  Diencephalon.    Fig.  112,  123. 
Am  Zwischenhirn  sind  2  Gebiete  auseinander  zu  halten: 

1.  Der  an  der  Hirnbasis  gelegene  Hypothalamus.     Fig.  112; 

2.  Das  dorsal  gelegene  Thalamencephalon.     Fig.  123. 
Der  Hypothalamus  umfaßt: 

1.  Die  Pars  mamillaris,  welche  die  Corpora  mamillaria  enthält. 

2.  Die  Pars  optica,  welche  enthält 

a)  das  Tuber  cinereum,  das  Infundibulum  und  die  Hypophysis  cerebri, 

b)  den  Tractus  opticus  und  das  Chiasma  opticum, 

c)  die  Lamina  terminalis. 

Das  Zwischenhirn  schließt  die  III.  Hirnkammer  ein. 


I.  Hypothalamus. 
a)  Pars  mamillaris  hypothalami. 

Sie  enthält  nur  die  Corpora  mamillaria  (Fig.  112).  Diese  sind  an  der 
Hirnbasis  gelegene  halbkugelige  oder  birnförmige,  weiße  Erhebungen  von  5 — 6  mm 
Durchmesser,  welche  durch  eine  mediane  Spalte  voneinander  getrennt  werden.  Sie 
stehen  zu  dem  Fornix  des  Endhirnes  in  Beziehung  und  schließen  graue  Substanz 
ein,  die  Nuclei  corporis  mamillaris. 


98 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


b)  Pars  optica  hypothalami. 

1.  Tuber  cinereum,  Infundibulum  und  Hypophysis.   Fig. 97, 112,  115. 

Das  Tuber  cinereum,  der  graue  Höcker,  liegt  vor  den  Corpora  mamillaria, 

hinter  dem  Chiasma  opticum    und   wird    lateral   von  den  medialen   Rändern    der 


Fig.  112. 

Basis  des  Hirnstammes.  Gelb  ist  der  Hypothalamus. 
Auf  der  rechten  Seite  ist  die  Insel  noch  erhalten,  während  auf  der  linken  Seite  die  gesamte  Hemisphäre  lateral  von  dem 
Sehhügel  abgetrennt  ist.  —  /'  Tractus  olfactorius;  //  N.  opticus  sinister;  //'  Tractus  opticus  dexter;  das  zwischen  beiden 
gelegene  Chiasma  ist  durch  den  Gehirnanhang  (Hypophysis  cerebri)  verdeckt.  Th  Schnittfläche  des  linken  Sehhügels; 
i  Corpus  geniculatum  mediale;  e  Corpus  geniculatum  laterale,  welche  sich  an  das  Sehhügelpolster  anlegen;  Sy  Gegend 
der  rechten  Sylvischen  Grube;  C  Insel;  X  X  Substantia  perforata  anterior;  tc  Tuber  cinereum  mit  dem  Trichter  und  Hirn- 
anhange h\  a  Corpora  mamillaria;  '>  Substantia  perforata  posterior;  P  Gehirnstiele  ;  ///  Nn.  oculomotorii;  /KNn.  trochleares: 
V sensible,  +  motorische  Wurzel  des  N.  trigeminus;  auf  der  rechten  Seite  ist  die  sensible  Wurzel  mit  dem  Ganglion  semi- 
lunare  in  Verbindung,  an  dessen  hintere  Abteilung  sich  die  motorische  Wurzel  anlegt.  1  Augenast;  2  Oberkieferast;  3  Unter- 
kieferast des  N.  trigerfiinus;  PK  Brücke  mit  ihrer  Medianfurche;  Ce  obere,  Ce'  untere  Hemisphärenhälfte;  fh  Horizontal- 
furche des  Kleinhirnes;  //  Flocke;  am  Tonsilla  cerebelli ;  VI  N.  abducens;  VII  N.  facialis;  VIII  N.  acusticus;  IX  N.  glosso- 
pharyngeus  ;  X  N.  vagus;  XI  N.  accessorius;  XII  N.  hypoglossus;  pa  Pyramide  des  verlängerten  Markes;  o  Olive;  r  Seiten  - 
sträng  der  Medulla  oblongata;  ä  vordere  Rückenmarkfurchen  am  Übergange  in  die  Pyramidenkreuzung;  ca  Vorderstrang 
des  Rückenmarkes;   cl  Seitenstrang  desselben;  Cl  vordere  Wurzel  des  ersten  Cervikalnerven. 

Hirnschenkel  und  der  Tractus  optici  umfaßt.  Es  ist  ein  dünnes,  graues  Blatt,  welches 
einer  vorderen  Fortsetzung  der  Substantia  perforata  posterior  des  Mittelhirnes  ent- 
spricht und  den  Boden  der  III.  Hirnkammer  bilden  hilft. 

Die  vordere  Lamelle  des  Tuber  cinereum  wird  durch  das  Chiasma  opticum 
und  zwar  durch  den  hinteren  Rand  und  die  dorsale  Fläche  desselben  gegen  den 
Ventrikelraum  eingebuchtet,  wie  am  Medianschnitte  (Fig.  95  und  97)  deutlich  zu  er- 


Colliculus  inferior 


yy 


Fovea  superior  — J 


Striae  medulläres 


Corpus  resliforme 

Ala  cinerea 

Nucleus  eminentiae  medialis 


Tuberculum  cinereum 

Tuberculum  euneatum  ! 

Clava 


Fasciculus  gracilis  [Oolli 

Fasciculus  euneatus  |Burdachi 
Funiculus  lateralis 


N.  trochlearis 
Pcdunculus  cerebri 

Sulcus  lateralis  mesencephali 


Sulcus  medianus  fossae 
rhomboideae 


L Fissura  mediana  posterior 

Sulcus  intermedius  posterior 

Sulcus  lateralis  posterior 


Fig.  113.     Oberflächenbild  der  Raulengrube,  Fossa  rhomboidea  mit  der  Dorsalprojektion  der 

hauptsächlichsten  Kerne  (nach  Edinger  und  Streeters  etwas  geändert). 

V.  Nuclei  nervi  trigemini  (blau);  V*  Nucleus  tractus  spinalis  nervi  trigemini;  VI.  Nucleus  nervi  abducentis 

(rot);    VII.   Nucleus   nervi   facialis  (rot);   VIII.  Nuclei   nervi   acustici  (punktiert);    X.  Nucleus  alae  cinereae 

(Nucleus  sensibilis  nervi  vagi)  (blau);    XII.  Nucleus  nervi  hypoglossi  (rot). 


100 


Lamina  affixa        Septum  pellucidum 

Colunma  fornicis 


Stria  terminalis 
Taenia  chorioidea 

Habenula 
Pulvinar 


Frenuluni  veli  medullaris  an 

Lingula  cerebelli 

Fila  lateralia  pontis 

Brachium  conjunctivum 

Brachium  pontis 
Corpus  restiforme 

Recessus  lat.  ventriculi  IV 
Taenia  ventriculi  IV. 

Tuberculum  cinereum 

Tuberculum  cuneatum 

Clava 

Funiculus  lat. 

Fasciculus  cuneatus  [Burdachi] 

Fasciculus  gracilis  [Qolli] 


Stria  medullaris 

Trigonum  habenulae 

Corpus  pineale 

.Colliculus  sup. 

Brachium  quadrigeminum  sup. 

Colliculus  inf. 

Corpus  geniculatum  mediale 

Brachium  quadrigeminum  inf. 

rigonum  lemniici 
Sulcus  lat.  mesencephali 
N.  trochlearis 
Fovea  sup. 

Sulcus  limitans  rhombencephali 
Colliculus  facialis 

Tuberculum  acusticum  et  Striae  medulläres 
Sulcus  medianus  fossae  rhomboideae 
Ala  cinerea 
Calamus  scriptorius 
Obex 


Fig.  114.     Hirnstamm,  Vierhügelgegend,  Rautengrube. 

Das  Präparat  der  Fig.  108  nach  Durclischneidung  der  drei  Paar  Kleinhirnschenkel  und  nach  Entfernung 

des  Kleinhirns. 


Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Gehirnabteilungen. 


101 


kennen  ist.  Vor  dem  Chiasma  erhebt  sich  in  steiler  Richtung  die  Fortsetzung  dieses 
grauen  Blattes  als  Lamina  terminalis  (Fig.  97),  um  oberhalb  der  Commissura 
anterior  cerebri  in  andere  Wandteile  des  Endhirnes,  aber  auch  unmittelbar  in  das 
Dach  des  Zwischenhirnes  überzugehen.  Die  zwischen  der  dorsalen  Fläche  des 
Chiasma  und  der  Lamina  terminalis  befindliche  Ausbuchtung  des  III.  Ventrikels 
hat  den  Namen  Recessus  opticus.     Fig.  97. 

Der  gesamte  graue  Boden  des  Zwischenhirnes,  der  sich  in  sagittaler  Richtung 
von  den  Corpora  mamillaria  bis  zur  Lamina  terminalis  erstreckt  und  eine  Länge 
von  10—12  mm  besitzt,  führt  samt  der  Substantia  perforata  posterior  auch  den 
Namen  graue  Bodenkommissur. 

Das  Tuber  cinereum  setzt  sich  in  einen  nach  unten  und  vorn  gerichteten, 
trichterförmigen,  sagittal  abgeplatteten  hohlen  Zapfen  fort,  den  Trichter,  Infun- 
dibulum,  an  welchem  die  Hypophysis 
hängt.  Die  Höhlung  des  Trichters  hat 
den  Namen  Recessus  infundibuli. 
Fig.  97. 

Von  hier  aus  gelingt  es  unschwer, 
durch  Injektion  des  III.  Ventrikels  mit 
erstarrenden  Massen  einen  Ausguß  des 
gesamten  Ventrikelsystems  darzustellen, 
welcher  uns  die  Formen  und  den  Zu- 
sammenhang der  einzelnen  Kammern 
im  plastischen  Bilde  zeigt  (Fig.  142). 
Das  untere,  etwas  verdickte,  nicht  hohle 
Ende  des  Infundibulum  senkt  sich  in 
den  Hinterlappen  der  Hypophysis  ein. 

Der  Hirnanhang,  Hypophysis 
(Fig.  97,  112,  115),  ist  ein  länglich- 
runder, an  der  oberen  Fläche  abge- 
platteter, mit  der  Längsaxe  quer  ge- 
stellter Körper,  welcher  in  der  Sattelgrube  des  Keilbeinkörpers  ruht  und  von  einer 
besonderen,  durchbohrten  Platte  der  Dura  mater,  dem  Diaphragma  sellae, 
gedeckt  wird. 

Seine  Farbe  ist  graurötlich,  seine  Festigkeit  ansehnlich.  Er  besteht  aus  einem 
hinteren  kleineren,  mit  dem  Infundibulum  zusammenhängenden  rundlichen  Stück, 
Lobus  posterior  (Neurohypophyse),  und  einem  vorderen  größeren,  hinten 
konkaven  Lappen,  Lobus  anterior  (Adenohypophyse),  welche  verschiedener 
Abkunft,  aber  fest  miteinander  verbunden  sind  (Fig.  115).  Der  vordere  drüsige 
Lappen  ist  äußerlich  graurot,  innen  grau;  der  hintere  wesentlich  aus  Neuroglia 
bestehende,  ist  weicher  und  von  hellgrauer  Farbe.  Der  große  vordere  Lappen 
bildet  die  Hypophyse  im  engeren  Sinne.  Das  eigentümliche  Organ  wird  bei 
niederen  Wirbeltieren  in  relativ  größerer  Ausbildung  gefunden. 

Mit  dem  Namen  Eminentia  saccularis  bezeichnet  Retzius  am  menschlichen  Gehirn  ein 
Gebilde,  welches  zwischen  den  Corpora  mamillaria  und  der  Wurzel  des  Infundibulum  seine  Lage  hat 
und  merkwürdige  Beziehungen  besitzt  zu  dem  Saccus  vasculosus  der  Knochen- und  Knorpelfische, 
dem  es  entspricht.  Andeutungen  desselben  sind  oft  noch  am  erwachsenen  Gehirn  vorhanden,  deut- 
licher ist  das  Gebilde  am  fetalen  Gehirn  ausgesprochen.    Die  beiden  seitlichen  Teile  (vgl.  Fig.  112 


Fig.  115. 

Ansichten  der  Hypophysis  cerebri  und  des  Infundibulum. 

1  Hypophysis  von  hinten  gesehen;  2  Sagittalschnitt  durch 
den  vorderen  Teil  des  Bodens  vom  dritten  Ventrikel,  Chiasma 
{ck)  und  Hypophysis  (a,  b) ;  3  Horizontalschnitt  durch  die 
Hypophysis.  In  allen  Figuren  bedeutet  a  den  vorderen 
Lappen,  b  den  hinteren  Lappen.  Ersterer  sendet  in  2  bei  a 
einen  Fortsatz  an  der  vorderen  Seite  des  Infundibulum  (/) 
in  die  Höhe,  während  b  hinter  diesem  Fortsatz  durch  einen 
soliden  Stiel  mit  /  in  Verbindung  steht.  In  3  ist  an  der 
Grenze  beider  Abteilungen  ein  schon  makroskopisch  sicht- 
barer, mit  Colloidmasse  erfüllter  epithelialer  Schlauch  ge- 
troffen, während  in  derselben  Figur  in  der  Abteilung  a  jeder- 
seits  der  Querschnitt  einer  Vene  dargestellt  ist.  Ferner 
bedeuten :  o  N.  opticus ;  ro  Recessus  opticus ;  c.  m  Corpus 
mamillare. 


102 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


mit  Fig.  117)  stellen  die  Alae  laterales  der  Emincntia  saccularis  dar,  der  hintere  schmale  Fortsatz, 
Processus  intcrmarnillaris,  zieht  zur  intcrmamillaren  Spalte.  Der  Hohlraum  der  Eminentia  saccularis 
ist  eine  Ausstülpung  des  Ventriculus  tertius,  Recessus  saccularis. 

Retzius,  G.,  Über  ein  dem  Saccus  vasculosus  entsprechendes  Gebilde  am  Gehirn  des  Menschen. 
Biolog.  Untersuchungen,  N.  F.  VII.,   1895. 

2.  Tractus  opticus,  Chiasma  opticum.     Fig.  109,  112. 

Der  Tractus  opticus  ist  ursprünglich  hohl  und  gleich  der  Netzhaut  des  Auges 
eine  Ausstülpung  des  Zwischenhirnes.  In  seiner  Endform  entspringt  der  Tractus 
mit  mehreren  Wurzeln. 

Die  Radix  lateralis  steht  mit  dem  Corpus  geniculatum  laterale  in  Zusammen- 
hang, die  Radix  medialis  mit  dem  Corpus  geniculatum  mediale.  Zwischen  dem 
letzteren  Gebilde  und  dem  Thalamus  dringt  ein  starkes  Bündel  des  Tractus  als 
Brachium  emadrigeminum  superius  zum  oberen  Vierhügel;  dies  ist  die  Vierhügel- 


Atrophischer  Sehnerv 

Tractus  opticus 

Commissura 

tnf. 
(Gudden) 


Normaler  Sehnerv 

Meynertsche 
Kommissur 


Pedunculus 


P- 

Fig.  116. 

Fig.  116.    Commissura  inf.    (Gudden.) 

Dargestellt  am  Kaninchengehirn   durch  Wegnahme 

des  rechten  Augapfels.    (Nach  Gudden.) 

Fig.  117.     Eminentia  saccularis. 

Mittlerer    Teil    der    Hirnbasis    eines    menschlichen 

Gehirns.    (G.  Retzius.) 


\ 


-''! 


Fig.  117. 


wurzel  des  Tractus;  der  Rest  von  Tractusfasern  begibt  sich  teils  zum  Polster  des 
Sehhügels,  die  Thalamuswurzel  des  Tractus  bildend,  teils  unmittelbar  zum  Endhirn 
(siehe  Sinnesorgane). 

Der  Tractus  opticus  windet  sich  als  platter  Strang  um  das  vordere  Ende  des 
freien  Teiles  des  Hirnschenkels  und  ist  mit  letzterem  verwachsen.  Seine  Richtung 
ist  dabei  eine  median-vorwärts  ziehende. 

Medial  vom  Hirnschenkel,  die  graue  Bodenkommissur  überschreitend  und 
mit  ihr  verwachsen,  nähern  sich  beide  Tractus  immer  mehr  und  treffen  vor  dem 
Tuber  cinereum  und  Infundibulum  zur  Bildung  des  Chiasma  opticum  zu- 
sammen. Aus  letzterem,  welches  weit  hinter  dem  Sulcus  chiasmatis  der  oberen 
Keilbeinfläche  seine  Lage  hat,  gehen  die  auseinanderweichenden  Nervi  optici  hervor. 

Nach  Gudden  besteht  der  Tractus  opticus  aus  zwei  wesentlich  verschiedenen  Bestandteilen: 
1.  den  überwiegenden  Sehnervenfasern  und  2.  der  Commissura  inferior  (Fig.  116).  Letztere  wird  am 
besten  zur  Ansicht  gebracht  durch  Exstirpation  einer  oder  beider  Retinae.  Die  Guddenschc  Kommissur 
bleibt  dabei  erhalten,  während  die  Tractus  degenerieren.  Sie  liegt  am  hinteren  Rande  des  Chiasma 
und  am  Innenrande  des  Tractus.  Der  Ursprung  der  Kommissur  scheint  im  Corpus  geniculatum 
mediale  gelegen. 

3.  Lamina  terminalis.     Fig.  97. 
Sie    ist   ein    dünner,    morphologisch    wichtiger,    median   gelagerter   Hirnteil, 
welcher  von  der  vorderen  Fläche  des  Chiasma  opticum  vor  der  Commissura  cerebri 
anterior  und  vor  den  Columnae  fornicis  aufsteigt,  um  in  das  Endhirn  und  in  die 
Deckplatte  des  Ventriculus  tertius  sich  fortzusetzen. 


103 


Corpus  fornicis 


Crus  fornicis 

Fimbria  hippocampi 


Digitationes  des  Uncus  hippocampi 


I'olus  tcmporalis  — 


Polus  occipitalis 


Hippocampus 


Eminentia  collater'alis  Trigonum  collaterale  Calcar  avis 

Fig.  118.    Unterhorn  und  Hinterhorn  des  Seiten  Ventrikels. 
Fornix  und  Hippocampus. 

Flocculus    Plexus  chorioideus  ventriculi  IV. 


Lobulus  biventer 


Sulcus  horizontalis  cerebelli 


Lobulus  semilunaris  sup. 


Lobulus  semilunaris  inf. 


Pyramis      Tuber  vermis 

Fig.  119.    Kleinhirn,  Cerebellum  von  unten. 

Lobulus  centralis 
Ala  lobuli  centralis  !     Culmen 


N.  trigeminus 

Brachium  conjunctivum 

Brachium  pontis 

Corpus  restiforme 

Pedunculus  flocculi 

Plexus  chorioideus 

ventriculi  IV. 


Lobulus  biventer  --_ 


Velum  medulläre  ant. 


Nodulus 

Velum  medulläre  post. 
Recessus  lat. ventriculi  IV. 


Tonsilla        Uvula 

Fig.  120.    Kleinhirn,  Cerebellum  von  vorn  und  unten. 
Rechts  in  der  Figur  ist  die  Tonsille  entfernt,  wodurch  der  Nidus  avis  sichtbar  gemacht  ist. 


104 


Corpus  fornicis 


Splenium  corporis  callosi 
Fasciola  cinerea  r 
Fissura  calcarina 


Polus  occipitalis       -^f 


»      Polus  temporalis 


Sulcus  collaleralii 
Gyrus  fusiformis 


Fig.  121.    Fascia  dentata  hippocampi,  Fasciola  cinerea. 


Polus  occipitalis 


Splenium  corporis  callosi  Corpus  fornicis 

Fasciola  cinerea     ' 
Fissura  ealcarina 

: 


Fissura  hippocampi 

Uncus  gyn  hippocampi 


Qvrus  lingualis 

Gyrus  fusiformis 

Gyrus  temporalis  inf. 

Sulcus  temporalis  inf.  : 

Sulcus  collateralis 


Polus  temporalis 


Gyrus  hippocampi 


Fig.  122.    Gyri  und  Sulci  auf  der  Unterfläche  des  Schläfenlappens. 


Das  Gehirn:    Die  einzelnen  Gehirnabteilungen. 


10.5 


Sie  wird  von  der  Hirnbasis  aus  leicht  gesehen,  wenn  die  Stümpfe  der  Nervi  optici  nach 
hinten  gezogen  werden.  Am  Medianschnitte  des  Gehirnes  wird  zugleich  ihre  Beziehung  zum 
Ventriculus  tertlus  deutlich.  Die  Lamina  terminales  ist  morphologisch  das  vordere  Ende  des  zen- 
tralen Nervensystems.     Sie  bezeichnet  die  Stelle  des  Neuroporus  anterior. 


Columna  fornicis  — 
Tuberculum  ant.  thalami 

Taenia  chorioidea 

Stria  meduüaris 
Trigonum  habenulae 


Cornu  ant.  ventricuü  lat. 


Caput  nuclei  caudati 


Commissura  ant. 
Stria  terminalis 


Massa  intermedia 
-  Thalamus 


Colliculus  sup 
Trigonum  lemnisci 

Brachium  conjunetivum 


Habenula 
Commissura  post. 

-     Pedunculus  cerebri 
^--  Brachium  pontis 


Colliculus  inf. 
Frenulum  veli  meduüaris  ant. 


Fig.  123. 

Mittelhirn,  Zwischenhirn  und  Schweifkern  von  oben.     Gelb  ist  das  Thalamencephalon. 
v.  s.  p.  Cavum  septi  pellucidi ;  g.  c.  c.  Genu  corporis  callosi ;  /.  5.  p.  Lamina  septi  pellucidi ;  v  Vena  terminalis  ;  pu  Pulvinar ; 

ce  Cerebellum. 


II.  Thalamencephalon. 
a)  Der  Sehhügel,  Thalamus. 

Der  Sehhügel  ist  ein  gebogener,  abgeplattet  keulenförmiger  Körper,  an 
welchem  man  eine  freie  dorsale  oder  obere,  in  sagittaler  Richtung  konvexe;  eine 
ventrale,  untere,  sagittal  konkave  oder  Hypothalamusfläche;  eine  mediale,  im 
vorderen  Teil  ventrikuläre  Fläche,  und  eine  laterale  oder  kapsulare  Fläche 
(Capsula  interna)  unterscheidet;  hierzu  gehören  die  entsprechenden  Ränder,  sowie 
ein  vorderes  und  hinteres  Ende.    Fig.  97,  102,  108,  109,  114,  123—125,  128—132. 

Die  freie  dorsale  Fläche  (Fig.  108,  114,  123)  zeigt  eine  weißliche  Beschaffen- 
heit, infolge  der  Gegenwart  einer  oberflächlichen  Markschicht,  Stratum  zonale. 
An  ihrem  Außenrande  wird  die  dorsale  Fläche  begrenzt  von  der  langgestreckten 
Stria  terminalis,  längs  welcher  die  Vena  terminalis  dicht  unter  der  Ober- 
fläche von  hinten  nach  vorn  zieht.  Die  dünne  Substanzschicht,  welche  über  der 
V.  terminalis  liegt,  dehnt  sich  noch  eine  Strecke  weit  medianwärts  aus  und  bedeckt 
einen  schmalen  Streifen  der  Thalamus-Oberfläche  Lamina  affixa.  An  ihrem 
Rande,  Taenia  chorioidea,  ist  der  Plexus  chorioideus  ventriculi  late- 
ralis angeheftet.  Der  mediale  Rand  der  oberen  Fläche  ist  gesäumt  durch  die 
Taenia  thalami  und  durch  einen  Markstreifen,  Stria  medullaris,  welcher 
hinten   in   die   Stiele,    Habenulae,    der   Zirbel,    Corpus   pineale,    übergeht. 


106 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Lateral  und  ventral  von  diesem  Stiel  liegt  jederseits  ein  kleines  Feld  des  Seh- 
hügels, Trigonum  habenulae  (Schwalbe).  Vorn  erhebt  sich  die  Sehhügel- 
fläche zu  dem  stumpf  hervorragenden  Tuberculum  anterius  thalami.  Das 
entgegengesetzte  hintere  Ende  springt  nach  hinten  unten  vor  und  führt  den  Namen 
Polster,  Pulvinar. 

Die  mediale  Sehhügelfläche  (Fig. 95, 97)  ist  grau,  soweit  sie  den  III.  Ventrikel 
begrenzt,  reicht  von  der  hinteren  Kommissur  bis  zum  Foramen  interventriculare 
(Monroi),  dorsal  bis  zur  Stria  medullaris,  ventral  bis  zum  Sulcus  hypothala- 
micus.  Etwas  vor  ihrer  Mitte  stehen  beide  mediale  Flächen  der  Sehhügel  durch 
die  Massa  intermedia  in  Verbindung,  eine  sekundäre  Brücke  grauer  Substanz 
von  sehr  verschiedener  Stärke.     Fig.  123,  128,  130. 

Die  ventrale  Fläche  des  Sehhügels  grenzt,  wie  gesagt,  an  den  Hypotha- 
lamus; die  laterale  Fläche  dagegen  liegt  der  Capsula  interna  an,  der  mark- 
weißen Fortsetzung  des  Hirnschenkels  nach  oben.     Fig.  128,  129,  131,  132. 


Stria  medullaris 


Thalamus 


Corpus  geni- 
culatum   mediale 

Corpus  geni- 
culatum  laterale 


Ansa  intergenicularis 


Fig.  124.  Fig.  125. 

Fig.  124.    Abgelöster  Thalamus  des  rechten  Zwischenhirnes  von  der  medialen  Seite  gesehen  mit  seinem  Übergange 

in  den  Tractus  opticus  (7"0). 
M  mediale  (Ventrikel-)Fläche  des  Sehhügels;  Cm  Massa  intermedia;  Ta  Tuberculum  anterius  des  Sehhügels;  P  Gegend  des 
Pulvinar  thalami ;  Ba  Brachium  quadrigeminum  superius;  cgm  Corpus  geniculatum  mediale;  m  mediale  Wurzel  des  Tractus 
opticus ;  /  laterale  Wurzel  des  Tractus  opticus ;  Cgi  Corpus  geniculatum  laterale  ;  To  Tractus  opticus  ;  Ch  Chiasma  opticum  ; 

No  Nervus  opticus. 

Fig.  125.     Basis  des  Zwischenhirns-  und  Mittelhirns  eines  neugeborenen  Kindes.     1  :  1. 

po  Pons  mit  dem  Sulcus  basilaris;  p  Hirnschenkel;  zwischen  beiden  Hirnschenkeln  sind  die  länglichen  Corpora  mamillaria, 

das  durchschnittene  Infundibulum  und  die  beiden  Nn.  oculomotorii  sichtbar;   t  Tractus  opticus. 


Über  die  laterale  und  dorsale  Nachbarschaft  des  Sehhügels  belehren  vor  allem  Querschnitte 
durch  das  Gehirn  im  Gebiete  des  ersteren.    Fig.  128,  129. 

Untersucht  man  den  Sehhügel  als  Ganzes,  wie  er  von  seiner  Nachbarschaft  künstlich  isoliert 
vor  das  Auge  tritt,  so  ergibt  sich  (Fig.  124)  seine  gebogene  Form.  Sein  hinteres  Ende  setzt  sich  bei 
m  und  l  in  einen  markweißen  Strang  fort,  den  Tractus  opticus  (7b.)  Die  Konkavität  der  aus  dem 
Thalamus  und  Tractus  opticus  zusammengesetzten  Platte  dient  zur  Aufnahme  des  Hypothalamus.  Dem 
nach  unten  umgebogenen  hinteren  Sehhügelteile  sind  die  beiden  Corpora  geniculata  (cgm,  Cgi)  an- 
gefügt. Die  Verschmälerung  des  Sehhügels  gegen  sein  umgebogenes  unteres  Ende  findet  dadurch 
statt,  daß  der  mediale  Rand  von  der  Zirbelgegend  an  zuerst  mäßig,  dann  rasch  lateral wärts  zieht 
(s.  auch  Fig.  123).  Der  laterale  Rand  der  oberen  Sehhügelfläche  hat  dagegen  in  ganzer  Länge  eine 
lateral-rückwärts  streichende  Bahn. 

Der  Sehhügel  besteht  aus  grauer  und  weißer  Substanz.  Die  graue  Substanz 
bildet  einen  vorderen,  einen  medialen  und  einen  lateralen  Hauptkern, 
Nucleus  ant.,  medialis,  lat.  thalami,  welche  durch  Faserschichten,  Laminae 
medulläres  thalami,  voneinander  unvollständig  getrennt  sind,  aber  auch  von 
Faserzügen    durchdrungen    werden;    sie   erscheinen   daher    auf  Durchschnitten 


107 


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Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Gehirnabteilungen.  109 

streifig.  Der  vordere  Kern  bedingt  durch  seine  Lage  das  Tuberculum  anterius 
thalami;  der  mediale  und  laterale  sind  nur  im  vorderen  Sehhügelteil  voneinander 
geschieden  (Fig.  129,  131).  Der  mediale  Kern  des  Thalamus  ist  viel  kürzer  als 
der  laterale  und  steht  mit  dem  den  III.  Ventrikel  umgebenden  zentralen  Grau  in 
Verbindung. 

Zu  ihnen  gesellt  sich  noch  ein  kleiner  mittlerer  Kern  (Zentralkern,  Centre  median 
von  Luys),  sowie  das  Corpus  patellare  von  Tschisch,  welches  zwischen  dem  mittleren  Kern 
und  den  Fasern  gelegen  ist,  die  vom  roten  Kern  des  Mittelhirns  zum  lateralen  Kern  des  Thalamus 
verlaufen. 

Über  die  Lage  der  drei  Kerne  orientiert  der  Horizontalschnitt  Fig.  131.  Die  laterale  Wand 
des  Thalamus  und  seines  lateralen  Hauptkerns,  welcher  an  die  Capsula  interna  grenzt,  ist  ausge- 
zeichnet durch  eine  reiche  Einstrahlung  von  Nervenfasern  aus  den  verschiedensten  Gebieten  der 
Endhirnhemisphären.  Man  nennt  diese  Einstrahlung  den  Stabkranz  des  Thalamus.  So  dringen 
vom  Stirnhirn  Faserbiindel  in  den  vorderen  Teil  des  lateralen  Kernes  ein;  sie  werden  im  beson- 
deren vorderer  Stiel  des  Thalamus  genannt.  Der  hintere  Teil  des  lateralen  Kerns  nimmt  Faser- 
strahlungen auf  aus  dem  hinteren  Teil  des  Stirnlappens,  dem  Scheitel-,  Schläfen-  und  Hinterhaupt- 
lappen, besonders  aus  dem  letzteren;  sie  laufen  zum  Pulvinar.  Da  letzteres  auch  einen  Teil  des 
Tractus  opticus  aufnimmt,  so  ist  hier  die  Faserstrahlung  besonders  stark  und  hat  den  Namen  Seh- 
strahlung  erhalten.  Die  Art  der  Einstrahlung  der  Stabkranzfasern  in  die  laterale  Sehhügelfläche  ist 
dadurch  besonders  gekennzeichnet,  daß  sie  in  der  peripherischen  Zone  derselben  ein  Geflecht 
von  Bündeln  der  verschiedensten  Richtung  bilden,  welches  graue  Substanz  in  seinen  Maschen- 
räumen enthält.  Diese  schmale  gemischte  Schicht  heißt  Gitterschicht,  Stratum  reticulatum. 
Nach  innen  hin  verdichtet  sich  diese  Schicht  zu  einer  dünnen  Marklamelle,  Lamina  medullaris 
externa  des  Sehhügels.  Sie  geht  ventral  in  die  dorsale  Schicht  des  Hypothalamus  über.  Fig.  129. 

An  der  Basis  des  vorderen  Kernes  des  Thalamus  breitet  sich  ein  von  der 
Tiefe  kommender  Strang  markhaltiger  Fasern  trichterförmig  aus,  das  Vicq 
d'Azyrsche  Bündel,  Fasciculus  thalamomamillaris  (Fig.  128;  siehe  auch 
Fig.  97).  Es  kommt  vom  Corpus  mamillare,  durchdringt  bogenförmig  aufsteigend 
den  Hypothalamus  und  die  unteren  Teile  des  Thalamus  und  gelangt  so  zu  dessen 
vorderem  Kern. 

Die  an  der  ventrikulären  Wand  des  Thalamus  befindliche  graue  Substanz, 
das  zentrale  Grau  oder  das  Höhlengrau  des  III.  Ventrikels,  liefert  die  sekun- 
där entstandene  Massa  intermedia,  ist  durch  den  unteren  Thalamusstiel 
(Fig.  128)  von  dem  medialen  Kern  des  Thalamus  abgegrenzt  und  setzt  sich  ven- 
tral in  die  graue  Bodenkommissur  fort.  Das  Höhlengrau  enthält  außer  dem  unteren 
Teil  des  Vicq  d'Azyrschen  Bündels  die  Pars  teeta  columnae  fornicis  (Fig.  97), 
welche  zum  Corpus  mamillare  zieht.  Vor  und  unter  der  Massa  intermedia  ist  das 
Höhlengrau  beträchtlich  verdickt.  Aus  dem  hinter  der  Massa  intermedia  ge- 
legenen Gebiet  ist  das  Ganglion  habenulae  mit  dem  Nucleus  habenulae 
besonders  zu  erwähnen;  aus  ihm  entspringt  ein  Bündel  markhaltiger  Fasern,  das 
Meynertsche  Bündel,  Fasciculus  retroflexus  (Meynerti),  s.  Tractus  habe- 
nulopeduncularis. 

b)  Metathalamus. 
Die  beiden  Kniehöcker,  Corpora  geniculata.     Fig.  109,  111,  112,  114,  124,  125. 

Verfolgt  man  von  der  Hirnbasis  aus  den  Tractus  opticus  in  seiner  Bahn  um 
den  Hirnschenkel  zentralwärts  gegen  das  untere  Ende  des  Thalamus  hin  (Fig.  109), 
so  sieht  man  ein  laterales  Bündel  des  Traktus  zu  einer  kleinen  länglichen  An- 
schwellung ziehen,  welche  mit  dem  unteren  Thalamusende  zusammenhängt:  es 
ist  dies  das  Corpus  geniculatum  laterale  (Fig.  109,  111,  112).  Ein  mediales 
Bündel  des  Traktus  dagegen  erreicht  eine  viel  schärfer  abgegrenzte  Anschwellung 

Raübek-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  6 


110  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

an  der  ventralen  Seite  des  Pulvinar,  von  letzterem  äußerlich  geschieden  durch 
das  Brachium  quadrigeminum  superius:  dies  ist  das  Corpus  geniculatum 
mediale.  Die  Länge  dieses  Körpers  beträgt  8,  seine  Breite  4mm.  Beide  Knie- 
höcker sind  als  besondere  Auswüchse  des  Thalamus  zu  betrachten. 

Eine  zwischen  beiden  Corpora  geniculata  von  Rauher  beobachtete  Verbindungsschleife  zeigt 
Fig.  125  unter  der  Bezeichnung  Ansa  int  ergenicula  ris. 

c)  Epithalamus. 
a)  Die  Zirbel,  Corpus  pineale.    Fig.  97,  102,  108,  114,  130,  132. 

Die  Zirbel,  Epiphysis,  ein  sonderbarer  unpaarer  Körper  von  der  Form 
eines  Pinienzapfens,  liegt  am  hinteren  Ende  der  Sehhügelgegend  und  überragt 
dieselbe  rückwärts,  indem  sie  sich  mehr  oder  weniger  weit  über  die  Vierhügelplatte 
erstreckt.  Ihre  Länge  erreicht  bis  12,  die  Breite  8,  die  Dicke  4  mm.  Ihre  Spitze  ist 
nach  hinten,  ihre  Basis  nach  vorn  gerichtet. 

Sie  geht  aus  einer  kleinen  dorsalen  Falte  der  dorsalen  Hirnwand  hervor  und 
enthält  häufig  noch  in  ihrer  Endform  einen  Rest  des  III.  Ventrikels,  den  Ventri- 
culus  pinealis;  beständig  zeigt  sie  noch  eine  Ausbuchtung  des  III.  Ventrikels 
gegen  ihre  verjüngte  Basis,  den  Recessus  pinealis  (Fig.  97),  der  von  der  oberen 
und  unteren  Lamelle  der  Zirbel  eingeschlossen  wird. 

Die  Zirbel  entsendet  nach  rechts  und  nach  links  je  einen  Stiel  zum  Thalamus, 
Habenula,  welcher  sich  in  die  Stria  medullaris  fortsetzt  (Fig.  102,  108,  114,  123). 
Beide  Habenulae  sind  miteinander  verbunden  durch  die  Commissura  habenu- 
larum.  An  der  Stelle,  wo  die  Habenula  den  Thalamus  trifft,  befindet  sich  ein 
dreiseitiges  Feld,  Trigonum  habenulae,  welchem  ein  Kern,  Nucleus  habe- 
nulae, entspricht.     Fig.  108,  114,  123,  132. 

Die  Tela  chorioidea  ventriculi  tertii  (s.  Hirnhäute)  inseriert  nicht  am  freien  Rande 
der  Habenulae,  sondern  auf  der  oberen  Fläche  der  Zirbel.  So  kommt  eine  zweite 
Zirbelausbuchtung  des  III.  Ventrikels  zustande,  der  Recessus  suprapinealis 
(Reicherti);  seine  obere  Fläche  wird  von  der  Tela  und  ihrem  Epithel,  seine  untere 
von  der  dorsalen  Zirbelfläche  gebildet. 

Die  obere  Lamelle  der  Epiphysis  zeigt  nach  Entfernung  der  Tela  chorioidea 
folglich  einen  freien  Saum;  in  ihm,  aber  auch  in  der  Zirbel  selbst  und  in  der 
Tela,  findet  man  meist  gelbe  sandartige  Körnchen,  den  sogenannten  Hirnsand, 
Acervulus,  welcher  aus  phosphor-  und  kohlensaurem  Kalk  und  einer  organischem 
Grundlage  besteht.     Fig.  205. 

In  der  Zirbel  vermutete  man  früher  den  Sitz  der  Seele  (Descartes).  In  neuerer  Zeit  fallt 
sie  dagegen,  gleich  der  Hypophysis,  den  rudimentären  Organen  zu.  Die  Zirbel  ist,  wie  erwähnt, 
das  Erzeugnis  einer  kleinen  Falte  der  dorsalen  Hirnwand,  und  zwar  der  kaudalsten  von  mindestens 
drei  solchen  Falten,  die  im  Reiche  der  Wirbeltiere  vorkommen  und  bei  ihrer  weiteren  Ausbildung 
zu  eigentümlichen  Organen  sich  gestalten,  den  sogenannten  Epiphysen  des  Zwischenhirns.  Eine 
dieser  Epiphysen,  das  Parietalorgan  genannt,  ist  mit  guten  Gründen  auf  ein  ursprüngliches, 
augenähnliches  Sinnesorgan  zu  beziehen,  wie  besonders  deutlich  die  Untersuchungen  von 
Spencer  an  Reptilien  gezeigt  haben.  Näheres  über  diese  Frage  siehe  die  Lehrbücher  der  Ent- 
wicklungsgeschichte und  vergleichenden  Anatomie,  sowie  die  zusammenfassende  Darstellung  von 
Gaupp  in  Merkel  und  Bonnets  Ergebnissen  1897. 

Braem,  F.,  Epiphysis  und  Hypophysis  bei  Rana.  Zeitschr.  wiss.Zool.Bd.63,  1898.—  Ley  dig.F., 
Zirbel  und  Jacobsonschcs  Organ  einiger  Reptilien.  Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  50,  1897. —  Melclie  rs,  T., 
Über  rudimentäre  Hirnanhangsgebilde  beim  Gecko  (Epi-,  Para-  und  Hypophysis).  Zeitschr.  wiss.  Zool. 
Bd.  67,  1900.  —  Minot,  Ch.  S.,  On  the  morphology  of  the  pineal  region.  Amer.  Journ.  of  Anat.  I, 
1901.  —  Spencer,  B.,  On  the  presence  and  strueture  of  the  pineal  eye  etc.    Quart.  Journ.  micr.  Sc. 


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Das  Gehirn:   Die  einzelnen  Gehirnabteilungen. 


113 


Bd.  27,  1886.  —  Studnicka,  F.  K.,  Zur  Kenntnis  der  Parietalorganc  und  der  sog.  Paraphyse.    Ver- 
handl.  anat.  Ges.  XVIII,  1900. 

b)  Die  hintere  Kommissur,  Commissura  posterior  (cerebri).    Fig.  97,  102,  108,  123,  130. 
Sie  ist  ein  auf  dem  Querschnitt  halbmondförmig  gestaltetes  Bündel   quer- 
verlaufender Nervenfasern  von  eigentümlichem  verwickelten  Verlauf.    Der  konvexe 
Rand  des  Querschnittes  ragt  nach  vorn.     Dorsal  wird  sie  vom  Eingange  in  den 
Recessus  pinealis,  ventral  von  dem  Eingange  in  den  Aquädukt  begrenzt.    Fig.  97. 

Commissura  ant.  Pars  libera  columnac  fornicis 
Schnittfläche  der  Columna  fornicis  j       Caput  nuclei  caudati 


Tuberculum  ant.  thalami 
Stria  terminaüs 
Massa  intermedia 

...  Commissura  post. 
Thalamus 


Pedunculus  cerebri 

N.  trochlearis 
Trigonum  lemnisci 


Pulvinar 
'-  Corpus  pineale 
""  Colliculus  sup. 
"  Colliculus  inf. 

■  Frenulum  veli  medullaris  ant. 


Brachium  pontis 
Brachium  conjunetivum         Lingula  cerebelli 

Fig.  130. 

Zwischen-  und  Mittelhirn,  dorsale  Fläche. 

Ein  Pfeil  dringt  aus  dem  Aquaeductus  cerebri  durch  den  Ventriculus  111  aufwärts.    Die  Lamina  affixa  und  Taenia  chorioidea 

sind  hier  nicht  dargestellt,  siehe  darüber  Fig.  108. 


Man  sieht  ihren  Mittelteil  leicht  vom  III.  Ventrikel  aus  (Fig.  130);  aber  auch  durch  Umklappen 
der  Zirbel  nach  vorn  kann  sie  als  weißer  Strang  sichtbar  gemacht  werden.    Fig.  102. 

Der  III.  Ventrikel,  Ventriculus  tertius.     Fig.  95,  97,  102,  108,  114,  123,  127—130,  132. 

Die  III.  Hirnkammer,  Ventriculus  tertius,  ist  ein  schmaler,  hinten  etwas 
breiterer,  vorn  sich  vertiefender  Raum,  welcher  sich  zwischen  den  Wänden  des 
Zwischenhirns  befindet  und  vorn  durch  die  Lamina  terminaüs,  sowie  durch  Teile 
des  Endhirns  abgeschlossen  wird  (Columnae  fornicis,  Commissura  cerebri  anterior). 
Hinten  geht  er  durch  den  Aditus  ad  aquaeduetum  cerebri  in  den  Aquae- 
ductus cerebri  über,  vorn  und  seitlich  setzt  er  sich  durch  das  wichtige  Foramen 
interventriculare  (Monroi),  einer  ovalen  Pforte  zwischen  der  Columna  fornicis 
und  dem  Sehhügel,  jederseits  in  den  Seitenventrikel  des  Endhirns  fort  (Fig.  95). 
Mitten  durch  ihn  hindurch  zieht  die  variable  Massa  intermedia,  welche  durch 
eine  (sekundäre)  Verklebung  der  einander  gegenüberstehenden  Thalamusflächen 
entsteht. 

Besondere  Ausbuchtungen  des  III.  Ventrikels  sind:  die  Recessus  trian- 
gularis,  opticus,  infundibuli,  pinealis,  suprapinealis  (Fig.  95,  97).  Am 
Medianschnitt  des  Gehirns  übersieht  man  dieselben  am  besten  mit  Ausnahme  des 
Recessus  triangularis,  welcher  an  einem  Präparat,  wie  es  Fig.  123  darstellt, 
am   deutlichsten   ist.     Er  liegt   zwischen   der   Commissura  ant.  und    den    beiden 

6* 


114  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

Columae  fornicis  (Fig.  127).  Der  Recessus  opticus  befindet  sich  zwischen 
Lamina  terminalis  und  Chiasma  opticum.  Der  Recessus  infundibuli  ist  im  Infun- 
dibulum  enthalten.     Er  liegt  hinter  dem  Chiasma  opticum.     Fig.  97. 

Über  den  Recessus  pinealis  und  suprapinealis  s.  oben  beim  Corpus 
pineale. 

Der  hintere  Teil  des  Ventrikelbodens  zeigt  eine  mediane  Längsfurche, 
die  Fortsetzung  des  Sulcus  medianus  des  Aquäduktus.  Die  Seitenwände  des 
Ventrikels  zeigen  den  vom  Foramen  interventriculare  (Monroi)  zum  Aquädukt 
ziehenden  Sulcus  hypothalamicus  (Fig.  95).  Die  Seitenwände  des  Ventrikels 
werden  von  den  medialen  Wänden  des  Zwischenhirns,  die  vordere  Wand  von 
der  Lamina  terminalis,  den  Columnae  fornicis  und  der  zwischen  ihnen 
freiliegenden  Commissura  ant.  (cerebri)  gebildet.  Die  hintere  Wand  besteht 
aus  der  hinteren  Kommissur  und  der  Zirbelbasis.  Die  untere  Wand  wird  gebildet 
hinten  vom  Hirnschenkel,  vorn  von  der  grauen  Bodenkommissur  mit  ihren  ver- 
schiedenen Bestandteilen  (Substantia  perforata  posterior,  Corpora  mamillaria,  Tuber 
cinereum  mit  Infundibulum,  Chiasma  opticum).  Ihre  obere  Wand,  die  Deck- 
platte des  III.  Ventrikels,  Tegmen  ventriculi  III,  ist  ein  Teil  der  Tela 
chorioidea  ventriculi  tertii  (siehe  Hirnhäute).  Dorsal  von  der  Tela  chorioidea 
und  ihrem  dem  III.  Ventrikel  zugehörigen  Gefäß-Plexus  liegen  als  sekundäre 
Bedeckungen  des  Ventrikels  Teile  des  Gewölbes  und  Balkens  des  Endhirns. 
Siehe  Fig.  95,  97,  128,  129. 

F.  Das  Endhirn,  Telencephalon. 

Das  Endhirn,  die  vorderste  und  größte  der  6  Hauptabteilungen  des  Gehirns 
besteht: 

1.  aus  den  beiden  symmetrisch  gestalteten  Halbkugeln  (Hemisphaeria) 
und 

2.  aus  den  Verbindungen  beider  Hemisphären  miteinander:  Lamina 
terminalis  (graue  Schlußplatte),  schon  bei  dem  Zwischenhirn  beschrieben 
S.  101),  Corpus  callosum  (Balken)  und  der  vorderen  Kommissur. 

Verbindungen:  Das  Endhirn  steht,  abgesehen  von  Leitungsbahnen,  nur  mit  dem  zu- 
nächst angrenzenden  Zwischenhirn  in  Zusammenhang,  obwohl  es  während  seiner  Entwicklung 
alle  hinter  ihm  gelegenen  Hirnabteilungen,  von  oben  her  allmählich  bedeckt.  Man  sieht  daher 
an  einem  unversehrten  Gehirn  bei  dorsaler  Betrachtung  nichts  anderes  als  das  Endhirn  und  muß 
letzteres,  soweit  es  auf  den  übrigen  Abteilungen  aufliegt,  entfernen,  um  deren  dorsale  Ansicht  zu 
gewinnen  (Fig.  92,  98 — 100,  108,  114  zu  vergleichen).  Fig.  108  enthält  vorn  noch  einige  Gebilde  des 
Endhirns  und  läßt  zugleich  erkennen,  daß  die  Verbindung  des  Endhirns  mit  dem  Zwischenhirn  nur 
an  der  vorderen  und  seitlichen  Fläche  des  letzteren  statt  hat. 

Lage.  Beide  Hemisphären  bedecken  mit  ihrer  Basis  die  vordere  und  mittlere  Schädelgrube, 
sowie  das  Dach  der  hinteren  Schädelgrube  und  nehmen  mit  ihrer  Masse  den  bis  zum  Schädelgewölbe 
reichenden  Raum  fast  ganz  ein. 

Gewicht  siehe  S.  67. 

Form.  Beide  Hemisphären  sind  durch  eine  tiefgreifende,  im  mittleren  Gebiet  bis  auf  den 
Balken  und  unter  dem  Balken  bis  auf  das  Gewölbe  reichende,  vor  und  hinter  dem  Balken  aber 
durchdringende  Spalte  voneinander  geschieden.  Der  ventral  vom  Balken  gelegene  Spaltenteil 
wird  Cavum  septi  pcllucidi  genannt.  Die  bis  zum  Balken  reichende,  vor  und  hinter  ihm 
durchdringende  große  Spalte  heißt  Fissura  longitudinalis  cerebri.  Als  Fissura  cerebri 
transversa  ist  bereits  jene  große  horizontale  Spalte  bekannt  geworden,  welche  zwischen  dem 
Groß-  und  Kleinhirn  von  hinten  eindringt.     S.  66. 


115 


Fissura  longitudinalis  cerebri 


Lamina  (sinistra)  septi  pellucidi 

Capsula  int.  (pars  frontalis) 

Vena  terminalis 

Capsula  int    (genu),__ 

Insula_ 
Capsula  extrema 

Claustrum 
Capsula  ext 
Capsula  int.  (pars  occipitalis) 
I    Gyri  temporales   transversi 

Crus  (sinistrum)  fornicis  — 

Cauda  nuclei  caudati  — 

Splenium  corporis  callosi  — 
Sehstrahlung  [Oratiolet] 

Fissura  calcarina  - 


Cornu  ant.  ventriculi  lat. 

Caput  nuclei  caudati 

Capsula  int.  (pars  frontalis) 
Nucleus  lentiformis 
Nucleus  ant.  thalami 
,  Nucleus  lat.  thalami 

_  Lamina  medullaris 


_  Nucleus  medialis 
thalami 

-  Capsula  int.  (pars 
occipitalis) 


,_  Crus  (dextrum) 
fornicis 


Glomus  chorioideum 


—  Calcar  avis 


Cornu  post.  ventri- 
culi lat. 


Fissura  longitudinalis  cerebri 


Fig.  131.     Gehirn.     Flachschnitt  I. 

Rechts  durch  das  Tuberculum  ant.  thalami,    links   (etwas  tiefer)    durch    das  Foramen    interventriculare    [Monroi]. 

Untere  Schnittfläche  von  oben  gesehen  ('7,0). 


116 


Fissura  longitudinalis  cerebri 

Qenu  corporis  callosi 

Columna  formcis 


Caput  nuclei  caudati 
Capsula  int.  (pars  frontalis) 

Insula'  ■-. 

Conimissura  ant- 

Capsula  int.  (genu)-. 

Insula— 
Claustrum 
Globus  pallidus 
Putamen 

Capsula  int.  „_ 
(pars  occipitaüs) 
Ventriculus  111     " 

Commissura  ppst, 

Corpora 

quadrigeniina 

Glomus  chorioideum 


Vermis  cerebelli 


-Cornu  ant.  ventriculi  lat. 
-Caput  nuclei  caudati 
^..Capsula  int.  (pars  frontalis) 

Putamen 

^--Capsula  int.  (genu) 

Globus  pallidus 

—Capsula  externa 

Claustrum 

Capsula  extrema 

-  Capsula  int.  (pars 
occipitalis) 

-  Thalamus 

Kucleus  habenulae 
—Corpus  pineale 
-Cauda  nuclei  caudati 

-  Crus  fornicis 

Glomus  chorioideum 

Cornu  post.  ventriculi 
lat. 
-Fissura  calcarina 


Splenium  corporis  callosi 


sura  longitudinalis  cerebri 


Fig.  132.     Gehirn.     Flachschnitt  II. 

Rechts  durch  das  Foramen  interventriculare  [Monroi]  (jedoch  etwas  tiefer  als  in  Fig.  131  links),  links  durch  den  mittleren 

Teil  der  Commissurae  ant.  und  post.  (:'  ,„). 


Das  Gehirn:    Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären.  117 

An  jeder  Hemisphäre  unterscheidet  man  3  Flächen: 

1.  eine  sagittal  und  quergewölbte  dorsolaterale  Fläche,  Facies  convexa; 

2.  eine  durch'  den  Anfang  der  Fissura  lateralis  (Sylvii)  in  eine  vordere  und  hintere  Abteilung 
zerlegte  und  in  jeder  Abteilung  schwach  gehöhlte  basale  Fläche  und 

3.  eine  vertikale  ebene  mediale  Fläche  oder  Wand,  Facies  medialis. 

Die  mehr  oder  minder  abgerundeten  Übergangsränder  der  Flächen  heißen  Kanten  der  Hemi- 
sphäre; es  sind  zu  unterscheiden: 

1.  eine  dorsale  oder  Mittelkante; 

2.  eine  basale  Kante,  die  mediale  Fortsetzung  der  vorigen  auf  der  Hirnbasis; 

3.  eine  laterale  Kante,  die  auch  Temporo-Orbitalkante  genannt  wird. 

Aus  der  Schädelhöhle  herausgenommen  und  auf  eine  feste  Unterlage  gelegt,  verliert  das 
Gehirn  viel  von  seiner  normalen  Form;  man  muß  es  in  geeignete  Flüssigkeiten  bringen  oder  vor 
der  Herausnahme  härten. 

Jede  einzelne  Hemisphäre  und  auch  die  Verbindungsglieder  beider  Hemisphären  sind  nun- 
mehr auf  ihre  Besonderheiten  zu  untersuchen. 

I.  Äussere  Oberfläche  der  Hemisphären. 

An  jeder  Hemisphäre  sind  zu  unterscheiden: 

A.  ein  Stammteil,  welcher  dem  Ende  des  Hirnstammes  anliegt  und 

B.  ein  Mantelteil,  jenseits  des  ersteren. 
Der  Stammteil  der  Hemisphäre  besteht: 

1.  aus  der  Insel,  2.  aus  der  Substantia  perforata  ant.  und  3.  aus  dem  Lobus 
olfactorius. 

Der  Mantelteil  der  Hemisphäre  umgibt  den  Stammteil  wie  ein  vorn  unten  offener  Ring: 
er  wird  daher  auch  Ringlappen  genannt.  Er  gliedert  sich  regional  in  verschiedene  Abteilungen: 
Stirn-,  Scheitel-,  Hinterhaupt-  und  Schläfenlappen. 

Das  vordere  Ende  des  Stirnlappens  heißt  der  Stirnpol,  Polus  frontalis,  der  Hemisphäre; 
das  hintere  Ende  des  Hinterhauptlappens  Hinterhauptpol,  Polus  occipitalis,  das  vordere  Ende 
des  Schläfenlappens  Schläfenpol,  Polus  temporalis,  der  Hemisphäre. 

Schon  an  einer  Abteilung  des  Stammteiles  der  Hemisphäre  (Insel)  zeigt  sich  die  Oberfläche 
in  Falten  gelegt:  um  so  ausgebreiteter  ist  dies  der  Fall  bei  dem  Mantelteil.  Untersucht  man  die 
Faltentäler  oder  Furchen  der  Hemisphäre  genauer,  so  ergibt  sich,  daß  sie  sehr  verschiedene  Tiefen 
erreichen.  Zieht  man  auch  die  Entwicklungsgeschichte  heran,  so  zeigt  sich,  daß  ursprünglich  jede 
Hemisphäre  eine  glatte  Oberfläche  und  dünne  Wände,  aber  einen  geräumigen  Ventrikel 
besaß.  Die  bei  den  Erwachsenen  vorhandene  Skulptur  der  Hemisphären  ist  daher  eine  spätere 
Erscheinung,  veranlaßt  durch  Wachstumsvorgänge  am  fetalen  Gehirn,  welche  zu  Faltungen  führten. 
Sowohl  hinsichtlich  des  zeitlichen  Auftretens  der  einzelnen  Furchen  als  auch  hinsichtlich  ihrer 
Tiefe  machen  sich  bedeutende  Unterschiede  geltend.  Furchen,  welche  die  ganze  Dicke  der  Hirn- 
wand einnehmen  und  also  Totalfalten  entsprechen,  nennt  man  Fissuren,  solche,  welche  sich 
nur  auf  die  Hirnrinde  beschränken  und  Rindenfalten  entsprechen,  Furchen,  Sulci. 

A.  Stammteil  der  Hemisphäre. 

1.  Substantia  perforata  anterior.    Fig.  109,  133. 

Sie  liegt  lateral  vom  Chiasma  opticum,  grenzt  vorn  an  das  Trigonum  olfac- 
torium,  lateral  an  den  Schläfenlappen. 

Ihre  Oberfläche  ist  glatt,  grau,  von  zahlreichen  Gefäßlöchern  durchsetzt.  Ihre 
graue  Substanz  hängt  dorsal  mit  dem  Nucleus  lentiformis  zusammen.  Die  flache 
Grube,  in  der  die  Substantia  perforata  anterior  ihre  Lage  hat,  wird  Vallecula 
cerebri  lateralis  genannt. 

Der  mediale  Teil  der  Substantia  perforata  anterior  und  der  Gyrus  subcallosus  bilden  den 
sogen,  hinteren  Riechlappen  (siehe  S.  119). 


118 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


2.  Der  Riechlappen,  Lobus  olfactorius,  Rhinencepha  Ion. 
Sein  hinterer  Abschnitt,  Tuber  olfactorium,  Riechwulst,  ist  ein  pyra- 
midaler kleiner  Wulst,  dessen  ventrale  Oberfläche  sich  dem  Beschauer  als  Tri- 
gonum  olfactorium  (Fig.  133)  zuwendet.  Das  Tuber  olfactorium  ist  von  der 
Substantia  perforata  anterior  nur  durch  eine  oberflächliche  Rinne  getrennt.  Eine 
tiefe,  4cm  nach  vorn  sich  erstreckende  Furche  des  Stirnlappens,  Sulcus  olfac- 
torius, nimmt  sowohl  den  Körper  der  dreiseitigen  Pyramide  auf,  als  auch  die 
beiden  vordersten  Teile  des  Riechlappens,  den  Tractus  und  Bulbus  olfactorius 
(Fig.  96,  109,  133).  Der  Bulbus  olfactorius  ist  eine  graue  Anschwellung  von 
8 — 10  mm  Länge,    3 — 4  mm  Breite  und  2 — 3  mm  Dicke.     Der  Bulbus  liegt  mit 


Bulbus  olfactorius 

Tractus  olfactorius 
Rostrum  corporis  callosi 

Sulcus  parolfactorius  ant. 

Sulcus  parolfactorius  post. 
Area  parolfactoria  (Brocae) 

Gyrus  subcallosus 

Trigonum  olfactorium 

Stria  olfactoria  medialis 

Commissura  ant. 

Lamina  terminalis 


Stria  olfactoria  lateralis 

Substantia    perforata   ant. 
(Pars  post.  rhiuencephali) 

Ende  des  Gyrus  subcallosus 


Chiasma  opticum       Tractus  opticus 

Fig.  133. 

Riechlappen  des  menschlichen  Gehirnes  nach  einem  frischen  Präparat  gezeichnet.    (W.  H  i  s.) 

seiner  ventralen,  freien  Fläche  auf  der  Lamina  cribrosa  des  Siebbeines.  Von  ihm 
gehen  die  zahlreichen  Nervi  olfactorii  aus,  welche  zur  Schleimhaut  der  Regio 
olfactoria  der  Nasenhöhle  ziehen.     Siehe  Sinnesorgane. 

Am  dreikantigen  Tractus  olfactorius  sind  zwei  markweiße  Streifen  sichtbar, 
Stria  olfactoria  medialis  und  lateralis  (Fig.  109,  133).  Ersterer  zieht  entlang 
der  medialen  Kante  des  Trigonum  olfactorium  zur  Area  parolfactoria;  die  Stria 
lateralis  zieht  entlang  der  lateralen  Kante  des  Trigonum  nach  hinten  zum  Ein- 
gange der  Fissura  cerebri  lateralis,  bildet  dort  den  sogenannten  Linien  insulae 
(welcher  also  nicht  zur  Insel  gehört)  gelangt  zum  Schläfenlappen  und  erreicht 
das  Vorderende  des  Gyrus  hippocampi,  auf  dessen  vorderer  innerer  Fläche  er  in  die 
bei  Feten  deutlichen  Gyri  semilunaris  und  ambiens  endigt.  Die  zwischen 
beiden  genannten  Striae  gelegene  Stria  intermedia,  verliert  sich  in  der  Substanz 
des  Tuber  selbst.  Der  dorsalen  Kante  entspricht  eine  Stria  dorsalis,  deren 
Faserbündel  in  das  Mark  des  Stirnhirnes  eindringen. 

Der  fetale  Riechlappen  besitzt  eine  (beim  Pferde  z.  B.  dauernde)  Höhlung,  Ventriculus 
olfactorius,  Rhinocoel,  von  welchem  im  Bulbus  lange  Zeit  ein  Rest  erhalten  bleiben  kann. 
Der  genannte  Ventrikel  ist  ein  vorderer  und  unterer,  besonderer  Arm  des  Seiten  Ventrikels  der 
Hemisphäre. 


Das  Gehirn:  ÄuUcrc  Oberfläche  der  Hemisphären. 


119 


Die  Entwicklungsgeschichte  zeigt,  daß  der  Bulbus,  der  Tractus,  das  Tuber  olfactorium  und  die 
Area  parolfactoria  zusammen  den  vorderen  Riechlappen  ausmachen  gegenüber  dem  hinteren, 
welcher  vom  medialen  Teil  der  Substantia  perforata  anterior,  von  dem  lateralen  Riechstreifen  und 
von  dem  Gyrus  subcallosus  gebildet  wird.     Fig.  133. 

Die  Morphologie  des  Riechlappens  wird  wesentlich  aufgehellt  durch  die  vergleichend  anato- 
mische Untersuchung  von  Tiergehirnen.    Hierüber  orientiert  beifolgende  Zusammenstellung  in  Fig.  134. 

Retzius,  G.,  Zur  Kenntnis  der  Windungen  des  Riechhirncs.  Verhandl.  anat.  Ges.  1897. — 
Wilder,  G.,  Wat  is  the  morphologic  Status  of  the  olfactory  Portion  of  the  Brain?  Science,  VII,  1898. 


•-    ß.  G. 


B.  G. 


B.  G. 


P. 

B.  olf. 
Rh. 


r\~ 


b.g. 


B.  olf. 


V.  tr. 


B.  olf. 


B.  olf.  s 


B.  olf. 


Fig.  134. 

Schema  der  phylogenetischen  Entwicklung  des  Endhirnes.     (H.  Rabl-Rückh  ard,  1894.) 

1  Pelromyzon;  2  Selachier  (Akanthiasembryo) ;   3  Amphibien  (Menopoma);  4  Teleostier  (Salmonidentypus),  sitzende  Bulbi 

olfactorii ;   5  Ganoiden;    6  Teleostier  (Cyprinoidentypus),  gestielte  Bulbi  olfactorii;  7  Reptilien  (Chelonier),  sitzende  Bulbi 

olfactorii ;   8  desgl.  (Ophidier),  gestielte  Bulbi  olfactorii;   9  Mammalia,  Stirnhirn  mit  Riechlappen. 

Bezeichnungen:  B.  olf.  Bulbi  olf. ;   B.G.  Basalganglion;  P.  Pallium;    V.  tr.  Velum  transversum  (v.Kupffer);  Tr.  Tractus 

olfactorii ;    V.  Ventrikel ;  Rh.  Rhinocoel ;   PI.  Plexus  chorioidei. 


3.  Die  Insel,  Insula.    Fig.  99,  104,  135. 

Die  Insel  lag  ursprünglich  frei  zu  Tage,  sank  aber  allmählich  in  die  Tiefe,  indem  die  um- 
gebenden Teile  (Stirn-,  Scheitel-  und  Schläfenlappen)  durch  stärkeres  Flächenwachstum  sich  über  sie 
hinwegwölbten.  Daher  heißt  die  Insel  auch  Lobus  opertus.  Um  sie  zu  sehen,  muß  man  die  sie 
verbergenden  Decklappen  auseinanderziehen.  Den  Zugang  zu  ihr  zeigt  eine  an  der  lateralen 
Fläche  der  Hemisphäre  gelegene  Fissur  an,  die  Fissura  cerebri  lateralis  (Sylvii).  Die  Fissur 
führt  in  eine  tiefe  Grube,  Fossa  cerebri  lateralis,  in  welcher  die  Insel  ihre  Lage  hat. 

Die  Insel  ist  ein  im  Grunde  der  Fossa  lateralis  gelegener  großer  Hügel,  der 
seine  Abhänge  den  Lappen  zukehrt,  die  ihn  bedecken.  Es  sind  daher  eine  Facies 
frontalis,  frontoparietalis  und  temporalis  zu  unterscheiden.  Der  dreigrätige  Kamm 
ist  der  Fissur  zugewendet  und  entspricht  den  drei  Abschnitten  der  letzteren. 
Die  am  meisten  hervorragende  Stelle  wird  Inselpol  genannt.  Durch  die  Er- 
hebung der  Insel  vom  Boden  der  Fossa  bleibt  eine  sie  allseitig  umgebende 
Furche  zurück,  Sulcus  circularis  (Reili)  (Fig.  135).  Vorn  unten  setzt  sich  die 
Insel  mittels  einer  Schwelle,  Limen  insulae  (Schwalbe  Fig.  135,  L)  in  die 
Substantia  perforata  anterior  fort. 

Das  Limen  insulae  wird,  wie  schon  erwähnt  wurde,  durch  die  Stria  olfactoria  lat.  gebildet; 
es  gehört  also  zum  Rhinencephalon. 

Von  den  drei  Flächen  ist  die  dorsale  (frontoparietale)  am  bedeutendsten 
gefurcht;  die  hintere  und  längste  dieser  Furchen  (Sulcus  centralis  insulae)  greift 


12Ü 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


meist  über  den  Kamm  ventralwärts  hinaus  und  zerlegt  so  die  Insel  in  eine  fronto- 
parietale  und  eine  temporale  Hälfte.  Die  Facies  temporalis  zeigt  eine  Reihe  kürzerer 
und  minder  tiefer  Furchen.  Am  wenigsten  gefurcht  (meist  nur  einmal)  ist  die 
Facies  frontalis.  Im  ganzen  werden  5—9  Inselwindungen,  Gyri  insulae, 
gezählt,  welche  vom  Inselpol  fächerförmig  über  die  Abhänge  ausstrahlen.  Man 
unterscheidet  die  vorderen  als  Gyri  breves  von  dem  hinteren  durch  den  Sulcus 
centralis  insulae  abgegrenzten  Gyrus  longus.     Fig.  104. 

Die  überwölbenden  Hemisphärenteile  werden  Deckel,  Operculum,  der 
Insel  genannt.  Am  mächtigsten  ist  der  dorsale  Teil,  Pars  parietalis,  welcher 
aus  einem  Teil  des  Stirn-  und  Scheitellappens  besteht.  Ihm  zunächst  an  Aus- 
dehnung steht  der  temporale  Teil,  Pars  temporalis,  der  kürzeste  ist  der 
frontale,  Pars  frontalis. 

Die  Insel  liegt  in  bezug  auf  tiefere  Hemi- 
sphärenteile lateral  vom  Claustrum  und  vom  Nucleus 
lentiformis.    Fig.  126-129,  131,  132. 

Die  Insel  ist  nach  M.  Holl  aufzufassen  als 
eine  um  den  Sulcus  longitudinalis  insulae  herum- 
gelegte Bogenwindung;  ihr  hinterer  Schenkel 
ist  schlank,  glatt,  der  vordere  hingegen  breit,  aus- 
gedehnt, mit  sekundären  Furchen  und  Windungen 
versehen;  von  den  sekundären  Furchen  ist  ge- 
wöhnlich die  als  Sulcus  centralis  insulae  bekannte 
Furche  am  mächtigsten  ausgebildet.  Vcrgl.  ana- 
tomische Beobachtungen  stützen  diese  Auffassung. 
(Arch.  Anat.  u.  Phys.  1902.) 

Holl,  M.,  Die  Insel  des  Karnivorcngehirns. 
Arch.  Anat.  und  Phys.  1899.  —  Derselbe,  Die 
Insel  des  Ungulatengehirnes.  Arch.  Anat.  und 
Phys.  1900.  —  Derselbe,  Die  Insel  des  Menschen- 
und  Affenhirns  in  ihrer  Beziehung  zum  Schläfen- 
lappen. Sitzber.  Akad.  Wiss.  Wien,  math.-naturw.  KI.,  Bd.  117,  Abt.  III,  1908.  —  Derselbe,  Über 
bisher  unbekannte  Bildungen  im  hinteren  Inselgebiet  des  Menschen- und  Affenhirns.  Ebenda  1909.  — 
Derselbe,  Die  Entwicklung  der  Bogenwindung  an  der  hinteren  Insel  des  Menschen-  und  Affen- 
hirns.    Ebenda   1909. 

B.  Mantelteil  der  Hemisphäre. 
/.  Furchen,  Sulci. 

a)  Lappentrennende  Furchen,  Sulci  in  terlobares.    Fig.  136. 
Als  Furchen,  welche  die  vier  großen  Lappen  des  Gehirns,  Lobi  cerebri, 
trennen,   sind    zu    nennen:    die  Fissura  cerebri  lateralis,  der  Sulcus  centralis,  der 
Sulcus  occipitalis  transversus,  die  Fissura  parieto-occipitalis.     Sie  sind  es,  welche 
den  Stirn-,  Scheitel-,  Hinterhaupt-  und  Schläfenlappen  begrenzen. 

/.  Fissura  cerebri  lateralis  (Sylvü).    Fig.  91,  96. 

Sie  stellt  jene  Furche  dar,  welche  bei  gedeckter  Insel  als  Zugang  zur  Fossa 
cerebri  lateralis  äußerlich  sichtbar  ist  und  nimmt  ihren  Anfang  vom  lateralen 
Ende  der  quergestellten  Vallecula  lateralis1)  der  Hirnbasis. 

Von  der  Vallecula  aus  steigt  die  Fissura  lateralis  eine  kurze  Strecke  weit 
lateral-aufwärts  (Truncus  fissurae  lateralis)  und  spaltet  sich  darauf  in  drei  Äste: 


Fig.  135. 

Insel  der  linken  Hemisphäre. 

Pinselpol  oder  Inselhöhe;  L  Limen  insulae,  Inselschwelle. 
Die  Insel  ist  eingerahmt  durch  eine  ringförmige,  aus  drei 
Abschnitten  bestehende  Furche,  den  Sulcus  circularis 
insulae;  die  drei  Abschnitte  dieser  Furche  sind:  Sulcus 
praeinsularis  (p),  Sulcus  suprainsularis  (s)  und  der  Sulcus 
infrainsularis  (/). 


')  Mit  dem  Namen  Vallecula  wird  jene  Grube   bezeichnet,  auf  deren  Grund  die  Substantia 
perforata  anterior  gelegen  ist. 


Das  Gehirn:  Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären. 


121 


a)  Der  Ramus  posterior  ist  der  längste;  streicht  fast  horizontal  und  über- 
ragt die  Länge  der  Insel  noch  um  die  Hälfte;  sein  Endstück  ist  dorsalwärts  ge- 
krümmt: Pars  ascendens. 

b)  Der  Ramus  ant.  ascendens  steigt  eine  kurze  Strecke  weit  fast  senk- 
recht auf. 

c)  Der  Ramus  ant.  horizontalis  dringt  in  der  Richtung  des  hinteren 
Astes  nach  vorn.  Die  beiden  vorderen  Äste  schneiden  in  die  untere  Stirn- 
windung ein. 

2.  Sulcus  centralis  (Rolandi).    Fig.  91,  92. 

Er  zieht  etwa  von  der  Mitte  der  Mantelkante  lateralwärts,  vorwärts  und 
gegen  den  vorderen  Teil  des  Ramus  posterior  fissurae  lateralis,  ohne  ihn  ganz 
zu  erreichen. 

Das  dorsale  Ende  kerbt  häufig  die  Mantel- 
kante ein  und  greift  dadurch  auf  die  mediale  Fläche 
über.  Selten  ist  der  Sulcus  centralis  in  zwei  Ab- 
schnitte geteilt. 

R  e  t  z  i  u  s ,  G.,  Über  das  Auftreten  des  S.  cen- 
tralis und  der  Fissura  calcarina  im  Menschenhirn. 
Biol.  Unters.  VIII,  1898.  Die  Zentralfurche  geht  in 
manchen  Fällen  aus  zwei  Teilstücken  hervor. 
Die  Calcarina  entsteht  bald  einheitlich,  bald  aus 
zwei  Teilen;  zu  ihnen  gesellt  sich  noch  ein  kleines 
hinteres  Stück.  Es  sind  noch  zahlreiche  fetale 
Gehirne  zu  untersuchen,  um  in  beiden  Fällen  die 
Regel  zu  erkennen. 


Fig.  136. 

Lappentrennende  Furchen   der  konvexen  Fläche  der 

linken  Hemisphäre.     1:4. 
/Stirn-,  //Scheitel-,  ///  Hinterhaupt-,  IV  Schläfenlappen. 

1  Stamm  derFissura  lateralis;  1'  Ramus  posterior,  1"  Ramus 
ant.  ascendens,  1'"  Ramus  anterior  horizontalis  derselben. 
a  Pars  ascendens  des  Ramus   posterior  fissurae   lateralis; 

2  Sulcus   centralis;    3'  dorsaler  Teil  der  Fissura  parieto- 
occipitalis;    4'  Pars  marginalis  des  Sulcus  cinguli;  7  Sul- 
cus occipitalis  transversus  ;   /  Impressio  petrosa. 

Fläche  über.    Der  mediale  Abschnitt  der 

Fissur  fließt   ventral   mit   dem  vorderen   Ende   der  Fissura   calcarina   zusammen. 


3.  Fissura  parieto-occipitalis.    Fig.  95. 

Sie  liegt  im  hinteren  oberen  Teil 
der  medialen  Hemisphärenfläche  und 
greift    (meist    1 — 2  cm)    auf    die    dorsale 


4.  Sulcus  occipitalis  transversus.    Fig.  91,  136,  7. 
Die  Furche  befindet  sich  meist  im  Zusammenhange  mit  einer  Lappenfurche, 
dem  Sulcus  interparietalis,  und  zieht  in  querer  Richtung  eine  kurze  Strecke  über 
die  konvexe  Hemisphärenfläche,  ohne  die  Mantelkante  zu  kerben. 

b)  Furchen  der  einzelnen  Hirnlappen,  Sulci  intralobares. 
1.  Furchen  des  Stirnlappens. 

Der  Stirnlappen  umfaßt  das  ausgedehnte  Hemisphärengebiet,  welches  vor 
dem  Sulcus  centralis,  sowie  vor  und  über  der  Fissura  cerebri  lateralis  gelegen  ist 
(Fig.  136).  Er  hat  eine  konvexe  dorso-laterale,  eine  leicht  konkave  orbitale 
und  eine  plane  mediale  Fläche. 

Der  Stirnlappen  enthält  folgende  Furchen: 

Auf  der  dorso-lateralen  Fläche.     Fig.  91,  92. 

u.  Sulcus  praecentralis.  Er  beginnt  aufsteigend  nahe  der  Spitze  des 
Operculum  und  dringt  dorsalwärts  vor,  der  Richtung  des  Sulcus  centralis  ungefähr 
parallel,  erreicht  aber  nicht  die  Mantelkante.  Er  besteht  oft  aus  zwei  getrennten 
Stücken. 


122  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

;1.  Sulcus  frontalis  superior;  zieht  vom  S.  praecentralis  vorwärts. 

y.  Sulcus  frontalis  inferior;  zieht  vom  S.  praecentralis  bogenförmig  vor- 
wärts und  abwärts. 

6,  t.  Ramus  ant.  ascendens  und  Ramus  ant.  horizontalis  der  Fissura 
cerebri  lat.  (siehe  S.  121). 

Auf  der  orbitalen  Fläche.    Fig.  96,  109: 

1'.  Sulcus  olfactorius;  in  der  Nähe  der  Fissura  longitudinalis  cerebri  und 
ihr  parallel  laufend;  er  dient  zur  Aufnahme  des  Tractus  olfactorius  und  hört  hinter 
dem  Stirnpol  auf. 

/,.  Sulci  orbitales  sind  die  übrigen  meist  eine  unregelmäßige  H-Figur 
bildenden  Furchen  der  orbitalen  Fläche. 

Auf  der  medialen  Fläche.     Fig.  95: 

!)■.  Sulcus  corporis  callosi,  dessen  Verlauf  der  äußeren  Balkenfläche 
entspricht. 

/.  Sulcus  cinguli,  welcher  parallel  dem  vorigen  verläuft.  Sein  vorderes 
Stück  wird  als  Pars  subfrontalis  unterschieden  von  der  hinteren  zur  Mantel- 
kante aufsteigenden  Pars  marginalis,  welche  auf  der  medialen  Fläche  den 
Lobus  frontalis  vom  Lobus  parietalis  trennt. 

/.,  /..  Sulcus  parolfactorius  post.  und  ant.  liegen  in  demjenigen  Teil 
des  Stirnlappens,  welcher  unterhalb  des  Rostrum  corporis  callosi  sich  befindet.  Sie 
sind  nur  kurz,  laufen  einander  parallel  und  annähernd  vertikal. 

2.  Furchen  des  Scheitellappens. 

Die  Grenzen  des  Scheitellappens  (Fig.  136)  sind:  Vorn  der  Sulcus  centralis 
und  die  Pars  marginalis  des  Sulcus  cinguli,  hinten  der  Sulcus  occipitalis  trans- 
versus  und  die  Fissura  parieto-occipitalis,  unten  der  Ramus  post.  des  Sulcus 
cerebri  lat.  und  eine  gedachte  Linie  (punktiert  in  Fig.  136),  welche  vom  Beginn 
des  aufsteigenden  Teils   der  Sylvischen  Furche  zur  Impressio  petrosa  gezogen  ist. 

Er  hat  eine  dorsale  und  eine  mediale  Fläche. 

Furchen  der  dorsalen  Fläche  (Fig.  91,  92)  sind: 

u.  Der  Sulcus  retrocentralis  verläuft  ungefähr  parallel  dem  Sulcus  cen- 
tralis. Er  beginnt  hinter  dem  unteren  Teil  der  Zentralfurche  und  erreicht  nicht 
die  Mantelkante.     Oft  besteht  er  aus  zwei  getrennten  Stücken. 

;!.  Sulcus  interparietalis  verläuft  ungefähr  in  der  Mitte  der  dorsalen 
Fläche  nach  rückwärts  und  medianwärts  zum  Hinterhauptlappen,  wo  er  sehr  oft 
in  den  Sulcus  occipitalis  transversus  mündet;  er  kann  schon  vor  dem  dorsalen 
Ende  der  Fissura  parieto-occipitalis  sein  Ende  finden,  aber  auch  bis  zum  Occi- 
pitalpol  fortlaufen. 

;.  Das  Endstück  der  Ramus  post.  fissurae  cerebri  lat. 

ö.  Das  Endstück  des  Sulcus  temporalis  sup. 

Diese  beiden  Stücke  verlaufen  schräg  aufwärts  und  rückwärts,  das  letz- 
tere reicht  weiter  aufwärts. 
Furchen  auf  der  medialen  Fläche.     Fig.  95: 

f.  Sulcus  corporis  callosi,  welcher  parallel  dem  Balken  verläuft. 

.".  Sulcus  subparietalis  liegt  näher  an  t  wie  an  der  Mantelkante  und 
verläuft  parallel  zu  t. 


Das  Gehirn:   Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären.  123 

3.  Furchen  des  Hinterhauptlappens. 

Der  Hinterhauptlappen,  als  gemeinsame  hintere  Verlängerung  des  Scheitel- 
und  Schläfenlappens  ist  gegen  letzteren  nicht  überall  scharf  abgegrenzt  (Fig.  136). 
Er  hat  die  Form  einer  dreiseitigen  Pyramide,  deren  Spitze  vom  Polus  occi- 
pitalis  gebildet  wird. 

Die  dorso-laterale  Fläche  ist  konvex,  die  mediale  plan,  die  basale 
(tentoriale)  leicht  konkav.  Auf  der  medialen  Fläche  sind  die  Fissura  parieto-occi- 
pitalis,  auf  der  dorso-lateralen  die  gleiche  Fissur  und  der  Sulcus  occipitalis  trans- 
versa zur  Abgrenzung  geeignet;  an  der  lateralen  Kante  ist  fast  in  der  Ver- 
längerung des  Sulcus  occipitalis  transversus  oft  eine  Kerbe  sichtbar,  welche  der 
Impressio  petrosa  entspricht  und  zur  Abgrenzung  des  Lappens  Verwendung  finden 
kann  (Fig.  136,  i).  Die  basale  Fläche  des  Lappens  geht  ununterbrochen  in  den 
Schläfenlappen  über. 

Die  mediale  Fläche  (Fig  95)  enthält  an  Furchen  nur: 

c(.  Fissura  calcarina.  Sie  beginnt  hinter  dem  Balkenwulste,  wendet  sich 
nach  hinten  und  nimmt  unter  spitzem  Winkel  das  untere  Ende  der  Fissura  parieto- 
occipitalis  auf,  die  von  ihr  durch  eine  tiefliegende  Windung  geschieden  wird. 
Unter  leichter  Biegung  ihren  Weg  etwa  1  cm  oberhalb  der  medialen  Kante  fort- 
setzend, gelangt  sie  in  die  Nähe  des  Occipitalpoles  und  hört  entweder  hier  auf 
oder  setzt  sich  in  eine  fast  vertikale  Furche  der  medialen  Fläche  fort.  In  diesem 
Falle  scheint  sie  sich  in  2  Arme  zu  gabeln.  Sie  kann  auch  gespalten  oder  un- 
gespalten auf  die  dorsolaterale  Fläche  vordringen. 

Die  Fissura  calcarina  dringt  so  tief  ein,  daß  sie  eine  in  der  medialen  Wand 
des  Hinterhornes  des  Seitenventrikels  gelegene  Erhabenheit  vorwölbt,  den 
Vogelsporn,  Calcar  avis  (Fig.  99,  131);  daher  ihr  Name. 

Auf  der  basalen  Fläche  (Fig.  121,  122)  befindet  sich: 

■J.  Fissura  collateralis,  welche  auch  dem  Schläfenlappen  angehört.  Sie 
beginnt  näher  oder  ferner  dem  Occipitalpol  und  verläuft  meist  mit  mehrfachen 
Knickungen  und  Biegungen  gegen  den  Schläfenpol,  ohne  diesen  zu  erreichen. 
Sie  besteht  oft  aus  einem  occipitalen  und  einem  temporalen  Stück.  Die  occipitale 
Furche  kann  mit  der  3.  Temporalfurche  zusammenfließen.  Sie  hat  bedeutende  Tiefe 
und  wölbt  den  Boden  des  Hinter-  und  Unterhornes  in  verschiedener  Stärke  vor 
als  Eminentia  collateralis  (Meckeli);  daher  ihr  Name. 
Auf  der  dorsolateralen  Fläche  (Fig.  91,  92)  liegen: 

;'.  Sulci  occipitales  superiores. 

ö.  Sulci  occipitales  laterales. 

4.  Furchen  des  Schläfenlappens. 

Die  Grenzen  des  Schläfenlappens  (Fig.  136)  sind:  die  Fissura  cerebri  lat., 
die  Fissura  hippocampi,  und  die  schon  bei  den  Grenzen  des  Scheitellappens  erwähnte 
Linie  vom  Ramus  post.  fissurae  cerebri  lat.  zur  Impressio  petrosa  (punktiert  in 
Fig.  136).  Auf  der  basalen  Fläche  ist  keine  Grenze  zwischen  ihm  und  dem 
Hinterhauptlappen  ausfindig  zu  machen. 

Die  Flächen  des  Schläfenlappens  sind  eine  der  Insel  zugekehrte  dorsale 
Fläche,  eine  laterale  und  eine  basale.  Von  Kanten  sind  eine  dorsale,  eine  late- 
rale, eine  mediale  vorhanden. 


124  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Der  Schläfenlappen  enthält  folgende  Furchen: 

a.  Sulci  temporales  transversi  (Schwalbe);  1 — 4  Furchen,  welche  an 
der  dorsalen  Fläche  des  Schläfenlappens  vorkommen;  am  tiefsten  sind  die  der 
hinteren  Hälfte. 

ß,  ■/,  ö.  Sulcus  temporalis  superior,  tnedius  und  inferior  (Fig.  91, 
121,  122).  Von  ihnen  liegen  die  beiden  ersten  an  der  lateralen,  der  letzte  auf  der 
basalen  Fläche.  Die  obere  Temporalfurche  heißt  auch  Parallelfurche.  Sie  ver- 
läuft dem  Ramus  posterior  fissurae  lateralis  ungefähr  parallel  und  ähnelt  auch  darin 
dieser  Fissur,  daß  sie  einen  aufsteigenden  Ast  an  ihrem  hinteren  Ende  ent- 
wickelt. Der  Sulcus  temporalis  medius  entspricht  der  lateralen  Kante;  er  besteht 
meist  aus  einzelnen  Stücken,  seltener  stellt  er  eine  einheitliche  Furche  dar. 

f.  Fissura  collateralis  (Fig.  121,  122)  beginnt  in  einiger  Entfernung  vom 
Schläfenpol  und  zieht  zum  Hinterhauptpol. 

-'.  Fissura  hippocampi  (Fig.  121,  122).  Sie  ist  die  Fortsetzung  des  Sulcus 
corporis  callosi  auf  den  Schläfenlappen.  Sie  liegt  sehr  versteckt  und  scheidet 
den  Gyrus  dentatus  vom  Gyrus  hippocampi. 

//.  Windungen,  Gyri. 
a)  Windungen  des  Stirnlappens. 

Auf  der  äußeren  Fläche.     Fig.  91,  92: 

1.  Gyrus  centralis  anterior,  vordere  Zentralwindung.  Sie  liegt 
zwischen  Sulcus  centralis  und  praecentralis  und  reicht  von  der  Fissura  cerebri 
lat.  bis  auf  die  mediale  Fläche  der  Hemisphäre. 

2.  Gyrus  frontalis  superior,  obere  Stirnwindung.  Sie  liegt  zwischen 
dem  Sulcus  frontalis  superior  und  dem  Sulcus  cinguli.  Die  hintere  Grenze  bildet 
der  Sulcus  praecentralis.  Sie  besitzt  eine  dorsale  und  eine  mediale  Fläche  und 
verschmälert  sich  vorn. 

3.  Gyrus  frontalis  medius,  mittlere  Stirnwindung.  Sie  liegt  zwi- 
schen dem  Sulcus  frontalis  sup.  und  dem  Sulcus  frontalis  inf.,  ist  die  breiteste 
aller  Stirnwindungen  und  läßt  häufig  zwei  Abteilungen,  Pars  sup.  et  inf.,  unter- 
scheiden. 

4.  Gyrus  frontalis  inferior,  untere  Stirnwindung.  Sie  liegt  zwischen 
dem  Sulcus  frontalis  inf.  und  der  Fissura  cerebri  lat.  Die  hintere  Grenze  ist  der 
Sulcus  praecentralis.  Durch  die  Rami  antt.  der  Sylvischen  Furche  wird  sie  in  drei 
Stücke  zerlegt,  welche  von  vorn  nach  hinten  heißen:  Pars  orbitalis,  Pars 
triangularis,  Pars  opercularis. 

Auf   der  orbitalen  Fläche   des   Stirnlappens  finden  sich   folgende  Win- 
dungen (Fig.  96,  109). 

5.  Gyri  orbitales  sind  unregelmäßig  verlaufende  Windungen,  welche  durch 
die  Sulci  orbitales  und  den  Sulcus  olfactorius  begrenzt  werden. 

6.  Gyrus  rectus  liegt  zwischen  dem  Sulcus  olfactorius  und  der  Fissura 
longitudinalis  cerebri. 

Auf  der  medialen  Fläche  (Fig.  95)  liegen  abgesehen  vom  Gyrus  rectus 
und  vom  Gyrus  frontalis  sup.: 

7.  Gyrus  subcallosus  (Pedunculus  corporis  callosi)  verläuft  parallel 
dem  Rostrum  corporis  callosi,  wird  vorn  vom  Sulcus  parolfactorius  post.  begrenzt, 


Das  Gehirn:   Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären.  125 

beginnt  an  der  Substantia  perforata  ant.  und  geht  in  die  Stria  longitudinalis  me- 
dialis  des  Corpus  callosum  über. 

8.  Area  parolfactoria  (Brocae)  liegt  zwischen  Sulcus  parolfactorius  ant. 
und  post. 

9.  Gyrus  cinguli  ist  ein  Teil  des  Gyrus  fornicatus.  Er  befindet  sich 
zwischen  dem  Sulcus  corporis  callosi  und  dem  Sulcus  cinguli. 

10.  Lobulus  paracentralis  gehört  zum  größten  Teil  dem  Stirnlappen  an. 
Er  ist  die  Verbindung  zwischen  dem  Gyrus  centralis  ant.  und  post.  und  wird  nach 
unten  und  hinten  begrenzt  vom  Sulcus  cinguli,  nach  vorn  von  einem  Ast  dieses 
Sulcus,  welcher  früher  als  Sulcus  paracentralis  besonders  benannt  wurde. 

Septum  pellucidum.     Fig.  95,  100,  104,  126. 

Das  Septum  pellucidum  liegt  in  der  Mittellinie;  es  ist  ausgespannt  zwischen 
dem  vorderen  Ende  des  Truncus  corporis  callosi,  dem  Rostrum  corporis  callosi, 
der  Lamina  rostralis,  der  Commissura  ant.  und  den  Columnae  fornicis.  Es  trennt 
die  Cornua  antt.  der  beiden  Seitenventrikel  voneinander,  und  besteht  aus  zwei 
dünnen  Blättern,  Laminae  septi  pellucidi,  welche  meist  einen  verschieden 
großen  Hohlraum,  Cavum  septi  pellucidi,  einschließen,  oft  aber  auch  voll- 
ständig miteinander  verklebt  sind.  Ihre  einander  zugekehrten  Oberflächen  sind 
von  Endothel  bekleidet. 

Die  Laminae  septi  pellucidi  sind  Teile  der  medialen  Flächen  der  Großhirnhemisphärenbläschen. 
Sie  werden  durch  die  Entwicklung  des  Balkens  von  den  angrenzenden  Teilen  der  Stirnlappen  getrennt. 

b)  Windungen  des  Scheitellappens. 

Auf  der  äußeren  Fläche.     Fig.  91,  92: 

1.  Gyrus  centralis  posterior,  hintere  Zentralwindung.  Die  hintere 
Zentralwindung  läuft  der  vorderen  parallel  und  ist  von  ihr  durch  den  Sulcus  cen- 
tralis getrennt. 

2.  Lobulus  parietalis  superior,  oberes  Scheitelläppchen,  wird  durch 
den  Sulcus  interparietalis  vom  unteren  Scheitelläppchen  getrennt.  Die  vordere 
Grenze  ist  durch  das  Ende  der  Pars  marginalis  sulei  cinguli,  die  hintere  durch  die 
Fissura  parieto-occipitalis  gegeben. 

3.  Lobulus  parietalis  inferior,  unteres  Scheitelläppchen.  Liegt 
unterhalb  des  Sulcus  interparietalis  und  besteht  aus  zwei  Windungen,  dem  Gyrus 
supramarginalis,  welcher  um  das  obere  Ende  des  Ramus  post.  fissurae  cerebri 
lat.  herumgelegt  ist  und  dem  Gyrus  angularis,  welcher  um  das  obere  Ende 
des  Sulcus  temporalis  sup.  herumgelegt  ist. 

Auf  der  medialen  Fläche  (Fig.  95)  liegen: 

4.  Praecuneus,  Vorzwickel,  ist  vorn  von  der  Pars  marginalis  sulei 
cinguli,  hinten  von  der  Fissura  parieto-occipitalis,  unten  vom  Sulcus  subparietalis 
begrenzt. 

5.  Gyrus  cinguli,  welcher  im  Bereich  des  Scheitellappens  zwischen  dem 
Sulcus  corporis  callosi  und  dem  Sulcus  subparietalis  liegt. 

c)  Windungen  des  Hinterhauptlappens. 

Auf  der  äußeren  Fläche.     Fig.  91,  92: 
1.  Gyri  occipitales  superiores,  obere  Hinterhauptwindungen  werden 
durch  die  gleichnamigen  Furchen  abgegrenzt. 


126  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

2.  Gyri  occipitales  laterales,  seitliche  Hinterhauptwindungen 
werden  durch  die  gleichnamigen  Furchen  abgegrenzt. 

Auf  der  medialen  Flache.     Fig.  95: 

3.  Cuneus,  Zwickel,  welcher  zwischen  der  Fissura  parieto-occipitalis  und 
der  Fissura  calcarina  liegt. 

Auf  der  unteren  Fläche.  Fig.  121,  122: 
3.  Gyrus  lingualis,  zungenförmige  Windung.  Sie  gehört  zum  Teil 
auch  der  medialen  Fläche  des  Hinterhauptlappens  an,  zum  Teil  auch  dem  Schläfen- 
lappen. Sie  liegt  zwischen  Fissura  calcarina  und  Fissura  collateralis,  erreicht  hinten 
den  Occipitalpol  und  hängt  vorn  durch  eine  schmale  Verbindung  mit  dem  Isthmus 
gyri  fomicati  zusammen. 

d)  Windungen  des  Schläfenlappens. 

1.  Gyrus  temporalis  superior,  obere  Schläfenwindung  (Fig.  91). 
Die  erste  Schläfenwindung  erstreckt  sich  vom  Schläfenpol  bis  zum  Ende  des  Ramus 
posterior  fissurae  lateralis,  wo  sie  sich  in  den  Gyrus  supramarginalis  und  angu- 
laris des  Lobulus  parietalis  inferior  fortsetzt.  Dorsal  ist  sie  von  der  Fissura  lateralis, 
ventral  vom  Sulcus  temporalis  superior  begrenzt. 

Die  Sylvische  (obere)  Fläche  dieser  Windung  zeigt  in  der  vorderen  Hälfte 
nur  schwach  ausgeprägte,  in  der  hinteren  Hälfte  2 — 3 — 4  deutliche  Gyri  tempo- 
rales transversi;  der  vordere  der  letzteren,  G.  temporalis  transversus  anterior, 
ist  konstant  vorhanden. 

Die  obere  Schläfenwindung  geht  bei  männlichen  Gehirnen  links  häufig  unmittelbar  in  die 
vordere  quere  Schläfenwindung  über  (Heschl). 

2.  Gyrus  temporalis  medius,  mittlere  Schläfenwindung  (Fig.  91). 
Sie  liegt  zwischen  der  oberen  und  der  meist  in  mehrere  Stücke  zersprengten 
mittleren  Schläfenfurche,  kann  vorn  den  Schläfenpol  erreichen  und  geht  hinten  in 
den  hinteren  Teil  des  Lobulus  parietalis  inferior,  oder  auch  in  den  Hinterhaupt- 
lappen über. 

3.  Gyrus  temporalis  inferior,  untere  Schläfenwindung(Fig.91,96, 122). 
Zwischen  Sulcus  temporalis  medius  und  inferior  gelegen;  gegen  die  vorige  Windung 
meist  schwer,  leichter  in  der  Regel  gegen  den  Gyrus  fusiformis  abzugrenzen.  Sie 
wird  von  der  lateralen  Temporalkante  durchlaufen,  hängt  am  Schläfenpol  mit  der 
mittleren  Schläfenwindung  zusammen  und  wendet  sich  mit  ihrem  hinteren  Teil  auf- 
steigend gegen  den  Hinterhauptlappen. 

4.  Gyrus  fusiformis,  Spindelwindung,  Spindelläppchen  (auch  Gyrus 
temporalis  IV  genannt)  (Fig.  96,  121,  122).  Von  der  Fissura  collateralis  und  dem 
Sulcus  temporalis  inferior  begrenzt  und  daher  der  basalen  Fläche  des  Schläfen- 
lappens angehörig.  Sie  erstreckt  sich  von  der  Gegend  des  Temporalpoles  in  meist 
spindelförmiger  Gestalt  gegen  den  Hinterhauptlappen  und  geht  in  ihn  über. 

5.  Gyrus  hippocampi  (Fig.  121,  122)  liegt  zwischen  der  Fissura  collateralis 
und  der  Fissura  hippocampi.  Er  ist  der  untere  Teil  des  Gyrus  fornicatus, 
dessen  oberer  Teil  der  Gyrus  cinguli  ist.  Die  Grenze  zwischen  den  beiden  Teilen 
des  Gyrus  fornicatus  bildet  der  Isthmus  gyri  fomicati,  welcher  in  der  Gegend 
des  Splenium  corporis  callosi  liegt  und  mit  dem  vorderen  Ende  des  Gyrus  lingualis 
zusammenhängt.  Der  Gyrus  hippocampi  endigt  hinter  dem  Schläfenpol  mit  einer 
kurzen  zurücklaufenden  Windung,  Haken,  Uncus  (gyri  hippocampi),  an 
welchem  Fascia  dentata  und  Fimbria  hippocampi  ihr  vorderes  Ende  finden.     Seine 


Das  Gehirn:   Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären. 


127 


Oberfläche  ist  nicht  rein  grau,  sondern  von  einer  netzförmig  ausgebreiteten 
Lage  weißer  Substanz  überzogen,  der  Substantia  reticularis  alba  (Arnoldi), 
welche  aus  dem  den  Balken  seitlich  umkreisenden  Fasersystem  des  Cingulum 
stammt. 


Fig.  138. 

Fig.  138.     Fascia  dentata  der  linken  Hemisphäre. 

1  Gyrus  hippocampi ;   2 — 2  Uncus  gyri  hippocampi;  3  Fascia 
Ficr     1^7  dentata;  4  Fimbria  hippocampi ;  5  Uncus-Bä  ndch  en. 

Fig.  137.    Mediale  Fläche  der  linken  Hemisphäre  eines  Fetus. 
/  Stirn-,  //  Scheitel-,  III  Hinterhaupt-,  IV  Schläfen-,  V  Schwalbes  Sichellappen. 
1  Fasciculus  thalamo-mamillaris;  2  Corpus  mamillare ;  3  Corpus  fornicis;  4  Fimbria  hippocampi;  5  Fascia  dentata;  5' — 5" 
seine  Fortsetzung  nach  vorn  als  Fasciola  cinerea  und  Stria  longitudinalis  lat. .   zusammen   einen   rudimentären  Gyrus  dar- 
stellend;  6  Uncus-Bändchen;   7 — 7  Uncus;   8 — 8  Corpus  callosum ;  9  Commissura  anterior. 


6.  Fascia  dentata  hippocampi  (Fig.  121,  137,  138).  Das  eigentümliche, 
eine  rudimentäre  Windung  darstellende  Gebilde  liegt  zwischen  der  Fimbria  hippocampi 
und  dem  Gyrus  hippocampi  eingefalzt  und  zeigt  sich  als  ein  schmales  graues 
Blatt  mit  gekerbtem  freiem  Rande,  welches  von  der  Fissura  hippocampi  aus  leicht 
zugängig  ist.  Sein  dorsales  dem  Balken- 
wulst aufliegendes  Ende  ist  ungekerbt  und 
heißt  Fasciola  cinerea.  Einer  vorderen 
Fortsetzung  der  Fasciola  cinerea  auf  der 
dorsalen  Fläche  des  Balkens  werden  wir 
als  Stria  longitudinalis  lateralis  des 
Balkens  begegnen. 

Vom  Uncus-Ende  der  Fascia  dentata 
setzt  sich  ein  dünner  bandförmiger  Streifen, 
dasUncus-Bändchen  (Giacomini),  über 
die  laterale  Fläche  des  Uncus  hinweg  zur 
medialen  Seite  desselben  fort  und  ver- 
schwindet hier  unter  zunehmender  Ver- 
dünnung.   Fig.  138. 

Mit  dem  Namen  grand  lobe  limbique 
hatte  Broca  jenen  Teil  des  Hirnmantels  als  be- 
sonderen Lappen  ausgeschieden,  welcher  durch 
den  Gyrus   cinguli,   Gyrus   hippocampi   und  Lobus 

olfactorius  dargestellt  wird.  Schwalbe  läßt  den  Lobus  olfactorius  als  besonderen  Lappen  be- 
stehen, erweiterte  die  Ausdehnung  des  Lappens,  indem  er  als  Sichel  läppen  jenen  Mantelteil 
bezeichnet,  welcher  den  Gyrus  cinguli  und  hippocampi,  das  Septum  pellucidum  und  den  Gyrus 
dentatus  umfaßt;  die  letzteren  zwei  Gebilde  sind  Abkömmlinge  eines  bestimmten  bogenförmigen 
Teiles  der  embryonalen  Hirnwand,  des  sogenannten  Randbogens  derselben;  die  getroffene  Modi- 
fikation erscheint  hiernach  begründet. 

Die  Windungen  des  Seh  walb  eschen  Sichellappens  bestehen   demgemäß  aus  zwei   kon- 


Abgrenzung  des  Schwalbeschen  Sichellappens 

(punktiert.) 

Mediale  Fläche  der  rechten  Großhirn-Hemisphäre. 
/  Stirn-,    //  Scheitel-,    ///  Hinterhaupt-,    IV  Schläfen-, 
V  Sichellappen. —  3  Fissura  parieto-occipitalis;  4  Sulcus 
cinguli;  4'  dessen  Pars  marginalis;  4"  Sulcus  subparie- 
talis;  5  Fissura  collateralis;  6  Fissura  chorioidea ;  /  Im- 

pressio  petrosa;   b  Balken;   s  Septum  pellucidum. 


128  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

zentrischen  Zügen,  einem  äußeren  und  einem  inneren,  die  vorn  unten  offen  sind  und  zugleich 
ineinander  übergehen.     Fig.  139. 

a)  Der  äußere  Zug  wird  dargestellt  durch  den  Gyrus  fornicatus,  welcher  aus  dem  Oyrus 
cinguli  und  dem  Gyrus  hippocampi  besteht. 

b)  der  innere  Zug,  Gyrus  marginalis  internus,  besteht  aus  dem  Septum  pellucidum  und 
der  Fascia  dentata  hippocampi. 

Die  B.  N.  A.  haben  den  Sichellappen  nicht  als  besonderen  Teil  des  Hirnmantels  dargestellt, 
deshalb  sind  in  unserer  Beschreibung  die  einzelnen  Teile  des  Schwalbeschen  Sichellappens  an 
verschiedenen  Stellen  erwähnt. 

Alle  Windungen  und  Gebiete,  die  auf  der  medialen  Fläche  der  Hemisphäre  um  deren  kon- 
kaven Innenrand  herumliegen:  der  Gyrus  hippocampi,  Gyrus  cinguli,  Fascia  dentata,  die  Stria 
longitudinalis  lateralis  des  Balkens  (s.  weiße  Substanz),  der  Hippocampus,  sind  bei  Tieren  mit  sehr 
ausgebildeten  Riechorganen  stark  entwickelt,  dagegen  beim  Menschen  und  bei  Tieren,  die  nur 
kleine  Riechlappen  haben,  ziemlich  atrophisch,  beim  Delphin,  der  gar  keinen  Riechlappen  hat,  sehr 
zurückgebildet  (Broca;   Zuckerkandl). 

Retzius,  G.,  Zur  Morphologie  des  Gyrus  dentatus  und  seiner  Umgebung.  Biolog.  Unters.  VIII, 
1898.  —  Smith,  G.  EH.,  The  Fascia  dentata.    Anat.  Anz.  XII,  1896. 

Allgemeines  über  Hirnwindungen. 

Schon  auf  Seite  67  wurde  bemerkt,  daß  das  Gesamthirn  verschiedener  Individuen  mehr  oder 
weniger  bedeutende  Veränderlichkeit  der  Form,  der  Größe  und  des  Gewichts  erkennen  läßt;  jede  der 
sechs  Hauptabteilungen  des  Gehirns,  wenn  sie  bei  einer  großen  Zahl  von  Individuen  untereinander 
verglichen  werden,  zeigt  wieder  ihre  besondere  Variabilität.  In  besonderem  Grade  ist  dies  der  Fall 
bei  den  Furchen  und  Windungen,  sei  es  des  Kleinhirnes  oder  des  Endhirnes.  Schon  die  rechte  und 
die  linke  Seite  desselben  Hirnes  sind  einander  nicht  ganz  gleich;  sie  können  sogar  beträchtliche 
Unterschiede  enthalten.    Um  so  weniger  sind  die  Gehirne  verschiedener  Individuen  einander  gleich. 

Aber  auch  die  Gegenseite  ist  zu  betrachten.  Die  Zeit  ist  noch  nicht  lange  vorüber,  in  der 
man  die  Windungen  des  Gehirns  als  ein  durchaus  unregelmäßiges,  ordnungsloses  Gewirr  mäandrischer 
Züge  ansah  und  auch  Abbildungen  lieferte,  welche  einem  Bündel  von  Darmschlingen,  oder  viel- 
mehr, da  auch  die  Darmschlingen  kein  ordnungsloses  Gewirr  bilden,  einer  Schüssel  von  Makkaroni 
ähnlicher  sahen,  als  einem  Gehirn,  wie  ein  Autor  sich  mit  Grund  ausdrückte.  Man  weiß  jetzt,  daß 
ein  typischer  Plan  in  der  Ausbildung  der  Furchen  und  Windungen,  d.  i.  in  der  Gehirnfaltung, 
vorhanden  ist,  trotz  der  vielen  Verschiedenheiten.  Man  weiß  ferner,  daß  für  jede  Tierspezies  der 
Windungsplan  ein  besonderer,  wenn  auch  oft  sehr  ähnlicher  ist,  sofern  das  betreffende  Gehirn  über- 
haupt Windungen  besitzt,  daß  die  verschiedenen  Windungspläne  einander  näher  oder  entfernter 
liegen,  und  daß  hiernach  eine  begrenzte  Anzahl  von  Haupttypen  der  Hirnfurchung  vorliegt.  Bei 
diesen  Betrachtungen  wird  man  es  nicht  umgehen  können,  die  Frage  zu  stellen,  wozu  denn  über- 
haupt Windungen  vorhanden  sind,  wie  sie  zustande  kommen,  welche  Verlaufsrichtungen  sich  in 
ihnen  aussprechen  und  ob  sie  zu  den  Hirnfunktionen  in  gewissen  Beziehungen  stehen. 

/.   Ursachen  der  Hirnwindungen. 

Eine  große  Verbreitung  gewann  die  Ansicht,  der  umgebende  Schädel  sei  als  Ursache  der 
Hirnwindungen  anzusprechen.  Er  setze  den  Ausdehnungsbestrebungen  der  Hirnwand  einen  Wider- 
stand entgegen  und  nötige  sie  dadurch,  sich  in  Falten  zu  legen.  Andere  betrachteten  zwar  den 
Schädel  nicht  als  die  nächste  Ursache  der  Windungen,  sondern  schrieben  ihm  nur  einen  gewissen 
Einfluß  zu,  wie  auf  die  Gesamtform  des  Gehirns,  so  auf  die  Anlagen  der  Furchen  und  Windungen. 
Der  Schädel  kann  durch  das  Gehirn  beeinflußt  werden  und  z.  B.  bei  Hydrocephalus  des  Gehirns 
gewaltige  Dimensionen  erreichen,  andererseits  kann  aber  auch  das  Gehirn  durch  den  Schädel 
beeinflußt  werden,  z.  B.  durch  vorzeitigen  Verschluß  von  Schädelnähten,  durch  künstliche  Miß- 
staltung  des  Schädels.  Lange  Schädel  zeigen  vorwiegend  longitudinalen,  breite  vorwiegend 
queren  Windungstypus  des  Gehirns. 

Die  Annahme  von  Reichert,  daß  die  Ursache  der  Furchen  und  Windungen  in  der  arte- 
riellen Gefäß  Verästelung  enthalten  sei,  fand  verschiedene  Anhänger;  eingehendere  Beobach- 
tungen zeigten  jedoch  so  zahlreiche  Ausnahmen  von  der  behaupteten  Übereinstimmung  der  Gefäß- 
verästelung mit  der  Hirnfurchung,  daß  schon  aus  diesem  Grunde  Bedenken  erwuchsen. 


Das  Gehirn:   Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären.  129 

Endlich  war  es  die  Hirnwand  selbst,  in  deren  Wachstum  die  wesentliche  Ursache  der 
Windungen  gesucht  wurde;  die  Möglichkeit  eines  gewissen  Einflusses  des  umgebenden  Schädels, 
ja  des  ganzen  umgebenden  Kopfes  auf  die  Gestaltung  der  Hirnfurchung  blieb  dabei  noch  immer 
offen  und  wurde  von  den  meisten  mit  in  Rechnung  gebracht:  Wundt  suchte  die  Ursache  in 
Spannungen  der  Oberfläche,  hervorgerufen  durch  verschieden  rasches  Wachstum  des  Gehirns  nach 
den  einzelnen  Richtungen.  Heschl  suchte  die  Ursache  im  Wachstum  der  weißen,  andere  Autoren 
im  Wachstum  der  grauen  Substanz. 

Anders  steht  es  mit  der  Frage  nach  dem  nächsten  Zweck,  welcher  durch  die  Windungen 
erreicht  wird.  Das  Ergebnis  der  Hirnfaltung  ist  zweifellos  eine  bedeutende  Oberflächen  Ver- 
größerung der  grauen  Rinde  bei  gegebener  Dicke  der  letzteren  und  bei  begrenztem  Raum.  Die 
weiße  Substanz,  ein  Erzeugnis  der  an  Ort  und  Stelle  oder  an  entferntem  Platze  gelegenen  grauen, 
hat  hierdurch  um  so  leichter  die  Gelegenheit  zu  ausgedehnten  Beziehungen.  Man  könnte  daran 
denken,  daß  Furchen  auch  die  Aufgabe  zu  erfüllen  hätten,  physiologische  Rindengebiete  ab- 
zugrenzen. Dies  ist  aber  als  durchgehende  Erscheinung  keineswegs  der  Fall;  das  gleiche  physio- 
logische Rindengebiet  kann  von  Furchen  durchschnitten  werden  (vergl.  darüber  S.  178 — 181). 

2.  Richtung  der  Hirnfurchen. 

Das  Kleinhirn  zeigt  überwiegend  queren  Windungstypus,  es  ist  also  ein  sehr  bedeutendes 
sagittales  Wachstum  in  der  Rinde  des  Kleinhirns  ausgesprochen.  Was  das  Endhirn  betrifft,  so  hat 
vor  Jahrzehnten  insbesondere  Huschke  zu  zeigen  versucht,  daß,  wie  es  von  den  Karnivoren  und 
Ungulaten  feststeht,  so  auch  bei  den  Primaten  und  dem  Menschen  mehrere  Bogenwindungen 
vorkommen,  welche  um  die  Sylvische  Spalte  herumgelegt  sind  und  fast  alle  Windungen  in  sich 
schließen  (Fig.  140,  141);  Huschke  nannte  diese  Windungen  Urwindungen.  Vom  Stirnpol  aus- 
gehend und  um  das  hintere  Ende  der  Fissura  lateralis  umbiegend,  zieht  sich  bis  zum  Schläfenpol 
in  der  Tat  ein  System  von  Bogenwindungen.  Es  umfaßt  dorsolateral  drei  große  Züge,  ent- 
sprechend der  Zahl  der  Stirn-  und  Schläfenwindungen.  Die  I.  Schläfenwindung  entspricht  der  III.  Stirn- 
windung ;  letztere  wäre  daher  I.  Stirnwindung  zu  nennen ;  die  II.  Schläfenwindung  der  IL  Stirnwindung, 
die  III.  Schläfenwindung  der  I.  Stirnwindung.  Auf  der  medialen  Fläche  bietet  sich  ebenfalls  eine 
gewisse  Stütze  für  die  genannte  Betrachtungsweise.  Der  Hinterhauptlappen,  als  ein  aus  dem  Ring- 
lappen sekundär  nach  hinten  stärker  ausgewachsener  Vorsprung,  kommt  nicht  unmittelbar  in  Betracht. 
Eine  Störung  der  Bogenwindungen  wird  auf  der  konvexen  Hirnoberfläche  durch  die  Zentral- 
windungen gesetzt;  auch  auf  der  medialen  Hemisphärenwand  gibt  es  Windungen,  welche  mit 
Bogenfurchen  nichts  zu  tun  haben.     Doch  ist  die  Erklärung  dieser  Störung  leicht  zu  geben. 

Querfurchen  sind  ein  Ausdruck  für  gesteigertes  Längenwachstum,  Längsfurchen  für  gesteigertes 
queres  Wachstum.  Warum  sollte  in  einem  Gehirn,  das  so  sehr  in  die  Länge  und  Breite  und  Höhe 
zu  wachsen  hat,  nur  eine  Richtung  von  Furchen  sich  ausprägen?  Die  Längsfurchen  werden, 
da  der  Hemisphärenmantel  ringförmig  ist,  wesentlich  bogenförmig  sich  gestalten  müssen,  die 
Querfurchen  werden  leicht  zu  Ra  diärfurchen.  Annähernd  ergibt  sich  also  eine  Furchung  der 
Hirnhemisphären,  wie  sie  eine  durch  Meridian-  und  Äquatoriallinien  eingeteilte  Kugel  zeigt. 

3.   Oyrifizierung  und  Intelligenz. 

Gyrifizierung  des  Gehirns  und  Intelligenz  stehen  in  keinem  einfachen  Verhältnis;  dies  zeigt 
die  Beobachtung  am  Menschen,  zeigt  insbesondere  die  Gehirnlehre  der  Tiere  und  kann  nach  dem 
Bisherigen  auch  nicht  anders  erwartet  werden.  In  der  Tierreihe  und  sogar  bei  den  Primaten  kommen 
gyrencephale  (mit  Hirnwindungen  versehene)  und  lissencephale  (mit  glatter  Hirnwand  ver- 
sehene) Gattungen  vor.  Es  gibt  sehr  intelligente  Affen  mit  fast  glattem  Gehirn,  dagegen  stark  gyri- 
fizierte  Hirne  bei  wenig  intelligenten  Tieren,  wie  beim  Schaf  und  Rind.  In  dieser  Hinsicht  gilt  der 
von  Dareste  begründete  Satz:  kleine  Tiere  haben,  gleichgültig,  welcher  Ordnung  sie  angehören, 
im  allgemeinen  glatte  oder  nur  wenig  gefurchte  Hirne,  große  dagegen  stark  gefurchte.  In  einer 
und  derselben  Tierabteilung  wird  die  Furchung  um  so  verwickelter,  je  größer  die  Art  ist.  Wenn 
bei  systematisch  verwandten,  an  Größe  aber  sehr  verschiedenen  Tieren  die  Hirngröße  mit  der 
Körpergröße  wachsen  muß,  damit  die  Intelligenz  dieselbe  bleibt,  so  würden  die  Hirnvolumina  wie 
die  Kuben  ihrer  Durchmesser  wachsen;  ein  Gehirn  von  der  zweifachen  Länge  und  Breite  eines 
anderen  übertrifft  letzteres  achtmal  an  Volum.  Die  Oberflächen  aber  wachsen  nur  wie  die  Quadrate 
der  Durchmesser  und  würden  sich  in  dem  gedachten  Fall  wie  1  :  4  verhalten.     Das  achtmal  volu- 

Raubee-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  7 


130  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

minösere  Cieliirn  hätte  nur  eine  viermal  größere  Oberfläche.  Soll  letztere  um  ebenso  viel  wachsen 
wie  das  Volum,  so  muß  sie  sich  in  Falten  legen  (Baillarger).  Bei  gleich  voluminösen  Indivi- 
duen derselben  Art,  mit  gleich  voluminösen  Gehirnen,  wird  das  windungsreichere,  unter  im  übrigen 
gleichen  Bedingungen  und  auch  gleicher  Dicke  der  grauen  Rinde,  das  intelligentere  sein.  Siehe 
auch  oben  S.  67. 

Stieda  hat  das  Gehirn  des  Sprachkundigen  Sauerwein,  welcher  40 — 50  Sprachen  be- 
herrschte, untersucht  und  kommt  zu  dem  Schlüsse:  „Die  anatomische  Untersuchung  der  verschieden 
gestalteten  Oberfläche  der  Hirnhemisphären  ergibt  keine  Anhaltspunkte,  auf  deren  Grundlage  die 
höhere  oder  geringere  Begabung  der  Hirnbesitzer  oder  einzelne  hervorragende  Fähigkeiten,  geistiger 
wie  manueller  Art,  erkannt  werden  können.  —  Aus  dem  materiellen  Substrat  kann  man  auf  die 
Verrichtungen  nicht  schließen."    (Zeitschr.  Morphologie  und  Anthrop.  XI,  1907.) 

4.  Schemata  der  Hirnfurchung. 

Nachdem  schon  Pansch  auf  Grundlage  der  im  sechsten  Monat  des  Fetallebens  erscheinenden 
sogenannten  primären  Furchen  das  Gebiet  der  Hemisphäre  in  zwölf  kleinere  Abteilungen  zerlegt 
hatte,  die  er  als  Primärwülste  oder  Lobuli  cerebrales  bezeichnete,  schlug  Eberstaller  ebenfalls 
den  entwicklungsgeschichtlichen  Weg  ein,  mit  dem  Bestreben,  die  Variationstendenz  der  Hemisphäre 
aufzuhellen.  Er  bezeichnete  es  mit  Recht  als  einen  Fehler,  zu  sehr  zu  schematisieren  und  hob 
besonders  die  Notwendigkeit  hervor,  die  Tief en Windungen  voll  zu  berücksichtigen,  indem  sie 
die  Ornamentik  der  Gehirnoberfläche  wesentlich  beeinflussen.  Wo  Tiefenwindungen  vorkommen, 
zeigen  sie  an,  daß  eine  bei  oberflächlicher  Betrachtung  einheitliche  Furche  aus  ebenso  vielen 
Furchen  teilstücken  hervorgegangen  ist,  als  sie  Tiefenwindungen  birgt,  oder  auch,  daß  benach- 
barte Furchen  hier  irregulärerweise  zusammengeflossen  sind.  Die  Kenntnis  der  Stellen,  wo 
Tiefenwindungen  in  relativer  Mehrzahl  der  Fälle  vorkommen,  gibt  uns  hiernach  einen  wichtigen 
Schlüssel  für  das  Verständnis  der  innerhalb  physiologischer  Grenzen  vorkommenden  Varia- 
tionen. Ein  Schema  der  Großhirnwindungen  darf  also,  soll  es  brauchbar  sein,  der  Angabe  dieser 
Stellen  nicht  entbehren. 

Treten  Tiefenwindungen  an  die  Oberfläche,  so  fixieren  sie  die  Tatsache  der  fetalen  Anlage  einer 
Furche  aus  mehreren  Teilstücken.  Das  Oberflächlichwerden  ist  also  nicht  als  ein  aktiver  Vorgang  auf- 
zufassen, sondern  im  Gegenteil  als  das  Ergebnis  des  nicht  völligen  Zusammentreffens  von  in  der 
ersten  Anlage  schon  getrennten  Furchenteilstücken.  Schon  hierdurch  können  mannigfaltige  individuelle 
Variationen  hervorgerufen  werden.  Sie  werden  noch  verwickelter,  wenn  ein  irreguläres  Zusammen- 
fließen sonst  getrennter  Furchen  stattfindet.  So  kann  die  Pars  ascendens  der  ersten  Schläfenfurche 
mit  der  Pars  horizontalis  unvereinigt  bleiben,  dagegen  mit  der  Interparietalfurche  zusammen- 
fließen. Ebenso  kann  der  hintere  Endast  der  Sylvischen  Fissur  losgetrennt  sein,  um  mit  der 
Interparietalfurche  zusammenzufließen  usw. 

Was  den  physiologischen  Wert  der  Übergangswindungen  betrifft,  so  könnte  man  von 
denjenigen,  die  im  Verlauf  einer  normalen  Furche  vorkommen  und  oberflächlich  bleiben,  glauben, 
sie  stellten  eine  Art  Hemmungsbildung,  ein  Zurückbleiben  auf  niederer  Stufe  dar.  So  wird  es  sich 
auch  in  der  Tat  verhalten  in  Fällen,  in  welchen  eine  zusammengesetzte  Furche  einfach  unterbrochen 
wird.  In  der  Regel  aber  verlaufen  die  Übergangswindungen  mehr  oder  weniger  stark  geschlängelt 
und  sind  als  Erzeugnis  eines  gesteigerten  Wachstums  aufzufassen,  welches  die  Enden  der  Teilstücke 
nebeneinander  vorbeiführte;  statt  sie  ineinander  münden  zu  lassen,  sind  sie  übereinander  hinaus- 
gelangt. So  sind  sie  beteiligt  bei  der  Ausbildung  des  Windungsreichtums.  Da  die  Primär- 
furchen vorherrschend  sagittal  verlaufen,  werden  die  sie  unterbrechenden  geschlängelten  Übergangs- 
windungen dazu  beitragen  müssen,  dem  Gehirn  einen  mehr  transversalen  Typus  der  Windungen 
zu  verleihen.  So  kann  gerade  der  Mangel  an  Tiefenwindungen  und  der  vorherrschende  sagittale 
Windungstypus  als  der  inferiore  gegenüber  dem  anderen  erscheinen,  und  kann  umgekehrt  die  Zer- 
sprengung  der  typischen  Furchen  unter  Umständen  ein  Zeichen  weiterer  Entwicklung  sein. 

5.  Korrelation  der  Hirnfurchen  und  Hirnwindungen. 

Wenn  eine  bedeutende,  schon  in  der  Fetalzeit  auftretende  primäre  Hirnfurche  einen  stärker 
irregulären  Verlauf  hat,  so  wird  es  leicht  geschehen  können,  oft  geschehen  müssen,  daß  andere, 
zumal  benachbarte  Furchen  davon  beeinflußt  und  ihrerseits  von  der  Norm  abgelenkt  werden.  Schon 
jene  erste  ungewöhnliche  Furche  wird  ein  Zeichen  sein  von  geänderten  Wachstumsvorgängen,  die 


Das  Gehirn:  Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären.  131 

nicht  an  Ort  und  Stelle  liegen  müssen,  sondern  auch  aus  weiterer  Ferne  ihre  Wirkung  geltend 
machen  können.  Irregularitäten  kommen  daher  an  einem  Gehirn  oft  nicht  vereinzelt,  sondern  ge- 
häuft vor.  Es  wäre  eine  dankbare  Aufgabe,  schon  von  rein  mechanischen  Gesichtspunkten  aus  das 
Problem  der  Korrelation  der  Hirnfurchen  an  einem  Körper  von  gleicher  Form  und  ähnlichen  physi- 
kalischen Verhältnissen  genauer  zu  untersuchen,  als  es  bisher  geschehen  ist. 

6.  Irreguläre  Hirnfurchung  und  Verbrechertypus. 

Über  diesen  Gegenstand  gibt  es  bereits  eine  kleine  Literatur.  Man  hat,  was  nahe  lag,  irregu- 
lären Windungstypus  mit  psychischer  Störung,  dabei  auch  mit  der  Anlage  zu  Verbrechen  in  Ver- 
bindung gebracht.  Der  Gegenstand  ist,  was  den  letzteren  Punkt  betrifft,  noch  nicht  hinreichend 
erledigt,  so  daß  es  genügen  wird,  hierauf  hingewiesen  zu  haben. 

7.  Variabilität  der  Hirnwindungen. 

a)  Die  Windungen  beider  Hemisphären. 

Die  Anordnung  der  Furchen  auf  beiden  Hemisphären  eines  und  desselben  Gehirns  ist  nur  selten 
bis  zu  einem  gewissen  genaueren  Grade  symmetrisch,  wie  schon  erwähnt  wurde.  Die  Abweichungen 
können  sehr  beträchtlich  sein.  Eine  etwas  genauere  symmetrische  Anordnung  hat  man  sogar  als  ein 
schädliches  Moment  und  als  disponierend  zu  Geisteskrankheiten  betrachtet. 

G.  Retzius  (1896)  findet  an  35  rechten  und  40  linken  männlichen  Hemisphären,  bei  Ver- 
gleichung  der  prozentischen  Zahlen,  im  großen  und  ganzen  die  Unterschiede  der  Furchung  nur 
unbedeutend.     Kleinere  Abweichungen  sind  nach  ihm  eher  als  zufällig  zu  betrachten. 

b)  Individuelle  Verschiedenheiten  der  Furchen  und  Windungen. 

Der  Reichtum  an  sekundären  und  besonders  an  tertiären  Windungen  kann  individuell  sehr 
verschieden  sein.  Dies  ist  schon  bei  gleich  großen  Gehirnen  der  Fall  und  kann  bei  größeren  sich 
noch  wesentlich  steigern. 

Die  wichtigsten  individuellen  Variationen  wurden  bereits  im  Vorausgehenden  hervorgehoben. 
Im  allgemeinen  ist  noch  hinzuzufügen,  daß  die  Fissuren  zwar  konstant  vorkommen,  dennoch  aber 
sogar  bei  ihnen  Verschiedenheiten  in  Richtung,  Länge  und  Tiefe  gefunden  werden.  Was  die  Primär- 
furchen betrifft,  so  können  von  ihnen  einzelne  sogar  fehlen.  Sernoff  stellte  an  100  Gehirnen, 
die  auf  die  Konstanz  der  Furchen  untersucht  wurden,  fest,  daß  der  Sulcus  frontalis  superior  und 
inferior,  ebenso  der  S.  interparietalis  zwar  in  der  Mehrzahl  der  Fälle,  aber  nicht  konstant  vorkommen. 
Der  Sulcus  centralis,  praecentralis  inferior,  temporalis  superior,  occipitotemporalis,  cinguli  und  olfac- 
torius  fehlten  in  keinem  Falle.  Was  den  Sulcus  olfactorius  betrifft,  so  ist  sein  Vorkommen  vielleicht 
durch  die  Konstanz  des  Riechlappens  bedingt,  und  es  ist  fraglich,  ob  er  bei  mangelndem  Riech- 
lappen zur  Ausbildung  käme.  Er  kann,  da  besondere  Verhältnisse  bei  seiner  Entstehung  mitwirken, 
nicht  unmittelbar  mit  den  übrigen  verglichen  werden.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  fand  Sernoff 
außer  den  genannten  noch  den  Sulcus  praecentralis  superior,  retrocentralis,  temporalis  inferior  und 
orbitalis  entwickelt. 

cj  Einfluß  des  Alters. 

Die  Entwicklung  der  Fissuren  und  primären  Furchen  vollzieht  sich  schon  innerhalb  des  intrau- 
terinen Lebens.  Die  Entwicklung  der  sekundären  und  tertiären  Furchen  ist  dagegen  mit  der -Geburt 
noch  nicht  abgeschlossen,  sondern  dauert  noch  einige  Zeit  nach  derselben  (nach  Sernoff  nur  einen 
Monat)  fort.  Engel  stellte  fest,  daß  auffallend  breite  Gyri  besonders  in  der  Blüte  der  Jahre  (bei 
Männern)  vorkommen,  bei  jüngeren  und  älteren  Personen  aber  fehlen.  Die  Stellung  des  Sulcus  cen- 
tralis erfährt  im  Laufe  des  Wachstums  eine  Änderung  (Hamy),  indem  diese  Furche  bei  Kindern 
schräger  gestellt  ist  als  bei  Erwachsenen;  der  nach  vorn  offene  Winkel,  welchen  sie  mit  der  Median- 
linie bildet,  nimmt  von  52  bis  70  Grad  zu.  Hieran  ist  die  stärkere  Ausbildung  der  dritten  Stirn- 
windung beim  Erwachsenen  beteiligt. 

d)  Einfluß  der  Schädelform. 
Das  dolichocephale  Gehirn  zeichnet  sich  aus  durch  überwiegend  longitudinale  Ausbildung 
der  Windungen,  das  brachycephale  durch  die  Neigung  zur  Bildung  transversaler  Windungen.  Die 
typischen  sagittalen  Windungen  entwickeln  zahlreiche  quere  Seitenbrücken,  die  schräg  gestellten 
werden  der  transversalen  Stellung  genähert.  Dies  gilt  besonders  von  den  Zentralwindungen  und 
Scheitelwindungen. 

7* 


132  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

e)  Einfluß  der  Rasse. 

Die  typischen  Furchen  und  Windungen  kehren  bei  den  Gehirnen  aller  Rassen  wieder,  was 
Tiedemann  zuerst  am  Gehirn  des  Negers  und  Buschmannes  zeigte.  Neuere  Untersuchungen 
an  Negerhirnen  weisen  nach,  daß  im  Windungscharakter  sich  eine  größere  Einfachheit  ausspricht,  als 
beim  Weißen.  In  9  von  13  Fällen  war  die  Insel  nicht  ganz  bedeckt.  In  einem  Falle  lag  die  sonst 
versteckte  Zwickelwindung  oberflächlich,  wie  bei  den  Affen.  Von  neueren  Arbeiten  auf  diesem  Gebiet 
seien  folgende  erwähnt: 

Retzius,  G.,  Das  Menschentum,  mit  Atlas  von  96  Tafeln.  Stockholm  1896.  —  Weinberg,  R., 
Das  Gehirn  der  Esten,  mit  12  Tafeln.  Kassel  1895.  —  Das  Gehirn  der  Letten,  mit  Atlas  von 
20  Tafeln.    Kassel  1896. 

Die  von  verschiedenen  Seiten  ausgehenden  Bestrebungen,  allmählich  eine  Rassenanatomie 
des  Gehirns  zu  schaffen  —  unter  allen  Organen  ist  das  Gehirn  der  in  der  Rassenanatomie  am  meisten 
zurückgesetzte  Teil  geblieben  — ,  verdienen  alle  Aufmunterung;  denn  es  ist  gewiß,  daß  wir  uns  noch 
in  den  Anfängen  dieser  Lehre  befinden,  nicht  allein  bezüglich  der  Windungen  des  Endhirns,  sondern 
bezüglich  der  gesamten  Hirnmorphologie.  Jeder,  der  Gelegenheit  hat,  Rassenhirne  zu  sammeln  oder 
zu  untersuchen,  muß  die  Gelegenheit  auch  ergreifen,  um  dem  noch  bestehenden  Mangel  abzuhelfen. 
Vor  allem  ist  zu  wünschen,  daß  von  kundiger  Hand  zahlreiche  Gehirne  der  Australneger  gesammelt 
werden.  Es  müssen  allmählich  sämtliche  Rassen  und  ihre  Unterabteilungen  in  den  Kreis  der  Unter- 
suchung gezogen  werden. 

f)  Einfluß  des  Geschlechts. 

Nach  Huschkes  und  Wagners  Beobachtungen  hat  der  Stirnlappen  im  männlichen  Geschlecht 
eine  bedeutendere  Entwicklung  als  im  weiblichen.  In  der  neueren  Zeit  ist  Rüdinger  zu  dem  gleichen 
Ergebnis  gelangt.  Er  findet,  daß  schon  im  siebenten  oder  achten  Monat  des  fetalen  Lebens  derartige 
Geschlechtsverschiedenheiten  bestehen.  Beim  männlichen  Fetus  ist  der  Stirnlappen  mächtiger  ent- 
wickelt und  früher  mit  sekundären  Windungen  versehen.  Auch  dem  Scheitellappen  des  Mannes 
kommt  nach  den  Beobachtungen  desselben  Autors  eine  bevorzugte  Ausbildung  zu. 

G.  Retzius  vergleicht  25  weibliche  mit  75  männlichen  Hemisphären  und  kommt  zu  dem 
allgemeinen  Ergebnis,  daß  die  weiblichen  Hemisphären  etwas  weniger  Abweichungen  vom  Haupt- 
typus, eine  größere  Einfachheit  und  Regelmäßigkeit  darbieten.  Die  meisten  Arten  von  Abweichungen 
sind  auch  in  den  weiblichen  Hemisphären  nachweisbar;  sie  kommen  aber  in  geringerer  Prozentzahl 
vor.  Keine  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  im  menschlichen  Gehirn  ist  nachweisbar,  welche 
für  das  männliche  oder  für  das  weibliche  Gehirn  spezifisch  wäre.  — 

g)  Einfluß  der  Erziehung. 
Ausgehend  von  dem  Satze,  daß  ein  Organ,  welches  stärker  funktioniert  und  besser  geübt  wird, 
eine  ansehnliche  Entwicklung  erfährt,  werden  wir  den  Satz  nicht  unannehmbar  finden,  daß  das  Ge- 
hirn und  seine  Windungen  durch  Erziehung  und  Unterricht  in  ihrer  Entfaltung  individuell  günstig 
beeinflußt  werden.    Neuerdings  ist  Rüdinger  für  die  Richtigkeit  dieses  Satzes  eingetreten. 

8.  Mikrocephalengehirne. 

Am  Schlüsse  seiner  Abhandlung  „Vier  Mikrocephalengehirne"  (Biologische  Unter- 
suchungen, IX.  Bd.,  1900)  beklagt  es  Retzius,  daß  die  Mikro-  bezw.  Mikrencephalen  von  den  Physio- 
logen und  Psychologen  so  selten  genau  untersucht  wurden,  bevor  ihre  Gehirne  zur  anatomischen 
Untersuchung  gelangten.  „Falls  eine  solche  Untersuchung  vorläge,  könnte  es  sich  für  die  Anatomie 
besser  lohnen,  diesen  Gehirnen  eine  ins  Einzelne  gehende  mikroskopische  Analyse  zu  widmen, 
die  aber  ohne  solche  Vorstudien  kaum  der  Mühe  wert  ist." 

Ohne  Zweifel  wird  mit  der  Erfüllung  dieser  Bedingung  die  mikroskopische  Untersuchung 
interessantere  Aufschlüsse  liefern  können;  aber  man  vermißt  sie  dennoch  auch  im  anderen  Falle 
sehr  bedeutend;  wäre  nur  der  Erhaltungszustand  der  betreffenden  Gehirne  häufiger  ein  besserer, 
als  es  der  Fall  zu  sein  pflegt.  Schon  die  makroskopische  Untersuchung  hatte  mit  diesem  Übel- 
stande bisher  teilweise  schwer  zu  kämpfen. 

Mikrocephalengehirne  zeigen  keinen  bestimmten  Typus,  sondern  sehr  verschiedenartige  Formen. 
Dies  beweist  schon  die  von  Retzius  beschriebene  Reihe  für  sich  allein. 


Das  Gehirn:  Äußere  Oberfläche  der  Hemisphären. 


133 


9.  Windungen  von  Tiergehirnen. 

Die  vergleichende  Anatomie  der  Hirnwindungen  ist  zurzeit  ein  umfangreiches  Kapitel  der  ver- 
gleichenden Hirnlehre,  auf  das  hier  nur  kurz  verwiesen  werden  kann.  Es  wurde  schon  erwähnt,  daß 
in  allgemeiner  Hinsicht  Iissencephale  und  gyrencephale  Tiere  unterschieden  werden;  doch 
beziehen  sich  diese  Ausdrücke  nur  auf  das  Endhirn;  die  Gyrifizierung  des  Kleinhirns  ist  von  der  des 
Endhirns  ganz  unabhängig  und  ist  in  einem  sehr  viel  größeren  Tierkreise  anzutreffen. 

Von  dem  Verhältnis  der  Endhirnfurchung  zur  Tiergrüße  ist  bereits  unter  Nr.  3  die  Rede  gewesen. 
Ebenso  wurde  schon  hervorgehoben,  daß  jeder  Tiergattung,  wofern  sie  überhaupt  Endhirnfurchung  be- 
sitzt, ein  besonderer  Windungsplan  zukommt.  Alle  diese  gruppieren  sich  um  mehrere  Hauptwindungs- 
pläne mit  vielen  Unterabteilungen. 


Fig.  140.  Fig.  141. 

Fig.  140.  Laterale  Fläche  der  linken  Endhirn-Hemisphäre  elnes;Orang-Utan.  (Sammlung  des  zoologischen  Institutes  zu 
Leipzig.)  fm  Sulcus  frontomarginalis;  Ol  Sulcus  orbitalis  lateralis;  oi  Sulcus  orbitalis  medius;  ra  Ramus  anterior  fissurae 
lateralis;  fs  Fissura  lateralis;  t1  Sulcus  temporalis  superior;  t2  Sulcus  temporalis  medius;  r3  hinteres  Ende  des  Sulcus 
temporalis  tertius;  fs  Sulcus  frontalis  superior;  fi  Sulcus  frontalis  inferior;  pc  Sulcus  praecentralis. inferior;  c  Sulcus  centralis; 
ps  Sulcus  postcentralis  superior;  p  Sulcus  interparietalis ;  ot — ot1  Sulcus  occipitalis  transversus  (Affenspalte);  cm  dorsaler 
Einschnitt  des  Sulcus  calloso-marginalis ;  po  Fissura  parieto-occipitalis ;  fc  Endstück  der  Fissura  calcarina.     /  Gyrus  frontalis 

superior;   //  Gyrus  frontalis  medius;    ///  Gyrus  frontalis  inferior  s.  tertius. 

Fig.  141.    Linke  Hemisphäre  des  Gehirnes  eines  Hundes.     1  Sulcus  cruciatus  (Sulcus  centralis);  2,  2,  2  Fissura  lateralis; 

3  Lobus  olfactorius;  4  Gyrus  praecentralis;  5  vorderer  Teil  des  Stirnlappens;  der  Stirnlappen  ist  schraffiert. 


Dem  menschlichen  Typus  der  Endhirnwindungen  steht  derjenige  der  Anthropoiden  begreiflicher- 
weise sehr  nahe ;  beide  sind  Unterabteilungen  desselben  Hauptplanes.  Es  fehlt  nicht  an  Unterschieden 
gegenüber  dem  menschlichen  Typus;  sie  prägen  sich  insbesondere  im  Stirn-  und  Hinterhauptlappen 
aus.  Welches  Anthropoidengehirn  dem  menschlichen  am  meisten  benachbart  sei,  unterliegt  noch  ge- 
wissen Zweifeln,  Rauber  hält  dafür  dasjenige  des  Orang-Utan.  Wie  sehr  verschieden  manche  Fragen 
der  Furchung  des  Anthropoidengehirns  noch  beantwortet  werden,  darüber  belehrt  neuerdings  die 
sorgfältige  Arbeit  von  Marchand  „Über  die  Morphologie  des  Stirnlappens  und  der  Insel  derAnthro- 
pomorphen*.  Aus  einer  von  Rauber  schon  vor  Jahren  ausgeführten,  bisher  aber  nicht  veröffent- 
lichten Untersuchungsreihe,  welcher  auch  die  von  Marchand  erwähnten  Gipsabgüsse  von 
Anthropoidengehirnen  ihren  Ursprung  verdanken,  sei  hier  nur  eine  dorsolaterale  Ansicht  des  Orang- 
hirnes beigefügt,  um  eine  Vergleichung  mit  dem  menschlichen  anzuregen.  Gegenüber  anderen 
Deutungen  der  Furchen  des  Oranghirnes,  als  sie  hier  gegeben  ist,  hält  Rauber  die  vorliegende 
Bezeichnung  der  Furchen  und  Windungen  für  die  zutreffende.    Fig.  140. 

Einem  entfernten  Windungsplane  gehört  das  Endhirn  des  Hundes  an,  worüber  Fig.  141  zu 

vergleichen  ist. 

Literatur. 

L.,  Beiträge  zur  Affenanatomie:   Über  das  Gehirn  des  Orang-Utan.    Petrus  Camper. 
—  Fischer,  E.  K.,  Windungen  und  Furchen  des  kindlichen  Gehirns  im  ersten  halben 


Bolk 
Bd.  I,  1901. 


134  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Lebensjahre.  Petersburg  1902.  —  Guszmann,  J.,  Beitrag  zur  Morphologie  der  Gehirnoberfläche. 
Anat.  Anz.  XIX,  1901.  G.  beschreibt  das  Gehirn  des  Musikers  R.  Lenz,  der  Lobulus  parietalis 
inferior  zeigt  beiderseits  eigenartige  Gestaltung. — Retzius,  G.,  Das  Menschenhirn,  Stockholm  1896. 
—  Derselbe.  Das  Gehirn  des  Mathematikers  Sonja  Kowalewski.  Biol.  Unters.  IX,  1900.  —  Der- 
selbe, Das  Gehirn  des  Astronomen  Hugo  Gyldens.  Biol.  Unters.  VIII,  1898.  —  Derselbe,  Das 
Affenhirn.  Stockholm,  Jena  1906.  —  Sperino,  G.,  Descrizione  morfologica  dell'  encefalo  del  Prof. 
Carlo  Giacomini.  Internat.  Monatsschr.  XVIII,  1901.  —  Waldey  er,  W.,  Hirnfurchen  und  Hirn- 
windungen. Hirnkommissuren,  Hirngewicht.  Merkel  u.  Bonnet,  Ergebnisse  VIII,  1898.  —  Derselbe, 
Topographie  des  Gehirns.  Nach  einem  Vortrage.  Leipzig  1901.  —  Ziehen,  Th.,  Das  Zentralnerven- 
system  der  Monotremen  und  Marsupialier,  I.Teil,  1897.  —  Zuckerkand!,  Zur  Morphologie  des 
Affenhirns.    Zeitschr.  Morphol.  und  Anthropol.  IV,  1902. 

II.  Ventrikuläre  Oberfläche  der  Hemisphären. 

Die  innere  oder  ventrikuläre  Oberfläche  des  Endhirns  liegt  in  den  Wänden 
eines  in  der  Hemisphäre  enthaltenen  flachen,  langgestreckten  Hohlraumes  zutage, 
der  die  äußere  Form  der  Hemisphäre  nachahmt  und  als  Seitenventrikel, 
Ventriculus  lateralis,  schon  Erwähnung  gefunden  hat. 

Jedem  der  vier  Lappen  der  Großhirnhemisphäre  entspricht  ein  Abschnitt  des 
Seitenventrikels.  Das  Vorderhorn,  Cornu  ant.,  liegt  im  Stirnlappen,  der 
zentrale  Teil,  Pars  centralis  im  Scheitellappen,  das  Hinterhorn,  Cornu 
post.,  im  Hinterhauptlappen,  das  Unterhorn,  Cornu  inf.,  im  Schläfen- 
lappen. 

Der  Ventriculus  lateralis  jeder  Hemisphäre  ist  mit  Ausnahme  einer  ein- 
zigen Stelle,  des  ihn  mit  dem  Ventriculus  tertius  verbindenden  wichtigen  Foramen 
interventriculare  (Monroi)  allseitig  geschlossen. 

Die  Anschauung,  die  man  von  dem  Seitenventrikel  und  überhaupt  vom 
Ventrikelsystem  des  Gehirns  durch  die  künstliche  Eröffnung  seiner  Wände  erhält, 
wird  wesentlich  ergänzt  durch  Ausgüsse  des  Ventrikels  mit  erstarrenden  Massen, 
wie  sie  zuerst  von  Rauber  und  von  Welcker  hergestellt  worden  sind  und  wie 
sie  sich  auch  durch  andere  Methoden  (Platten-Modelliermethode  u.  a.)  in  vergrößertem 
Maßstabe  herstellen  lassen. 

In  Fig.  142,  welche  einen  solchen  Ausguß  widergibt,  bezeichnet  die  Ziffer  III 
den  III.  Ventrikel,  der  vorn  seitlich  durch  einen  dünnen  Stiel,  das  ausgefüllte  Foramen 
interventriculare,  in  den  Ventriculus  lateralis  übergeht.     Rückwärts  setzt  sich  der 

III.  Ventrikel  in  den  Aquaeductus  (a)  fort,  dieser  in  den  IV.  Ventrikel  (IV),  welcher 
seitliche  Ausbuchtungen  trägt,  die  nur  zu  einem  kleinen  Teil  gefüllt  sind,  die 
bekannten    Recessus    laterales    (r.  /.);    bei   /   befindet    sich   der   Giebel   des 

IV.  Ventrikels.  Betrachtet  man  den  rechten  Seitenventrikel,  so  macht  sich  das 
Cornu  anterius  als  stärkerer  vorderer  Vorsprung  (c.  a.),  das  Cornu  inferius  (c.  i.) 
als  ausgedehnter  unterer  Vorsprung,  das  Cornu  posterius  als  kleiner  hinterer  Vor- 
sprung geltend.  An  letzterem  ist  ein  medialer  Eindruck  sichtbar,  der  dem  Vogel - 
sporn  des  Hinterhorns  entspricht;  ein  stärkerer  medialer  Eindruck  liegt  auch  im 
Unterhorn  (A);  er  entspricht  der  Wölbung  des  Hippocampus.  Der  vom  Foramen 
interventriculare  bis  zur  Verbindungsstelle  des  Unter-  und  Hinterhorns  reichende 
Mittelteil  stellt  die  Pars  centralis  dar.  Deutlich  tritt  am  ganzen  Seitenventrikel 
ferner  dessen  Ringform  hervor,  welche  der  Form  des  Ringlappens  folgt  und  eine 
vordere  untere  Lücke  besitzt.  Das  Cornu  anterius,  vom  Foramen  interventriculare 
bis  zum  Vorderende  reichend,  hat  etwa  30,  das  Cornu  posterius  12 — 20,  das  Cornu 


Das  Gehirn:   Ventrikuläre  Oberfläche  der  Hemisphären. 


135 


inferius  30 — 40,  die  Pars  centralis  40  mm  Länge.  Vorder-  und  Hinterhornspitzen 
sind  in  gerader  Linie  75—80  mm  entfernt.  Die  dorsal  gelegenen  Teile  des  Ven- 
trikels divergieren  rückwärts;  zugleich  zeigen  sie  eine  S-förmige  Krümmung;  der 
vordere  Teil  kehrt  seine  Konvexität  medianwärts,  der  hintere  lateralwärts. 

Fig.  95  dagegen  zeigt  das  Ventrikel- 
system im  Medianschnitte  des  Gesamthirns. 
Vom  Seitenventrikel  ist  hier  natürlich  nichts 
wahrzunehmen.  Man  sieht  nur  zwischen  Ge- 
wölbe und  Sehhügel  die  kleine  Pforte  des 
III.  Ventrikels,  welche  in  den  Seitenventrikel 
führt,  das  Foramen  interventriculare. 

Retzius,  A.,  Die  Gestalt  der  Hirnventrikel  des 
Menschen.  Nach  jMetallausgüssen  dargestellt.  Biolog. 
Unters.  IV,  1900. 

Wände  des  Seitenventrikels. 

a)  Cornu  anterius.     Fig.  99,  100,  103,  108, 
126—132. 

1.  Nucleus  caudatus,  Schweif- 
kern. Als  ein  Teil  des  Bodens  und  der 
lateralen  Wand  des  Ventrikels  fällt  vor  allem 
ein  grauer  Hügel  auf,  Nucleus  caudatus, 
welcher  aus  einem  am  Vorderhorn  gelegenen 
dicken  Kopfe,  Caput  nuclei  caudati, 
und  einer  dünnen,  nach  hinten  und  in  das 
Unterhorn  ziehenden  Verlängerung,  Seh  weif, 
Cauda  nuclei  caudati,  besteht.  Im  Unter- 
horn bildet  der  langgestreckte  Schweif  einen 
Teil  des  Daches  des  Unterhornes  und  geht 
als  schmaler  Streifen  am  Vorderende  des  Horns  in  den  Nucl.   amygdalae  über. 

Der  Nucleus  caudatus  ist  also  ein  vorn-unten  offener  Ring,  ähnlich  dem 
Thalamus,  an  dessen  lateraler  Seite  gelegen  er  rückwärts,  abwärts  und  vonvärts 
zieht;  der  Kopf  hat  2  cm  größte  Breite  und  endet  vorn  abgerundet.  Seine  Kon- 
vexität ist  medianaufwärts  gerichtet.  An  der  Umbiegungsstelle  in  das  Unterhorn 
hat  der  Schweif  eine  Breite  von  etwa  3  mm,  die  sich  nach  unten  und  vorn  ver- 
mindert.   Die  freie  Fläche  ist  vom  Ependym  bekleidet. 

2.  Corpus  callosum.  Das  Dach  des  Vorderhorns  wird  vom  Corpus  cal- 
losum  gebildet.  Das  Knie  des  Balkens  schließt  den  Seitenventrikel  vorn  ab, 
bildet  also  die  vordere  Wand  und  noch  einen  Teil  der  unteren  Wand  des- 
selben.    Fig.  97. 

3.  Septum  pellucidum.  Es  bildet  die  mediale  Wand  des  Vorderhorns  und 
des  vorderen  Teiles  der  Pars  centralis  des  Ventrikels.     Fie;.  100,    103,   108,   126. 


Fig.  142. 

Ausguß  des  Ventrikelsystems. 

(Nach  R  a  u  b  e  r  und  W  e  1  c  k  e  r.)  ca.  2  : 3. 
IV  Vierter  Ventrikel  mit  dem  Zelte  /  (Fastigium)  und 
den  Recessus  laterales (r. /.);  a  Aquaeductus;  ///dritter 
Ventrikel;  F.M.  Verbindung  des  dritten  Ventrikels 
durch  das  Foramen  interventriculare  mit  dem  linken 
Seitenventrikel.  Am  Ausgusse  des  rechten  Seiten- 
ventrikels bedeutet  ca.  das  Cornu  anterius;  c.p.  das 
Cornu  posterius  ;   b  Trigonum  collaterale ;   c.  i.  Cornu 

inferius  mit  h.  Abdruck  des  Hippocampus. 


b)  Pars  centralis.     Fig.  99,  100,  128,   129. 
Die  Pars  centralis  ist  eine  niedrige  bis  15  mm  breite  Spalte,  deren  vom  Balken 
gebildetes  Dach  jederseits  unter  sehr  spitzem  Winkel  an  den  Boden  grenzt,  wie 
die  Fig.  128,  129  deutlich  zeigen.    Der  Boden  wird  lateral  vom  Nucleus  caudatus 


136  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

gebildet;  medial  folgen  die  Stria  terminalis,  die  Lamina  affixa,  welche  die 
Thalamusoberfläche  bedeckt,  der  Plexus  chorioideus  ventriculi  lateralis  mit 
seiner  Epithelbekleidung,  die  dorsale  Fläche  des  freien,  mit  dem  Balken  nicht 
verwachsenen  Teiles  des  Fornix. 

1.  Stria  terminalis.  Der  Grenzstreif  ist  ein  schmaler,  zwischen  Thalamus 
und  Nucleus  caudatus  hinziehender  Streifen,  welcher  infolge  einer  dicht  unter  der 
Oberfläche  gelegenen,  seiner  Bahn  folgenden  Vene,  V.  terminalis,  oft  ein  bläuliches 
oder  bräunliches  Aussehen  besitzt.     Fig.  99,  100,  108. 

2.  Lamina  affixa  (Fig.  108)  ist  eine  dünne  Substanzschicht,  welche  die 
V.  terminalis  zudeckt  und  sich  als  dünnes  Blatt  über  den  anstoßenden  Teil  des 
Sehhügels  fortsetzt.  Dann  geht  sie  in  das  Epithel  des  Plexus  chorioideus  ventri- 
culi lateralis  über.  Die  Breite  der  Lamina  affixa  nimmt  von  vorn  nach  hinten  erst 
zu  und  dann  wieder  ab,  sie  erreicht  im  Maximum  5 — 6  mm.  Entfernt  man  den 
Plexus  chorioideus  ventriculi  lat,  so  kommt  der  mediale  Rand  der  Lamina  affixa 
deutlich  zu  Gesicht.     Er  wird  als  Taenia  chorioidea  bezeichnet.     Fig.  108. 

Im  Unterhorn  kommt  die  Taenia  chorioidea  dicht  an  die  Stria  terminalis  zu  liegen. 

Die  Taenia  chorioidea  steigt  neben  der  Cauda  nuclei  caudati  in  das  Unterhorn  herab  bis 
zu  dessen  vorderem  Ende.  Hier  biegt  sie  in  den  Saum  der  Fimbria  hippocampi  um  und  geht  so 
in  die  Taenia  fornicis  über.  Die  beiden  Fornixtaenien  verbinden  sich  schließlich  über  dem 
Monroschen  Loche  (For.  interventriculare)  in  der  Mittellinie. 

Die  Lamina  affixa  ist,  wie  dies  neuerdings  auch  Hochstetter  betont,  gleich  dem  Epithel 
des  lateralen  Adergeflechtes  und  gleich  dem  Fornix  und  dem  Septum  pellucidum  ein  Rest  der 
medialen  Hemisphärenwand. 

3.  Plexus  chorioideus  ventriculi  lateralis,  siehe  Hirnhäute. 

4.  Fornix,  siehe  weiße  Substanz  des  Endhirnes. 

c)  Corna  posterius.     Fig.  99,  100,  103,  118,  131. 

Das  Hinterhorn  ist  eine  lateral  konvexe,  medial  konkave  Spalte,  deren  Spitze 
dem  Occipitalpol  sich  zuwendet.     Der  Querschnitt  ist  ungefähr  dreiseitig. 

Die  dorsale  Wand  wird  von  der  Balkenstrahlung  gebildet.  Die  ventrale 
Fläche  wird  von  Markteilen  des  Hinterhauptlappens  getragen.  Die  mediale  Wand 
zeigt  meist  zwei  übereinander  liegende  Längswülste*  von  welchen  der  konstante 
untere,  Calcar  avis,  Vogelsporn  (Fig.  99,  118),  durch  das  tiefe  Eindringen 
der  Fissura  calcarina  (Fig.  131),  der  obere,  Bulbus  cornu  posterioris,  durch 
die  hinteren  Teile  der  Balkenstrahlung  erzeugt  wird.  Der  Boden  des  Hinter- 
hornes  ist  meist  mehr  oder  weniger  stark  gewölbt. 

d)  Cornu  inferius.  Fig.  118,  129,  144. 
Das  Unterhorn  erstreckt  sich  bis  auf  12  mm  Entfernung  vom  Vorderende 
des  Uncus  gyri  hippocampi  und  hat  dreiseitigen  Querschnitt.  Der  Boden  des 
Unterhornes  ist  die  Fortsetzung  des  Bodens  des  Hinterhornes  nach  unten  und 
vorn;  er  zeigt  lateral  einen  mehr  oder  weniger  starken  Längswulst,  Eminentia 
collateralis,  der  an  der  Grenze  des  Hinterhornes  als  Trigonum  collaterale 
beginnt  und  durch  das  tiefe  Eindringen  der  Fissura  collateralis  erzeugt  wird.  Das 
Dach  des  Unterhornes  wird  wie  das  Dach  des  Hinterhornes  vor  allem  durch  die 
Strahlung  des  Balkens  gebildet.  Dieses  Dach  der  beiden  Hörner  heißt  insbesondere 
Tapetum,  die  Strahlung  selbst  Tapetumstrahlung  des  Balkens.  Das  Dach 
des  Unterhornes  besteht  aber  ferner  noch  aus  dem  medial  gelegenen  Schweife  des 


Das  Gehirn:   Die  grauen  Kerne  des  Endhirnes.  137 

Nucleus  caudatus  und  aus  dem  an  seiner  medialen  Seite  dahinziehenden  Teil  der 
Stria  terminalis  und  der  Taenia  chorioidea. 

Die  größte  Merkwürdigkeit  besitzt  das  Unterhorn  aber  in  dem  Hippocampus 
s.  Cornu  Ammonis.     Fig.  118,  144. 

An  der  unteren  und  der  medialen  Wand  des  Unterhornes  gelegen,  stellt  dieser 
einen  halbmondförmig  gekrümmten,  50  mm  langen  Wulst  dar,  welcher  vor  dem 
Bulbus  cornu  posterioris  beginnt  und  mit  lateral  gerichteter  Konvexität  nach  vorn 
verläuft.  Auf  diesem  Wege  nimmt  er  an  Breite  und  Höhe  zu  und  zeigt  sich  im 
vorderen  breiteren  Teile  durch  2 — 4  seichte  Eindrücke  in  eine  wechselnde  Anzahl 
nebeneinander  liegender  Klauen,  Digitationes  hippocampi,  gegliedert. 

Besonders  deutlich  und  konstant  ist  einer  dieser  Wülste,  der  mediale,  der 
sich  in  den  Uncus  gyri  hippocampi  fortsetzt.  Von  den  Crura  fornicis  ist  hier  vor- 
greifend zu  erwähnen,  daß  sie  als  Fimbria  hippocampi  dem  Hippocampus  in 
das  Unterhorn  folgen,  zwischen  dem  Hippocampus  und  der  Fascia  dentata  ihre 
Lage  haben  und  an  den  Hippocampus  befestigt  sind,  in  welchen  ein  Teil  ihrer 
Faserung  ausstrahlt. 

Die  mediale  Wand  des  Unterhornes  wird  aber  nicht  allein  vom  Hippo- 
campus gebildet,  sondern  auch  vom  Plexus  chorioideus  ventriculi  lateralis. 

Der  letztere  setzt  sich  von  der  Pars  centralis  aus  in  das  Unterhorn  fort,  ohne  in  das  Hinter- 
horn  einzudringen,  oder  letzteres  nur  mit  einem  stumpfen  Fortsatze  beteiligend.  Er  ist  an  der 
Taenia  chorioidea  des  Unterhornes  und  am  Rande  der  Fimbria  hippocampi,  welcher  Taenia 
fimbriae  genannt  wird,  befestigt.  Über  die  Hauptverhältnisse  der  verschiedenen  Teile  des  Unter- 
hornes orientieren  Querschnitte  besonders  leicht;  siehe  Hirnhäute. 

Die  Hirnwindung  des  Schläfenlappens,  welche  den  Hippocampus  trägt  und  durch  Umrollung 
sich  in  denselben  fortsetzt,  ist  der  Gyrus  hippocampi.  Basal  von  der  Fimbria,  medial  vom 
Hippocampus  liegt  der  freie  Vorsprung  der  sonderbaren  Fascia  dentata  hippocampi.  Man 
erkennt,  daß  sowohl  der  Hippocampus  als  auch  die  Fascia  dentata  nichts  anderes  sind,  als  modi- 
fizierte Gyri;  dies  zeigt  auch  die  mikroskopische  Untersuchung;  siehe  weiter  unten. 

Barrat,  J.  O.  W.,  The  form  and  form-relations  of  the  human  cerebral  ventricule  cavity. 
Journ.  Anat.,  Phys.  Bd.  36,  1902. 

III.  Die  grauen  Kerne  des  Endhirnes. 

Außer  der  grauen  Rinde  besitzen  die  Hemisphären  noch  andere  graue  Massen, 
die  in  ihrem  Inneren  gelegen  sind  und  daher  graue  Kerne  oder  Ganglien  des 
Endhirnes  genannt  werden.  Es  sind  ihrer  jederseits  vier  vorhanden:  Nucleus  cau- 
datus, Nucleus  lentiformis,  Claustrum  und  Nucleus  amygdalae;  man  sieht,  daß  die 
Namen  ihrer  Form  entlehnt  sind. 

Sie  stellen  zusammen  nur  einen  kleinen  Bruchteil  der  grauen  Substanz  der  Hemisphäre  dar, 
und  man  erkennt,  daß  die  überwiegenden  Funktionen  notwendigerweise  nicht  im  Inneren  des 
Hirnes  sich  abspielen,  wie  es  der  Anfänger  sich  vorzustellen  pflegt,  sondern  in  der  Peripherie 
desselben.  Immerhin  aber  sind  die  grauen  Kerne  bedeutungsvolle  Gebilde  und  bedürfen  ebenso 
genauer  Erforschung,  wie  die  übrigen  Teile  des  Gehirnes. 

1.  Nucleus  caudatus,  Schweifkern.    Fig.  108,  126 — 132. 

Er  hat  keulenförmige  Gestalt,  folgt  ganz  dem  Verlaufe  des  Seitenventrikels 
und  hat  dessen  Breite.  Man  unterscheidet  an  ihm  das  Caput  nuclei  caudati 
und  die  Cauda  nuclei  caudati. 

Im  vorderen  Teil  ist  er  zugleich  am  dicksten  und  nimmt  nach  dem  Schwanzende  immer 
mehr  an  Masse  ab.  Mit  der  medialen  Kante  seiner  dorsalen  Fläche  stößt  er  an  die  Stria  terminalis, 
mit   der  lateralen   erreicht  er  den   lateralen   Rand  des   Seitenventrikels  und   sendet  im  mittleren 


138  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Gebiet  noch  eine  hakenförmige  Verlängerung  auf  den  lateralen  Abschnitt  des  Ventrikeldaches.  Da 
der  Schweif  des  Schweifkernes  neben  dem  Thalamus  zum  Dache  des  Untcrhornes  umbiegt,  so 
wird  der  Kern  durch  Frontal-  und  Horizontalschnitte  zweimal  getroffen  werden  können.  Die  laterale 
Fläche  des  Nucleus  caudatus  ist  der  Capsula  interna  zugewendet  und  im  Gebiet  des  Schweifes 
konvex;  im  Gebiet  des  Kopfes  ist  sie  dagegen  schwach  konkav,  zugleich  tritt  hier  der  ventrale 
Rand  mit  dem  gegenüberliegenden  ventralen  Rande  des  Nucleus  lentiformis  in  unmittelbare 
Substanzverbindung.  Außer  dieser  großen  ventralen  Brücke  kommen  weiter  dorsal  graue  Ver- 
bindungsstreifen zwischen  den  beiden  Kernen  vor.  Diese  Streifen  insbesondere  gaben  Veran- 
lassung zu  der  alten  Bezeichnung  Corpus  Stria  tum  für  beide  Kerne  und  ihre  Verbindungsstreifen. 

2.  Nucleus  lentiformis,  Linsenkern.     Fig.  126—129,  131,  132. 

Der  Linsenkern  liegt  lateral  vom  Schweifkern  und  ist  von  ihm  durch  eine 
breite  Spalte  geschieden,  welche  von  weißer  Substanz,  der  Capsula  interna, 
eingenommen  wird.  Vorn  ventral  hängt  er  mit  dem  Schweifkern  zusammen;  einen 
anderen  Zusammenhang  bewirken  die  vorher  erwähnten  Verbindungsstreifen. 

Die  mediale  Fläche  des  Linsenkernes  grenzt  an  die  Capsula  interna  und  besitzt  eine  geneigte, 
aufwärts  und  median  wärts  sehende  Lage  ;  die  lateraleFläche  steht  vertikal,  ist  leicht  gewölbt,  der  Insel- 
rinde parallel  und  grenzt  an  die  Capsula  externa.  Die  ventrale  Fläche  liegt  horizontal  und  hängt  in 
ihrem  mittleren  Teil  mit  der  grauen  Substanz  der  Substantia  perforata  anterior  zusammen.  Der 
Querschnitt  ist  hiernach  dreiseitig  und  die  Schneide  des  Keiles  gegen  den  Hirnschenkel  gerichtet. 

Am  frischen  Präparat  lassen  sich  durch  Farbenunterschiede  drei  in  Quer- 
richtung nebeneinander  liegende  Teile,  die  Glieder  des  Linsenkernes  wahr- 
nehmen. Das  äußere  Glied  ist  das  längste  und  überragt  die  beiden  anderen 
vorn  und  hinten;  es  ist  von  rotbrauner  Farbe  und  mit  feinen  weißen  Streifen 
durchsetzt.  Man  nennt  es  seit  Burdach  die  Schale,  Putamen.  Die  beiden 
inneren  Glieder  sind  blaß  und  gelbgrau;  sie  bilden  zusammen  den  Globus  palli- 
dus.  Der  vordere  Teil  der  ventralen  Fläche  oder  der  Basis  des  Linsenkernes 
wird  von  der  Commissura  anterior  cerebri  gekreuzt  und  erhält  von  ihr  eine  Furche. 
Der  vordere  Teil  des  Linsenkernes,  der  allein  aus  dem  Putamen  besteht,  ist  ver- 
glichen mit  dem  Querschnitte  des  Kopfes  des  geschwänzten  Kernes  sehr  klein;  er 
erstreckt  sich  auch  nicht  so  weit  nach  vorn  wie  der  Kopf  des  Nucleus  caudatus, 
welcher  von  allen  Ganglien  am  weitesten  nach  vorn  reicht. 

Sehr  instruktive  Bilder  gewähren  auch  Horizontalschnitte,  die  besten  aber  plastische 
Konstruktionen  nach  Schnittserien.  Ein  Horizontalschnitt  zeigt  die  schwach  konvexe  Außen-  und 
die  stark  konvexe,  aus  zwei  Teilen  bestehende  Innenwand  des  Linsenkernes,  so  daß  man  auch  hier 
drei  Seiten  unterscheiden  kann.  Die  größere  äußere  Seite  sieht  zur  Capsula  externa,  die  vordere 
zum  Nucleus  caudatus,  die  hintere  zum  Sehhügel.  Fig.  131,  132.  Dem  Übergange  der  vorderen 
in  die  hintere  Seite  entspricht  das  wichtige  Knie  der  inneren  Kapsel  und  die  Stria  terminalis. 
Auf  Sagittalschnitten  hat  der  Linsenkern  die  Form  einer  bikonvexen  Linse.  Vorn  und  hinten  ist 
der  ventrale  Rand  frei,  in  der  Mitte  aber  mit  der  Substantia  perforata  anterior  verbunden. 

3.  Claustrum,  Vormauer.     Fig.  126—129,  131,  132. 

Dieser  flächenhaft  ausgebreitete  Kern  liegt  an  der  äußeren  Seite  der  Capsula 
externa  und  stellt  eine  schmale,  1 — 2  mm  dicke  Platte  grauer  Substanz  dar,  die 
sich  ventralwärts  auf  das  Doppelte  verdickt  und  hier  medial  mit  der  Substantia 
perforata  anterior  zusammenhängt. 

Die  mediale  Fläche  ist  glatt,  die  laterale  springt  von  Strecke  zu  Strecke 
leistenartig  vor.  Von  der  grauen  Rinde  der  Insel  ist  die  Vormauer  durch  ein 
ansehnliches  Marklager  getrennt,  welches  Capsula  extrema  genannt  wird. 


Das  Gehirn:   Die  weiße  Substanz  des  Endhirnes.  139 

4.  Nucleus  amygdalae,  Mandelkern.     Fig.  128. 

In  der  Nähe  des  Schläfenpoles  der  Hemisphäre,  vor  der  Spitze  des  Unter- 
hornes,  springt  er  in  Form  eines  vor  dem  Ende  des  Hippocampus  gelegenen 
Wulstes  gegen  die  Höhle  des  Unterhornes  und  gegen  das  Marklager  der  Hemi- 
sphäre vor  und  hängt  mit  der  Rinde  des  Gyrus  hippocampi  sowie  mit  der  Sub- 
stantia  perforata  anterior  zusammen. 

Claustrum  und  Nucleus  amygdalae  sind  abgespaltene  Teile  von  den  tieferen  Schichten  der  grauen 
Substanz  und  zwar  die  Vormauer  von  der  Inselrindc,  der  Mandelkern  von  der  Rinde  des  Schläfcnlappcns. 

IV.   Die  weisse  Substanz  des  Endhirnes. 

Die  bedeutende  Entfaltung  grauer  Substanz  in  der  Rinde  und  den  Kernen 
des  Endhirnes  läßt  schon  für  sich  allein  entsprechende  Mengen  von  weißer  Sub- 
stanz, d.  i.  von  Leitungsbahnen,  erwarten.  In  der  Tat  nimmt  die  weiße  Substanz 
einen  beträchtlichen  Raumteil  im  Endhirn  ein;  sie  bildet  überall  die  Ausfüllungs- 
masse" zwischen  der  Rinde,  den  Ganglien  und  dem  Ventrikelependym. 

Am  breitesten  erscheint  das  Marklager  an  einem  Horizontalschnitte,  welcher 
die  dorsale  Fläche  des  Balkens  streift.  Es  stellt  hier  ein  großes  weißes  Feld  von 
ovaler  Form  dar,  welches  den  Namen  Centrum  semiovale  (Fig.  98)  erhalten 
hat.  Sein  Außenrand  ist  reichlich  mit  Vorsprüngen  besetzt,  welche  als  Mark- 
leisten in  die  Höhlungen  der  Rindenwülste  passen.  Am  medialen  Rande  geht  das 
Centrum  semiovale  entsprechend  der  Ausdehnung  des  Balkens  unmittelbar  in  dessen 
Fasermassen  über.  An  der  Zusammensetzung  des  ganzen  Markkörpers  sind  drei 
verschiedene  Arten  von  Faserstrahlungen  beteiligt:  1.  Assoziationssysteme,  2.  Kom- 
missurensysteme,  3.  Hirnschenkelsysteme. 

/.  Assoziationssysteme.    Fig.  143. 

Assoziationssysteme  sind  kleinere  oder  größere  Faserzüge  verschiedener  La- 
gerung, welche  Verbindungen  herstellen  zwischen  näheren  und  entfernteren  Ge- 
bieten der  grauen  Substanz  derselben  Hemisphäre. 

Man  unterscheidet: 

a)  Fibrae  arcuatae  gyrorum.  Sie  wenden  sich  von  einer  Windung  bogen- 
förmig zur  benachbarten  anderen; 

b)  die  äußere  Tangentialfaserschicht  (siehe  den  Abschnitt:  Feinerer  Bau); 

c)  den  Gennarischen  Streifen  (siehe  den  Abschnitt:  Feinerer  Bau); 

d)  das  super-  und  interradiäre  Flechtwerk  (siehe  den  Abschnitt:  Feinerer  Bau); 

e)  Fasciculi  longi  (Fibrae  arcuatae  cerebri  der  B.  N.  A.).  Unter  diesem 
Namen  sind  acht  lange,  schon  makroskopisch  darstellbare  Assoziations- 
systeme vereinigt,  nämlich: 

1.  Cingulum,  Zwinge  (Burdach).  Dieser  sagittal  verlaufende  Faserzug 
liegt  in  der  Markleiste  des  Gyrus  cinguli  parallel  dem  Balken  und  dessen  dorsaler 
Fläche  dicht  anliegend,  folgt  sodann  der  Bahn  des  Gyrus  hippocampi  und  gelangt 
bis  zum  Uncus.  Das  Bündel  gibt  fortwährend  Fasern  an  die  benachbarten  Win- 
dungen ab  und  empfängt  neue.  Es  hilft  die  Substantia  reticularis  alba  des  Gyrus 
hippocampi  bilden. 

2.  Fasciculus  longitudinalis  superior,  oberes  Längsbündel  (Bur- 
dach). Es  verbindet  wesentlich  Stirn-  und  Hinterhauptlappen,  von  ersterem  be- 
sonders die  mittlere  Stirnwindung. 


140 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


3.  Fasciculus  subcallosus  (Onufrowitsch-Kaufmann),  ebenfalls  ein 
fronto-occipitales  Bündel.  Es  liegt  mit  dem  größten  Teile  seiner  Fasern  unmittel- 
bar unter  dem  Balken  und  hilft  hinten  das  Tapetum  des  Seitenventrikels  bilden. 

4.  Fasciculus  longitudinalis  inferior,  unteres  Längsbündel  (Arnold). 
Verbindung  des  Hinterhauptlappens  mit  dem  Schläfenlappen;  nach  Flechsig  aber 
mit  dem  Thalamus  einen  Teil  der  Radiatio  occipito-thalamica  bildend. 

5.  Fasciculus  uncinatus,  Hakenbündel.  Es  zieht  von  der  unteren  Stirn- 
windung über  die  Inselschwelle  zum  Gyrus  hippocampi  und  den  angrenzenden 
Teilen  des  Sichel-  und  Schläfenlappens. 

6.FasciculusverticaIis(Wernicke).Vom 
unteren  Scheitelläppchen  zum  Gyrus  fusiformis. 

7.  Das  Brocasche  Bündel.  Von  der 
Spitze  des  Hippocampus  durch  die  Substantia 
perforata  anterior  zum  Gyrus  cinguli. 

8.  Das  Gewölbe,  Fornix.  Ein  Teil 
der  Fornixfasern  geht  nicht  bis  zum  Corpus 
mamillare  herab,  sondern  endet  im  Septum  pellu- 
cidum.     Der  Fornix  ist  ein  gemischtes  System. 

f)  die  Verbindungen  des  Nucleus  lenti- 
formis  mit  dem  Nucleus   caudatus; 

g)  die  Verbindungen  dieser  beiden  und 
der  zwei  übrigen  Kerne  des  End- 
hirnes mit  der  grauen  Rinde. 


Fig.  143. 

Lange  Assoziationssysteme    der  Hemisphäre 

des  menschlichen  Endhirnes.     1:4. 

a  Fasciculus  arcuatus;  c  Cingulum ;   u  Fasciculus 

uncinatus;    li  Fasciculus   longitudinalis   inferior; 

o  Occipitalpol ;  /  Stirnpol  der  Hemisphäre. 


Das  Gewölbe,  Fornix.    Fig.  97,  100,  103,  104,  118,  127—132,  137,  144. 

Das  Gewölbe  hat  seinen  passenden  Namen  von  dem  Umstände,  daß  es  in 
langem,  an  die  Ventralseite  des  Balkens  großenteils  angeschmiegtem,  dorsal  kon- 
vexem Bogen  sich  von  den  Corpora  mamillaria  aus  bis  zum  Uncus  gyri  hippo- 
campi jeder  Seite  erstreckt,  welche  beiden  Stellen  als  die  Fußpunkte  des  Gewölbes 
betrachtet  werden  können.     Fig.  137,  144. 

Das  Gewölbe,  ein  paariges  Gebilde,  besteht  aus  einem  verborgenen  und 
einem  freien  Teil.  Letzterer  beginnt  als  sogenannte  Columna  fornicis.  Der 
verborgene  Teil,  Pars  tecta  columnae  fornicis  (Fig.  97),  liegt  im  Boden  und 
in  der  Seitenwand  des  III.  Ventrikels,  im  Höhlengrau  des  letzteren,  und  läßt 
sich  bis  zum  Corpus  mamillare  derselben  Seite  verfolgen.  Dicht  hinter  der  vorderen 
Kommissur  beginnt  der  freie  Teil  des  Gewölbes  und  steigt  als  Pars  libera 
columnae  fornicis  vom  Boden  des  III.  Ventrikels  in  die  Höhe,  begrenzt  das 
Foramen  interventriculare  (siehe  III.  Ventrikel,  S.  113)  von  vorn  und  durch- 
zieht gewölbeförmig  in  einem  unten-vorn  offenen  Bogen  die  ganze  Länge  des 
konkaven,  inneren  Randes  der  medialen  Hemisphärenfläche  bis  zum  vorderen 
Ende  des  Schläfenlappens.  In  der  vorderen  und  hinteren  Abteilung  des  Verlaufes 
sind  die  Gewölbehälften  beider  Seiten  voneinander  getrennt  (siehe  Fig.  102,  103); 
im  mittleren  Teil  aber  legen  sie  sich  an  der  ventralen  Balkenfläche  innig  an- 
einander und  bilden  hier  das  Corpus  fornicis;  es  geht  aus  der  Aneinander- 
lagerung  der  beiden  Columnae  fornicis  hervor.  Weiter  hinten  weichen  die  beiden 
Hälften  des  Corpus  fornicis  wieder  auseinander  und  heißen  alsdann  Crura  for- 
nicis, Gewölbeschenkel.     Letztere  biegen  hinter  dem  Pulvinar  thalami  in  das 


Das  Gehirn:   Die  weiße  Substanz  des  Endhirnes. 


141 


Unterhorn  des  Seitenventrikels  um,  gehen  zum  Teil  in  den  Hippocampus  über, 
zum  Teil  werden  sie  zu  einem  Saume,  Fimbria  hippocampi  (Fig  118),  welcher, 
mit  dem  Hippocampus  verbunden,  letzteren  in  das  Unterhorn  bis  zum  Haken  be- 
gleitet. So  hat  die  Fimbria  ihre  Lage  zwischen  dem  Hippocampus  und  seiner 
Fascia  dentata. 

Das  Corpus  fornicis  liegt  auf  der  Tela  chorioidea.  Sein  lateraler  Rand,  Taenia 
fornicis,  ist  mit  dem  Plexus  chorioideus  ventriculi  lat.  verbunden,  und  setzt  sich 
fort  in  die  Taenia  fimbriae. 

Das  Gewölbe  ist  durch  seine  Säulen  mit  dem  Septum  pellucidum,  durch 
seinen  Körper  und  seine  Schenkel  mit  der  unteren  Fläche  des  Balkens  ver- 
bunden, indem   letzterer  die  genannten  Teile  bedeckt.     Die  Vereinigung  des  Ge- 


Fig.   144. 

Fornix,  Hippocampus  und  Commlssura  am.  1 : 1. 
Vom  rechten  Hinterhaupt-  und  Schläfenlappen  ist  ein  dorsaler  Teil  entfernt. 
1  dorsale  Fläche  der  hinteren  Hälfte  des  Balkens,  dessen  vordere  Hälfte  durch  einen  Querschnitt  (2)  entfernt  wurde;  3  seit- 
liche Schnittfläche  des  Balkens;  4 — 5  horizontale  Schnittflächen  des  Schläfen-  und  Hinterhauptlappens;  6  Schläfenpol; 
7 — 7'  rechte  Hälfte  der  vorderen  Commissur;  8  Corpus  mamillare  dextrum  ;  9 — 9  Hirnschenkelbündel  zum  Corpus  mamillare; 
10  Columna  fornicis;  10'  dieselbe  der  linken  Seite;  11,  11  Corpus  fornicis;  12  Crus  fornicis;  121  Fimbria  hippocampi; 
13  Gyrus  hippocampi;  14  Hippocampus;  15  lateral  von  letzterem  gelegener  Teil  des  Unterhornes  und  Bahn  der  Eminentia 

collateralis;    16  Trigonum  collaterale. 


wölbes  mit  dem  Balken  ist  am  Anfange  des  Corpus  fornicis  am  innigsten.  Die 
auseinanderweichenden  Crura  fornicis  umschreiben  mit  der  unteren  Fläche  des 
Balkenwulstes  ein  gleichschenkeliges  Dreieck,  dessen  Spitze  nach  vorn  gerichtet 
ist  (Fig.  100).  Zwischen  den  seitlich  begrenzenden  Fornixschenkeln  liegt  eine 
dünne  Markplatte  mit  wesentlich  transversaler  Faserung  zutage,  welche  die  ven- 
trale Fläche  des  Balkens  bedeckt.  Sie  ist  mit  dem  Balken  häufig  nicht  voll- 
ständig verwachsen,  sondern  durch  einen  kleinen  Spaltraum  von  ihm  getrennt. 
Die  beiden  Schenkel  mit  den  quer  ausgespannten  Fäden,  oder  diese  allein, 
führten  früher  den  Namen  Psalterium  oder  Lyra  Davidis.  Jetzt  werden  sie 
als  Commissura  hippocampi,  Ammonskommissur  (Fig.  100  und  103)  be- 
zeichnet. 

Die  Columnae  fornicis  haben  einen  ovalen  Querschnitt,  das  Corpus  ist  dreiseitig,  die  Crura  sind 
platt  (Fig.  127,  128).    Die  Länge  des  freien  Gewölbes  bis  zum  fimbrialen  Ende  beträgt  gegen  9  cm. 


1  1-  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Von  den  Wurzeln  des  Gewölbes  ist  zusammenzufassen,  daß  vom  Tuberculum  anterius  thalami 
das  Vicq  d'Azyrsche  Bündel  (Fasciculus  thalamo-mamillaris)  ausgeht  und  durch  den  Thalamus  und 
das  Höhlengrau  des  III.  Ventrikels  zum  Corpus  mamillare  gelangt  (S.  109);  das  Vicq  d'Azyrsche 
Bündel  heißt  daher  auch  Radix  descendens  fornicis ;  vom  Corpus  mamillare  steigt  andererseits  die 
Pars  tecta  columnac  fornicis  auf,  ebenfalls  im  Höhlengrau  des  III.  Ventrikels,  als  erster  unmittelbarer 
Bestandteil  des  Gewölbes;  die  Columna  wird  daher  auch  Radix  ascendens  fornicis  genannt.  Fig.  97. 

2.  Kommissurensy steme. 

Während  die  Assoziationssysteme  das  Gebiet  ihrer  Hemisphäre  nicht  verlassen, 
also  in  dieser  Hemisphäre  liegende  Verbindungen  darstellen,  bilden  die  Kommis- 
surensysteme  im  Gegensatze  zu  ihnen  Verbindungen  zwischen  beiden 
Hemisphären.  Ob  sie  ausschließlich  oder  nur  teilweise  Verbindungen  zwischen 
identischen  Gebieten  beider  Hemisphären  darstellen,  steht  dahin. 

Das  Endhirn  enthält  zwei  große  Kommissurensysteme,  den  Balken  und  die 
vordere  Kommissur.  Verglichen  mit  den  Verhältnissen  des  Rückenmarkes  sind 
beide  als  dorsale  Kommissuren  zu  betrachten. 

a)  Der  Balken,  Corpus   callosum   (Commissura   maxirna).     Fig.  95,  97,  98,  126—129,  131. 

Man  unterscheidet  an  ihm  einen  freien  mittleren  Teil  und  eine  seitliche  Aus- 
strahlung: den  Balkenstamm  und  die  Balkenstrahlung  (Burdach). 

a)  Der  Balkenstamm,  Truncus  corporis  callosi,  zeigt  sich  beim  Aus- 
einanderziehen der  dorsalen  Ränder  beider  Hemisphären  als  eine  in  der  Tiefe  der 
Fissura  longitudinalis  cerebri  liegende  starke,  7 — 9  cm  lange  Markbrücke,  welche 
vom  Vorderrande  der  Hemisphäre  3,  vom  Hinterrande  5 — 6  cm  entfernt  ist;  3cm 
beträgt  auch  sein  Abstand  von  der  Mantelkante.  Die  dorsale  Fläche  des  Balkens 
ist  jederseits  von  der  überliegenden  Hemisphärenwand  durch  den  Sulcus  corporis 
callosi  abgegrenzt,  welcher  bis  5  mm  tief  eindringt.  So  kommt  es,  daß  die  freie 
Fläche  des  Balkens  eine  Breite  von  15  mm  erreicht.  Nahe  der  Mittellinie  laufen 
zwei  weiße  Längsstreifen,  die  vorn  und  hinten  etwas  auseinander  weichen:  Striae 
longitudinales  mediales  (Fig.  98).  Die  Striae  biegen  vorn  und  hinten  auf  die 
ventrale  Fläche  um.  Zwei  andere  Längsstreifen,  Striae  longitudinales  laterales, 
liegen  verdeckt  vom  Gyrus  cinguli  und  werden  nach  Ablösung  desselben  sichtbar; 
sie  gehören  ursprünglich  einem  rudimentären  Gyrus,  der  sich  hinten  in  die 
Fasciola  cinerea  und  in  die  Fascia  dentata  fortsetzt,  sowie  späterhin  dem  Cin- 
gulum  (siehe  Assoziationssysteme)  an.  Quere  Furchen  grenzen  die  Striae 
transversae  ab. 

Die  ventrale  Fläche  des  Balkens,  etwa  1  cm  von  der  dorsalen  entfernt, 
läuft  im  ganzen,  abgesehen  von  beiden  Enden,  der  dorsalen  parallel.  Die  ventrale 
Fläche  ist  in  ihrer  vorderen  Hälfte  entlang  der  Mittellinie  mit  dem  Septum  pellu- 
eidum  verwachsen,  hinter  letzterem  mit  dem  Corpus  fornicis  und  den  Crura 
fornicis.  Seitlich  vom  Septum  pellucidum  bildet  der  Balken  das  Dach  der  Vorder- 
hörner  sowie  der  Pars  centralis  des  Seitenventrikels  und  ist  von  Ependym  bedeckt. 
Der  vordere  Rand  des  Balkenkörpers  biegt  sich  (siehe  den  Medianschnitt  Fig.  97) 
in  starker  Krümmung  nach  vorn-unten  um  und  gestaltet  sich  so  zum  Balkenknie, 
Genu  corporis  callosi.  Infolge  dieser  Umbiegung  entsteht  ein  2  cm  langes 
ventrales  Horizontalstück,  welches  auf  den  Medianschnitt  keilförmig  zugeschärft 
erscheint  und  Balkenschnabel,  Rostrum  corporis  callosi,  genannt  wird. 
Das  Rostrum  läuft  seinerseits  in  ein  sehr  dünnes  Markblatt  aus,  welches  sich  nach 


Das  Gehirn:   Die  weiße  Substanz  des  Endhimcs. 


143 


hinten-unten  bis  zur  Lamina  terminalis  erstreckt  und  hier  endigt.  Dieses  1  cm 
lange  dünne  Markblatt  führt  den  Namen  Lamina  rostralis.  Der  vordere  und 
untere  Rand  des  Septum  pellucidum  ist  entlang  der  Mittellinie  am  Balkenknie  und 
Balkenschnabel  befestigt.  Auf  der  vorderen  Fläche  des  Balkenknies  dagegen 
sind  die  Fortsetzungen  der  Striae  mediales  sichtbar,  die  auf  dem  Rostrum  diver- 
gierend weiterziehen  und  jederseits  als  kleine  Wülste  bis  zur  Substantia  perforata 
anterior  gelangen;  man  nannte  sie  früher  Pedunculi  corporis  callosi,  gegen- 
wärtig dagegen  Gyrus  subcallosus.     Fig.  95,  133. 

Das  hintere  Ende  des  Balkens  ist  verdickt  und  bildet  so  den  Balken- 
wulst, Splenium  corporis  callosi.  Bei  genauerem  Zusehen  jedoch  findet 
etwas  Ähnliches  statt  wie  vorn;  auch  hier  rollt  sich 
der  Balken  um,  doch  plötzlicher,  so  daß  der  umge- 
rollte Teil  sich  inniger  an  die  ventrale  Fläche  anlegt 
(Fig.  146).  Der  infolge  dieser  Verdoppelung  verdickte 
hintere  Balkenteil,  Splenium  corporis  callosi,  ist 
1,5 — 1,8  cm  dick  und  deckt  bei  natürlicher  Lage  der 
Teile  von  oben  her  das  Corpus  pineale  und  die  Vier- 
hügel (Fig.  97).  Zwischen  dem  Splenium  und  den 
Vierhügeln  dringt  die  Fissura  transversa  cerebri 
ein,  durch  welche  die  Pia  zum  Dache  des  Ventriculus 
tertius  gelangt,  um  die  Tela  chorioidea  ventriculi  tertii 
zu  bilden. 

Abgesehen  von  den  genannten  zarten  Längs- 
streifen und  dem  Ventrikelependym  besteht  der  Balken 
wesentlich  nur  aus  Querfasern,  welche  in  die 
Hemisphärenwand  eindringen  und  dort  zur  Balken- 
strahlung werden.  Medianschnitte  zeigen,  daß  diese 
Querfasern  zu  frontal  gestellten  Blättern  von  1  mm  Dicke  vereinigt  sind 
Genu  und  am  Splenium  neigen  sich  die  zugehörigen  Blätter  radienartig. 

b)  Die  Balkenstrahlung,  Radiatio  corporis  callosi,  besteht  aus  einem 
mittleren,  dem  Balkenstamme  angehörigen,  aus  einem  vorderen,  dem  Balken- 
knie, und  aus  einem  hinteren,  dem  Balkenwulste  angehörigen  Teil.  Die  Strahlung 
des  Balkenkörpers  versorgt  den  hinteren  Teil  der  Stirnlappen,  Pars  frontalis, 
und  den  gesamten  Scheitellappen,  Pars  parietalis.  Das  Balkenknie  versorgt 
den  größeren  vorderen  Teil  des  Stirnhirnes. 

Der  hintere  Teil  des  Balkenkörpers  und  der  Balkenwulst  sind  für  den 
Hinterhaupt-  und  Schläfenlappen,  Pars  temporalis,  Pars  occipitalis,  bestimmt, 
der  an  das  Splenium  grenzende  Teil  des  Balkenkörpers  sendet  seine  Fasermassen 
in  einem  lateral  konvexen  Bogen  lateral-  und  ventralwärts  und  verläuft  in  der 
dorsalen  Wand  des  Hinter-  und  Unterhornes  als  eine  ausgedehnte,  ependym- 
bekleidete  Platte,  welche  Tapetum  genannt  wird  (Fig.  146,  tap)1).  Die  Tapete 
enthält  die  Fasern  für  den  Schläfen-  und  den  unteren  Teil  des  Hinterhauptlappens. 


s 

Fig.  145. 

Radiatio  corporis  callosi.  (Schema. 

1    Pars    frontalis;     2    Pars    occipitalis; 

3   Hemisphärenrinde;    4  und  5  Fissura 

longitudinalis  cerebri. 


Am 


')  Nach  Onufrowitsch-Kaufmann  gehört  die  unmittelbar  über  dem  Dache  des  Unter- 
land Hinterhornes  liegende  Faserausbreitung  nicht  dem  Balken  an,  da  sie  auch  bei  Balkenmangel 
vorhanden  ist.  Sie  gehört  vielmehr  der  kaudalen  Ausbreitung  des  Fasciculus  subcallosus  an. 
Siehe  S.  140,  Fasciculus  subcallosus. 


144 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Die  Fasern  des  Splenium  selbst  ziehen  besonders  zu  den  hinteren  und  dorsalen 
Teilen  des  Hinterhauptlappens;  zu  dem  hinteren  Teil  laufen  die  ventralwärts 
umgerollten  Bündel  des  Splenium,  die  eben  den  hintersten  Teil  des  Balkens 
darstellen. 


Splenium  corporis  callosi 


Corpus  geniculatum  mediale 

Fig.  146. 
Hinterer  Teil  der  Balkenstrahlung  der  linken  Hemisphäre,  von  der  medialen  Seite  gesehen.    (Abfaserungspräparat.) 
c  Durchschnitt  des  Balkenkörpers ;  for  Pars  occipitalis  der  Radiatio  corporis  callosi;  tap  die  Tapetum-Strahlung;  th  mediale 
Wand  des  Thalamus;    t.p.   Durchschnitt  des  Hirnschenkels;    p   Pulvinar  thalami  ;   /. /'.   Fasciculus   longitudinalis   inferior; 

O  Spitze  des  Hinterhauptlappens. 


b)  Die  vordere  Kommissur,  Commissura  anterior  (cerebri). 

Sie  bildet  eine  Ergänzung  des  Balkens,  liegt  in  der  vorderen  Wand  des 
III.  Ventrikels  und  wird  als  kurzer  weißer  Querbalken  zwischen  den  beiden  Columnae 
fornicis  sichtbar,  wenn  letztere  nach  Eröffnung  des  dritten  Ventrikels  (von  oben 
her)  auseinandergedrängt  werden.  (Fig.  102,  123,  127.)  Auf  dem  Medianschnitt 
des  Gehirns  hat  sie  elliptischen  Querschnitt  (5  : 4  mm).  (Fig.  97.)  Der  mittlere 
Teil  setzt  sich  in  einem  leicht  vorwärts  konvexen  Bogen,  welcher  der  Bahn  des 
hinter  ihm  liegenden  Tractus  opticus  nahezu  parallel  läuft,  seitlich  fort.    Fig.  147. 

Innerhalb  der  Substantia  perforata  anterior  und  an  der  Basis  des  Linsenkerns, 
welcher  von  ihr  eine  Furche  erhält,  bogenförmig  lateralwärts,  rückwärts,  abwärts 
dahinziehend,  verbindet  die  Commissura  anterior  Teile  der  Rinde,  die  vom  Balken 
unberücksichtigt  geblieben  sind,  nämlich  einen  beträchtlichen  Teil  des  Schläfen- 
lappens, das  basale  Gebiet  des  Hinterhauptlappens  und  den  Riechlappen. 
Der  letztere,  bei  dem  Menschen  kleine,  bei  vielen  Tieren  starke  Anteil  der  vorderen 
Kommissur  verbindet  die  Wurzelgebiete  der  Tractus  olfactorii  miteinander.  Man 
unterscheidet  daher  eine  Pars  anterior  und  eine  Pars  posterior  der  vorderen 
Kommissur.     Fig.  148. 


Das  Gehirn:   Die  weiße  Substanz  des  Fndhirnes. 


145 


Ob  die  Fasern  der  Pars  olfactoria  sich  kreuzen  und  ein  Riechchiasma  darstellen 
(Meynert),  ist  zweifelhaft.  Nach  Exstirpation  des  Bulbus  olfactorius  einer  Seite  beim  Kaninchen 
atrophiert  der  Riechteil  der  Kommissur  im  ganzen,  nicht  partiell,  wie  es  bei  einer  Kreuzung  voraus- 
gesetzt werden  müßte  (Ganser). 


Lamina  septi  pellucidi 
Cornu  ant.  ventriculi  tat. 


Ventriculus  III 


Genu  corporis  callosl 

/  Cavum  septi  pellucidi 


Ansa  peduneularis 


Tuber  cinereum 


Corpus  mami 


ommissura  ant. 


Tractus  opticus 


~~--  Corpus  geniculatum  lat. 

Corpus  geniculatum  mediale 
nar 


Substantia  perforata  post. 

Fig.  147. 

Vordere  Kommissur  von  der  Hirnbasis  aus  In  ihrem  Verlauf  dargestellt. 

Entfernt  sind  die  basale  Balkenfaserung  (Rostrum  corporis  callosi),  ferner  die  Substantia  perforata  anterior  und  ihre  Nach- 
barschaft sowie  der  Boden  des  dritten  Ventrikels. 
nl  Nucleus  lentiformis;   //  N.  opticus;  ch  Chiasma  opticum;   ///  N.  oculomotorius ;  pe  Pedunculus;  p  Pons. 

Die  vorderen  Fasern  des  Mittelstückes  der  Kommissur  gelangen  in  ihrem  weiteren  Ver- 
lauf über  die  obere  Fläche  der  Seitenteile  zum  hinteren  Rand;  die  hinteren  über  die  untere  Fläche 
zum  oberen  Rand  der  Kommissur;   die  Fasern  erfahren  hiernach  eine  spiralige  Drehung. 

c)  Commissura  hippocampi. 

Sie  besteht  aus  Fasern,  welche  die  beiden 
Hippocampi  miteinander  verbinden,  und  bildet 
eine  dünne,  dreiseitige  Platte,  welche  zwischen 
den  Crura  fornicis  an  der  Unterfläche  des 
Balkens  dicht  vor  dem  Splenium  gelegen  ist 
(siehe  S.  141). 


Fig.  148. 
Schema  der  vorderen  Kommissur. 

p.t.  Pars  posterior;  p.o.  Pars  anterior. 


3.  Hirnschenkelsystem  (Projektionssysteme). 
Das  Hirnschenkelsystem  im  allgemeinsten  Sinne  sind  teils  cortieofugal, 
teils  corticopetal  leitende  Verbindungen,  welche  die  grauen  Massen  beider  Hemi- 
sphären mit  kaudal  liegenden  Abteilungen  des  Gehirns  (Nucl.  caudatus,  Thalamus, 
Hypothalamus,  Corpora  quadrigemina,  Pons,  Medulla  oblongata)  und  mit  dem 
Rückenmark  verbinden.  Sie  enthalten  auch  einige  Bahnen,  welche  nicht  im  eigent- 
lichen Hirnschenkel  enthalten  sind;  deshalb  ist  die  Bezeichnung  Projektions- 
systeme  wohl  vorzuziehen. 

Raubek-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  8 


146 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Die  Fasermassen  des  Hirnschenkels  treten  an  der  ventralen  Fläche  des  Thalamus 
gedeckt  vom  Nucleus  caudatus  in  das  Endhirn  ein.  Sie  liegen  zwischen  den  drei 
großen  Kernen  (Thalamus,  Nucl.  caudatus,  Nucl.  lentiformis)  und  werden  als 
innere  Kapsel,  Capsula  interna,  bezeichnet.  Sie  strahlen  durch  diese  in 
dorsolateraler  Richtung  in  das  Marklager  des  Centrum  semiovale  ein,  welches  sie 
bilden  helfen.  Diese  Strahlung  der  Hirnschenkel  zur  ganzen  Ausdehnung  der 
Hirnrinde  wird  seit  Reil  der  Stabkranz,  Corona  radiata,  genannt  (Fig.  149). 
Man  unterscheidet  an  ihm  eine  Pars  frontalis,  parietalis,  temporalis, 
occipitalis.  Im  unteren  Teil  der  inneren  Kapsel  sind  die  Fasermassen  der 
Hirnschenkel  noch  dicht  gedrängt.  Allmählich  aber  treten  sie  in  zahlreiche  sagit- 
tal  abgeplattete  Blätter  auseinander,  welche  beim  Aufsteigen  sich  deutlich  sondern, 
ähnliche,  frontal  gestellte  Blätter  der  Balkenstrahlung  zwischen  sich  durchtreten 

Laterale  Fläche  des  Nucleus  lentiformis 


Capu^nuclei  caudati 
Rinne  für  die  Commissura  ant. 


Unterer  Stiel  des  Thalamus 


Pedunculus  cerebri 
Fig.   149. 
Stabkranzfaserung.     (Faserungspräparat.)     1:1.    Von  /  bis  o  Ausbreitung  des  Stabkranzes. 

lassen  und  so  ein  außerordentlich  zierliches  Bild  gewähren.  Die  Seitenansicht 
der  Ausstrahlung  zeigt  die  Kanten  oder  Schmalseiten  der  Blätter  und  läßt  die- 
selben als  Stäbe  erscheinen,  daher  der  Name  Stabkranz.  In  der  Mitte  des  Stab- 
kranzes stehen  die  Blätter  vertikal;  in  der  Richtung  nach  vorn  und  hinten  aber 
gehen  sie  in  zunehmend  geneigte  Lagen  über,  so  daß  sie  schließlich  fast  hori- 
zontal liegen. 

Der  Austritt  der  Fasermassen  der  inneren  Kapsel  erfolgt  in  der  ganzen  Länge 
der  lateralen  Kante  des  Schweifkerns.  Entsprechend  der  Bogenform  des  letzteren 
ist  die  Ausgangslinie  der  Ausstrahlung,  der  Fuß  des  Stabkranzes,  ebenfalls 
bogenförmig  gekrümmt.  Die  Ausstrahlung  im  Gebiet  des  Stirnlappens  erfolgt  nach 
vorn  und  oben,  im  Gebiet  des  Scheitellappens  nach  oben,  für  den  Hinterhaupt- 
lappen nach  hinten,  für  den  Schläfenlappen  nach  hinten  und  unten. 

An  der  inneren  Kapsel  unterscheidet  man  eine  Pars  frontalis  capsulae 
internae  und  eine  Pars  occipitalis  capsulae  internae.  Erstere  liegt  zwischen 
dem  Caput  nuclei  caudati  und  dem  Nucleus  lentiformis,  letztere  zwischen  Thalamus 
und  Nucleus  lentiformis.  Beide  stoßen  in  stumpfem  Winkel,  Genu  capsulae 
internae,  zusammen,  welches  dem  vorderen  Ende  der  Stria  terminalis  entspricht. 
Fig.  131,  132. 


D.i^  ("icliirn:    Die  weiße  Substanz  des  Endhirnes.  147 

Die  im  Stabkranz  verlaufenden  Projektionsfasern  werden  ihrer  Länge  nach 
unterschieden  als  kurze  und  als  lange  Bahnen.  Erstere  sind  Verbindungen 
zwischen  der  Endhirnrinde  und  den  grauen  Kernen  von  Endhirn,  Zwischenhirn, 
Mittelhirn,  letztere  ziehen  zum  Hinterhirn,  Nachhirn,  Rückenmark  und  bilden  das 
eigentliche  Hirnschenkelsystem. 

A.  Kurze  Projektionsbahnen. 

Es  sind  Faserbahnen  von  der  Endhirnrinde  zum  Thalamus,  Corpus  striatum, 
Corpora  geniculata,  Nucleus  ruber. 

1.  Die  Thalamusstrahlungen  (Stabkranz  des  Thalamus)  sind  Faser- 
züge zwischen  verschiedenen  Teilen  der  Endhirnrinde  und  dem  Thalamus.  Man 
unterscheidet  vier  Teile  oder  Thalamusstiele:  Der  vordere  Thalamusstiel 
zwischen  Stirnhirn  und  vorderem  Ende  des  Thalamus,  der  obere  Thalamusstiel 
zwischen  den  Gyri  centrales  sowie  den  angrenzenden  Teilen  des  Stirn-  und  Scheitel- 
lappens und  dem  medialen  sowie  lateralen  Kern  des  Thalamus,  der  hintere  Thala- 
musstiel zwischen  dem  Occipitallappen  und  dem  Pulvinar,  der  untere  Thalamus- 
stiel zwischen  Temporallappen  und  dem  ventralen  Teil  des  Thalamus. 

2.  Die  Gratiolet'sche  Sehstrahlung  ist  die  Verbindung  zwischen  der 
Hirnrinde  aus  der  Umgebung  der  Fissura  calcarina  (Sehzentrum)  mit  dem  late- 
ralen Kniehöcker,  dem  Pulvinar  und  dem  oberen  Vierhügel. 

3.  Die  Hörstrahlung  verbindet  die  Rinde  der  oberen  Schläfenwindung  mit 
dem  medialen  Kniehöcker  und  dem  unteren  Vierhügel. 

4.  Die  Strahlungen  des  roten  Kerns  stammen  von  der  Rinde  des  Oper- 
culum  und  des  Stirnlappens. 

5.  Die  Strahlungen  des  Corpus  striatum  sind: 

a)  Fasern  von  der  Rinde  des  Stirn-  und  Scheitellappens  (Meynert). 

b)  Verbindungen  zwischen  Putamen  und  Schweifkern. 

c)  Verbindungen  zwischen  Linsenkern  und  Thalamus,  die  Linsenkern- 
schlinge,  Ansa  lenticularis,  bestehend  aus  Fasern  von  allen  Gliedern 
des  Linsenkerns,  welche  an  dessen  Basis  eine  dichte  Schicht  bilden  und 
medianwärts  zum  Thalamus  ziehen. 

B.  Lange  Projektionsbahnen. 

Sie  ziehen  ohne  Unterbrechung  von  ihrem  Ursprungsort,  der  Endhirnrinde, 
durch  die  innere  Kapsel  und  den  Hirnschenkelfuß  zu  den  Endstätten  in  Brücke, 
Medulla  oblongata,  Rückenmark. 

1.  Die  Pyramidenbahn,  Tractus  cerebrospinalis,  beginnt  in  der  Rinde 
der  vorderen  Zentralwindung,  des  Lobulus  paracentralis,  sowie  der  angrenzenden 
Teile  der  oberen  Stirnwindung,  zieht  durch  die  Gegend  des  Knies  und  des  hinteren 
Schenkels  der  inneren  Kapsel,  bildet  das  zweite  bis  vierte  Fünftel  des  Hirnschenkel- 
fußes und  endigt  in  den  motorischen  Kernen  des  Mittelhirns,  Hinterhirns,  Nach- 
hirns und  des  Rückenmarkes. 

2.  Die  frontale  Brückenbahn,  Tractus  frontopontinus,  entspringt  in 
der  Rinde  der  oberen  und  der  mittleren  Stirnwindung,  zieht  durch  die  Gegend 
des  Knies  und  des  vorderen  Schenkels  der  inneren  Kapsel,  nimmt  im  Hirnschenkel- 
fuß das  mediale  Fünftel  ein  und  endigt  in  ventralen  Brückenkernen. 


148  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

3.  Die  temporale  Brückenbahn,  Tractus  temporopontinus,  entspringt 
nach  Flechsig  aus  der  Rinde  der  oberen  Schläfenwindung,  zieht  durch  die  Gegend 
des  hinteren  Schenkels  der  inneren  Kapsel,  nimmt  das  laterale  Fünftel  des  Hirn- 
schenkelfußes ein  und  endigt  in  dorsalen  Brückenkernen. 

6.  Die  Wurzeln  der  Hirnnerven. 

Hirnnerven  werden  jene  Faserstränge  genannt,  welche  in  symmetrischer  Reihen- 
folge im  Gehirn  oder  außerhalb  des  Gehirns  in  besonderen  Ganglien  entspringen, 
an  bestimmten  Stellen  die  Gehirnoberfläche  erreichen  und  zu  einem  weitaus- 
gedehnten, vom  Kopf  bis  zu  den  Bauchorganen  sich  erstreckenden  peripheren 
Gebiet  verlaufen,  um  letzteres  mit  dem  Gehirn  in  funktionelle  Beziehungen  zu  setzen. 

Wie  an  allen  peripheren  Nerven,  so  ist  auch  an  den  Hirnnerven  eine  innere  und  eine  äußere 
Bahn  zu  unterscheiden.  Nicht  die  innere,  intracerebrale  Bahn,  mit  welcher  sie  einen  gewissen  Teil 
der  weißen  Substanz  des  Gehirns  ausmachen,  ist  für  jetzt  zu  untersuchen,  auch  nicht  die  periphere 
Ausbreitung,  sondern  nur  Zahl,  Reihenfolge,  Austritt  an  der  Oberfläche  des  Gehirns. 

Seit  Sömmering  zählt  man  in  Deutschland  und  Frankreich  allgemein  zwölf  Hirnnervenpaare, 
nicht  sowohl  aus  wissenschaftlichen  Gründen,  als  aus  Gründen  des  Herkommens;  dasselbe  gilt  für 
England,  wo  man  früher  nach  der  Einteilung  von  Willis  nur  neun  Hirnnerven  aufzählte;  Olfactorius 
und  Opticus  werden  in  der  heute  gebräuchlichen  Einteilung  als  die  beiden  ersten  Hirnnerven  gerechnet. 

In  neuerer  Zeit  ist  noch  ein  dreizehnter  Hirnnerv  dazu  gekommen,  der  N.  terminalis, 
welcher  neben  dem  N.  olfactorius  in  das  Gehirn  eintritt. 

Die  Hirnnervenzählung gehört  zu  den  schwierigen  Problemen;  die  sichere  wissenschaftliche 
Durchführung  des  Unternehmens  ist  zurzeit  nicht  einmal  möglich,  obwohl  schon  eine  umfangreiche 
Grundlage  vorliegt;  aber  sie  setzt  nichts  weniger  voraus,  als  die  gesamte  vergleichende  Anatomie  und 
die  gesamte  vergleichende  Entwicklungsgeschichte,  insbesondere  des  Kopfes,  wie  an  späterer  Stelle 
erhellen  wird. 

Fürs  erste  ist  es  also  geraten,  mit  Sömmering  folgende  Hirnnerven  zu 
zählen:  1.  N.  olfactorius  (und  N.  terminalis),  2.  N.  opticus,  3.  N.  oculomotorius, 
4.  N.  trochlearis  (patheticus),  5.  N.  trigeminus,  6.  N.  abducens,  7.  N.  facialis,  8.  N. 
acusticus,  9.  N.  glossopharyngeus,  10.  N.  vagus  (pneumogastricus),  11.  N.  accessorius 
(recurrens),  12.  N.  hypoglossus. 

Drei  von  diesen  Nerven  sind  spezifische  Sinnesnerven  (I,  II  u.  VIII)  für  Geruch,  Sehen  und 
Hören;  sechs  sind  beim  Erwachsenen  motorischer  Natur  (III,  IV,  VI,  VII,  XI  u.  XII);  drei  sind  ge- 
mischte Nerven  (V,  IX  u.  X);  der  IX.  ist  mit  dem  größeren  Teil  seiner  Fasermasse  wiederum  spezi- 
fischer Sinnesnerv  für  den  Geschmack. 

Über  die  Funktion  des  N.  terminalis  ist  noch  nichts  Sicheres  bekannt. 

Austrittsstellen  der  Hirnnerven  aus  dem  Gehirn1).     Fig.  96,  150. 

Der  N.  olfactorius  (I)  wird  jederseits  durch  die  Summe  der  Fila  olfac- 
toria  dargestellt,  welche  am  Bulbus  olfactorius  die  Gehirnoberfläche  verlassen. 

Der  N.  terminalis  tritt  kaudal  vom  Bulbus  olfactorius  aus. 

Dieser  Nerv  ist  zuerst  von  G.  Fritsch  (Unters,  über  d.  feineren  Bau  d.  Fischgehirns,  Berlin 
1878)  gefunden  und  als  .überzähliger  Nerv«  bezeichnet  worden.  Sein  jetziger  Name  stammt 
von  Locy  (Anat.  Anz.,  Bd.  26).  Er  ist  wahrscheinlich  ein  receptorischer  Nerv,  denn  er  entwickelt, 
ein  Ganglion  mit  bipolaren  Ganglienzellen.  Seine  periphere  Ausbreitung  befindet  sich  innerhalb 
der  Nasenhöhle.  J.  B.  Johnston,  Nervus  terminalis  etc.  Journ.  comp.  Neurol.  1913.  —  Derselbe, 
The  nervus  terminalis  in  man  and  mammals.  Anat.  Record.  1914.  —  C.  Brookover,  The  nervus 
terminalis  in  adult  man.     Journ.  comp.  Neurol.   1914. 

Der  N.  opticus  (II)  geht  in  lateralwärts  und  vorwärts  gerichteter  Bahn  aus 
dem  Chiasma  opticum  hervor. 


')  Über  den  Ursprung  der  Hirnnerven  s.  unten:  Feinerer  Bau  des  Gehirns. 


Das  Gehirn:   Die  Wurzeln  der  Hirnnerven. 


149 


Der  Oculomotorius  (III)  verläßt  das  Mittelhirn  mit  9 — 12  Bündeln  an  der 
ventralen  Fläche  des  Hirnschenkels,  im  Sulcus  nervi  oculomotorii,  an  der  Grenze 
zwischen  Fuß  und  Haube  des  Hirnschenkels.     Fig.  97. 

Der  Trochlearis  (IV)  gelangt  mit  zwei  oder  mehreren  Fäden,  die  sogleich 
zusammentreten,    als   einziger   der  Hirnnerven  an  der  dorsalen   Oberfläche  des 


Fig.  150. 

Hirnnerven,  Gehirn  mit  demjangrenzenden  Teil  des  Rückenmarkes,  von  der  ventralen  (basalen)  Fläche. 

Rechts   sind  die  vorderen  Wurzeln  kurz  abgeschnitten   und   medianwärts   umgeschlagen.     (Nach  Rüdinger  und  Henle.) 

1  Olfactorius;  //  Opticus;  ///  Oculomotorius;  IV  Trochlearis ;  V  Trigeminus  ;  VI  Abducens;  VII  Facialis;    VII*  (N.  inter- 

medius);    VIII  Acusticus ;  IX  Glossopharyngeus ;   X  Vagus;   XI  Accessorius;   XII  Hypoglossus ;   nc  I  N.  cervicalis  /. 


Gehirns  heraus,   und  zwar  am  Seitenrande  des  vorderen  Marksegels,  lateral  vom 

Frenulum  veli  medullaris  anterioris,  dicht  hinter  der  Vierhügelplatte,  Fig.  114,  130. 

Er   verläuft   zuerst  seitwärts,    dann  ventralwärts  um  den  vorderen  Kleinhirnstiel  und  den 

Großhirnschenkel  und  kommt  nunmehr  an  der  Gehirnbasis  zum  Vorschein,  um  weiterhin  unter  der 


150  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

ventralen  Fläche  des  Hirnschenkels  vorwärts  zu  ziehen.  Obwohl  sein  Austritt  so  eigentümlich  ist, 
liegt  sein  Ursprungskern  ganz  regelmäßig  ventral  vom  Aquaeductus  cerebri. 

Der  Trigeminus  (V)  kommt  mit  etwa  50  sensiblen  Wurzelbündeln  an  der 
Grenze  zwischen  Brücke  und  Brückenarm,  d.  i.  in  der  Trigeminus-Facialislinie 
zur  Oberfläche,  und  zwar  an  der  Grenze  des  vorderen  und  mittleren  Drittels  dieser 
Längslinie;  die  Austrittsstelle  ist  also  vom  kaudalen  Rande  des  Brückenarmes  etwa 
doppelt  so  weit  entfernt  als  vom  rostralen.  Die  motorische  Portion  tritt  neben 
oder  vor  der  sensiblen  aus  und  legt  sich  darauf  naturgemäß  an  die  mediale 
Fläche  der  sensiblen,  wie  der  Facialis  an  den  Acusficus,  wie  die  motorischen 
Wurzeln  der  Spinalnerven  an  die  sensiblen. 

Der  Abducens  (VI)  tritt  zur  Oberfläche  medial  vom  Facialis  in  der  lateralen 
Querfurche,  welche  die  Brücke  von  der  Pyramide  trennt. 

Der  Facialis  (VII)  verläßt  das  Hinterhirn  am  kaudalen  Rande  der  Brücke, 
an  der  Grenze  der  letzteren  gegen  den  Brückenarm,  d.  i.  am  hinteren  Ende  der 
Trigeminus-Facialislinie,  in  der  Furche  zwischen  dem  Brückenarm  und  der  Olive, 
medial  vom  Acusticus. 

Er  wird  alsbald  in  eine  mediale  Rinne  des  Acusticus  aufgenommen. 

Der  Acusticus  (VIII)  tritt  mit  der  Hauptmasse  seiner  Fasern  hinter  der 
Brücke,  lateral  vom  Facialis,  aus  dem  Corpus  restiforme  hervor,  zur  Seite  der 
Furche,  welche  letzteren  Strang  vom  Seitenstrang  der  Oblongata  trennt. 

Mit  der  unteren  Fläche  dieses  Bündels  verschmelzen  andere,  welche  am  dorsolateralen 
Rande  der  Oblongata  austreten,  scheinbar  aus  den  Striae  medulläres  hervorgehen,  sich  um  die 
Seitenfläche  des  Corpus  restiforme  lateralwärts  krümmen  und  dabei  mit  diesem  Strang  und  mit 
dem  Flockenstiel  durch  Bindegewebe  oft  fest  verbunden  sind. 

Der  Glossopharyngeus  (IX)  verläßt  die  Oblongata  ebenfalls  im  Sulcus 
lateralis  posterior,  und  zwar  am  rostralen  Ende  desselben. 

Aus  5 — 6  Wurzelbündeln  entwickeln  sich  zuerst  zwei  Stämmchen.  Die  am  meisten  rostrale 
Wurzel  tritt  hinter  und  'zwischen  den  Wurzelbündeln  des  Facialis  und  Acusticus  zur  Oberfläche. 
Die  Wurzelbündel  des  Vagus  und  Glossopharyngeus  schließen  sich  so  unmittelbar  aneinander,  daß 
sie  nur  von  den  Stämmen  aus  gesondert  werden  können. 

Der  Vagus  (X)  tritt  aus  der  Oblongata  mit  10 — 15  Bündeln  aus  dem  Sulcus 
lateralis  posterior  hervor. 

Der  Accessorius  (XI)  besteht  aus  einem  cerebralen  und  einem  spinalen  Teil, 
d.  i.  aus  dem  Accessorius  vagi  und  dem  Accessorius  spinalis. 

Der  letztere  setzt  sich  aus  6 — 7  Wurzelbündeln  zusammen,  welche  in  weiten  Abständen  aus 
dem  Halsmark  austreten,  so  daß  der  letzte  Wurzelfaden  in  der  Höhe  des  VI.  Halsnerven  zur  Ober- 
fläche gelangt.  Nach  und  nach  laufen  sie  zu  einem  Stämmchen  zusammen.  Schon  im  Beginn 
treten  die  Bündel  hinter  dem  Ligamentum  denticulatum  aus.  Bis  zum  I.  Halsnerven  rücken  die 
Austrittsstellen  der  Wurzelbündel  immer  näher  zu  den  hinteren  Spinalnervenwurzeln  heran  und 
fallen  am  I.  Halsnerven  so  mit  der  hinteren  Wurzel  zusammen,  daß  ein  Bündel  sich  auf  beide  ver- 
teilen kann.  Der  cerebrale  Teil  des  Accessorius,  Accessorius  vagi,  verläßt  die  Oblongata  mit 
4 — 5  Bündeln,  im  kaudalen  Anschluß  an  die  Vaguswurzeln,  im  Sulcus  lateralis  posterior. 

Der  Hypoglossus  (XII)  verläßt  die  Medulla  oblongata  mit  10 — 15  Wurzel- 
fäden, welche  in  einer  Längsreihe  aus  dem  Sulcus  lateralis  anterior  der  Oblongata 
hervortreten  und  sich  zu  zwei  Bündeln  vereinigen.     Fig.  96,  150. 

7.  Die  Hüllen  des  Gehirnes,  Meninges. 

A.  Die  harte  Hirnhaut,  Dura  mater  encephali.    Fig.  151. 
Die  harte  Hirnhaut  ist  zugleich  äußere  Gehirnhülle  und  inneres  Periost  der 
Schädelknochen  (Endocranium). 


Das  Gehirn:    Hüllen.  151 

Bei  Kindern  der  Innenfläche  des  Schädels  fester  anhaftend,  steht  sie  heim  Erwachsenen  an 
vielen  Stellen  nur  in  lockerer  Verbindung  mit  ihm.  Im  Bereich  der  Schädelnähte  und  insbesondere 
am  Körper  des  Keilbeins  und  Hinterhauptbeins  ist  jedoch  auch  beim  Erwachsenen  die  Verbindung 
eine  innige.  Die  äußere  Oberfläche  ist  wegen  der  Verbindungsfäden  rauh,  die  Innenfläche  glatt 
und  glänzend.  Letztere  ist  vollständig,  erstere  nur  zwischen  den  Verbindungsfäden  von  Endothel 
bekleidet. 

Die  innere  glatte  Oberfläche  der  Dura  steht  mit  den  übrigen  Hirnhäuten  in 
Verbindung: 

1.  durch  die  verschiedenen  Hirnvenen,  welche  zu  den  Sinus  venosi  der 
Dura  gelangen; 

2.  durch    die    sogenannten  Arachnoidalzotten    oder  Pacchionischen 
Granulationen. 

Eine  Spaltung  der  Dura  in  zwei  Blätter  tritt  an  vielen  Orten  zutage: 

1.  im  Bereich  der  Sinus  venosi; 

2.  im  Bereich  des  Cavum  ganglii  semilunaris,  welches  auf  der  oberen  Fläche  des  Felsen- 
beins liegt; 

3.  im   Bereich   des  Saccus   endolymphaticus   des   häutigen   Labyrinths,   an  der  hinteren 
Fläche  des  Felsenbeins. 

Fortsätze  der  Dura: 

a)  äußere:  Die  Durascheiden  der  Hirnnerven.  Wie  die  Dura  spinalis  an 
die  Spinalnerven,  so  gibt  die  Dura  cerebri  an  die  Hirnnerven  starke  Scheiden  ab. 

b)  innere:  Durch  die  inneren  Fortsätze  wird  das  Cavum  cranii  unvoll- 
ständig in  einige  den  Hauptteilen  des  Gehirns  entsprechende  Kammern  zerlegt. 
Solcher  Fortsätze  sind  zwei  sagittale  und  zwei  transversale  vorhanden.  Die  sagit- 
talen  werden  Hirnsicheln,  Falx  cerebri  und  Falx  cerebelli,  genannt,  die 
queren  Fortsätze  sind  das  Kleinhirnzelt,  Tentorium  cerebelli,  und  das 
Hypophysendach,  Diaphragma  sellae.  Das  Tentorium  bildet  keinen  voll- 
ständigen Abschluß  des  von  ihm  bedeckten  unteren  Raumes  gegen  den  oberen 
Schädelraum;  beide  Räume  stehen  vielmehr  miteinander  in  Verbindung.  Die 
vordere  Begrenzung  dieser  Pforte  wird  durch  die  Sattellehne,  die  seitlich-hintere 
durch  einen  tiefen  Ausschnitt  des  vorderen  Randes  des  Tentorium  gebildet,  durch 
die  Incisura  tentorii.  Die  beiden  Sicheln  und  das  Zelt  stoßen  an  der  Protu- 
berantia  occipitalis  interna  unter  Bildung  einer  Kreuzfigur  zusammen. 

/.  Kleinhirnzelt,  Tentorium  cerebelli.     Fig.  151. 

Es  bildet  eine  straffgespannte,  dorsal  gewölbte  quere  Scheidewand  zwischen  der  basalen 
Fläche  der  Hinterhauptlappen  des  Endhirns  und  der  dorsalen  Fläche  des  Kleinhirns.  Durch  die 
Incisura  tentorii  wird  die  Form  des  Zeltes  halbmondförmig,  mit  hinterer  Konvexität,  vorderer 
Konkavität.  Man  unterscheidet  am  Zelte  eine  dorsale  oder  cerebrale  und  eine  ventrale  oder  cere- 
bellare  Fläche;  einen  vorderen  freien  konkaven  und  einen  hinteren  befestigten  konvexen  Rand. 
Der  letztere  inseriert  1.  an  den  Sulci  transversi  des  Occipitale  und  Parietale,  in  deren  Bereich  er 
den  Sinus  transversus  einschließt;  2.  an  der  oberen  Kante  des  Felsenbeins,  wo  er  den  Sinus 
petrosus  superior  einschließt. 

An  der  Spitze  des  Felsenbeins  trifft  der  äußere  mit  dem  inneren  Rand  zusammen.  Eine  von 
der  Felsenbeinspitze  zum  Processus  clinoideus  anterior  gespannte  Fortsetzung  dieses  Randes  wird 
Plica  petroclinoidea  lateralis  genannt;  die  von  der  Felsenbeinspitze  zum  Processus  clinoideus 
posterior  gespannte  Fortsetzung  heißt  Plica  petroclinoidea  medialis  (s.  unten,  Hirnnerven). 

An  der  Vereinigungsstelle  des  Tentorium  mit  der  Falx  cerebri  befindet  sich  der  Sinus 
rectus,  welcher  hinten  im  sogenannten  Confluens  sinuum  mündet,  während  er  vorn  durch 
eine  dreieckige  Lücke,  Foramen  tentorii,  die  V.  cerebri  magna  (Galeni)  aufnimmt. 


152  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

2.  Großhirnsichel,  Falx  cerebri.    Fig.  151. 

Die  Großhirnsichel  erstreckt  sich  von  der  Crista  galli  bis  zur  Protuberantia  occipitalis  interna, 
ist  median  gestellt  und  dringt  zwischen  beiden  Hemisphären  des  Endhirns,  entsprechend  der 
Fissura  longitudinalis  cerebri,  fast  3  cm  tief  ein,  so  daß  sie  vom  Balken  nur  noch  2  mm  entfernt 
bleibt.  Der  Fortsatz  ist  sichelförmig,  hat  zwei  sagittal  stehende  Flächen,  welche  den  medialen 
Rändern  der  Hemisphären  zugewendet  sind,  sowie  einen  konvexen  äußeren  (oberen)  befestigten, 
und  einen  konkaven  inneren  (unteren)  freien  Rand. 

Der  konvexe  Rand  haftet  an  der  Crista  frontalis  und  an  den  Seitenrändern  des  Sulcus  sagit- 
talis  des  Schädeldaches  bis  zur  Protuberantia  occipitalis  interna.  Der  zwischen  der  äußeren  und  inneren 
Duralamelle  eingeschlossene  Raum,  Sinus  sagittalis  superior,  hat  dreieckigen  Querschnitt  und 
ist  von  Endothel  ausgekleidet.  Der  konkave  Rand  ist  stärker  gekrümmt  und  viel  kürzer,  da  er  v  o  r  n 
weiter  nach  hinten  entspringt  und  hinten  weiter  nach  vorn,  d.  i.  am  hinteren  Winkel  der  Incisura 
tentorii,  endet.  Er  schließt  den  schwachen  Sinus  sagittalis  inferior  ein.  Derjenige  Rand  endlich, 
mit  welchem  die  Sichel  entlang  dem  Sinus  rectus  in  das  Tentorium  übergeht,  stellt  den  Zeltrand, 
der  gegenüberliegende,  welcher  am  Hahnenkamm  befestigt  ist,   den  Kammrand  der  Sichel  dar. 

3.  Kleinhirnsichel,  Falx  cerebelü. 
Die  Kleinhirnsichel  macht  sich  als  eine  sagittale  kleine  Fortsetzung  der  Großhirnsichel  im 
hinteren  unteren  Teile  des  Schädelgewölbes  geltend.  Sie  besitzt  eine  Basis,  welche  die  kleine 
Sichel  mit  dem  Zelte  verbindet,  einen  konvexen  äußeren  (hinteren)  und  einen  konkaven  inneren 
(vorderen)  Rand.  Der  konvexe  Rand  befestigt  sich,  den  Sinus  occipitalis  bergend,  an  der  Crista 
occipitalis  interna.  Entsprechend  den  beiden  terminalen  Schenkeln  der  letzteren  läuft  auch  die 
kleine  Sichel  in  zwei  niedrige  auseinanderweichende  Falten  aus,  welche  seitliche  Fortsetzungen 
des  Sinus  occipitalis  einschließen  können. 

4.  Diaphragma  sellae. 

Das  die  freie  (innere)  Wand  des  Sinus  cavernosus  bildende  Durablatt  brückt  sich  quer  über  den 
Türkensattel  hinweg  zu  dem  entgegenkommenden  der  andern  Seite  und  läßt  nur  eine  kleine  mittlere 
Pforte  frei,  das  Foramen  diaphragmatis  (sellae)  für  den  Durchtritt  des  Infundibulum.  Zwischen 
dem  basalen  und  dorsalen  Durablatt  der  Sella  liegt  die  Hypophysis  cerebri  eingeschlossen. 

Feinerer  Bau.  Der  feinere  Bau  der  Dura  cerebri  stimmt  mit  demjenigen 
der  Dura  spinalis  im  wesentlichen  überein.  Sie  besteht  vor  allem  aus  dicht  ver- 
flochtenen Bindegewebsbündeln.  Der  äußere  Teil  der  Dura  zeigt  eine  andere 
Faserung  als  der  innere,  cerebrale  (Key,  Retzius  und  Michel).  Die  Haupt- 
richtung in  der  inneren  Lage  geht  von  vorn-medial  nach  hinten-lateral;  in  der 
äußeren  Lage  von  vorn-lateral  nach  hinten-medial.  Dazu  kommen  pinselförmige 
Ausstrahlungen  in  querer  Richtung,  die  dem  Ursprung  der  Sichel  entsprechen. 
Infolge  der  Wucherung  der  Arachnoidalzotten  kann  die  Dura  stellenweise  so 
verdünnt  sein,  daß  sie  siebförmig  durchbrochen  erscheint.  An  der  Sichel  strahlen 
die  Fasern  vom  vorderen  Ende  der  Basis  radienartig  zum  konvexen  Rande  aus; 
am  Tentorium  ziehen  sie  von  derselben  Stelle  aus  lateralwärts. 

Die  Dura  cerebri  erhält  arterielle  Blutgefäße  von  verschiedenen  Seiten; 
insbesondere  sind  die  Aa.  meningeae  mediae,  meningeae  anteriores,  sowie  die  A. 
meningea  posterior  aus  der  A.  pharyngea  ascendens  und  die  Rr.  meningei  der  Aa. 
occipitales  und  vertebrales  zu  nennen.  Sie  verlaufen  im  äußeren  Blatt,  sind  nur 
durch  wenig  Bindegewebe  vom  Knochen  getrennt  und  hinterlassen,  wie  aus  der 
Knochenlehre  bekannt  ist,  zum  Teil  bestimmte  Furchen  an  den  Knochen.  Sie 
werden  in  der  Regel  von  zwei  Venen  begleitet. 

Von  Lymphgefäßen  ist  in  der  Dura  ein  Saftbahnsystem  enthalten. 
Zwischen  den  verflochtenen  Bindegewebsbündeln  bleiben  nämlich  feine  kapillare 
Spalten  frei,  die  wenigstens  auf  einer  Seite  von  flachen  Endothelzellen  begrenzt 


153 


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154 


rea  praeparietalis 


Fig.  152. 


Regio  retrocentralis 

.-Area  praeparietalis 

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•Area  striata 


Fisr.   153. 


Fig.  152,  153.     Die  Hauptregionen  der  Endhirnrinde  des  Menschen  (nach  Brodmann). 


Das  Gehirn:   Hüllen.  155 

sind.  Durch  Einstich  in  das  Gewebe  der  Dura  kann  dieses  Saftbahnsystem  injiziert 
werden,  wobei  die  Masse  an  der  cerebralen  Fläche  der  Dura  (in  den  Subduralraum) 
leicht  ausfließt  (Michel). 

Die  Nerven  der  Dura  bestehen  aus  feinen  Zweigen  des  Trigeminus,  Vagus, 
Hypoglossus  und  Sympathicus.  Es  sind  vasomotorische  und  eigene  Nerven 
der  Dura  vorhanden  (Rüdinger,  Alexander).  In  neuerer  Zeit  gelangten 
Acquisto,  V.,  und  E.  Pusateri  (Über  Nervenendigungen  in  der  Dura  mater  1896) 
zu  folgenden  Ergebnissen : 

Außer  Vasomotoren  sind  auch  Nn.  proprii  vorhanden.  Letztere  bilden  mit 
ihren  feinen  Verzweigungen  ein  reiches  Netzwerk,  aus  welchem  feine  Endästchen 
hervorgehen,  die  mit  einer  knopfförmigen  Anschwellung  zwischen  den  Endothelzellen 
der  inneren  Fläche  der  Dura  endigen. 

Nose,  S.,  Zur  Struktur  der  Dura  mater  cerebri.  Arbeiten  Neurolog.  Institut  Wien,  H.  VIII, 
1902.  —  Sterzi,  G.,  Intorno  alla  divisione  della  dura  madre  dall'  endoeranio.  Monitore  zoolog. 
ital.  XIII,  1902. 

B.  Arachnoidea  encephali. 

Die  äußere,  glatte,  endothelbekleidete  Fläche  dieser  zarten  gefäßlosen  Haut 
ist  der  Dura  zugewendet  und  umschließt  mit  ihr  den  kapillaren  Subduralraum. 
Die  innere  Fläche  ist  rauh  und  flockig  durch  die  Gegenwart  zahlreicher  endothel- 
bekleideter  Bälkchen  und  Häutchen,  welche  die  Arachnoidea  mit  der  Pia  verbinden 
und  subarachnoidales  Gewebe  genannt  werden.  Durch  dieses  wird  der  zwischen 
beiden  Häuten  befindliche  Raum  in  ein  System  zusammenhängender  kleinerer  und 
größerer  Räume  verwandelt,  welche  den  Namen  subarachnoidale  Räume  haben 
und  den  Liquor  subarachnoidalis,  einen  Teil  des  Liquor  encephalo- 
spinalis,  enthalten. 

Während  im  Gebiet  des  Rückenmarks  die  Arachnoidea  durch  einen  weiten 
subarachnoidalen  Raum  von  der  Pia  getrennt  ist,  verhält  sich  die  Arachnoidea  cerebri 
in  dieser  Hinsicht  örtlich  sehr  verschieden.  Über  den  Windungen  der  konvexen 
und  planen  Oberflächen  des  Endhirns  sind  die  subarachnoidalen  Bälkchen  so  kurz 
und  straff,  daß  beide  Häute  als  eine  betrachtet  werden  können  (Leptomeninx), 
die  aus  zwei  festen  Grenzplatten  besteht  und  im  Innern  Bälkchen  und  Zwischen- 
räume enthält.  Über  den  Furchen  ändert  sich  schon  das  Bild.  Die  Pia  dringt 
in  die  Furchen  ein,  die  Arachnoidea  brückt  sich  darüber  hinweg.  So  ist  Raum 
für  längere  Bälkchen  und  Häutchen  und  größere  Spalten.  Im  Gebiet  der  Hirn- 
basis und  beim  Übergang  ins  Rückenmark  ist  die  Arachnoidea  am  freiesten, 
erhebt  sich  an  bestimmten  Stellen  weit  von  der  Pia  und  bildet  große  subarach- 
noidale Höhlen,  Cisternae  subarachnoidales. 

Die  größte  dieser  Cisternen,  Cisterna  cerebello-medullaris,  ist  eine 
Fortsetzung  des  hinteren  Subarachnoidalraumes  des  Rückenmarks.  Die  Arach- 
noidea dringt  nämlich  nicht  in  den  Raum  zwischen  dem  Unterwurm  und  der 
Tela  chorioidea  des  IV.  Ventrikels  hinein,  sondern  brückt  sich  von  der  ventralen 
Fläche  des  Kleinhirnes  zur  dorsalen  Fläche  der  Oblongata  hinüber.  Auch  der 
vordere  Subarachnoidalraum  des  Rückenmarkes  setzt  sich  hinwärts  fort.  Er 
fließt  mit  dem  hinteren  Räume  im  Gebiete  der  Oblongata  um  so  freier  zusammen, 
als  das  Ligamentum  denticulatum  hier  noch  in  Wegfall  kommt.  Die  ganze  Ob- 
longata ist  somit  von  einem'  weiten  Subarachnoidalraum  umgeben.  An  der  ven- 
tralen Fläche  der  Brücke  setzt  sich  dieser  Raum  in  einen  mittleren  und  zwei  seit- 


156  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

liehe  Räume  fort,  Cisternae  pontis  media  und  laterales,  von  welchen  der 
mittlere  die  A.  basilaris  einschließt.  Vom  Vorderrande  der  Brücke  springt  die 
Arachnoidea  zum  Vorderrande  des  Chiasma  opticum  hinüber.  In  diesem  großen 
Raum  sind  mehrere  Unterabteilungen  zu  unterscheiden.  Eine  vom  Infundibulum 
zu  den  Austrittsstellen  der  Nn.  oculomotorii  verlaufende  unvollständige  Scheide- 
wand trennt  einen  vorderen,  Cisterna  chiasmatis,  von  einem  hinteren  Teil, 
Cisterna  interpeduneularis.  Vorn  und  dorsal  vom  Chiasma  liegt  die  Ci- 
sterna laminae  terminalis.  Ihr  folgt  dorsal  längs  der  konvexen  Fläche  des 
Balkens  die  Cisterna  corporis  callosi.  Im  Gebiet  der  Vallecula  und  der 
Fissura  lateralis  cerebri  treffen  wir  auf  die  Cisterna  fossae  lateralis  cerebri 
(Sylvii).  Um  die  Hirnschenkel  herum  steigt  zur  dorsalen  Fläche  des  Hirnstammes 
die  Cisterna  ambiens  empor,  welche  auch  die  Vierhügel  einschließt  und  sich 
auf  den  Balken  fortsetzt.  Um  die  Vena  magna  cerebri  befindet  sich  die  Cisterna 
venae  magnae  cerebri.  Werden  alle  großen  und  kleinen  subarachnoidalen 
Räume  künstlich  mit  gefärbten  Massen  gefüllt,  so  wird  die  Hirnoberfläche  mehr 
oder  weniger  vollständig  von  den  umgebenden  Massen  verdeckt  und  wird  in 
ihren  Einzelheiten  nicht  mehr  gesehen. 

Die  größeren  Blutgefäße  des  Gehirnes  verlaufen  innerhalb  der  subarach- 
noidalen Räume.  Die  feineren  Zweige  dringen  zur  äußeren  Oberfläche  der  Pia, 
sind  an  ihr  befestigt  und  heißen  nunmehr  Piagefäße.     Fig.  154. 

Die  Arachnoidea  encephali  besteht  (mikroskopisch)  aus  einem  mehr  oder 
weniger  dichten  Flechtwerk  von  Bindegewebsbündeln,  welche  zu  einer,  an  beiden 
Flächen  endothelbelegten  dünnen  Haut  ausgebreitet  sind. 

Granulationes  arachnoidales  (Pacchioni). 
Besondere  Gebilde  der  Arachnoidea  sind  eigentümliche,  kolbige,  gefäßlose 
Wucherungen;  man  nennt  sie  arachnoidale  Zotten  oder  Pacchionische 
Granulationen.  Sie  ragen  im  ausgebildeten  Zustande  verschieden  tief  in  das 
Duragewebe  hinein,  welches  so  verdünnt  werden  kann,  daß  die  Zotten  scheinbar 
frei  der  Knochenwand  anliegen  und  in  Lücken  derselben  sitzen.  Eine  dünne  Schicht 
zwischenliegender  Dura  fehlt  indessen  nie.  Besonders  beliebte  Stellen  für  das  Ein- 
wuchern der  Granulationen  sind  die  Sinus  venosi  oder  ihre  nächsten  Umgebungen. 
Denkt  man  sich  an  einem  duralen  Venenraum  die  Innenwand  durch  eine  gewucherte 
Zotte  in  den  Venenraum  eingestülpt,  so  ist  hiermit  alles  Wesentliche  bereits  gesagt 
und  auch  das  Verhältnis  der  Lymphbahnen  zu  den  Gebilden  deutlich  erkennbar. 
Der  perigranuläre  Lymphraum  (Fig.  155)  ist  ein  ausgestülpter  Teil  des  subduralen 
Lymphraumes  und  steht  mit  diesem  in  offener  Verbindung.  Die  Zotte  ist  aus 
einem  Netzwerk  subarachnoidaler  Bälkchen  zusammengesetzt  und  entbehrt  der 
Blutgefäße;  ihre  Außenfläche  hat  eine  Endothelbekleidung.  Vom  duralen  Blutraum 
wird  die  Zotte  getrennt  durch  den  perigranulären  Raum  und  das  Innenblatt  der 
Dura.  Der  Stiel  der  Zotten  kann  schmaler  oder  breiter  sein.  Sie  finden  sich  vor- 
zugsweise im  Sinus  sagittalis  superior  und  in  seiner  Umgebung;  sie  fehlen  aber 
auch  im  Gebiet  des  Sinus  transversus  nicht.  Sie  bedürfen  ferner  für  ihr  Zustande- 
kommen nicht  der  Nähe  einer  Knochenwand;  denn  sie  kommen  auch  am  Sinus 
rectus  vor.  Nach  den  Untersuchungen  von  Key  und  Retzius  wird  durch  die 
Zotten  der  Übertritt  seröser  Flüssigkeit  aus  den  subarachnoidalen  Räumen  in  die 
Venenräume  der  Dura  erleichtert.     Ihr  Vorkommen   bei  Erwachsenen  ist  eine  so 


Das  Gehirn:   I lullen. 


157 


gewöhnliche    Erscheinung,   daß  sie   kaum   mehr  als  anomale  Gebilde  bezeichnet 

werden  können. 

Ihre  Bedeutung  hat  man  auch  in  einer  einfach  mechanischen  Aufgabe  gesucht  und  sie  als 
knopfartige  Befestigungsmittel  der  Arachnoidea,  Pia  und  Hirnoberfläche  an  die  Dura  und  das 
Schädelgewölbe  angesehen.  —  Bluntschli  (Morph.  Jahrb.,  Bd.  41,  1910)  stellt  in  der  aufsteigenden 
Primatenreihe  eine  Zunahme  und  höhere  Differenzierung  der  arachnoidalcn  Wucherungen  fest. 

Wie  die  Dura,  so  sendet  auch  die  Arachnoidea  einen  scheidenartigen  Fort- 
satz, Arachnoidalscheide,  zu  den  Nervenwurzeln.  Dadurch  wird  es  begreif- 
lich, daß  der  Subduralraum  und  die  Subarachnoidalräume  des  Gehirnes  und 
Rückenmarkes  mit  den  Lymphbahnen  der  Nerven,  und  durch  diese  mit  anderen 


Fig.  154. 

Fig.  154.      Durchschnitt   durch   die   Hirnrinde   mit   ein- 
tretenden Blutgefäßen.     (Halbschematisch.) 
Mit  Benutzung  einer  Figur  von  Key  und  Retzius 
entworfen. 
vtv,,v'  kapillare  Gefäße;   v  noch  innerhalb  der  Subarach-  Fig.    155. 

noidalräume;   s  subarachnoidale   Bälkchen   und   Häutchen; 

p   Intima   pia ,    sich   trichterförmig  in  die  Adventitiascheide  der  in  ]die   Hirnsubstanz   eindringenden  Gefäße   fortsetzend; 
a.p.  adventitieller  perivasculärer  Raum;  pe  Hisscher  perivasculärer  Raum;   ep,  ep  sogenannter  epicerebraler  Raum. 
Fig.  155.    Schematische  Darstellung  einer  Arachnoidalzotte  und  ihrer  Hüllen. 
co  graue  Rinde  der  Endhirn-Hemisphäre;  p  Intima  pia;  sa  Subarachnoidalraum  mit  den  subarachnoidaien  Bälkchen,  sich 
in  die  Arachnoidalzotte  pa  kontinuierlich  fortsetzend;    a  Arachnoidea;    sd  Subduralraum;    sd'   Subduralraum  der  Arach- 
noidalzotte, in  der  Umgebung  des  dünnen  Stieles  der  letzteren  mit  sd  kommunizierend  ;    d  inneres  Blatt  der  Dura  mater 
durch  den  Venenraum  v  vom  äußeren  Blatte  d'  getrennt;   ds  Durascheide  der  Arachnoidalzotte. 


Lymphbahnen  in  Verbindung  stehen.  So  können  vom  Subarachnoidalraum  des 
Gehirnes  aus  z.  B.  die  Lymphgefäße  der  Nasenschleimhaut,  ein  Raum  um  den 
Sehnerven,  der  perilymphatische  Raum  des  Gehörlabyrinthes  künstlich  gefüllt  werden. 
Die  subarachnoidaien  Räume  des  Gehirnes  und  Rückenmarkes  kommunizieren 
an  drei  Stellen  mit  dem  Ventrikelsystem  des  Gehirnes: 

1.  durch  die  Apertura  medialis  ventriculi  quarti  (Foramen  Ma- 
gend  ii). 

2.  und  3.  durch  die  paarige  Apertura  lateralis  ventriculi  quarti  (Key- 
Retzii);  siehe  Pia. 

C.  Pia  mater  encephali.    Fig.  154. 

Innig  der  Gehirnoberfläche  angeschmiegt,  dringt  die  Pia  in  die  Tiefe  aller 
Furchen  und  Fissuren  ein,  nie  jedoch  in  die  Ventrikel  des  Gehirnes  selbst,  wie  man 
es  früher  von  den  Plexus  chorioidei  annahm;  auch  bei  ihnen  bekleidet  sie  nur 
die  Außenfläche  der  epithelial  gebliebenen  Wandteile  des  Gehirnes,  die  Laminae 
chorioideae  epitheliales. 


158  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Die  Pia  cerebri  besteht  in  größter  Ausdehnung  nur  aus  einer  Intima  pia  (Seite  31), 
auf  deren  Außenseite  die  kleineren  Blutgefäße  fest  angeheftet  sind.  Im  Gebiete  der 
Cisternae  subarachnoidales  liegen  ähnliche  Verhältnisse  vor,  wie  am  Rückenmark. 
Die  Blutgefäße  verhalten  sich  in  ihrem  weiteren  Verlaufe,  wie  bereits  S.  31  be- 
schrieben ist,  d.  h.  es  kommen  Piatrichter  und  adventitielle  Scheiden  vor.  Die 
zwischen  diesen  Scheiden  und  der  Gefäßwand  vorhandenen  Kanalräume  hängen 
mit  den  subarachnoidalen  Räumen  unmittelbar  zusammen. 

Als  besondere  Gebilde  der  Pia  cerebri  und  des  Ventrikelepithels  sind 
die  Telae  chorioideae  und  die  Plexus  chorioidei  zu  nennen. 

Man  unterscheidet  zwei  Telae  chorioideae,  Aderhautausbreitungen, 
eine  obere  und  eine  untere,  welche  den  beiden  queren  Gehirnspalten 
(Seite  66)  und  deren  Lage  entsprechen.  Die  Tela  chorioidea  ventriculi 
tertii  ist  zwischen  die  ventrale  Fläche  des  Balkens  und  des  Gewölbes  einerseits, 
und  die  dorsale  Fläche  des  Zwischenhirnes  andererseits  nach  vorn  vorgeschoben. 
Die  Tela  chorioidea  ventriculi  quarti  dagegen  dringt  zwischen  der  ventralen 
Fläche  des  Kleinhirns  und  der  dorsalen  Fläche  der  Medulla  oblongata  vor. 

/.  Tela  chorioidea  ventriculi  tertti.    Fig.  103,  127—129,  156,  157. 

Sie  hat  die  Form  eines  gleichschenkligen  Dreieckes  mit  vorderer,  an  die 
Columnae  fornicis  reichender  Spitze  und  hinterer,  dem  Balkenwulst  entsprechender 
Basis  und  besteht  aus  einem  dorsalen  und  einem  ventralen  Blatte,  welche  durch 
subarachnoidales  Gewebe  miteinander  verbunden  werden.  Seitlich  schlägt  sich 
das  dorsale  in  das  ventrale  Blatt  um.  Der  Umschlagrand  ist  durch  den  in  den 
Seitenventrikel  des  Endhirnes  vorspringenden  Plexus  chorioideus  ventriculi 
lateralis  ausgezeichnet,  welcher  sich  vom  Foramen  interventriculare  durch  die 
Pars  centralis  ventriculi  lat.  bis  zum  Ende  des  Unterhornes  erstreckt.  An  der  Stelle 
des  Trigonum  collaterale,  wo  Hinterhorn,  Unterhorn  und  Pars  centralis  zusammen- 
stoßen und  der  Seitenventrikel  weit  ist,  bildet  der  Plexus  eine  dickere  Masse,  das 
Glomus  chorioideum.  Die  beiden  Plexus  laterales  gehen  vorn,  in  dem  zwischen 
beiden  Foramina  interventricularia  liegenden  schmalen  Räume,  in  den  sie  ventral- 
wärts  umbiegen,  ineinander  über  und  entsenden  nach  hinten  die  beiden  schmalen, 
dicht  nebeneinander  gelagerten  Plexus  chorioidei  ventriculi  tertii,  mittlere 
Adergeflechte,  deren  Verhältnisse  aus  den  Fig.  128,  129,  157  ersichtlich  sind. 
Während  im  Plexus  chorioideus  ventriculi  lateralis  das  dorsale  Blatt  die  dem 
Plexus  angehörigen  gefäßtragenden  Zotten  entwickelt,  ist  es  im  Plexus  chorioideus 
ventriculi  tertii  das  ventrale. 

Das  laterale  Ende  des  Plexus  chorioideus  ventriculi  lat.  ist  an  der  Taenia 
chorioidea,  das  mediale  am  lateralen  freien  Rande  des  Fornix  befestigt  (Fig.  157). 
Das  Epithel  des  Plexus  setzt  sich,  entsprechend  den  Anheftungslinien,  in  die  Be- 
kleidung der  bezüglichen  Organe  fort.  Die  beiden  Plexus  chorioidei  ventri- 
culi tertii  sind  seitlich  an  der  Stria  medullaris  thalami  befestigt.  Weiter  hinten 
geht  die  Befestigung  auf  die  Habenulae  und  auf  die  Oberfläche  des  Corpus  pineale 
über.  In  dem  subarachnoidalen  Gewebe,  welches  zwischen  den  Piablättern  der 
Tela  chorioidea  ventriculi  tertii  enthalten  ist,  verlaufen  zwei  größere  Venen,  die 
Venae  cerebri  internae;  sie  vereinigen  sich  am  hinteren  Ende  der  Tela  zur 
Vena  cerebri  magna  (Galeni).  Jede  V.  cerebri  interna  nimmt  am  vorderen 
Ende  der  Tela  die  V.  chorioidea  und  die  V.  terminalis  auf.     Fig.  156. 


Das  Gehirn:   Hulk-n. 


159 


2.  Tela  chorioidea  ventriculi  quarti.    Fig.  97,  120,  159. 
Sie  besteht  aus  der  epithelialen,  seitlich  zur  Taenia  ventriculi  quarti  und 
vorn  zum  Velum  medulläre  posterius  ziehenden   Decke  des  IV.  Ventrikels  und 


Venen  vom  Corpus  callosum 

Vena  cerebri  interna 
Tela  chorioidea  ventriculi  ill 
Plexus  chorioideus  ventriculi  lat. 

Vena  terminalis 

Vena  chorioidea,'- 

/' 
Venen  vom  Thalamus 

Plexus  chorioideus  ventriculi  lat. 

Vena  cerebri  interna  I — f — £££ 

(Vena  hippocampi) 

(Vena  calcaris  avis.)  ■J^,---^r:- Ä»dö/i> 

Splenium  corporis  callosi 


Crus  "fornicis 
Commissura  hippocampi 


Fig.  156. 

Tela  chorioidea  ventriculi  tertü  und  Plexus  chorioidei  ventriculi  lateralis.     (Nach  Vicq  d'Azyr.)    3:2. 
Der  Balken  ist  abgetragen;  die  Columnae  fornicis  sind  am  Foramen  interventriculare  (Monroi)  durchgeschnitten,  Corpus 

und  Crura  fornicis  sind  nach  hinten  umgeklappt. 


Fig.  157.  Fig.  158. 

Fig.  157.    Querschnitt  durch  die  Tela  chorioidea  ventriculi  tertü  und  deren  Umgebung. 
//  Ventriculus  lateralis;   III  Ventriculus  tertius;   C.c.  Corpus  callosum;  F  Fornix;    77z  Thalamus;  St. m.  Stria  medullaris; 
St.t.  Stria  terminalis;    V.t.  Vena  terminalis;   L  Lamina  affixa.     1  Taenia  thalami ;  2  Taenia  chorioidea;   3  Taenia  fornicis. 

Die  Figur  zeigt  den  Übergang  der  Taenien  in  das  Epithelblatt  der  Plexus  chorioidei. 
Fig.  158.    Schema  zur  Demonstration  des  Verhaltens  der  Striae,  Taeniae  und  der  Lamina  chorioidea  epithelialis. 

(W.  His.) 


der  ihr  aufliegenden  Pialamelle.  Das  Piablatt,  welches  der  gegenüberliegenden 
Kleinhirnfläche  angehört,  kann,  wenn  man  will,  als  dorsales  Blatt  der  Tela 
chorioidea  betrachtet  werden.   Die  Basis  dieser  Tela  liegt  vorn  und  zieht  entlang 


160 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


dem  Velum  medulläre  posterius  zu  den  Flockenstielen;  sie  ist  folglich  breit  zwischen 
den  beiderseitigen  Flockenstielen  gelegen  und  hat  als  mittleren  Befestigungspunkt 
den  Nodulus  des  Unterwurmes;  die  Spitze  liegt  am  hinteren  Ende  des  IV.  Ventrikels, 
am  Calamus  scriptorius. 

Auch  hier  gelangt  jederseits  ein  Plexus  lateralis  und  ein  scheinbar  un- 
paarer  Plexus  medius  zur  Ausbildung.  Die  ersteren  erstrecken  sich  vom  No- 
dulus seitlich  zu  den  Recessus  laterales  ventriculi  quarti;  der  letztere,  aus  zwei 
nebeneinanderliegenden  Streifen  bestehend,  zieht  vom  Nodulus  rückwärts,  tritt  aus 
der  Apertura  medialis  ventriculi  quarti  hervor  und  zieht  sich  noch  eine  Strecke 


Hemisphaerium 
sinislrum 
cerebelli 


Hemisphaerium 

dextrum 

cerebelli 


Plexus  chorioideus  ventriculi  IV     / 

Subarachnoidales  Gewebe 

Apertura  medialis  ventriculi  IV       \ 
(Foramen  Magendii) 

Medulla  oblongata 


Tela  chorioidea  ventriculi  IV 
Fissura  mediana  post. 


Fig.  159. 

Untere  Fläche  des  Kleinhirnes  und  obere  der  Medulla  oblongata,   nach  Spaltung  der  Arachnoldea  auseinander- 
gebogen, um  die  Apertura  medialis  ventriculi  quarti  zu  zeigen.     (Key  und  Retzius.) 
o  Arachnoidalwand   der  Cisterna  cerebello-medullaris;    t,t  Tonsillen  des  Kleinhirnes.     Man  sieht,   wie   aus  der  Apertura 
medialis  ventriculi  quarti  der  mittlere  Teil  der  beiden  Plexus  chorioidei  ventriculi  IV  hervorkommt   und   sich  eine  Strecke 
weit  an  der  unteren  Fläche  des  Unterwurmes  entlang  zieht. 

weit  am  Unterwurm  hinauf.  Im  Recessus  lateralis  hat  der  Plexus  mit  seiner  seit- 
lichen Umschließung  durch  die  Taenia  ventriculi  quarti  die  Form  eines  mit  Beeren 
beladenen  Füllhornes  und  wird  auch  Füllhorn  oder  Bochdaleksches  Blumen- 
körbchen genannt. 

Während  die  Tela  chorioidea  ventriculi  tertii  völlig  geschlossen  ist,  kommen, 
wie  schon  erwähnt,  an  der  Tela  chorioidea  ventriculi  quarti  zweierlei  sekundäre 
Durchbrechungen  vor,  eine  mittlere,  die  Apertura  medialis  ventriculi 
quarti  (Foramen  Magendii),  und  zwei  seitliche,  die  an  den  Recessus  laterales 
sich  ausgebildet  haben,   Aperturae  laterales  ventriculi  quarti  (Key-Retzii). 

Die  Apertura  medialis  (Fig.  159)  befindet  sich  im  hinteren  Bereich  des 
Ventrikeldaches,  unmittelbar  vor  dem  Obex.  Die  beiden  anderen  nehmen  die 
Enden  der  Recessus  laterales  ein.  Key  und  Retzius  haben  diese  Öffnungen  des 
IV.  Ventrikels  ausführlich  beschrieben  und  ihr  wirkliches  Vorhandensein  früheren 


Das  Gehirn:   Hüllen.  161 

abweichenden  Meinungen  gegenüber  sichergestellt.  Vor  mehreren  Jahren  haben 
ihre  Angaben  durch  erneuerte  Untersuchung  von  in  Müllerscher  Flüssigkeit  ge- 
härteten Gehirnen  volle  Bestätigung  gefunden. 

So  untersuchte  Hess  zu  diesem  Zwecke  30  Gehirne  von  Erwachsenen,  10  von  Neugeborenen, 
7  von  Feten.  Das  Magendiesche  Loch,  seit  1842  bekannt  geworden,  stellt  meist  nicht  eine  Durch- 
brechung einer  Membran  dar,  sondern  erscheint  als  die  Endmündung  eines  kurzen,  mehr  oder  weniger 
zylindrischen  Rohres,  dessen  Wandungen  vielfach  durchlöchert  sind.  Im  übrigen  kommen  bedeutende 
individuelle  Schwankungen  vor,  so  daß  ausnahmsweise  die  Öffnung  fehlt  und  die  Pia  mit  dem  Ventrikel 
geschlossen  bleibt.  Bei  Neugeborenen,  ja  schon  bei  Feten  von  15  cm  Länge  pflegte  die  Öffnung 
vorhanden  zu  sein.    In   der  Regel   wurden   auch   in   den  Reccssus  laterales   Öffnungen  gefunden. 

Die  Funktion  dieser  Öffnungen  besteht  in  der  leichteren  Ermöglichung 
einer  Druckregulierung  des  in  den  Hirnhöhlen  enthaltenen  Liquor  eneephalicus, 
welcher  sich  durch  die  Öffnungen  mit  der  subarachnoidalen  Lymphe  zum  Liquor 
encephalo-spinalis  mischt.  Die  Funktion  der  Plexus  chorioidei  aber  ist 
von  der  ersten  Zeit  ihrer  Ausbildung  an  keine  andere,  als  Liquor  eneephalicus 
abzusondern.  Dessen  Mengenschwankungen  spielen  bei  den  Schwankungen  des 
Blutgehaltes  des  Gehirnes  und  Schädelinnenraumes  notwendigerweise  eine  ge- 
wisse Rolle. 

Die  Adergeflechtzotten  bestehen  aus  einem  fibrillenarmen  Bindegewebe, 
deckendem  Epithel  und  eingeschlossenen  Blutgefäßen.  Eine  zuführende  Arterie 
und  eine  abführende  Vene  bilden  innerhalb  derselben  ein  reiches  Kapillarnetz.  Sie 
haben  eine  Länge  von  1 — 2  mm  und  sind  in  zierlicher  Weise  mit  mehreren  sekun- 
dären Erhebungen  von  0,4  mm,  diese  wieder  mit  kleinen  tertiären  Läppchen  von 
0,07  mm  Länge  besetzt. 

Hier  ist  auch  der  Ort,  die  mehrfach  erwähnten  Taenien  des  Gehirnes  (S.  76,  105, 
136,  137,  141)  übersichtlich  zusammenzustellen.  Man  bezeichnet  nach  dem  Vor- 
gange von  Reichert  mit  jenem  Namen  alle  jene  Säume,  längs  welcher  die  Sub- 
stanz des  Gehirnes  in  das  Epithel  der  betreffenden  Tela  chorioidea  sich  fortsetzt. 
Zum  Verständnis  ist  aus  der  Entwicklungsgeschichte  zu  erwähnen,  daß  von  der 
ursprünglichen  Wand  des  embryonalen  Gehirnrohres  ein  größerer  Teil  sich  verdickt 
und  zu  Nervensubstanz  gestaltet,  ein  kleinerer  Teil  dagegen  auf  epithelialer  Stufe 
verharrt  und  dünne  Platten  bildet  (Fig.  163,  179).  So  geschieht  es  an  der  Decke 
des  IV.  und  des  III.  Ventrikels  und  in  einem  Längsstreifen  der  medialen  Wand 
des  Endhirnes.  Längs  der  Grenze  der  kompakten  gegen  die  dünne  Platte  haben 
alle  jene  Taenien  ihre  Lage.  Die  Pia  mater  geht  von  der  kompakten  auch  auf 
die  dünne  Platte  über,  welche  stellenweise  verwickelte  Einfaltungen  erfährt  und 
dadurch  die  Telae  und  Plexus  chorioidei  veranlaßt.  Beim  Ablösen  der  Pia  mater 
von  der  Hirnwand  zerreißt  der  Zusammenhang  zwischen  kompakter  und  dünner 
Platte,  und  die  Taenien  bleiben  als  feine  gezackte  Säume  zurück.  In  der  Nähe  der 
Taenien  haben  sich  Markstreifen  ausgebildet,  sogenannte  Striae  medulläres 
(siehe  Fig.  157  und  158). 

1.  Taenia  ventriculi  quarti.  Sie  beginnt  am  Obex  (Seite  72),  geht  vor 
dem  Ende  des  Fasciculus  gracilis  und  euneatus  schräg  auf  das  Corpus  restiforme 
über  (Fig.  113,  114),  umsäumt  den  Recessus  lateralis  und  schließt  sich  darauf  dem 
Kleinhirn  an,  indem  sie  dem  Pedunculus  floeculi  und  dem  Velum  medulläre  po- 
sterius zum  Nodulus  folgt  (Seite  76).  Sie  ist  folglich,  im  Zusammenhange  mit 
derjenigen  der  anderen  Seite,  ringförmig  gestaltet. 


162 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


2.  Taenia  thalami.  Die  Taenie  des  dritten  Ventrikels  bildet  mit  der  Taenia 
chorioidea  des  Seitenventrikels  einen  zusammenhängenden  Streifen,  an  welchem  wir 
mit  His  drei  Hauptabschnitte  unterscheiden  können:  die  Taenia  thalami,  die 
Taenia  chorioidea  und  die  Taenia  fornicis. 

Die  Taenia  thalami  beginnt  am  Corpus  pineale  (Fig.  108)  und  folgt jederseits 
dem  freien  Rande  der  Stria  medullaris;  sie  setzt  sich  in  die  schmale  Epithelplatte  fort, 
welche  den  Plexus  chorioideus  ventriculi  III  an  seiner  unteren  Fläche  bekleidet. 
Am  Foramen  interventriculare  angelangt,  biegt  die  Taenia  thalami  rückwärts  in  die 


Fig.  160. 


Fig.  161. 


Fig.  160.    Plexus  chorioideus  ventriculi  lat.  Im  Bereich  des  Unterhorns. 

Frontalschnitt  durch  Hippocampus  und  Unterhorn  des  Seitenventrikels.    2  :  1. 

v.l.  Unterhorn  des  Seitenventrikels;  sub.  Gyrus  hippocampi;   c.  A.  Hippocampus,   auf  der  Ventrikelseite  von   d  bis  c  mit 

weißer  Marklamelle  bedeckt,  die  bei  c  in  die  Fimbria//  übergeht.    Zwischen  a  und  b  spannt  sich  eine  das  Adergeflecht  p.  eh. 

tragende  Pialamelle  aus;    die  Fortsetzung  der  Pia  mater  auf  der  freien  Oberfläche   ist  punktiert   dargestellt;    n.c.   Cauda 

nuclei  caudati ;  /  Fascia  dentata;  g  Lamina  medullaris  involuta,  aus  der  Substantia  reticularis  alba  hervorgehend. 

Fig.  161.     Tela  chorioidea  ventriculi  III,  Plexus  chorioideus  ventriculi  III  und  ventriculi  lat. 

Frontalschnitt  durch  das  Zwischenhirn  und  die  Seitenventrikel.  Halbschematisch.  2:1. 
Th.  Sehhügel;  t  Haube;  er  Großhirnschenkel;  v.lll  dritter  Ventrikel;  v.l.  Seitenventrikel;  r  dessen  Recessus  zwischen 
oberer  Fläche  des  Fornix  (/)  und  unterer  Fläche  des  Balkens  (ea);  n.c.  Nucleus  caudatus;  st. t.  Stria  terminalis.  Von  der 
lateralen  Kante  des  Fornix  c  brückt  sich  ein  den  Plexus  chorioideus  lateralis  (ch.l)  tragendes  Piablatt  nach  a  zum  Rande 
der  Lamina  alfixa  hinüber.  Die  Piablätter  hier,  sowie  an  der  unteren  Seite  des  Fornix  und  auf  der  oberen  Fläche  des 
Thalamus  und  dritten  Ventrikels  sind  durch  punktierte  Linien  angedeutet,  das  Epithel  der  Plexus  chorioidei  schematisch 
durch  eine  ausgezogene,  vielfach  eingebuchtete  Linie.  Zwischen  den  beiden  Piablättern  befindet  sich  lockeres  subarach- 
noidales  Gewebe  (sa.)  und  die  Querschnitte  der  Venae  cerebri  int.  (v,  v);    ch.m.  Plexus  chorioidei  des  dritten  Ventrikels. 


Taenia  chorioidea  um.  Letztere  setzt  sich  am  vorderen  Ende  des  Hippocampus 
fort  in  die  Taenia  fimbriae  und  diese  in  die  Taenia  fornicis.     Fig.  118. 

Die  Blutgefäße  der  Pia  sind  zum  überwiegenden  Teil  für  das  Zentral- 
organ, nicht  für  sie  selbst  bestimmt.  Die  Quellen  der  arteriellen  Gefäße  sind  die 
A.  carotis  interna  und  A.  vertebralis  (siehe  Abt.  III).  Von  den  Lymphgefäßen 
der  Pia  war  schon  oben  (S.  31)  die  Rede. 

Die  Nerven  der  Pia  stammen  zum  größten  Teil  aus  dem  Sympathicus  und 
dessen  Geflechten  für  die  A.  carotis  interna  und  A.  vertebralis. 


Das  Gehirn:  Gefäße.  163 

Cavazzani,  E.,  Zur  Physiologie  der  Plexus  ehorioidei  des  Gehirnes.  Zcntralbl.  f.  Phys.  XVI, 
1902.  —  Imamura,  Sh.,  Zur  Histologie  des  Plexus  chorioideus.  H.  Obersteiners  Arbeiten,  VIII, 
1902.  —  Melnikow-Raswedenkow,  N.,  Über  den  Bau  der  Dura  matcr.  Jena  1900.  —  Nahm- 
macher, VV.,  Die  Nerven  der  Dura  mater  cerebri.  Rostock  1879.  —  Strasscr,  H.,  Die  Hüllen 
des  Gehirnes  und  des  Rückenmarkes,  ihre  Funktion  und  ihre  Entwickclung.  Comptes  r.  Assoc. 
anat.,  3e  S.  1901.  —  Zander,  R.,  Beiträge  zur  Morphologie  der  Dura  matcr  und  zur  Knochen 
entwickclung.  Festschrift  für  Kupffer,  1899.  Die  Ursache  der  Gliederung  der  Dura  spinalis  in 
ein  periostales  und  medulläres  Blatt  ist  die  Beweglichkeit  der  Wirbelsäule,  im  Gegensatz  zu  den  Verhält- 
nissen des  Schädels.  Epidurale  Räume  des  letzteren  hat  Z.  nicht  wahrgenommen.  Als  Dura  mater  und 
als  Periost  betrachtet  Z.  nur  die  fibrösen  Häute  und  trennt  davon  das  knochcnbildcnde  Gewebe  ganz. 

8.  Gefäße  des  Gehirnes. 
A.  Arterien. 

Der  in  der  Angiologie  enthaltenen  Darstellung  der  Hirnarterien  ist  über  die  weitere  Verästelung 
der  Hirnarterien   nach  Untersuchungen   von   Duret  und   Heubner  das  Folgende  hinzuzufügen: 

I.  Arterien  des  verlängerten  Markes  und  des  Kleinhirnes. 

1.  Aa.  radiculares  (Duret).  Sie  stammen  aus  den  Aa.  vertebrales,  der  A.  basilaris,  oder 
aus  den  Aa.  cerebelli  inferiores,  verlaufen  zu  den  Nervenwurzeln,  erreichen  sie  kurz  vor  ihrem 
Austritt  und  teilen  sich  in  einen  peripheren  R.  descendens  und  einen  zentralen  R.  ascendens,  der 
die  Nervenwurzel  bis  zum  Kern  begleitet. 

2.  Aa.  medianae  s.  Aa.  nucleorum,  zahlreiche  feine  Arterien,  die  innerhalb  der  Raphe 
zum  Boden  des  vierten  Ventrikels  aufsteigen.  Duret  unterscheidet  4  Gruppen:  Die  der  einen 
Gruppe  stammen  aus  der  A.  spinalis  anterior  und  ziehen  zu  den  Kernen  des  Hypoglossus  und 
Accessorius;  die  der  zweiten  Gruppe  (3—4)  stammen  aus  der  Vereinigungsstelle  der  Vertebrales 
zur  Basilaris  und  versorgen  die  Kerne  des  Vagus,  Glossopharyngeus  und  Acusticus;  die  der  dritten 
Gruppe  (4 — 6)  stammen  aus  der  Basilaris  und  versorgen  besonders  die  Kerne  des  Facialis,  Abducens 
und  Trigeminus;  die  der  vierten  Gruppe  endlich  (einige  feine  Äste)  stammen  aus  der  Teilungsstelle 
der  Basilaris  und  ziehen  durch  Löcher  der  Substantia  perforata  posterior  zur  Haube  und  den  Kernen 
des  Mittelhirnes.  Das  Kapillarnetz  aller  dieser  Gefäße  hängt  zusammen  mit  der  Endverästelung 
der  zentralen  Äste  der  Aa.  radiculares. 

3.  Zweige  zu  den  Oliven,  Pyramiden  und  Corpora  restiformia,  zur  Tela  und  zu  den  Plexus 
ehorioidei  des  vierten  Ventrikels.     Letztere  stammen  aus  der  A.  cerebelli  inferior  posterior. 

Die  drei  Arterien  für  jede  Kleinhirnhälfte  gehen  untereinander  starke  Anastomosen  ein. 
Der  Verlauf  der  Hauptzweige  dieser  Gefäße  ist  ferner  nahezu  rechtwinkelig  zur  Richtung  der 
Furchen  und  Randwülste.  Das  dichteste  Kapillarnetz  besitzt,  wie  sich  erwarten  läßt,  die  Körner- 
schicht (Gerlach,  Oegg). 

II.  Arterien  des  Mittelhirnes. 

1.  Zweige  für  die  Substantia  perforata  posterior  und  die  Haube  aus  der  A.  cerebri 
posterior.  Zu  ihnen  gehören  auch  die  aus  der  Teilungsstelle  der  Basilaris  entspringenden  (bei  I,  unter  2, 
vierte  Gruppe  erwähnten)  Zweige. 

2.  Zweige  für  die  Pedunculi  cerebri.  Sie  sind  die  Aa.  peduneulares  mediales  und  laterales. 
Von  den  medialen  Zweigen  stammen  die  vorderen  aus  der  A.  communicans  posterior,  die  hinteren 
aus  dem  Anfangsteil  der  A.  cerebri  post.;  einige  von  ihnen  dringen  zur  Substantia  nigra.  Die  lateralen 
Zweige  stammen  besonders  aus  der  A.  cerebri  post.,  zum  Teil  aus  der  A.  chorioidea. 

3.  Zweige  für  die  Vierhügel.  Für  das  Velum  medulläre  anterius  und  die  Bindearme  sind 
feinere  Arterien  aus  der  A.  cerebelli  superior  bestimmt.  Das  Hauptgefäß  für  die  Vierhügelplatte  selbst 
(A.  collicularis  lateralis)  stammt  aus  der  A.  cerebri  post.,  umschlingt  den  Pedunculus,  gelangt  zum 
Sulcus  intercollicularis  transversus  und  verbreitet  sich  von  hier  aus.  Von  der  A.  cerebri  post.  oder 
einem  ihrer  Thalamuszweige  entspringt  häufig  ein  für  die  vordere  Abdachung  des  Vierhügels  be- 
stimmtes Gefäß  (A.  collicularis  anterior).  Sie  alle  anastomosieren  untereinander  und  bilden  in  der 
Vierhügelplatte  ein  reiches  Kapillarnetz. 

Raübee-Kopsch,  Anatomie.    10.  Aufl.    V.  Abt.  9 


164  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

III.  Arterien  des  Zwischenhirnes. 

1.  Für  die  Zirbel,  die  Tela  chorioidea  ventriculi  tertii  und  die  Plexus  chorioidei 
ventriculi  tertii  ist  jederseits  ein  aus  der  A.  cerebri  posterior  entspringendes  Gefäß  bestimmt, 
die  A.  chorioidea  posterior  medialis,  die  sich  in  einen  medialen,  zurTela,  und  einen  lateralen 
zum  Plexus  ziehenden  Zweig  teilt. 

2.  Für  den  Thalamus  sind  mehrere  Gefäße  bestimmt,  die  sämtlich  Endarterien  (siehe 
Gefäßlehre)  im  Sinne  von  Cohnheim  sind.    Man  unterscheidet: 

a)  die  Aa.  thalamicae  mediales,  eine  anterior  und  eine  posterior.  Letztere  entspringt 
aus  der  A.  cerebri  post.  oder  aus  der  A.  communicans  posterior.  Die  anterior  stammt  aus  der 
A.  communicans  posterior;  sie  durchbohrt  die  graue  Bodenkommissur  zwischen  Tuber  cinereum  und 
Corpus  mamillare  und  gelangt  zum  vorderen  Teil  der  Wand  des  Ventriculus  III  und  zum  Tuberculum 
anterius  thalami.  Die  posterior  durchbohrt  die  Substantia  perforata  posterior  und  gelangt  zur 
medialen  Fläche  des  Thalamus  und  zur  Massa  intermedia. 

b)  Die  Aa.  thalamicae  dorsales.  Sie  stammen  aus  der  A.  chorioidea  posterior  late- 
ralis, einem  Aste  der  A.  cerebri  post.,  welcher  die  Tela  chorioidea  ventriculi  III  und  den  Plexus 
chorioideus  ventriculi  lateralis  versorgen  hilft. 

c)  Die  Aa.  thalamicae  laterales  (2—3)  stammen  aus  der  A.  cerebri  post.  und  versorgen 
die  Corpora  geniculata  und  das  Pulvinar. 

3.  Die  Corpora  mamillaria,  das  Tuber  cinereum,  das  Infundibulum  und  die  Hypo- 
physis  werden  von  Zweigen  aus  der  A.  communicans  posterior  versorgt. 

4.  DerTractus  opticus  erhält  in  der  Reihe  von  hinten  nach  vorn  Zweige  von  der  A.  chorioidea 
anterior,  der  Communicans  posterior  und  der  Carotis  interna. 

5.  Das  Chiasma  erhält  an  seiner  hinteren  Fläche  Zweige  der  A.  communicans  posterior;  an 
der  vorderen:  Zweige  der  A.  communicans  anterior  und  A.  cerebri  anterior;  an  der  lateralen: 
Zweige  aus  der  Carotis  interna. 

6.  Die  Lamina  terminalis  wird  von  der  A.  communicans  anterior  versorgt. 

IV.  Arterien  des  Endhirnes. 

Sie  sind  a)  Arterien  der  Endhirnganglien  und  der  Capsula  interna, 
b)  Arterien  der  Endhirnrinde  und  des  übrigen  Markes. 

a)  Die  Arterien  der  Endhirnganglien  (Nucleus  caudatus  und  lentiformis)  sind  sämtlich 
Endarterien  (Heubner,  Duret)  und  stammen:  1.  aus  der  A.  cerebri  anterior.  Meist  ist  nur  ein 
Zweig  vorhanden,  welcher  durch  eine  mediale  Öffnung  der  Substantia  perforata  anterior  zum 
basalen  Teil  des  Kopfes  des  Nucleus  caudatus  zieht;  2.  aus  der  A.  chorioidea  lateralis,  einem  Zweige 
der  A.  cerebri  post.,  feine  Zweige,  die  in  den  dorsalen  Teil  des  genannten  Kopfes  eindringen; 
3.  aus  der  A.  cerebri  media  eine  größere  Zahl  von  Zweigen,  welche  die  Löcher  der  Substantia 
perforata  anterior  durchbohren  und  zum  Linsenkerne  (seinen  drei  Gliedern),  zum  mittleren  Teil 
des  Nucleus  caudatus,  zur  Capsula  interna  bis  zum  Thalamus  gelangen.    Fig.  162. 

b)  Arterien  der  Rinde.  Die  aus  den  Ästen  der  Piaarterien  hervorgegangenen  Hirngefäße 
verlaufen  zunächst  noch  eine  Strecke  parallel  der  Oberfläche  und  dringen  dann  rechtwinklig  zur 
Oberfläche  in  die  Rinde  ein.  Man  unterscheidet:  a)  Aa.  medulläres  (Duret),  gröbere  Zweige,  welche 
durch  die  Rinde  3 — 4  cm  tief  eindringen,  somit  auch  die  tiefsten  Teile  der  Marksubstanz  erreichen  und 
innerhalb  derselben  in  langgestreckte  Kapillarnetze  übergehen.  Schon  innerhalb  der  Rinde  geben  sie 
einige  feinere  Zweige  ab.  Auf  einem  Schnitte,  der  eine  Windung  quer  durchschneidet,  werden  10 — 15 
Aa.  medulläres  wahrgenommen;  b)  Aa.  corticales.  Sie  sind  feiner,  viel  zahlreicher  und  bilden 
hauptsächlich  das  Kapillarnetz  der  grauen  Rinde.  Dieses  ist  in  der  äußeren  zellenarmen  Schicht 
weitmaschig,  in  der  Hauptmasse  der  Rinde  dagegen  sehr  dicht.  Aus  der  Grenzschicht  gegen  das 
Mark  entwickeln  sich  insbesondere  die  Venen  der  Hirnrinde.  Im  übrigen  werden  auch  die  Venen 
als  Vv.  medulläres  und  Vv.  corticales  unterschieden. 

I.  A.  cerebri  anterior.  Sie  gibt  zunächst  feine  Zweige  zum  Septum  pellucidum  und  zum 
Rostrum  corporis  callosi  ab  und  versorgt  darauf  den  größeren  Teil  des  Stirnlappens,  einen  Teil  des 
Scheitellappens  und  den  Balken,  indem  sie  in  folgende  Zweige  zerfällt: 

a)  Die  Aa.  frontales  inferiores  mediales,  für  den  Sulcus  olfactorius  und  die  an  ihn. 
grenzenden  Orbitalwindungen. 


Das  Gehirn:  Gefäße,  Entwicklung. 


165 


b),  c)  und  d)  Die  A.  Frontalis  m cd ialis  anterior,  media  und  posterior.    Dir  anterior 

ist  für  die  mediale  und  dorsale  Flache  der  ersten  Stirnwindung  und  für  die  dorsale  Fläche  der  zweiten 
Stirnwindung  bestimmt;  die  media  versorgt  den  hinteren  Teil  der  ersten  Stirnwindung,  den  Gyrus 
cinguli  und  die  oberen  Enden  der  beiden  Zentralwindungen;  die  posterior  versorgt  den  Praccuneus, 
das  Corpus  callosum  und  das  dorsale  Epcndym  der  Seitenventrikel. 

2.  A.  cerebri  media.    Nachdem  sie  ihre  Zweige   für  die  Endhirnganglicn  abgegeben  hat, 
teilt  sie  sich  auf  der  Außenseite  der  Insel  in  folgende  -1  Endzweige: 

a)  Die  A.  frontalis  inferior  lateralis,  für  die 
dritte  Stirnwindung. 

b),  c)  und  d)  Die  A.  parictalis  anterior,  media 
und  posterior.  Die  anterior  versorgt  das  hintere  Ende 
der  zweiten  Stirnwindung  und  die  vordere  Zentralwindung, 
die  media  breitet  sich  im  Gebiet  der  Zentralwindungen  und 
des  Lobulus  parietalis  superior  aus,  die  posterior  begibt  sich 
zum  Lobulus  parietalis  inferior,  zur  dorsalen  Fläche  des 
Schläfenlappens,  sowie  zur  ersten  und  zweiten  Schläfen- 
windung. 

Die  A.  cerebri  media  gibt  ferner  eine  Reihe  von 
Rami  insulares  ab,  von  welchen  Reiser  bis  zum  Claustrum 
vordringen. 

3.  A.  cerebri  posterior. 
Von  ihrer  medialen  Seite  die  erwähnten  Zweige  zum 

Mittel-   und   Zwischenhirn   entsendend,    gibt   sie   von   ihrer 
lateralen  Seite  folgende  Zweige  zur  Hirnrinde: 

a)  und  b)  A.  temporalis  anterior  und  posterior 
und  c)  A.  occipitalis.  Die  A.  temp.  ant.  versorgt  den  G. 
hippocampi  und  die  Spitze  des  Schläfenlappens;  die  A.  temp. 
post.  den  Gyrus  hippocampi,  die  dritte  Schläfenwindung 
und  den  Gyrus  fusiformis;  die  A.  occipitalis  den  größten 
Teil  des  Hinterhauptlappens;  sie  verläuft  zum  Teil  in  der 
Fissura  calcarina  zum  Occipitalpol. 


Siehe  Abt.  III, 


B.  Venen. 

S.  401—405. 


3 

Fig.  162. 

Äste  der  A.  cerebri  media  zu  den  Stamm- 
ganglien. 

Frontalschnitt  der  linken  Hemisphäre  hinter 

dem  Chiasma  opticum. 
1  Fissura  lateralis  cerebri ;  2  Insel ;  3  Schläfen- 
lappen; 4  Nucleus  amygdalae;  5  Nucleus  len- 
tiformis;  6  Nucleus  caudatus;  7  Thalamus; 
8  'Chiasma  opticum;  9  Carotis  interna  und 
ihre  Teilung  in  die  A.  cerebri  media  und  A. 
cerebri  anterior. 


C.  Lymphbahnen. 

Siehe  hierüber  den  Abschnitt:  Hüllen  des  Gehirnes,  sowie  Abt.  III,  S.  469. 

Cavazzani,  E.,  Weiteres  über  die  Cerebrospinalflüssigkeit.  Zentralbl.  f.  Physiologie,  1896,  X, 
Nr.  6.  —  Grashey,  H.,  Experim.  Beiträge  zur  Lehre  von  der  Blutzirkulation  in  der  Schädel-Rück- 
grathöhle. München  1892,  J.  F.  Lehmann.  —  Triepel,  H.,  Die  Struktur  der  Gehirnvenen  und  die 
Blutzirkulation  in  der  Schädelhöhle.  Anat.  Hefte,  Nr.  36,  1898.  —  H.  Baum,  Die  Lymphgefäße 
des  Nervensystems  des  Rindes.    Zeitschr.  Infektionskrankh.  usw.  1913. 


9.  Blick  auf  die  Entwicklung  des  Gehirns. 

Das  Medullarrohr,  welches  dem  Rückenmark  und  Gehirn  den  Ursprung  gibt,  geht  aus  einer 
langen  und  breiten,  aus  zwei  symmetrischen  Hälften  zusammengesetzten  zelligen  Platte  des  Ektoderms 
hervor,  die  den  Namen  Medullarplatte  erhalten  hat.  Ringsum  setzt  sich  die  Medullarplatte  in 
den  peripheren  Teil  des  Ektoderms  fort,  welcher  Hornblatt  genannt  wird.  An  der  Grenze  zwischen 
beiden  gliedert  sich  jederseits  ein  besonderer  Strang  ab,  die  Ganglienleiste,  die  Ursprungsplatte 
der  Ganglia  communia,  welche  sekundär  in  Ganglia  spinalia  und  Ganglia  sympathica 
sich  gliedern. 

Wenn  auch  natürlicherweise  das  Maßgebende  des  ganzen  zentralen  Nervensystems  immer  die 
Substanzplatte  selbst  ist  und  in  der  frühzeitig  sich  ausbildenden  Rohrform  nichts  Geheimnis- 
volles gesucht  werden  darf,  so  hat  die  Medullarplatte  doch  nicht  umsonst  die  Rohrform  angenommen; 

9* 


166  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

es  leitet  sich  aus  dieser  Modifikation  der  Urform  die  Leichtigkeit  der  Oberflächenentfaltung  und  eine 
große  Anzahl  anderer  morphologischer  Folgen  ab.  Geht  man  dem  Gegenstande  weiter  auf  den 
Grund,  so  zeigt  gerade  die  Endform  des  zentralen  Nervensystems  am  deutlichsten,  daß  von  dem 
ganzen  Querschnitte  des  Medullarrohres  nicht  jeder  Teil  eine  gleich  große  morphologische  Be- 
deutung besitzt,  sondern  daß  die  Seitenwände  des  Rohres  es  sind,  welchen  die  Hauptbedeutung 
in  der  ganzen  Länge  der  Anlage  zukommt.  Zwei  gebogene  starke  seitliche  Platten  also  sind  es, 
in  welche  der  wesentliche  Begriff  des  Medullarrohres  sich  auflöst,  zwei  neurale  Balken,  welche  je 
durch  eine  schwache  dorsale  und  ventrale  Brücke  oder  Kommissur  miteinander  zusammenhängen. 
Von  diesen  beiden  neuralen  Balken  gehört  je  einer  einer  Körperhälfte  an,  der  Lage  nach  der 
gleichseitigen,  der  Funktion  nach  der  gegenseitigen.  Jeder  neurale  Balken  zerfällt  in  zwei 
verschiedene  Zonen,  in  eine  mehr  ventral  und  in  eine  mehr  dorsal  gelegene;  sie  führen  den  Namen 
Grundplatte  und  Seiten-  oder  Flügelplatte  i Fig.  163).  Was  der  Grund-  und  Flügelplatte 
jederseits  in  der  ganzen  Länge  des  Medullarrohres  an  morphologischer  Leistung  zukommt,  wird 
alsbald  gezeigt  werden. 

Vorerst  ist  von  der  Rohrform  noch  hervorzuheben,  daß  sie  auch  in  der  Endform  des  Zen- 
tralnervensystems immer  noch  deutlich  erkennbar  bleibt.  Die  Lichtung  erweitert  sich  an  einigen 
Stellen  zu  mehr  oder  weniger  geräumigen  Kammern,  die  sogar  sekundäre  Durchbrechungen  erfahren 
können;  aber  hierin  liegt  kein  Hindernis  für  jene  Vorstellung.  Daß  das  Rückenmark  in  seiner  End- 
form ein  dickwandiges  Rohr  darstellt,  ist  bekannt;  die  Medulla  oblongata,  die  Brücke  und  das 
Kleinhirn  setzen  die  Rohrform  unter  Ausbildung  der  IV.  Hirnkammer  fort;  das  Mittelhirn,  in  Form 
zweier  symmetrischer  Massen  um  den  Aquädukt  gelegt,  ist  ein  kurzes,  dickwandiges  Rohrstück; 
bedeutendere  Umbildungen  erfuhr  das  Zwischenhirngebiet,  aber  im  ganzen  zeigt  es  ebenfalls  zwei 
symmetrische  Seitenmassen,  die  um  die  III.  Hirnkammer  gelegt  sind.  Bringt  man  endlich  jede 
Hemisphäre  auf  ihren  einfachsten  Ausdruck,  läßt  man  Furchen  und  Windungen  verstreichen  und  die 
Region  der  Hemisphärenkerne  sich  verdünnen,  so  zeigt  sich  jede  Hemisphäre  als  eine  Blase,  welche 
vorn-seitlich  dem  Zwischenhirn  aufgesetzt  ist;  das  Foramen  interventrikulare  ist  jederseits  die  Über- 
gangsstelle des  Zwischenhirnlumens  in  den  Blasenhohlraum. 

Über  die  Einzelheiten  der  vielen  Umbildungen  liegen  zahlreiche  Untersuchungen  vor, 
welche,  wenn  sie  auch  nicht  überall  zu  völlig  abschließenden  Ergebnissen  geführt  haben,  doch 
alle  grundlegenden  Vorgänge  zu  überschauen  gestatten. 

Während  soeben  versucht  worden  ist,  die  Endformen  der  Hauptabteilungen  des  Gehirnes  in 
Gedanken  rückwärts  auf  die  einfacheren  Verhältnisse  eines  gegliederten  Rohres  zu  verfolgen  und 
zu  zeigen,  daß  auch  das  fertige  Gehirn  die  Rohrform  noch  durchblicken  läßt,  sind  nunmehr  die 
vorschreitenden  Bahnen  der  Entwicklung  des  Medullarrohres  objektiv  zu  untersuchen. 

Das  Medullär-  oder  Neuralrohr  steht  in  früher  Zeit  sowohl  mit  dem  den  ganzen  Körper  ab- 
schließenden epidermalen  Rohre,  als  auch  mit  dem  gastralen  Rohre  in  der  Gegend  des  hinteren  Leibes- 
endes in  offener  Verbindung.    Der  bezügliche  Kanal  führt  den  Namen  Canalis  neuren tericus. 

Beifolgende  Fig.  164,  welche  den  Medianschnitt  eines  Batrachier-Embryo  widergibt,  erläutert 
das  Angegebene  in  den  für  uns  wichtigsten  Teilen;  tue  lateralen  Nebenröhren  der  Körperanlage  sind 
auf  dem  Medianschnitt  natürlich  nicht  sichtbar.  Dagegen  zeigt  sich,  daß  das  epidermale  Rohr  e  am 
hinteren  Leibesende,  bei  R,  der  Rusconischen  Pforte,  die  äußere  Mündung  eines  inneren  Gangwerkes 
enthält,  von  welchem  m  das  dorsal  bereits  geschlossene  Medullarrohr,  g  das  Gastralrohr  darstellt; 
bei  ne  führt  der  Canalis  neurentericus  vom  Medullarrohr  in  das  Gastralrohr  und  zur  Rusconischen 
Pforte.  Der  Canalis  neurentericus  vermittelt  die  beiderseitige  Verbindung  nur  während  kurzer  Zeit; 
er  schließt  sich  darauf  ab,  der  merkwürdige  Zusammenhang  mit  dem  Darmapparat  ist  dann  auf- 
gehoben. 

Während  Fig.  164  das  Medullarrohr  dorsal  bereits  überall  geschlossen  zeigt,  führt  Fig.  165 
ein  Stadium  der  Kaninchenentwicklung  vor,  in  welchem  die  Medullarplatte  zwar  symmetrisch  ge- 
bogen ist  und  daher  eine  Rückenfurche  (rf)  einschließt,  die  lateralen  Ränder  der  Platte  aber 
noch  weit  voneinander  entfernt  sind;  sie  nähern  sich  später  immer  mehr,  verwachsen  miteinander 
und  schnüren  sich  vom  anstoßenden  Hornblatt  der  Länge  nach  ab. 

Aus  der  Wand  des  Medullarrohres  gehen  hervor  die  graue  und  weiße  Substanz  des  Rücken- 
markes und  Gehirnes,  das  Ependym  des  Zentralkanales  und  der  Ventrikel,  sowie  die  Neuroglia. 

Hat  sich  einmal  ein  primitiver  Wirbelkanal  gebildet,  so  füllt  das  Rückenmark  den  Wirbelkanal 
fast  ganz  aus  und  erstreckt  sich  bis  an  dessen  kaudales  Ende.  Später  überholt  die  Wirbelsäule 
das  Rückenmark  im  Wachstum;   dieses  füllt  alsdann  den  Wirbelkanal  weder   im  Querschnitt,  noch 


Das  Gehirn:    Entwicklung. 


167 


in  der  Längsrichtung  ganz  aus,  sondern  es  bleiben  ansehnliche  Räume  frei.  Der  steile  Verlauf  der 
Lenden-  und  Kreuznerven  weist  auf  letztere  Beziehung  noch  hin.  Die  Wirbelsäule  macht  gegenüber 
dem  Rückenmark  einen  Descensus  durch;  nur  dem  Scheine  nach  liegt  alsdann  ein  Ascensus  medullac 
spinalis  vor. 

Das  Medullarrohr  gliedert  sich  schon  frühzeitig  deutlich  in  einen  cerebralen  und  einen  spinalen 
Teil,  die  an  der  Grenze  unmittelbar  ineinander  übergehen;  jeder  der  beiden  großen  Abschnitte  aber 


Fig.  163.  Fig.  164. 

Fig.  163.   Querschnitt  der  embryonalen  Oblongata,  zur  Kennzeichnung  der  Hlsschen  Längszonen  desMedullarrohres. 

1  Grundplatte;   2  Seiten-  oder  Flügelplatte;   3  Bodenplatte;   4  Deckplatte;   5  Ventriculus  quartus. 

Fig.  164.    Schema  eines  Batrachlerembryo  im  Längsschnitt. 

e,  e  Ektoderm  (Hornblatt  als  äußeres  Rohr  des  Körpers);  m  Medullarrohr  mit  dem  Zentralkanal  und  der  (mit  starker  Linie 

gekennzeichneten)  Wand;   ne  Canalis  neurentericus;   R  Rusconische  Pforte;  g  Gastral  oder  Darmrohr  (mit  gestrichelter 

Linie  gekennzeichnet).     An  der  vorderen  Wand  wird  später  der  Mund  gebildet,  der  jetzt  noch  fehlt,    ch  Linie  zur  Andeutung 

der  Lage  der  Chorda  dorsalis. 

gliedert  sich  wieder  in  Unterabteilungen,  wie  Fig.  167  zeigt,  welche  den  cerebralen  Abschnitt  des 
Medullarrohres,  d.  i.  das  Hirnrohr  eines  zweitägig  bebrüteten  Hühnchens  in  dorsaler  Ansicht  wiedergibt. 

Das  Hirnrohr  gliedert  sich  zunächst  in  die  drei  der  Länge  nach  aufeinanderfolgenden  primären 
Hirnblasen,  in  das  primäre  Vorderhirnbläschen  (I),  Mittelhirnbläschen  (II)  und  Hinter- 
hirnbläschen (III). 

Am  primären  Vorderhirnbläschen  stülpen  sich  die  Seitenwände  zu  den  primären  Augenblasen 
aus,  welche  sich  allmählich  mehr  von  ihrem  Mutterboden  abschnüren,  so  daß  schließlich  nur  noch 


ch 

Fig.  165. 

Querschnitt  durch  die  Embryonalanlage  eines  Kaninchens  von  8  Tagen. 

rf  Rückenfurche;  mp  Medullarplatte,  gebogen,  die  Rückenfurche  einschließend  und  zum  Medullarrohr  sich  umgestaltend; 
ect  Hornblatt  des  Ektoderm  ;  ch  Chorda  dorsalis  ;  ent  Entoderm ;  uw  Urwirbel ;  ung  Urnierengang;  hp  Hautplatte;  df  Darm- 
faserplatte des  Mesoderm ,  die  Leibeshöhle  (/)  zwischen  sich  fassend;  ao  absteigende  primitive  Aorta  mit  Wand  und 
Lichtung;  u,  u  Teile  des  Ur-Lymphsystems  (blau),  zwischen  den  Ausbreitungen  und  Gebilden  des  mittleren,  äußeren  und 

inneren  Keimblattes  sich  hinziehend. 


ein  hohler  epithelialer  Stiel  die  Verbindung  festhält.  Weiterhin  geht  aus  dem  primären  Vorder- 
hirnbläschen durch  Ausstülpung  der  Vorderwand  das  sekundäre  Vorderhirn  oder  Endhirn  hervor, 
während  sich  der  Rest  des  primären  Vorderhirnbläschens  zum  Zwischenhirn  umgestaltet.  Dies 
alles  ist  die  Leistung  des  Bläschens  I.  Das  mittlere  Hirnbläschen  (II),  durch  je  eine  Einschnürung 
von  dem  vorderen  und  langgestreckten  hinteren  Hirnbläschen  getrennt,  läßt  aus  sich  das  Mittel- 
hirn hervorgehen.  Das  hintere  Hirnbläschen  (III)  zerfällt  durch  Einschnürung  in  das  Hinterhirn- 
und  das  Nachhirnbläschen;  jenes  liefert  an  der  Grenze  zum  Mittelhirn  den  Isthmus,  darauf  die 
Brücke  und  das  Kleinhirn,  dieses  die  Medulla  oblongata.  Das  Nachhirnbläschen  zeigt 
vorübergehend  eine  Reihe  von  aufeinanderfolgenden  Einschnürungen  und  Anschwellungen.  Der 
Spinalteil  des  Nervenrohres  entwickelt  eine  ähnliche  Gliederung,  welche  mit  der  Urwirbelgliederung 
in  Zusammenhang  steht;  sie  deutet  eine  Sonderung  in  einzelne  Unterabteilungen  an. 


168 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Wie  regelmäßig   die   zeitweilige  Gliederung   des  Gehirnes,  zunächst  des  Mentencephalon  in 
Abteilungen,  Encephalomeren,  sich  gestaltet,  davon  gibt  Fig.  168  ein  treffliches  Beispiel. 


Fig.  166. 

Fig.  166.  Gehirn  eines  menschlichen  Embryo  der  dritten  Woche.  (W.  His.) 
A  Augenblase;  //Hemisphären-  oder  Endhirn;  Z  Zwischenhirn  ;  M  JVVittel- 
hirn;  /Isthmus;  Hh  Hinterhirn;  N  Nachhirn ;  Ob  Gehörblase ;  Rf  Rauten- 
grubenfeld ;  Br  Brückenfeld  und  Brückenkrümmung;  Nk  Nackenkrümmung; 
Pm  Mamillarwulst;    Tr  Trichterwulst. 

Fig.  167.     Optischer  Horizontalschnitt  des  Cerebralrohres  eines  Hühnchens  von  zwei  Brüttagen. 

/  vorderes  Hirnbläschen  mit  den  primitiven  Augenblasen  als  seitlichen  Erweiterungen;   //  mittleres  Hirnbläschen;  ///  lang- 
gestrecktes hinteres  Hirnbläschen  mit  fünf  Unterabteilungen,   an  welche  sich  der  Spinalteil  des  Medullarrohres  anschließt. 
Die  Höhlungen  sind  die  Anlagen  des  Ventrikelsystems. 

Im  spinalen  Teil  des  Neuralrohres  nennt  man  die  einzelnen  Glieder  Medullarsegmen  te , 
Neuromeren.  Ob  die  im  Gebiet  der  Oblongata  sichtbaren  Abteilungen,  Rhombomeren , 
wie  es  den  Anschein  hat,  gleichwertige  Gebilde  sind,  oder  nicht,  wird  verschieden  beurteilt.    Ob 

gar  die  vor  der  Oblongata  gelegenen  fünf  cere- 
bralen Glieder  ebenfalls  Neuromeren  gleichwer- 
tiger Art  darstellen,  diese  Frage  muß  man  sich 
vorlegen,  wenn  man  auch  nicht  sofort  imstande 
ist,  sie  zu  entscheiden.  Eine  gewisse  Neuro- 
merie  spricht  sich  natürlich  unverkennbar  in  dieser 
Zerlegung  aus,  aber  sie  könnte  ja  ganz  fremd- 
artigen Grundlagen  ihr  Dasein  verdanken. 

Nach  Graeper  (Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  83) 
sind  bestimmte  Beziehungen  der  Kerne  und  der 
Austrittsstellen  der  Hirnnerven  V,  VI,  VII,  IX,  X 
zu  den  Rhombomeren  vorhanden. 

Über  die  Vorgänge  am  primären  Vorder- 
hirnbläschen  ist   noch   folgendes    zu    bemerken; 
Fig.  166   zeigt   die  Augenblasc  (A)   als   umfang- 
reichen hohlen  Fortsatz  der  Seitenwand.    Die  Ab- 
schnürung des  Fortsatzes  ist  schon  weit  vorge- 
schritten,   so    daß   man   von   der  dorsalen   und 
hinteren  Seite  her  tief  zwischen  Hirnwand  und 
Augenblase  eindringen  kann;   der  Augenblasen- 
stiel    inseriert   hiernach   vorn,    seitlich,    ventral. 
Aber  nicht  nur  die  Augenblasc  ist  am  primären 
vorderen  Hirnbläschen  zur  Entwicklung  gelangt,  sondern  auch  das  Endhirn  oder  Hemisphärenhirn  (H) 
ist  bereits  angelegt  und  zeigt  sich  als  eine  vor  der  Augenblase  liegende  hohle  vordere  Ausstülpung 
jenes  Bläschens,  als  eine  hohle  Knospe,  welche  alsbald  durch  eine  an  der  Seitenwand  von  oben-hinten 


Fig.  168. 

Profilansicht   des  Gehlrnmodelles  eines  4  mm  langen 

Schafembryo.    50 : 1. 

ab  Augenblase;  lo  Lobus  olfactorius  impar;  M  Mittelhirn; 

N  Nachhirn;  ro  Recessus  opticus;   /  Recessus  infundibuli ; 

V  Vorderhirn.    (L.  Neumayer,  1898.) 


Das  Gehirn:   Entwicklung. 


169 


nach  unten-vorn  verlaufende  Einschnürung  vom  primären  vorderen  Hirnbläschen  abgegrenzt  wird. 
Eine  von  vorn  her  eindringende  mediane  Furche  teilt  die  Knospe  in  zwei  symmetrische  Hälften,  in 
die  beiden  Hemisphärenbläschen,  welche  durch  einen  breiten  hohlen  Stiel  mit  dem  Reste  des  primären 
Vorderhirnbläschens  zusammenhängen.  Dieser  Rest  ist  nunmehr  zur  Anlage  des  Zwischenhirncs 
geworden  und  die  beiden  Hemisphärenbläschen  stellen  das  sekundäre  Vorderhirn,  das  Endlurn, 
dar.  Es  sind  dies,  oberflächlich  betrachtet  und  dem  ersten  Eindrucke  nach,  merkwürdig  einfach  erschei- 
nende Grundlagen,  wenn  man  bedenkt,  welche  ferneren  Umgestaltungen  sich  an  sie  knüpfen  werden. 

Für  die  genauere  Vorstellung  der  Entstehung  der  Hemisphärenknospe  und  ihrer  Zweiteilung 
gibt  Fig.  169  die  nötige  Erläuterung.  In  Fig.  1  liegt  bei  b  das  Mittelhirnbläschen  vor;  der  vorn 
sich  ihm  anschließende  Abschnitt  a  ist  das  primäre  Vorderhirnbläschen,  weiches  die  Hemisphären- 
knospe h  aus  seiner  vorderen  Wand  schon  hat  hervorgehen  lassen;  eine  seichte  Furche  (bei  c) 
deutet  die  symmetrische  Teilung  an.  Die  beiden  Augenblasen  sind  nicht  gezeichnet;  sie  sind 
bereits  ventral  gerückt  und  bis  auf  den  Stiel  abgeschnürt  als  laterale,  hinter  //  gelegene  Fortsätze 
von  a  zu  denken.  In  Fig.  2  hat  die  Abscheidung  der 
beiden  Hemisphärenknospen  (h,  h)  vom  Zwischenhirn  (a) 
bedeutende  Fortschritte  gemacht.  Die  beiden  Hemi- 
sphären kommunizieren  mit  ihrer  weiten  Höhle,  dem  Ven- 
triculus  lateralis,  durch  eine  noch  ansehnliche  Pforte  {fM) 
mit  der  Höhle  des  Zwischenhirns,  dem  Ventriculus  tertius. 
Die  Verbindungspforte  (/Af)  wird  später  noch  enger, 
schwindet  aber  nie  vollständig;  sie  ist  das  vielgenannte 
Foramen  interventriculare.  Die  Höhle  des  Mittelhirnes  (b), 
auch  zuerst  ein  Ventrikel,  wird  durch  Verdickung  der 
Wände  zum  Aquaeductus.  Die  vordere  Substanzbrücke 
zwischen  den  beiden  Hemisphärenbläschen  stellt  die 
wichtige  Lamina  terminalis  des  fertigen  Gehirnes, 
die  embryonale  Schlußplatte  der  Hemisphären- 
bläschen dar. 

Unterdessen  führt  das  anfänglich  fast  gerade  ge- 
streckte Cerebralrohr,  bei  starkem  Längenwachstum,  auch 
Krümmungen  in  sagittaler  Ebene  aus,  die  folglich  um 
eine  Queraxe  sich  aufreihen. 

So  zeigt  Fig.  170, 1  das  Gehirn  eines  7  Wochen  alten 
menschlichen  Fetus  von  der  Seite,  II  von  oben  betrachtet 
Vorderhirnbläschen  hervorgegangenen  Abschnitte,  die  Hemisphäre  (1  b)  und  das  Zwischenhirn  (1  a). 
Eine  von  vorn,  oben  und  hinten  eindringende  Einschnürung,  die  sichelförmige  Falte,  grenzt  beide 
Abschnitte  voneinander  ab.  Bei  2  befindet  sich  das  stark  dorsalwärts  vorspringende  Mittelhirn, 
welches  bei  3a  in  das  sekundäre  Hinterhirn  (Brücke  -f-  Kleinhirn)  übergeht;  an  dieses  schließt 
sich  unter  starker  Krümmung  bei  p  das  Nachhirn  (36)  an,  die  Anlage  der  Medulla  oblongata, 
welche  ihrerseits  bei  sp  in  den  Spinalteil  des  Medullarrohres,  in  das  Rückenmark  sich  fortsetzt.  Bei  o 
ist  derTractus  opticus  angedeutet.  Die  bei  o  liegende  ventrale  Ausbuchtung  des  Zwischenhirnbodens 
entspricht  der  späteren  Trichtergegend. 

Was  nun  die  Krümmungen  betrifft,  so  liegt  an  der  Übergangsstelle  des  Mittelhirnes  zum 
Zwischenhirn  die  sogenannte  vordere  Scheitelkrümmung;  das  Mittelhirn  setzt  sich  gegen  das 
Hinterhirn  durch  die  hintere  Scheitelkrümmung  (bei  3a)  ab.  Beide  Scheitelkrümmungen 
werden  auch  Kopfbeuge  genannt.  An  sie  reiht  sich  die  ventral-konvexe  Brückenkrümmung 
(bei  p).  Am  Übergange  der  Oblongata  in  das  Rückenmark  findet  sich  eine  dritte  dorsal-konvexe 
Krümmung,  die  Nackenkrümmung.  Der  Kopfbeuge  und  Nackenbeuge  entsprechen  an  der  Ober- 
fläche des  embryonalen  Körpers  der  Kopf-  oder  Scheitelhöcker  und  der  Nackenhöcker. 

Zur  Ergänzung  der  seitlichen  Ansicht  dient  Fig.  170  II,  welche  dasselbe  Gehirn  von  oben  be- 
trachtet darstellt.  Sehr  deutlich  zeigt  sich  das  Verhältnis  der  Hemisphärenanlage  (hms)  zum 
Zwischenhirn  (la),  sowie  die  Beziehung  der  Schlußplatte  (It)  zu  beiden. 

Ein  Medianschnitt  durch  den  Kopf  eines  Hühnchens  vom  5.  Brüttage  (Fig.  171)  zeigt  folgende 
Verhältnisse.  Bei  epd  liegt  die  Epidermis  vor,  welche  den  Kopf  allseitig  umhüllt.  Hinter  der 
Stelle  hph  (Hypophysenanlage,  Rathkesche  Tasche)  hört  die  Epidermis  auf;  ihre  Fortsetzung  auf 
die  nicht  gezeichnete  Unterkieferanlage  ist  durchrissen;  hinter  hph,  entsprechend  dem  kleinen  hier 


Fig.  169. 

Schematische  Darstellung  der  Umbildungen 
des  Vorderhirnes. 

a  Zwischenhirn  ;  b  Mittelhirn.  In  1  ist  das  End- 
hirn h  noch  einfach,  nur  durch  eine  seichte 
Furche  bei  c  ist  die  Teilung  angedeutet.  In  2 
sind  Hemisphären  h,  h  und  Schlußplatte  c  ge- 
sondert. Der  Hohlraum  der  Hemisphärenblase 
(Seitenventrikel)  kommuniziert  jederseits  durch 
das  Foramen  interventrikulare  (AI/)  mit  dem 
dritten  Ventrikel  o. 

la  und  \b  sind  die  aus  dem  primären 


170 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


liegenden  Vorsprunge,  beginnt  das  Epithel  des  Kopfteiles  des  Darmes,  chd  zeigt  das  Vorder- 
ende der  Chorda  dorsalis,  welches  sich  gegen  den  Grund  der  Rathkeschen  Tasche  ventralwärts 
krümmt;  bsl  ist  die  Arteria  basilaris.  Die  Hohlen  vi,  v2>,  aqd  und  v4  stellen  das  weite  serum- 
erfüllte Ventrikelsystem  des  Gehirnes  dar,  um  welches  die  Hirnwand  wie  eine  dünne,  umfangreiche 
Schale  gelegt  ist.  Die  Wand  hms  gehört  der  Hemisphärenblase  an,  die  Wand  um  v3  entspricht 
dem  Zwischenhirn;  der  dorsale  Teil  dieser  Wand  entwickelt  im  hinteren  Gebiet  eine  zunächst 
vorwärts  gerichtete  Schleife,  die  Faltenanlage  der  Epiphysis  cerebri.  Bei  2  liegt  die  längere  dorsale 
und  gegenüber  die  kürzere  ventrale  Wand  des  Mittclhirnes  vor,  welche  das  Ende  der  primären 
Sattellehne  bedeckt.  Bei  cb  befindet  sich  die  Anlage  des  Kleinhirnes,  ihr  gegenüber  die  nur  schwach 
angedeutete  Anlage  der  Brücke;  3  zeigt  die  Basis  des  Nachhirnes,  welche  eine  dünne  Deckplatte 
als  dorsale  Wand  besitzt.     Hinter-  und  Nachhirn  schließen  den  4.  Ventrikel  ein. 

Bei   kräftiger  Entwicklung  der  Brückenkrümmung  wird  auch  die  Deckplatte  des  Ventriculus 
quartus  gefaltet.   Für  das  Nachhirn  liegen  alsdann  folgende  Verhältnisse  vor,  die  das  Schema  Fig.  172 


epä 


4  n 


:  jjyj^^ 


Fig.  170.     Gehirn  eines  sieben  Wochen  alten  menschlichen  Fetus.     Vergrößerung  3:1. 

/  von  der  linken  Seite,  //  von  oben  betrachtet;  \a  Zwischenhirn  oder  primäres  Vorderhirn;  lft  Endhirn;  o  Sehnerv;  hms 

Hemisphärenblase;  /(  Schlußplatte;  2  Mittelhirn;  3a  sekundäres  Hinterhirn  (Cerebellum);  p  Brücke  und  Brückenkrümmung; 

3b  Nachhirn  (Medulla  oblongata) ;   sp  Rückenmark;   olf  Riechlappen. 

Fig.  171.    Medianschnitt  durch  den  Kopf  eines  41'.,  Tage  alten  Hühnerembryo.    (Von  v.  Mihalkovics.) 

Vergrößerung  14  :  1. 

hms  Hemisphärenblase;  v\  ihr  Hohlraum;  v3  dritter  Ventrikel ;  aqd  Aquaeductus  (Syl vi  i) ;  f4  vierter  Ventrikel ;  pin  Anlage 

des  Corpus  pineale ;  hph  Hypophysentasche;  2  Mittelhirn;  cb  Kleinhirnplatte;  t  Deckplatte  des  vierten  Ventrikels ;  3  Basis 

des  Nachhirnes;    bsl  Basilararterie  ;   chd  Chorda  dorsalis;   epd  Epidermis. 


erläutert.  Die  gefaltete  Deckplatte  zeigt  bei  m  eine  in  den  Ventrikelraum  vorspringende  Einbiegung, 
durch  welche  ein  vorderer  Teil  der  Deckplatte,  v,  von  einem  hinteren  Teile,  t,  gesondert  wird.  So 
hat  das  Dach  des  4.  Ventrikels  nunmehr  drei  Abteilungen,  eine  vordere,  Cerebellum,  eine  mittlere  (v), 
welche  den  Durchschnitt  des  Velum  medulläre  posterius  enthält,  und  eine  hintere,  die  Tela  chorioidea 
ventriculi  quarti,  innerhalb  deren  durch  sekundäre  Auflösung  die  Aperturae  ventriculi  qtiarti  ent- 
stehen werden. 

Während  die  Epiphysis  cerebri  als  eine  Falte  der  dorsalen  Zwischenhirnwand  entsteht, 
verhält  es  sich  mit  der  Hypophysis  folgendermaßen.  Fig.  171  läßt  die  Hypophysenanlage  als 
eine  dorsalwärts  gerichtete  Falte  der  Epidermis  der  primitiven  Mundbucht  erkennen.  In  Fig.  173 
hat  sich  die  Anlage  zu  einer  ansehnlichen  Hypophysenblase  (h)  weiter  entwickelt,  welche  all- 
seitig geschlossen  ist  und  nur  durch  den  Hypophysengang  (hg)  mit  der  Mundbucht  einstweilen 
noch  zusammenhängt;  der  Hypophysengang  wird  später  schwinden,  die  epitheliale  Hypophysen- 
blase gänzlich  abgeschnitten  sein  und  als  solche  ihre  fernere  Entwicklung  durchmachen.  Hinter 
dem  Hypophysengange  folgt  das  Darmcpithel  (ent).  Hinter  der  Hypophysenanlage  aber  ist  eine 
ventrale  Ausstülpung  der  Zwischenhirnwand  zur  Ausbildung  gelangt,  der  Processus  infundi- 
buli  (pi),  Trichterfortsatz,  welcher  dem  Infundibulum  und  dem  Hinterlappen  der  Hypophysis  den 
Ursprung  gibt,  während  ihr  vorderer  Lappen  aus  der  Hypophysenblase  (A)  hervorgeht.  Fig.  1 15  zeigt  die 


Das  Gehirn:  Entwicklung. 


171 


Endform  der  Hypophysis.     Der  Hypophysengang  ist  geschwunden,   der  vordere  Lappen  ist  bei  a, 

der  kleine  hintere  Lappen  ist  bei  b  sichtbar ;  der  letztere  allein  enthält  die  bleibende  Verbindung 
mit  dem  Infundibulum.  In  pathologischen  Zustünden,  oder  auch  bei  manchen  Tieren,  kann  der 
Hypophysengang  erhalten  bleiben. 


Fig.  172. 

Fig.  172.  Schematische  Darstellung  der  Um- 
wandlung des  Daches  vom  vierten  Ventrikel. 
cb  Kleinhirnplatte;  v  Velum  medulläre  posterius; 
t  Tela  chorioidea  ventriculi  IV;  /  Giebelkante; 
m  Umbiegungskante  von  v  in  /;  p  Brücke. 

Fig.  173.     Entwicklung  der  Hypophysis  beim  Kaninchen. 

Medialer  Sagittalschnitt  durch   den  Boden  des  Zwischen-  und  Hinterhirnes 
ect  Ektoderm;   ent  Entoderm  ;   hg  Hypophysengang;   h  Hypophysenblase;    ch  Chorda  dorsalis 

epc  Boden  des  Hinterhirnes. 


(Von  v.  Mihalkovics.)    50:1. 
der  Gegend   um   fipti   Fig.  171    entsprechend. 
pi  Processus  infundibuli; 


Für  das  Verständnis  der  Vorderhirn-Hemisphären  ist  folgendes  von  Wichtigkeit. 

Das  Gehirn  eines  menschlichen  Fetus  von  2'/2  Monaten  zeigt  die  in  Fig.  174  wiedergegebene 
äußere  Form,  während  ein  solches  von  4  Monaten  zu  dem  ansehnlichen  Körper  von  Fig.  175  heran- 
gewachsen ist. 

An  dem  jüngeren  Gehirn,  dessen  Hemisphären  schon  mächtig  entwickelt  sind,  ist  gleichwohl 
das  Mittelhirn  und  natürlich  auch  das  weiter  hinten  liegende  Hirngebiet  noch  unbedeckt;  c  zeigt 
das  Kleinhirn,  a  das  verlängerte  Mark.    Bei  s  deutet  eine  leichte  Einsenkung  die  Stelle  der  späteren 


ulf-     opt-   '• 


Fig.  174. 

Fig.  174.   Gehirn  eines  menschlichen  Fetus  aus  der  Mitte 

des  dritten  Monats,  von  der  linken  Seite  gesehen. 

Natürliche  Größe.    (Nach  v.  Mihalkovics.) 

FStirnlappen;  P Scheitellappen;  T Schläfenlappen;  a  Medulla  oblongata  ;  b  Mittelhirn  (Vierhügel);  c  Cerebellum  ;  o//Lobus 

oifactorius  (Riechlappen);    opt  abgeschnittener  Sehnerv;    s  Depression   der  Syl  vi  sehen   Grube,   die   Gegend   der  Insel 

bezeichnend. 

Fig.  175.    Gehirn  eines  vlermonatigen  menschlichen  Fetus,  von  der  linken  Seite  gesehen.    (Nach  Ecker.) 

F  Stirnlappen;  P  Scheitellappen;  rSchläfenlappen;  O  Hinterhauptlappen;  a  Medulla  oblongata;  c  Cerebellum;  sSylvische 

Grube,  in  deren  Tiefe  die  Insel  (schraffiert)  gelegen  ist. 


Sylvischen  Grube  und  die  noch  unbedeckte  Insel  an.  Ein  Occipitalteil  der  Hemisphäre  ist  noch 
nicht  entwickelt,  wohl  aber  sind  die  Gegenden  des  Stirn-,  Scheitel-  und  Schläfenlappens  (F,  P,  T) 
erkennbar.  Ventral  erscheint  (dunkel  gehalten)  das  Trichtergebiet  und  der  Opticus.  Am  ventralen 
Ende  des  Stirnlappens  tritt  der  Riechlappen  zutage. 

Das  viermonatige  Gehirn  läßt  einen  besonderen  Occipitallappen  unterscheiden,  doch  ist  mit 
Ausnahme  der  deutlich  begrenzten  Fossa  lateralis  die  dorso-laterale  Hemisphärenfläche  noch  glatt. 


172 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Der  Riechlappcn  steht  zu  der  Insel  in  deutlicher  Beziehung.  Um  die  Insel  zieht  sich  der  vorn- 
unten  offene  Ringlappen  der  Hemisphäre.  Das  Mittelhirn  ist  bedeckt.  Die  mediale  Wand  der  Hemi- 
sphäre trägt  zu  dieser  Zeit  schon  eine  Reihe  tiefer  Einschnitte,  nämlich  die  Fissura  parieto-occipitalis, 
calcarina,  hippocampi  und  chorioidea. 

An  der  Hemisphäre  eines  sechsmonatigen  menschlichen  Fetus  (Fig.  176)  sind  auf  der  dorso- 
lateralen  Fläche  folgende  Furchen  bemerkbar:  die  Fossa  lateralis  (Sylvii)  (s),  der  Sulcus  centralis  (c), 
der  Sulcus  praecentralis  und  Sulcus  frontalis  inferior  (/2),  der  Sulcus  interparietalis  (p),  der  Sulcus 
temporalis  superior  (t l),  sowie  eine  bei  io  befindliche  Furche,  welche  als  hinteres  Ende  des  Sulcus 
temporalis  inferior  sich  geltend  macht. 

Die  mediale  Fläche  der  Hemisphäre  eines  fünfmonatigen  Fetus  (Fig.  177)  enthält  den  Sulcus 
cinguli  (cm),  den  Sulcus  corporis  callosi  und  dessen  hintere  untere  Fortsetzung,  die  Fissura  hippo- 
campi, die  Fissura  parieto-occipitalis  (po),  die  Fissura  calcarina  (ca),  die  Fissura  collateralis  im 
Zusammenhange  mit  dem  Anfangsteil  der  beiden  vorhergenannten  Fissuren,  die  Fissura  chorioidea. 


Fig.  176 


Fig.  177. 


Fig.  176.     Primärfurchen  auf  der  konvexen  Fläche   der  linken  Hemisphäre   eines  sechsmonatigen    menschlichen 

Fetus.     (Nach  Ecker.) 
F  Stirnlappen;    P  Scheitellappen;    T  Schläfenlappen;    O  Hinterhauptlappen;    s  Fossa  lateralis,   in  ihrer  Tiefe  die  Insel; 
s'  Ramus  posterior  fissurae  lateralis ;  s"  deren  Ramus  ant.  ascendens  ;  olj  Lobus  olfactorius ;  c  Sulcus  centralis ;  p  Sulcus  inter- 
parietalis; tl  Sulcus  temporalis  superior;  i.o.  Incisura  praeoccipitalis;  /'-'  Sulcus  frontalis  inferior  und  praecentralis  inferior. 

Fig.  177.     Mediale  Fläche  der  rechten  Hemisphäre  eines  fünfmonatigen  menschlichen  Fetus. 

It   Lamina  terminalis;    ol  Tractus   und  Bulbus  olfactorius;    cm   Sulcus  cinguli;    sce  Sulcus   corporis  callosi;    cc  Corpus 

callosum  ;  s  Septum  pellucidum ;   /  dorsaler  Teil  des  Randbogens  (Fasciola  cinerea,  später  die  Stria  lateralis  des  Balkens); 

po  Fissura  parieto-occipitalis;   ca  Fissura  calcarina;   ot  Fissura  collateralis;   c  Commissura  anterior;   /  Fornix;   ch  Fissura 

chorioidea;   d  Fascia  dentata;    u  Uncus  mit  Übergang  in  den  Fornix. 


(Letztere  von  den  B.  N.  A.  nicht  genannt,  entspricht  der  Eintrittsstelle  des  Plexus  chorioideus 
ventriculi  Iat.)  —  Die  mediale  Wand  der  Hemisphäre  reicht,  worauf  besonders  aufmerksam  zu 
machen  ist,  von  der  Mantelkante  nicht  nur  bis  zum  Balken  und  bis  zur  Fissura  hippocampi,  sondern 
über  diese  Grenzen  konzentrisch  weiter  hinaus,  bis  zur  Fissura  chorioidea,  deren  Konkavität  die 
mediale  Wand  der  Hemisphäre  abschließt.  Demgemäß  stellen  die  Abschnitte  Septum  pellucidum, 
Fornix  und  Fascia  dentata  Teile  der  medialen  Hemisphärenwand  dar.  Der  Balken  begrenzt  die 
mediale  Hemisphärenwand  nicht,  sondern  er  hat  sie  zur  Zeit  seiner  Entwicklung  durchbrochen, 
nachdem  an  der  Durchbruchsstelle  die  Hemisphärenwände  vorher  miteinander  verwachsen  waren. 
Der  den  Balken  dorsal  deckende  Saum  (t),  Stria  longitudinalis  lat.  genannt  (siehe  Seite  142)  setzt 
sich  am  Balkenknie  seitlich  von  der  Mitte  auch  auf  dessen  ventrale  Fläche  fort  und  endigt  als 
sogenannter  Pedunculus  corporis  callosi  oder  Gyrus  subcallosus  an  der  medialen  Seite  des 
Trigonum  olfactorium  (Fig.  133);  auf  der  entgegengesetzten  Seite,  hinter  dem  Balkenwulste,  zieht 
sich  derselbe  Streifen  als  Fasciola  cinerea  um  den  Balkenwulst,  dann  den  Gyrus  hippocampi 
entlang  zum  Uncus  und  stellt  hier  die  Fascia  dentata  dar.  Der  Gesamtstreifen,  vom  Trigonum 
olfactorium  über  den  Balken  zum  Uncus  sich  erstreckend,  ist  nichts  anderes  als  ein  rudimentärer 
Gyrus.  Er  ist  zugleich  der  äußere  Zug  einer  größeren  Abteilung  der  medialen  Hemisphären- 
fläche, nämlich  des  embryonalen  Randbogens,  dessen  innerer  Zug  durch  das  Septum  pellu- 
cidum und  das  Gewölbe  gebildet  wird.    Zwischen  dem  äußeren  und  inneren  Zuge  hat  im  großen 


Das  Gehirn:   Entwicklung.  173 

vorderen  Gebiete  der  Balken  seine  Lagerstätte  gefunden,  während  hinter  dem  Balkenwulste  der 
äußere  und  innere  Zug  sich  berühren.     Fig.  137. 

Wie  man  erkennt,  sind  im  sechsten  Monat  der  Fetalzeit  nicht  allein  sämtliche  Fissuren, 
sondern  auch  die  meisten  Furchen  bereits  angelegt. 

Schon  früher  wurde  erwähnt,  daß  Fissuren  totale  Ei  nfaltungen  der  Hirnwand  darstellen 
und  sich  also  auch  auf  der  ventrikulären  Oberfläche  der  Hemisphäre  ausprägen.  Hierher  gehören 
die  Fissura  chorioidea,  Fissura  hippocampi,  Fissura  calcarina,  Fissura  lateralis,  Fissura  collatcralis, 
Fissura  parieto-occipitalis.  Ihre  zugehörigen  ventrikulären  Vorsprünge  sind,  in  der  entsprechenden 
Reihenfolge  aufgezählt:  die  Plica  chorioidea  (Adergeflechtfalte),  der  Hippocampus,  der  Calcar  avis, 
das  Corpus  striatum,  das  Trigonum  collaterale  und  die  Eminentia  collateralis;  die  Fissura  parieto- 
occipitalis  allein  hat  keinen  bleibenden  inneren  Vorsprung  im  Gefolge. 

Sulci  wurden  jene  Einfaltungen  genannt,  welche  auf  die  Hirnrinde  beschränkt  bleiben.  Sie 
sind  je  nach  der  Zeit  ihrer  Entstehung  tiefer  oder  oberflächlicher  und  werden  in  primäre,  sekundäre 
und  tertiäre  Furchen  geteilt. 

Im  Zwischenhirn,  Vorderhirn  und  Hinterhirn  kommt  es  an  den  früher  beschriebenen  Stellen 
zur  Ausbildung  von  sogenannten  Adergeflechten,  Plexus  chorioidei.  Es  sind  dies  Gebilde, 
welche  aus  gewissen  Teilen  der  Hirnwand  und  aus  der  sie  deckenden  gefäßhaltigen  Pia  mater 
hervorgehen,  mit  anderen  Worten  aus  einer  cerebralen  und  pialen  Lamelle  bestehen. 

Die  im  Bereich  des  vierten  und  dritten  Ventrikels  vorhandenen  Adergeflechte  bereiten  dem 
morphologischen  Verständnisse  keine  Schwierigkeiten,  wohl  aber  ist  dies  der  Fall  mit  den  Ader- 
geflechten der  beiden  Endhirnhemisphären.  Deren  Entstehung  wird  nun  eingeleitet  durch  eine  von 
der  medialen  Hemisphärenwand  im  Gebiete  der  Fissura  chorioidea  gegen  den  Hohlraum  vordringende 
Falte,  Adergeflechtfalte,  Plica  chorioidea  genannt.  Zur  Erläuterung  dient  Fig.  179,  welche 
einen  Querschnitt   durch   das  Gehirn  eines  menschlichen  Fetus  vom  Ende  des  2.  Monats  darstellt. 

Sieht  man  zu,  welche  Vorgänge  die  Umbildungen  der  verschiedenen  Hirnbläschen  herbei- 
führen, so  wird  man  bald  gewahr,  daß  es  dieselben  Vorgänge  sind,  welche  die  Hirnbläschen  selbst 
zur  Entstehung  brachten :  in  erster  Linie  also  örtlich  und  zeitlich,  quantitativ  und  qualitativ  ge- 
regelte Wachstumsvorgänge.  Die  den  merkwürdigen  Wachstumsvorgängen  vorstehenden  Kräfte 
aber  fallen  zusammen  mit  denjenigen  Kräften,  welche  die  Entwicklung  des  ganzen  Individuum  be- 
herrschen. Es  bleibt  übrig,  zusammenzufassen,  welche  Teile  der  Hauptabschnitte  des  Gehirnes  je 
aus  der  Bodenplatte,  der  Grund-,  Flügel-  und  Deckplatte  des  Hirnrohres  hervorgehen. 

Was  die  wichtigsten  Bestandteile  der  Wand-,  die  Grund-  und  Flügelplatte  betrifft,  so  orientiert 
hierüber  die  Fig.  178,  in  welcher  die  Grundplatte  von  der  Flügelplatte  durch  eine  gestrichelte 
Bogenlinie  geschieden  ist. 

Zwei  seitliche  Längsfurchen  zeigen,  wie  His  hervorhebt,  frühzeitig  die  Grenze  des  ventralen 
und  des  dorsalen  Teiles  des  Gehirnrohres:  es  sind  dies  die  Sulci  limitantes.  Alle  motorischen 
Kerne  der  Hirnnerven  liegen  medial  von  den  Grenzfurchen,  die  sensiblen  Endkerne  dagegen 
lateral  davon.  Vom  Calamus  scriptorius  verläuft  die  Grenzfurche  jederseits  zunächst  dem  medialen 
Rande  der  Ala  cinerea  entlang  zur  Fovea  superior,  die  nach  Henle  ein  Stückchen  unausgefüllten 
Bodens  vorstellt.  Im  Mittelhirn  sind  die  Grenzfurchen  der  ganzen  Länge  nach  vorhanden.  Sie 
setzen  sich  dann  als  Sulci  hypothalamici  (s.%Monroi)  fort,  die  jederseits  im  Recessus  opticus  aus- 
laufen.    Auf  diese  Grenzfurche  also  bezieht  sich  die  gestrichelte  Bogenlinie  der  Fig.  178. 

Der  Nucleus  olivaris  inf.  und  seine  Verwandten  (siehe  unten),  im  ausgebildeten  Gehirn 
tief  ventral  gelegen,  geht  jedoch  aus  einer  in  die  Tiefe  dringenden  Wucherung  der  Flügelplatte 
hervor  (His). 

Endlich  ist  hier  noch  der  Hirnaxe  und  der  Stammesverwandtschaft  des  Hirnbaues 
zu  gedenken. 

1.  Hirnaxe.  v.  Baer  hatte  sie  im  Trichter  gesucht;  W.  His  läßt  sie  an  der  Lamina  termi- 
nalis,  v.  Kupffer  im  Recessus  neuroporicus  endigen.  Burkhardt  gibt  aus  ontogenetischen  und 
vergleichend -anatomischen  Gründen  der  Kupfferschen  Auffassung  den  Vorzug,  desgleichen 
L.  Neumayer. 

Der  vordere  Endpunkt  der  Lichtungsaxe  des  Hirnrohres  läuft  (nach  Kupffer)  in  dem  vor- 
deren Neuroporus  aus.  Nach  Verschluß  des  Porus  fällt  dieser  Punkt  zusammen  mit  dem  vorderen 
Endpunkte  der  dorsalen  Hirnwand,  mit  der  Grenze  zwischen  Decke  und  Vorderwand  (Lamina  termi- 
nalis)  des  Gehirns. 


174 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Kupffer  unterscheidet  zunächst  eine  Zweiteilung  des  Hirnes  in  das  Vor-  und  Nachhirn. 
Ersteres  gliedert  sich  bei  den  Amnioten  in  das  Vorder-  und  Mittelhirn.  Hieraus  ergibt  sich  die 
definitive  Dreigliederung  in  die  drei  Hirnbläschen  der  älteren  Embryologie.  Bei  Amphioxus  ist  die 
Zweigliederung  der  bleibende  Zustand.   Die  vordere  Wand  des  Vorderhirnes  ist  die  Lamina  terminalis. 


Fig.  178. 


Fig.  179. 


Fig.  178.    Medianschnitt   durch    das  Oehirn   eines   menschlichen    Fetus  vom    Ende   des   ersten   Monates    mit   ein- 
gezeichneten Feldern.     (W.  His.) 
I.  Myelencephalon:  1  Pars  ventralis;  2  Pars  dorsalis.    II.  Metencephalo  n  :  1  Pons;  2  Cerebellum.    III.  Isthmus: 

I  Pedunculi  cerebri ;  2  Brachia  conjunetiva,  Vel.  med.  ant.  IV.  Mesencephalon :  1  Pedunculi  cerebri ;  2  Corpora  quadri- 
gemina.      V.    Diencephalon:     1    Pars    mamillaris     hypothalami ;     2    Thalamus;     3    Metatbalamus;     4    Epithalamus. 

VI.  Telencephalon:    1  Pars  optica  hypothalami;   2  Corpus  strialum ;   3  Rhinencephalon ;   4  Pallium. 
Fig.  179.     Querschnitt  durch  das  Oehirn  eines  menschlichen  Fetus  am  Ende  des  zweiten  Monates.     (\V.  His.) 

II  Venlriculus  lateralis;  III  Ventriculus  tertius;  Th  Thalamus;  C. st.  Corpus  strialum;  V.l.  Ventriculus  impar.  1  Taenia 
thalami ;    2  Taenia  chorioidea;    3  Taenia  fornicis.    Auf  der  einen  Seite  des  Schnittes  sind  Thalamus  und  Corpus  strialum 

noch  voneinander  getrennt,  auf  der  anderen  dagegen  verbunden. 

Das  Großhirn  (d.  i.  das  Telencephalon  der  oben  angenommenen  Nomenklatur)  ist  dagegen  ein 
Erzeugnis  der  dorsalen  Gegend  des  Vorderhirnes,  woran  Deckplatte  und  Seitenwände  sich  be- 
teiligen; es  ist  in  Wirklichkeit  gar  kein  Endhirn,  kein  Telencephalon  in  embryologischem  Sinne,  kein 
rostral-terminales  Gebilde,  sondern  ein  dorsales  Erzeugnis.  Neumayer  in  einer  die  Anschauungs- 
weise Kupffers  bestätigenden  Arbeit  über  die  Entwickelung  des  Schafhirnes  schlägt  daher  den 
Namen  Sphärencephalon  für  Telencephalon  vor.     Siehe  Fig.  178. 


10.  Feinerer  Bau  des  Gehirnes. 

a)  Die  Rinde  des  Endhirnes. 
1.  Gemeinsame  Charaktere  im  Bau  der  Endhirnrinde.    Fig.  180. 
In  der  grauen  Substanz  der  Großhirnrinde  liegen  Nervenzellen  und  Nerven- 
fasern  in   bestimmter  regelmäßiger  Anordnung.     Die  Lage  der  einen  bedingt  die 
der  anderen,  doch  ist  es  zweckmäßig,  zunächst  nur  die  Fasern  und  dann  in  Be- 
ziehung auf  diese  die  Schichtung  der  Zellen  zu  betrachten. 

Von  der  weißen  Substanz  ziehen  in  die  graue  Rinde  Bündel  von  Nerven- 
fasern, Markstrahlen  oder  radiäre  Bündel  genannt.  Sie  werden  nach  der 
Peripherie  allmählich  dünner  und  sind  (als  Bündel)  in  der  äußeren  Zone  der  grauen 


Das  Gehirn:   Feinerer  Bau. 


175 


Substanz  nicht  mehr  vorhanden.  So  kann  man  eine  äußere  Hauptzone  und 
eine  innere  Hauptzone  unterscheiden.  Die  Grenze  beider  ist  die  Stelle,  an 
welcher  die  Markstrahlen  nicht  mehr  zu  erkennen  sind.  Allerdings  befinden  sich 
auch  in  der  äußeren  Hauptzone  radiär  verlaufende  Fasern,  sie  liegen  aber  nicht  in 
Bündel  zusammen. 


1.  iMolekular- 
schicht 


2.  Äußere  Kör-  ) 
nerschicht  i 


3.  Mittelgroße 
Pyramiden- 
zellen 


4.  Innere  Kör- 
nerschicht 


5.  Große  Pyra- 
midenzellen 


6.  Polymorphe 
Zellen 


Chromsilber-Imprägnation 


Nißls  Methode 


Markscheiden-Färbung 


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Äußere 
Hauptschicht 


Gennari  -  \ 
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ger  scher     ' 


Innere 
Hauptschicht 


Fig.  180. 

Bau  der  Endhirnrinde  des  Menschen.    (Schema  nach  Brodmann.) 

Quer  zu  den  Markstrahlen,  also  parallel  zur  Oberfläche  ziehen  zahlreiche 
Nervenfasern,  welche  sich  in  verschiedenen  Richtungen  durchkreuzen,  spärlicher 
in  der  äußeren,  reichlicher  in  der  inneren  Hauptzone  vorhanden  sind.  Im  Bereich 
der  letzteren  bezeichnet  man  sie  als  interradiäres  Flechtwerk,  innerhalb  der 
äußeren  Hauptzone  bilden  sie  das  superradiäre  Flechtwerk.  An  zwei  Stellen 
findet  eine  dichtere  Anhäufung:  dieser  Fasern  statt:  innerhalb  der  äußersten  Schicht 


176  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

der  grauen  Rinde,  wo  sie  als  äußere  Tangentialfasern  bezeichnet  werden, 
und  an  der  Grenze  der  beiden  Hauptzonen,  wo  das  interradiäre  Flechtwerk  den 
an  dicken  Schnitten  deutlichen  Gennarischen  (Baillargerschen)  Streifen  bildet. 

Die  Nervenzellen  der  Großhirnrinde,  ihrer  Form  wegen  Pyramiden- 
zellen oder  kurz  Pyramiden  genannt,  liegen  zwischen  den  beschriebenen  Bün- 
deln und  Geflechten  der  Nervenfasern.  Sie  sind  von  verschiedener  Größe,  mehr 
oder  weniger  regelmäßiger  Form  und  liegen  bald  dichter,  bald  lockerer  zusammen. 
Indem  nun  innerhalb  verschiedener  Schichten  der  grauen  Rinde  Zellformen  derselben 
Art  in  bestimmter  Weise  angeordnet  liegen,  entsteht  eine  der  Oberfläche  parallele 
Schichtung.  Sie  ist  an  den  einzelnen  Stellen  der  Großhirnoberfläche  mehr  oder 
weniger  verschieden,  kann  aber  auf  einen  sechsschichtigen  Grundtypus 
(Brodmann)  zurückgeführt  werden. 

Wir  betrachten  zunächst  den  Grundtypus  und  die  Beziehungen  seiner  Schichten 
zu  den  Nervenfasern;  die  Abweichungen  finden  in  dem  folgenden  Kapitel  eine 
eingehende  Darstellung. 

Die  äußere,  dicht  unter  der  Pia  mater  befindliche  Schicht  ist  arm  an  Nerven- 
zellen, aber  reich  an  Neurogliazellen;  sie  wird  als  1.  Molekularschicht  be- 
zeichnet und  enthält  die  äußeren  Tangentialfasern.  Es  folgen  eine  Lage  kleiner 
Pyramidenzellen  als  2.  äußere  Körnerschicht  und  eine  Schicht  mittelgroßer 
Pyramidenzellen  als  3.  Pyramidenschicht;  im  Bereiche  des  Gennarischen 
Streifens  befindet  sich  als  4.  innere  Körnerschicht  eine  Lage  kleiner  Pyra- 
midenzellen und  dann  folgen  im  Gebiet  der  Markstrahlen  5.  die  Schicht  der 
tiefen  großen  Pyramidenzellen  und  6.  die  Schicht  der  polymorphen 
Zellen. 

Über  die  Gestalt  der  Zellen,  das  feinere  Verhalten  der  Nervenfasern  und  der 
Kollateralen  ist  folgendes  zu  sagen. 

Die  Nervenzellen  der  Hirnrinde  besitzen  zum  weitaus  überwiegenden 
Teil  eine  mehr  oder  weniger  ausgesprochene  Pyramidenform,  und  werden  daher 
Pyramidenzellen  genannt;  sie  bilden  den  am  meisten  charakteristischen  Be- 
standteil der  Rinde.  Ihre  Größe  ist  verschieden.  Die  kleinsten  haben  einen  Basis- 
durchmesser von  7,  die  größten  (Riesenpyramidenzellen  des  Gyrus  centralis  ant.) 
einen  solchen  von  40  bis  80/;.  Sie  haben  drei  und  mehr  Seitenflächen,  eine  dem 
Mark  zugewendete  Basis  und  eine  langausgezogene  Spitze,  Spitzen-  oder  Haupt- 
fortsatz genannt,  welcher  gegen  die  äußere  Oberfläche  verläuft.  Der  Spitzen- 
fortsatz gibt  seitlich  dünne  Äste  ab,  verschmälert  sich  und  löst  sich  endlich  in 
feine  Reiser  auf.  Von  den  Ecken  der  Basis  entspringen  ebenfalls  3 — 5  verästelte 
Fortsätze,  seitliche  Basalfortsätze;  von  der  Mitte  der  Basis  geht  dagegen  der 
Nervenfortsatz,  mittlerer  Basalfortsatz  aus;  er  wird  zum  Axenzylinder  einer 
radiär  zur  Markleiste  ziehenden  Nervenfaser,  während  die  übrigen  Fortsätze  Den- 
dritenfortsätze darstellen.  Der  Spitzenfortsatz  zeichnet  sich  noch  dadurch  aus, 
daß  er  selbst,  sowie  seine  Nebenästchen,  von  unzähligen  dicht  aufeinander 
folgenden  feinen  und  kurzen  Stäbchen  besetzt  ist,  die  mit  einem  Kölbchen 
endigen  (Fig.  181, 5).  Der  Nervenfortsatz  gibt  Seitenzweige  ab,  welche  in  Nerven- 
fasern übergehen  können.  Der  Kern  der  Pyramidenzellen  ist  ellipsoidisch  und  hat 
ein  deutliches  Kernkörperchen.  Der  Körper,  besonders  der  größeren  Zellen,  ist 
gelblich  pigmentiert. 


Das  Gehirn:  Feinerer  Bau. 


177 


Die  äußere  Tangentialfaserschicht  enthalt  zahlreiche,  meist  tangential 
verlaufende  Nervenfasern  und  eine  besondere  Art  von  Zellen,  Cajalsche  Zellen. 
Es  sind  unregelmäßig  gestaltete  multipolare  Zellen,  deren  lange  Ausläufer  in  der 
Richtung  der  Tangentialfasern  verlaufen  (Fig.  181,2,  182).  Sie  besitzen  mehrere 
Neuriten.  In  dieselbe  Schicht  treten  zweitens  Neuriten  kleiner  Pyramidenzellen 
aus  den  nächstfolgenden  Schichten,  drittens  ziehen  dicke,  meist  von  Markscheiden 
umgebene  Nervenfasern  (Fig.  198,  E.)  hinein,  welche  aus  dem  Marklager  stammen, 
auf  ihrem  Wege  Äste  abgeben,  und  auch  in  der  Tangentialfaserschicht  selbst  sich 
noch    verzweigen.     Sie   stammen    aus  Fernzellen    und  werden   als  Fern-Fasern 

bezeichnet.      Viertens   endigen    hier  die    am 
~  meisten  peripheren  dichten  Endausbreitungen 

der  Pyramidenzellen  der  inneren  Hauptzone. 
Die  Neuriten  der  Pyramidenzellen  geben 
zahlreiche  Nebenästchen  ab  und  ziehen  gegen 
die  Marksubstanz.  In  der  Nähe  der  letzteren 
teilen  sich  viele  Neuriten  in  einen  horizontalen 
und  in  einen  kaudalen  oder  absteigenden  Ast. 


Fig.  181. 


Fig.  182. 

Cajalsche   Nervenzelle    aus    der    oberflächlichen    Schicht    der 

Großhirnrinde  eines  Katzenfetus.    (Q.  Retzius.) 

a  Zellkörper ;    b  Protoplasmafortsatz ;  c  Nervenfortsätze. 

Fig.  181.   Zellformen  der  Endhirnrinde  (Chromsilber-Imprägnation. 

Nach  Cajal.) 
1  Tangentialfaserschicht;    2  Cajalsche  Zelle;    3  kleine  Pyramiden- 
zelle,   die  ihren  Neuriten  (n)   in  die  Tangentialfaserschicht  sendet; 

4  kleine  Pyramidenzelle,   die   ihren   Neuriten  (n)   einwärts  sendet; 

5  große  Pyramidenzelle  mit  ihrem  Spitzenfortsatz,  den  lateralen 
und  dem  mittleren  Basalfortsatz ;  der  letztere  zieht  zur  Marksub- 
stanz und  gibt  Kollateralen  ab;  6,  6  verzweigter  Neurit  einer  Fern- 
zelle; 7,  8  polymorphe  Zellen;  7  sendet  ihren  Neuriten  gegen  die 
freie  Fläche,  8  ist  eine  Cellula  axiramificata  oder  Golgische 
Zelle    des    II.    Typus    mit    vielverästeltem ,    aufgelösten    Neuriten; 

9  weiße  Substanz. 


In  der  jetzt  folgenden  Schicht  der  polymorphen  Ganglienzellen  befinden 
sich  zahlreiche  Zellen  von  dreieckiger  und  kurzpyramidaler  Form,  welche  sich 
bezüglich  ihrer  weniger  zahlreichen  Ausläufer  den  vorigen  anschließen.  In  der- 
selben Schicht  kommen  ferner  zahlreiche,  multipolare  Zellen  (Fig.  181,  s)  vor, 
welche  dem  Golgischen  II.  Typus  entsprechen  und  oben  Cellulae  axi-ramificatae 
genannt  worden  sind;  ihre  Neuriten  können  nach  den  verschiedensten  Richtungen 
sich  wenden,  zerfallen  aber  bald  in  ein  reiches  Geäst  von  Fäserchen,  die  alle  frei 
endigen.  In  geringerer  Zahl  kommen  Zellen  derselben  Art  in  allen  übrigen 
Schichten  vor;  sie  scheinen,  wo  immer  sie  auftreten,  besonders  geeignet,  verschie- 
dene Zellgebiete  in  besonderer  Weise  physiologisch  miteinander  zu  verknüpfen. 

Bezieht   man    das   superradiäre,  das  interradiäre  Flechtwerk  und  den  Gen- 


178  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

narischen  Streifen  auf  bestimmte  Zellen,  so  scheinen  die  in  ersteren  enthaltenen 
markhaltigen  Nervenfasern  von  Fernzellen  zu  stammen,  mag  diese  Ferne  eine 
mehr  oder  weniger  entlegene  sein.  Der  Genn arische  Streifen  scheint  größten- 
teils von  Kollateralen  der  Pyramidenzellen -Neuriten  gebildet  zu  werden.  Das 
Gleiche  gilt  von  dem  interradiären  Plexus,  wobei  auch  die  Beimischung  der  Neu- 
ritenäste  der  Cellulae  axi-ramificatae  eine  Rolle  spielt. 

Die  Neurogliazellen  der  Großhirnrinde  sind  Langstrahler  und  Kurzstrahler 
(siehe  Abt.  I,  Fig.  214,  215).  Erstere  kommen  hauptsächlich  in  der  weißen  Substanz 
vor,  letztere  sind  wesentlich  in  der  grauen  Substanz  vorhanden.  Häufig  findet 
man  in  der  Nähe  der  Pyramidenzellen  eine  größere  Anzahl  von  Gliazellen. 

2.  Örtliche  Verschiedenheiten  im  Bau  der  Großhirnrinde. 

Dem  Vorkommen  von  örtlichen  Verschiedenheiten  im  Bau  der  Endhirnrinde  hat  man  begreif- 
licherweise ein  besonderes  Interesse  zugewendet. 

Bedeutende  Unterschiede  sind  schon  früher  nachgewiesen  im  Lobulus  paracentralis,  in 
der  Umgebung  der  Fissura  calcarina,  im  Septum  pellucidum,  im  Gyrus  hippocampi,  im  Hippocampus, 
in  der  Fascia  dentata,  im  Lobus  olfactorius,  in  der  teilweise  zu  ihm  gehörigen  Substantia  perforata 
anterior,  in  der  Inselrinde  usw. 

Neuere  umfassende  Untersuchungen  von  Brodmann  haben  eine  überraschende  Mannigfaltigkeit 
des  zelligen  Aufbaues,  Cytoarchitektonik,  an  zahlreichen  Punkten  der  Großhirnrinde  festgestellt. 

Dieser  Autor  unterscheidet  gegen  50  verschiedene  Felder,  R  indenfelder  oder  Areae  genannt, 
welche  zum  großen  Teil  auf  den  ursprünglich  sechsschichtigen  Typus  (S.  176)  zurückzuführen,  und  aus 
ihm  unter  Erhaltung  oder  durch  Vermehrung  oder  Verminderung  der  Schichten  hervorgegangen  sind. 

Eine  Ausnahme  davon  sind  gewisse  „rudimentäre"  Rindengebiete  (Rhinencephalon,  Teile  des 
Gyrus  cinguli),  bei  denen  eine  sechsschichtige  fetale  Stufe  nicht  nachweisbar,  oder  noch  nicht  nach- 
gewiesen ist. 

Die  Verschiedenheiten  des  Baues  der  einzelnen  Rindenfelder  entstehen  aus  dem  Grundtypus 
durch  Veränderung  der  Zahl  und  der  Ausbildung  der  Einzelschichten  oder  durch  Änderung  der 
Dichtigkeit  und  Größe  der  zelligen  Elemente  auf  dem  Gesamtquerschnitt  und  innerhalb  einzelner 
Schichten  oder  durch  Ausbildung  bestimmter  Zell  formen  oder  durch  Veränderung  der  Breite  der  Gesamt- 
rinde und  das  relative  Breitenverhältnis  der  verschiedenen  Schichten  zueinander.  (Man  vergleiche  die 
Fig.  184,  185,  186,  welche  bei  derselben  Vergrößerung  verschiedene  Areae  darstellen.) 

Jede  einzelne  Schichtungsart  ist  beschränkt  auf  das  betreffende  Rindenfeld.  Die  Grenzen 
benachbarter  Felder  sind  teils  linearscharf,  teils  sind  allmähliche  Übergänge  vorhanden ;  sie  entsprechen 
mit  wenigen  Ausnahmen  meist  nicht  genau  den  Furchen. 

Einstweilen  hat  Brodmann  nur  die  Grenzen  der  verschiedenen  Rindenfelder  angegeben 
(Fig.  192,  193)  und  erst  von  einer  kleineren  Zahl  der  Felder  den  feineren  Bau  beschrieben.  Deshalb 
kann  zunächst  nur  ein  allgemeiner  Überblick  über  diese  wichtigen  Tatsachen  gegeben  werden. 

Interessant  und  bedeutungsvoll  ist  die  auch  schon  von  anderen  Untersuchern  erkannte  und 
hervorgehobene  Feststellung,  daß  eine  Anzahl  der  anatomisch  unterschiedenen  Rindenfelder  ganz 
oder  annähernd  mit  physiologisch  bestimmten  Zonen,  den  sogenannten  psychischen  Zentren, 
mehr  oder  weniger  genau  übereinstimmen.  So  ist  es  der  Fall  bei  den  motorischen  Zentren, 
welche  im  Gyrus  centralis  anterior  sich  befinden  und  übereinstimmen  mit  dem  Riesenpyramiden- 
typus (Feld  4,  Fig.  192,  193)  und  bei  den  sensiblen  Zentren,  welche  im  Gyrus  centralis  posterior 
liegen  und  den  Rindenfeldern  1,  2,  3  entsprechen  (Fig.  192,  193).  Das  Sprachzentrum,  das 
Brocasche  Feld,  entspricht  den  Rindenfeldern  44,  45  (Fig.  192),  das  Zentrum  des  Sprachver- 
ständnisses, die  Wernickesche  Stelle,  den  Feldern  41,  42  (Fig.  192).  Die  Sehsphäre  stimmt 
übercin  mit  dem  anatomisch  abgegrenzten  Calcarina typus,  welcher  auch  als  Area  striata  be- 
zeichnet wird  (Feld  17,  Fig.  193).    Vergleiche  die  Fig.  152,  153  mit  den  Fig.  250,  251. 

Auf  Grund  dieser  auffallenden  Übereinstimmung  des  anatomischen  Baues  mit  der  Funktion 
darf  man  wohl  als  wahrscheinlich  annehmen,  daß  auch  den  anderen  anatomisch  abgegrenzten  Rinden- 
feldern bestimmte  und  verschiedene  Funktionen  zukommen.  Es  liegt  hier  noch  ein  großes  Gebiet 
der  physiologischen  Forschung.  (Brodmann:  Beiträge  zur  histologischen  Lokalisation  der  Groß- 
hirnrinde.   VII.  Mitteilung.    Journ.  Psychol.  u.  Neurol.  Bd.  X,  1908). 


Das  Gehirn:   Feinerer  Bau.  179 

Eine  Anzahl  benachbarter  Areae  zeigt  gewisse  gemeinsame  Charaktere,  man  kann  sie  demnach 
zusammenfassen  zu  Hauptrcgioncn,  Regiones.  Brodmann  unterscheidet  11  solcher  Regionen 
(Fig.  152,  153)  und  innerhalb  einiger  noch  Unterregionen. 

1.  Regio  praecentralis.  Sie  umfaßt  die  vordere  Zentralwindung,  die  vorderen  beiden  Drittel 
des  Lobulus  paracentralis  und  einen  angrenzenden  Teil  der  oberen  und  der  mittleren  Stirnwindung. 
—  Sic  besitzt  eine  zurückgebildete  innere  Körnerschicht  (Fig.  183)  und  die  sogenannten  Betzschen 
Riesenpyramidenzellen  (Fig.  183,  184).  Man  bezeichnet  deswegen  die  Schichtungsart  als 
Riesenpyramidentypus. 

2.  Regio  retrocentralis  entspricht  der  hinteren  Zentralwindung  und  dem  vorderen  Drittel 
des  Operculum.  —  Sie  enthält  im  Gegensatz  zur  Regio  praecentralis  eine  wohlbegrenzte  innere 
Körnerschicht  aber  keine  Riesenpyramidenzellen. 


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Fig.  183. 

Zellenschichten  der  Regio  praecentralis  und  der  Regio  retrocentralis  des  erwachsenen  Menschen.    20:  1. 
(Nach  Brodmann.)    Die  Pfeile  bezeichnen  die  Grenze  und  zugleich  die  Tiefe  des  Sulcus  centralis. 

3.  Regio  frontalis  umfaßt  das  Gebiet  des  Stirnlappens  mit  Ausnahme  des  von  der  Regio 
praecentralis  eingenommenen  Gebietes  und  des  Gyrus  cinguli.  —  Sie  besitzt  eine  deutliche  innere 
Körnerschicht. 

Als  besondere  Unterabteilung  kann  die  Subregio  frontalis  inferior  abgegrenzt  werden, 
die  ungefähr  der  unteren  Stirnwindung  entspricht. 

■4.  Regio  insularis  entspricht  im  wesentlichen  der  Insel,  dehnt  sich  aber  auf  die  benachbarten 
Teile  der  Endhirnrinde  aus.  —  Das  Hauptmerkmal  ihrer  Zellenschichtung  besteht  in  der  Dreiteilung 
der  polymorphen  Zellenschicht,  indem  von  dieser  durch  eine  tangentiale  Faserschicht,  Capsula  extrema, 
eine  innerste  Zellenlage  abgegrenzt  wird,  die  sich  zum  Claustrum  umbildet.  Ein  Unterschied 
zwischen  dem  vorderen  und  dem  hinteren  Abschnitt  der  Insel  wird  bedingt  durch  das  Verhalten 
der  inneren  Körnerschicht,  welche  im  hinteren  Abschnitt  dauernd  erhalten  bleibt,  während  sie  sich 
im  vorderen  und  im  basalen  Teil  zurückbildet. 

5.  Regio  parietalis  deckt  sich  im  großen  und  ganzen  mit  dem  Lobus  parietalis,  doch 
gehört  noch  dazu  das  hintere  Drittel  des  Lobulus  paracentralis.  —  Die  Sechsschichtigkeit  der  Rinde 

Rauber-Kopsch.  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  10 


180 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


bleibt  hier  dauernd  erhalten.  Nur  ein  Teil  dieser  Region,  die  Area  pracparietalis  (Fig.  152,  153) 
hat  als  besonderes  Merkmal  außerordentlich  große  Zellen  in  der  Schicht  der  großen  Pyramidcnzellcn. 
6.  Regio  occipitalis  umfaßt  den  ganzen  Hinterhauptlappen;  die  Grenzen  gegen  die  be- 
nachbarten Regionen  sind  unbestimmt.  —  Sie  zeigt  im  allgemeinen  sehr  gut  ausgebildete  Sechs- 
schichtigkeit  (Fig.  185).  Eine  Ausnahme  macht  die  Area  striata,  die  Sehrinde,  welche  acht 
Zellschichten  aufweist;  ihre  Schichtungsart  wird  als  Calcarina typus  bezeichnet.    Die  Vermehrung 

der  Schichten    ist   bedingt  durch   eine  Dreiteilung 
der  inneren  Körnerschicht.     Fig.  186. 

Die  Ausdehnung  der  Area  striata  entspricht 

demjenigen  Teil  der  Hirnrinde,  welcher  die  Wände 

der  Fissura   calcarina   bildet;   sie   reicht   nur   wenig 

weit  in  die  nähere  Umgebung  dieser  Fissur.     Über 

[IIb     den  Hinterhauptpol  reicht  sie  nur  wenig,  in  manchen 


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Fig.  184. 


Fig.  185. 

schichten    der    Regio    occipitalis   des   er- 
wachsenen Menschen.    66:1.     (Nach  Brodmann.) 


Fig.  184.     Riesenpyramidenzellen  (Betz)  in  der  Regio  praecentralis  des  erwachsenen  Menschen.    66:1. 

(Nach  Brod  ma  n  n. 

Fällen  gar  nicht,  auf  die  laterale  Oberfläche  der  Endhirnhemisphäre.  Sie  entspricht  im  wesent- 
lichen dem  Sehzentrum  (vergl.  Fig.  152,  153  mit  Fig.  250,  251). 

Bei  manchen  außereuropäischen  Rassen  (Sudanesen,  Herero,  Javaner)  haben  E.Smith  und 
Brodmann  eine  große  Ausdehnung  der  Area  striata  auf  die  laterale  Oberfläche  nachgewiesen.  Diese 
Rassen  verhalten  sich  darin  ähnlich  wie  die  anthropoiden  Affen. 

Der  Gennarische  Streifen  ist  im  Bereich  der  Area  striata  so  stark  ausgebildet,  daß  er  leicht 


Das  Gehirn:   Feinerer  Bau. 


181 


mit  freiem  Auge  gesehen  werden  kann: 
bekannt.     Fig.  131,  187. 


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Fig.  186. 


er  ist  hier  unter  dem  Namen  Vicq  d'Azyrscher  Streifen 


7.  Regio  temporalis  erstreckt  sich  über 
den  Schliifenlappen  mit  Ausnahme  des  Gyrus 
hippocampi.  —  Sic  zeigt  abgesehen  von  den  Areae 
35,  36  (Fig.  193)  eine  sechsschichtigc  Rinde.  Durch 
einen  besonderen  Bau  namentlich  inbezug  auf  die 
Fasern  ist  nur  die  Regio  supratempora  I  i  s 
(Fig.  152)  ausgezeichnet,  welche  dem  akustischen 
Sprachzentrum  (Fig.  250)  entspricht. 

8.  Regio  cingularis  begreift  das  Gebiet 
des  Gyrus  cinguli  mit  Ausnahme  des  hinter  dem 
Balkenwulst  gelegenen  Gebietes,  welches  die  be- 
sondere Regio  retrosplenialis  bildet.  —  Der  Zellen- 
schichtung nach  kann  die  Regio  cingularis 
anterior  mit  typischer  Sechsschichtung  und  einer 
geschlossenen  inneren  Körnerschicht  unterschieden 
werden  von  der  Regio  cingularis  posterior, 
welche  keine  innere  Körnerschicht  hat. 

9.  Regio  retrosplenialis  ist  derjenige 
Teil  des  Gyrus  cinguli,  welcher  hinter  dem  Balken- 
wulst liegt.  Die  Schichtenzahl  dieser  Region  ist 
vermindert,  die  Grenzen  der  vorhandenen  Schichten 
sind  sehr  unscharf.  Die  Reduktion  betrifft  die 
Schichten  II— IV. 

10.  Regio  hippocampica  umfaßt  den 
Gyrus  hippocampi.  Hier  ist  das  äußere  Nerven- 
fasergcflecht  sehr  stark  ausgebildet  und  als  Sub- 
stantia  reticularis  alba  bereits  erwähnt  wor- 
den. Dieselbe  stammt  vor  allem  aus  Fasern  der 
weißen  Substanz,  welche  in  feinen  Bündeln  bis 
zur  Oberfläche  gelangen  und  hier  zumeist  der 
Länge  nach  verlaufen.  Die  Zellenschichtung  weicht 
erheblich  von  dem  Grundtypus  ab.  Genaueres 
darüber  ist  noch  nicht  beschrieben. 

Im  Anschluß  an  diese  Region  kann  der  Bau 
des  Hippocampus  geschildert  werden. 


IVa 


IV  b 


IV  c 


Via 


Fig.  187. 

Fig.  187.  Durchschnitt  durch  die  graue  Rinde  des  End- 
hirnes in  der  Umgebung  der  Fissura  calcarina  (/.  ca).  1:1. 
Die  graue  Rinde  ist  durch  einen  weißen  Streifen,  den  Vicq 
d'Azyrschen  (=  Gennarischen)  Streifen,  ausgezeichnet, 
weiche  der  inneren  Oberfläche  der  grauen  Rinde  näher  liegt 
als  der  äußeren. 


Fig.  186. 


Die  8  Zellenschichten  der  Area  striata,  Calcarlnatypus  des  erwachsenen  Menschen.    66: 
(Nach  Brodmann.) 


Auch  die  Hippocampus-Formation  besteht  aus  grauer  und  weißer  Substanz.    Die  Sub- 
stantia  reticularis  alba  des  Gyrus  hippocampi  setzt  sich,  indem  sie  teilweise  eine  tiefere  Lage  ein- 

10* 


182 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


nimmt,  auf  die  Konkavität  des  Hippocampus  fort  und  wird  hier  Lamina  medullaris  involuta 
oder  Kernblatt  genannt.  Schaffer  unterscheidet  am  Hippocampus  der  Säugetiere  (Kaninchen  und 
Schwein)  folgende  Schichten  Fig.  188: 

1.  Alveus;  2.  Schicht  der  polymorphen  Zellen,  a)  fusiforme  Zellen,  b)  polygonale  Zellen; 
3.  Schicht  der  großen  Pyramidenzellen;  4.  Schicht  der  kleinen  Pyramidenzellen;  5.  Zellenarme 
Schicht  —  kugelige  und  spindelförmige  Elemente. 

Gleich  Cajal  fand  Seh  affer  ferner  Nervenzellen  mit  aufsteigendem  Neuriten  und  Cellulae  axi- 
ramificatac,  d.  i.  Zellen  des  II.  Typus  von  Oolgi.  Hieraus  ergibt  sich  eine  wesentliche  Analogie 
der  Hippocampusformation  mit  der  typischen  Hirnrinde,  wie  es  kaum  anders  erwartet 
werden  kann,  wenn  man  bedenkt,  daß  der  Hippocampus  die  Fortsetzung  der  Rinde  des  Gyrus 
hippocampi  darstellt.  Der  einzige  Unterschied  besteht  darin,  daß  im  Hippocampus  zwei  Schichten  von 
Pyramidenzellen  dicht  aneinandergerückt,  die  Schicht  der  kleinen  Pyramidenzellen  vielmehr  in  jene  der 


Fig.  188. 

Schema  des  Hippocampus.    (K.  Schaffer.) 

C  Stelle  der  Rindeneinrollung.  1  fusiforme,  2  polymorphe,  3  Golgische  Nervenzelle;  4  Riesenpyramidenzelle ;  5  kleine 
Pyramidenzelle;  6  Nervenzelle  der  molekularen  Schicht;  al  aufsteigende  Kollateralen  der  Pyramidenzellen,  welche  (zum 
Teil  auch  jene  der  polymorphen  Zellen)   samtlich   in   das  Stratum  lacunosum   übergehen;    7  polygonale  Nervenzellen  der 

Fascia  dentata;   S  fusiforme  Zellen  desselben. 


großen  hinabgerückt  erscheint;  dadurch  kommt  ein  ausgesprochenes  Stratum  radiatum  zustande.  Der 
Hippocampus  ist  daher  einer  typisch  gebauten,  gleichsam  komprimierten  Rinde  zu  vergleichen. 
Hirnrinde  und  Hippocampusrinde  zeigen  hiernach  folgende  einander  entsprechende  Schichten 
(Schaffer): 

I.  Die  zellenarme  oder  molekulare  Schicht  faßt  in  sich  die  Tangentialfasern,  d.  h.  die  Lamina 
medullaris  involuta,  die  kugeligen  und  spindeligen  Nervenzellen.  2.  Schicht  der  kleinen  Pyramiden- 
zellen, über  welcher  das  dem   Gen  na  Tischen   Streifen   entsprechende   Stratum   lacunosum   liegt. 

3.  Schicht  der  großen  Pyramidenzellen.  Dadurch,  daß  im  Hippocampus  die  kleinen  Pyramidenzellen 
auf  die  großen  hinabgerückt  sind,  entsteht  eine  zellenarme  Zwischenschicht,  das  Stratum  radiatum. 

4.  Körnerschicht  oder  Schicht  der  kleinen  unregelmäßigen  Nervenzellen:  ihr  entsprechen  die  poly- 
morphen subpyramidalen  Zellen.  5.  Schicht  der  Spindelzellen;  ihr  entsprechen  jene  gestreckten 
Zellen,  welche  unmittelbar  über  dem  Alveus  liegen.  6.  Das  Marklager  aber  (Windungsmark,  Mark- 
leiste) und  der  Alveus  bilden  als  entsprechende  Teile  den  inneren  Abschluß. 

II.  Regio  olfactoria.  Zu  ihr  gehören  Bulbus,  Tractus  und  Trigonum  olfactorium,  die 
Substantia  perforata  ant.,  das  Tuberculum  olfactorium. 


Das  Gehirn:  Feinerer  Bau. 


183 


a)  Der  Bulbus   olfactorius.     (Fig.  189—191.)     Das   Mark   des  Bulbus   liegt   exzentrisch, 
besteht   aber  ebenfalls  aus  einer  dorsalen  und  einer  ventralen  Platte,  welche  randwärts  ineinander 


Dorsale  Marksubstanz 


Zentrale  Marksubstanz 


Ventrale  Mark- 
substanz 
Nervenfaser- 
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Schicht  der 
Glomeruli 
olfactorii 


Olfactoriusschicht  Nervi  olfactorii 

Fig.  189. 

Fig.  1S9.     Querschnitt  durch  den  Bulbus  olfactorius. 

(Nach  Figuren  von  Henle,  Meynert  und  eigenen  Präparaten  halbschematisch 

entworfen).    (G.  Schwalbe.)    20:1. 

Fig.   190.    Schema  des  elementaren  Baues  des  Bulbus  olfactorius  und  der  Rlech- 

schleimhaut. 

g  Grenze  zwischen  beiden  Gebieten.     1  Riechzelle;  2  ihr  Neurit;  3  Riechzellenteil  eines 
Glomerulus  olfactorius  gl;  4  Mitral-  oder  Pyramidenzellenteil  des  Glomerulus ;  5  basaler  Fig.    190. 

Dendrit  einer  Mitral-  oder  Pyramidenzelle  des  Bulbus  olfactorius;  6  Körper-  und  Seiten- 
fortsätze einer  Mitral-  oder  Pyramidenzelle  des  Bulbus  olfactorius;  7  Neurit  der  letzteren  Zelle  mit  Kollateralen    8  Nerven- 
zelle des  Bulbus  mit  peripher  ziehendem,  in  ein  Endbäumchen  auslaufenden  Neuriten  ;  9  Cellula  axi-ramificata  des  Bulbus. 

(Cajal.) 


Fig.    191. 

Schema  des  Baues  von  Bulbus  und  Tractus  olfactorius.    (Cajal.) 

A  Riechschleimhaut;  B  Glomeruli  olfactorii  des  Bulbus  olfactorius;  C  Mitralzellen ;  D  Tractus  olfactorius;  E  Körnerzellen; 

F Pyramidenzellen  des  Tractus  olfactorius;  G  Region  des  äußeren  Riechstreifens;  //Kollateralen  des  äußeren  Riechstreifens; 

j  Kollateralen  des  Bulbus  olfactorius;   L  zentrifugale  Fasern;  M  Zelle  mit  kurzem  Axenzylinderfortsatz. 


übergehen  und   eine  dünne  Lage  grauer  Substanz  zwischen  sich  fassen.     Die  dorsale  Rinde  ist 
äußerst  dünn,  um  so  dicker  dagegen  die  ventrale,  welche  folgende  Schichten  entwickelt: 

a.  Stratum  granulosum,  Körnerschicht.    Sie  besteht  aus  einem  Geflecht  markhaltiger 
Nervenfasern,  in  dessen  Maschenräumen  Ansammlungen  kleiner  Nervenzellen  liegen. 


184  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie 

.'.  Pyramiden-  oder  Mi tralzellenschicht.  Sie  enthält  eine  Reihe  großer  multipolarer 
Nervenzellen  von  kurzer  Pyramidenform.  Sie  entsenden  mehrere  Dendritenstämmchen  in  die  nächst- 
folgende Schicht,  während  der  Neurit  zu  dem  Plexus  der  vorhergenannten  Schicht  gelangt  (üolgi). 

;•.  Stratum  gelatinosum,  gelatinöse  Schicht.  Sie  entspricht  der  äußeren  Hauptzone 
der  Endhirnrinde  und  enthält  zerstreute  kleine  Nervenzellen. 

iV.  Stratum  glomerulosum,  Knäuelschicht.  Sie  besteht  aus  zahlreichen  kugeligen  oder 
ovalen  Gebilden  von  0,1  mm  Durchmesser,  welche  meist  in  doppelter  Reihe  liegen  und  je  zweierlei 
Endbäumchen  enthalten:  das  zentrale  Endbäumchen  der  Riechzellenfasern  und  das  periphere  End- 
bäumchen  der  Neuronen  nächsthöherer  Ordnung.  Dazwischen  kommen  kleine  Zellen  vor,  deren 
Zugehörigkeit  zum  nervösen  Apparat  oder  zur  Neuroglia   noch  nicht  ganz  sichergestellt  ist. 

Schicht  der  Olfactorius-Fasern.  Auf  der  ventralen  Fläche  der  Glomeruli  bilden  sie 
dichte  Geflechte  markloser  Fasern  besonderer  Art,  mit  denen  die  Nn.  olfactorii  zusammenhängen. 

b)  Der  Tractus  olfactorius  besteht  teils  aus  den  Fortsetzungen  der  Schichten  des  Trigonum, 
teils  aus  Nervenfasern,  welche  besonders  an  der  ventralen  Fläche  und  ihren  Rändern  angehäuft 
sind.  Die  dorsale  Kante  besteht  zumeist  aus  grauer  Substanz.  Eine  Lage  grauer  Substanz  be- 
findet sich  auch  im  Zentrum,  an  Stelle  des  früheren  Ventriculus  olfactorius.  Die  Faserbündel 
ziehen  zum  Stirnlappen,  zum  Gyrus  fornicatus  und  gehören  teilweise  der  vorderen  Kommissur  an. 

c)  Das  Trigonum  olfactorium  besitzt  auf  seiner  ventralen  Fläche  einen  Überzug  gelb- 
grauer, mit  der  Substantia  perforata  anterior  übereinstimmenden  Masse,  welche  sich  gegen  den 
Tractus  stark  verdünnt.  Der  dorsale  Teil  des  Trigonum  enthält  eine  Fortsetzung  der  Rinde  des 
Stirnhirnes,  die  ebenfalls  verdünnt  auf  den  Tractus  übergeht. 

Die  Substantia  perforata  anterior  ist  ähnlich  gebaut  wie  der  Globus  pallidus  des 
Linsenkernes,  doch  enthält  sie  weniger  Nervenfasern  als  letzterer. 

Das  Septum  pellucidum  hat  drei  Schichten:  eine  dünne  Markschicht,  eine  dünne  Rinden- 
und  (lateral)  eine  ependymale  Schicht.  In  der  Rindenschicht  kommen  Pyramiden-  und  Spindel- 
zellen vor. 

b)  Die  weiße  Substanz  des  Endhirnes. 

Sie  enthält,  wie  wir  S.  139  gesehen  haben,  folgende  Arten  von  Nervenfasern: 
Kommissurenfasern,  Assoziationsfasern,  Projektionsfasern. 

1.  Die  Kommissurenfasern  sind  enthalten  im  Balken,  der  vorderen 
Kommissur,  der  Commissura  hippocampi. 

a)  Die  Balkenfasern  sind  von  großer  Feinheit,  als  wären  sie  nur  Kolla- 
teralen von  Axenzylindern.  Sie  entspringen  in  der  ganzen  Rinde  einer  Hemisphäre 
und  endigen  in  der  anderen,  mit  Ausnahme  jener  Gegenden,  welche  zur  Commis- 
sura anterior  gehören,  nämlich  des  basalen  Teils  vom  Stirnlappen,  des  Pols  vom 
Schläfenlappen,  des  Hippocampus.  Viele  der  Balkenfasern  geben  einige  sehr  feine 
Kollateralen  ab,  die  sich  wie  diejenigen  der  Assoziationsfasern  verhalten.  Balken- 
fasern scheinen  nicht  nur  zwei  symmetrische  Punkte  der  Hemisphären  miteinander 
zu  verbinden;  der  Balken  ist  vielmehr  ein  verwickeltes  Quersystem,  durch  welches 
die  in  irgend  einem  Rindenpunkte  entsprungene  Nervenfaser  nicht  nur  symme- 
trische Zellen  der  anderen  Hemisphäre,  sondern  durch  ihre  Kollateralen  noch  viele 
andere  Zellen  der  verschiedenen  Rindenschichten  und  Bezirke  beeinflußt  (Cajal). 
Fig.  196. 

b  und  c)  Für  die  Fasern  der  beiden  anderen  Kommissuren  gelten  mutatis 
mutandis  dieselben  Regeln,  wie  für  die  Balkenfasern. 

2.  Die  Assoziationsfasern.  Sie  sind  Neuriten  der  großen  und  kleinen 
Pyramidenzellen  und  der  polymorphen  Zellen.  Der  Übergang  des  Neuriten  in  die 
Assoziationsbündel  der  weißen  Substanz  (siehe  S.  139)  ist  meist  ein  einfacher; 
doch  kommen  auch  T-förmige  Teilungen  mit  gleichen  oder  ungleichen  Ästen  vor 
(Fig.  197);   im   letzteren   Falle   geht  der  innere  Teilast  in  eine  Balkenfaser  über. 


185 


Fig.  192.    Rindenfelder,  Areae,  der  Endhirnrinde  des  Menschen.  (Brodmann.) 

Ansicht  der  linken  Hemisphäre  von  der  Seite. 

Die   einzelnen   Rindenfelder  sind   durch   verschiedene  Zeichen  und  Nummern  kenntlich   gemacht. 


Fig.  193.     Rindenfelder,  Areae  der  Endhirnrinde  des  Menschen.  (Brodmann.) 

Ansicht  der  rechten  Hemisphäre  von  der  medialen  Fläche. 

Die  verschiedenen  Rindenfelder  sind  durch  verschiedene  Zeichen  und  Nummern  kenntlich  gemacht. 


186 


kolloider  Masse 


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Adenohypophyse 


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Neuro  hypophyse 


Fig.  194.     Medianschnitt  durch  die  Hypophyse  eines  erwachsenen  Mannes. 

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Hirnsand. 


Fig.  195.     Querschnitt  durch  die  Zirbel  eines  erwachsenen  Mannes. 


Das  Gehirn:   Feinerer  Bau. 


187 


Überall  jedoch  läßt  sich  feststellen,  daß  viele  Assoziationsfasern  eine  Zelle  eines 
bestimmten  Rindenpunktes  mit  vielen  anderen  Zellen  verbinden,  die  in  anderen 
Rindenbezirken  und  vielleicht  gar  in  verschiedenen  Lappen  einer  Hemisphäre 
liegen  (Cajal).  Die  Summe  der  Assoziationsfasern  steht  in  gleichem  Verhältnis 
zur  grauen  Rindensubstanz.  Beim  Menschen  und  den  größeren  Säugetieren  bilden 
die  Assoziationsfasern  die  Hauptmasse  der  weißen  Substanz. 

Bei  vielen  Assoziationsfasern  sind  sehr  feine  Kollateralen  vorhanden,  die  auf- 
steigen und  sich  in  den  verschiedenen  darüberliegenden  grauen  Rindenschichten 
bis  in  die  Molekularschicht  hinein  verzweigen.  Außer  diesen  radiären  Kollateralen 
finden  sich  solche,  die  in  der  weißen  Substanz,  oder  in  der  Grenzschicht  zwischen 
grauer  und  weißer  Substanz  zu  endigen  scheinen;  Kollateralen  zur  weißen  Sub- 


Fig.  197. 

Fig.    197.     Assoziationsfasern   zwischen   Stirn-   und 
Occipitallappen   an    einem  Längsschnitt  durch   das 

Gehirn  schematisch  dargestellt.     (Cajal.) 
a,  b,  c  Pyramidenzellen ;    d  aufsteigende   Endverzwei- 
gungen der  Kollateralen;    e  nervöse  Endverzweigung; 
Fig.    196.  i  Corpus  callosum,  quer  getroffen. 

Fig.  196.      Anordnung    der  Kommissuren-   und   corticofugalen  Fasern    an    einem    Querschnitt    durch   das    Gehirn 

schematisch  dargestellt.     (Cajal.) 

A  Corpus  callosum;   B  Commissura  anterior;    C  Pyramidenbahn  (motorische  Willkürbahn). 

a,  bt  c  Pyramidenzellen;   ä  aufsteigende  Endverzweigungen  der  Kollateralen;   e  nervöse  Endverzweigung. 

stanz,  welche  wahrscheinlich  an  den  zahlreichen  absteigenden  Protoplasmafortsätzen 
daselbst  endigen.     Fig.  198. 

3.  Die  Projektionsfasern  leiten  teils  corticopetal,  teils  corticofugal. 

a)  Die  corticofugalen  Fasern  stammen  (nach  Untersuchungen  an  Gehirnen 
kleiner  Säugetiere)  aus  sämtlichen  Rindenbezirken,  konvergieren  und  ziehen  durch 
das  Corpus  striatum  hindurch  zum  Hirnschenkel.  In  der  Höhe  des  Balkens 
geben  sie  eine  starke  Kollaterale  zu  diesem  ab  (siehe  Fig.  196);  dann  ziehen  sie 
in  getrennten  Bündeln  durch  Anhäufungen  grauer  Substanz  hindurch  und  senden 
dieser  äußerst  feine  Kollateralen  zu.  Es  gibt  auch  Axenzylinder,  welche  weder  an 
den  Balken,  noch  im  Gebiet  des  Corpus  striatum,  Kollateralen  abgeben,  sondern 
ihre  Individualität  behalten.  Alle  die  genannten  zentrifugalen  Fasern  stammen  von 
den  großen  und  kleinen  Pyramidenzellen  der  Hirnrinde  (Fig.  196  C),  vielleicht 
auch  von  einzelnen  polymorphen  Zellen  derselben.  Daher  erklärt  sich  ihr  ver- 
schiedenes Kaliber. 

Der  größte  Teil  dieser  Fasern  endigt  bereits  in  den  Ganglien  des  Zwischen- 
hirns (Thalamus,  Nucleus  ruber,  Corpora  geniculata).  Andere  Fasern  ziehen  ohne 
Unterbrechung  durch  den  Hirnschenkel  zum  Mittelhirn,  Nachhirn  und  Rückenmark. 
Ein  großer  Teil  der  Fasern  endigt  als  motorische  Willkürbahn  (als  Pyramiden- 
bahn mit  Fasciculus  cerebrospinalis  lateralis  und  anterior.     Fig.  85). 


188 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


b)  Die  corticopetalen  Fasern:  Außer  den  Assoziationsfasern  verzweigen 
sich  in  der  grauen  Rinde  noch  Fasern  von  viel  stärkerem  Kaliber,  die  vielleicht 
aus  dem  Rückenmark,  Kleinhirn  usw.  kommen.  Sie  durchsetzen  die  graue  Sub- 
stanz mit  gewaltigen  Endverzweigungen,  welche  besonders  um  die  kleinen  Pyra- 
midenzellen herumliegen.     Diese  Verzweigungen  sind  anzusprechen  als  das  letzte 

Ende  der  sensiblen  Nerven  im  Gehirn, 
oder  vielmehr  ihrer  sekundären  Systeme 
(siehe  Fig.  85  und  198). 

Fornix  longus.  Von  Forel  1872  bei 
Cavia  cobaya  aufgefunden,  später  durch  Kölliker 
auch  beim  Menschen  nachgewiesen.  Er  durchbohrt 
wie  bei  Tieren  den  Balken  und  kommt  sicher 
von  Teilen,  die  mit  dem  Qyrus  fornicatus  eine 
Vergleichung  zulassen.  Durch  die  Ausstrahlung 
dieser  Fasern  im  Septum,  durch  ihre  Beziehungen 
zum  Fornix  (inferior)  und  vermittelst  der  Striae 
longitudinales  laterales  des  Balkens  zur  Fascia 
dentata  ergeben  sich  diese  Fasern  auch  hier  als 
Teile  der  Riechbahn,  wenn  dieselben  auch  wohl 
beim  Menschen,  der  geringeren  Entwicklung  seines 
Geruchshirnes  entsprechend,  nicht  die  Entwicklung 
erlangen,  wie  bei  den  makrosmatischen  Geschöpfen 
(v.  Kölliker,  1896). 

c)  Die  Kleinhirnrinde. 

An  Durchschnitten  durch  die  frische 
Rinde,  Substantia  corticalis,  des  Klein- 
hirnes erkennt  das  freie  Auge  zwei 
Schichten,  eine  äußere  graue,  Stratum 
cinereum,  und  eine  innere  gelbe  oder 
rostfarbene,  Stratum  granulosum.  Das 
Mikroskop  zeigt  an  der  äußeren  Ober- 
fläche des  Stratum  cinereum  eine  dünne 
Grenzhaut,  Lamina  basalis,  und  an  der 
Grenze  der  grauen  Schicht  und  der  Körner- 
schicht, noch  eine  besondere  Lage,  die 
Schicht  der  Purkinjeschen  Nervenzellen, 
Stratum  gangliosum. 
Die  an  die  Markleiste  angrenzende  rostfarbene  oder  Körnerschicht 
besteht  aus  dicht  gedrängten,  in  Gruppen  zusammengestellten  kleinen  Zellen  mit 
großem  Kern  und  geringem  Zellkörper  von  6—7//  Durchmesser  (Fig.  199).  Dennoch 
entsenden  die  kleinen  Zellen  mehrere  kleine  Dendritenstämmchen  und  einen  in 
die  (graue)  Molekularschicht  eintretenden  Neuriten,  welcher  sich  innerhalb  der- 
selben in  zwei  nach  entgegengesetzter  Richtung  ziehende  Zweige  teilt  (Fig.  200,  k). 
Von  einer  zweiten  Zellenart  der  rostfarbenen  Schicht  wird  alsbald  die  Rede  sein. 
Zunächst  ist  noch  zu  bemerken,  daß  sie  außerdem  ein  reiches  Geflecht  mark- 
haltiger  Nervenfasern  enthält,  welches  sich  einwärts  in  die  Faserung  der  Mark- 
leiste fortsetzt. 

Die  Schicht  der  Purkinjeschen  Zellen  (Fig.  199,3)  besteht  aus  einer  ein- 


Fig.  198. 

Ursprung  und  Ende  von  Neuriten  in  derGroßhirnrinde. 

Schema.  (Cajal.) 
A  kleine  Pyramidenzelle;  B  große  Pyramidenzelle;  CD 
polymorphe  Zellen;  E  Endigung  einer  aus  anderen 
Zentren  kommenden  Fernfaser;  F Kollateralen  der  weißen 
Substanz;  G  Axenzylinder ,  der  in  der  weißen  Substanz 
sich  teilt  (Bifurkation). 


Das  Gehirn:   Feinerer  Bau. 


189 


fachen  Reihe  großer  Nervenzellen  von  bim-  oder  keulenförmiger  Gestalt,  welche 
mit  ihrem  längsten  Durchmesser  senkrecht  oder  schief  zur  Körnerschicht  gestellt 
sind.  Das  dicke  Ende  ragt  etwas  in  die  Körnerschicht  hinein  und  entsendet  hier 
einen  durch  die  Körnerschicht  dringenden  Neuriten,  der  sich  sehr  bald  mit  Mark 
umhüllt  und  in  die  Markleiste  eintritt  (Fig.  200).  Der  Außenpol  der  Zelle  geht  in 
einen  oder  zwei  mächtige  Dendritenstämme  über,  welche  sich  (kandelaberartig) 
überaus  reichlich  teilen  und  mit  den  Endästen  radiär  in  die  graue  Schicht  vor- 
dringen. Die  Hauptverästelung  findet  in  quer  zur  Gyruslänge  gerichteter  Ebene 
statt.  Die  größeren  Fortsätze  laufen  dabei 
gewöhnlich  eine  Strecke  weit  wagerecht  oder 
schräg,  bis  sie  sich  allmählich  durch  Abgabe 
radiärer  Zweige  erschöpft  haben  und  dann 
selbst  in  die  Radiärrichtung  umbiegen.  Dieses 
Verhalten  hängt  zusammen  mit  den  Abständen 
der  Zellen  voneinander,  welche  häufig  das 
Drei-  und  Vierfache  der  Zellendurchmesser  be- 
tragen, aber  auch  auf  weniger  als  einen  ein- 
zigen sich  verringern  können.  Auf  der  Höhe 
der  Randwülste  pflegen  nämlich  die  Zellen 
dichter  zu  stehen  als  im  Grunde  der  Furchen. 
Es  kommt  hinzu,  daß  das  Astgebiet  der  einen 
Zelle  in  das  der  benachbarten  übergreift. 
Randwärts  erstrecken  sich  feine  Endästchen 
bis  nahe  zur  Oberfläche.  Sie  gehen  teils  aus 
fortgesetzter  Teilung  hervor,  können  aber  auch 
unmittelbar  aus  den  kriechenden  oder  aufge- 
richteten Dendritenstämmen  entspringen.  Der 
Neurit  gibt  Seitenästchen  ab,  welche  in  die 
Körnerschicht  dringen;  nicht  selten  laufen 
solche  Kollateralen  gegen  die  Zellkörper  zurück 
und  gehen  in  Endbäumchen  über. 

Die  graue  oder  molekulare  Schicht, 
feinkörnige  Schicht,  wird  durch  stärkere  Ver- 
größerung   in   ein   dichtes   Gerüst    aufgelöst, 

welches  teils  aus  Dendriten-  und  Neuritenverästelungen,  teils  aus  Neuroglia  und 
Nervenzellen  besteht.  Ein  horizontal  ausgebreiteter  Plexus  markhaltiger  Nerven- 
fasern liegt  an  der  Grenze  der  Purkinj eschen  Zellen  gegen  die  Körnerschicht. 
Fig.  199, 2. 

Eine  Art  von  Nervenzellen  der  grauen  Schicht,  kleine  Rindenzellen 
(Fig.  200,  G),  sind  multipolare  Zellen  wahrscheinlich  vom  II.  Golgitypus.  Eine 
andere  Art  entsendet  nach  allen  Seiten  Dendriten,  den  Neuriten  aber  parallel 
der  Purkinjeschen  Zellenschicht;  dieser  entläßt  von  Strecke  zu  Strecke  eine 
Kollaterale,  welche  sich  gegen  die  Purkinjeschen  Zellen  wendet  und  um 
dieselben  ihre  Endästchen  in  Form  eines  Faserkorbes  entwickelt  (Fig.  200,  K). 
Man  nennt  diese  Zellen  der  grauen  Substanz  deshalb  Korbzellen;  von  ihnen 
aus  findet  also  ein  Einfluß  auf  eine  ganze  Reihe  von  Purkinjeschen  Zellen  statt, 
sofern  nicht  der  entgegengesetzte  Weg  die  Bahn  bezeichnet.    In  der  Körnerschicht 


Fig.  199. 

Durchschnitt  durch  die  Rinde  des  menschlichen 

Kleinhirnes.     (Th.  Meynert.)     150:1. 
1  Graue  Schicht  der   Kleinhirnrinde,    mit  2,   quer- 
verlaufenden   feinsten   markhaltigen  Nervenfasern; 
3  Purkinjesche  Zellen;    4  Körnerschicht;   5  Sub- 
stanz der  Markleiste. 


190 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


kommt  eine  zweite  größere  Zellenart  vor,  welche  mit  den  Cellulae  axi-ramificatae 
die  nächste  Verwandtschaft  besitzt;  denn  ihr  in  die  Körnerschicht  entsendeter 
Neurit  oder  deren  mehrere  spalten  sich  in  ein  feines,  überaus  reiches,  weit  aus- 
gedehntes Geäst  feinster  Reiser  (Fig.  200,  L). 

Von  der  Markleiste  steigt  ferner  eine  Anzahl  kräftiger  Fasern  auf,  welche 
von  Fernzellen  stammen  und  in  der  Körnerschicht  unter  Astbildung  ihr  Ende 
finden.  Eine  andere  Anzahl  von  Fernzellenfasern  (Fig.  200,  F)  durchdringt  die 
Körnerschicht  und  gelangt  in  die  graue  Substanz;  von  ihnen  abgehende  Kollate- 
ralen treten  zu  den  Purkinjeschen  Zellen  und  umgeben  deren  Körper  in  einem 


Fig.  200. 

Die  hauptsächlichen  Nervenzellenformen  und  Faserarten  der  Kleinhirnrinde. 

FF  Fernfasern   (Kletterfasern);    G   kleine   Rindenzellen;    K   Korbzelle;    kk  kleine   Körnerzellen;    L   große   Körnerzelle; 

P  Purkiniesche  Zelle. 


korb-  oder  nestähnlich  gestalteten  dichten  Endbäumchen,  während  die  weiter 
gegen  die  Oberfläche  ziehenden  Teile  der  Faser  an  den  Dendritenstämmen  der 
Purkinjeschen  Zellen  emporklettern,  sie  und  deren  Zweige  umranken  und  daher 
von  Cajal  Kletterfasern  genannt  worden  sind. 

Man  erkennt,  daß  der  Bau  der  Kleinhirnrinde  ein  sehr  verwickelter  ist;  ge- 
lungene Präparate,  die  nach  der  Golgischen  Methode  angefertigt  sind,  gewähren, 
ob  nun  dieser  oder  jener  Teil  der  Elemente  besser  hervortritt,  einen  überaus  pracht- 
vollen Anblick. 

Neuroglia  der  Kleinhirnrinde.  Fig.  201,  202. 
In  allen  Schichten  des  Kleinhirnes  kommen  Neurogliaelemente  in  Form  von 
Kurzstrahlern  und  Langstrahlern  vor.  Eine  besondere  Form  von  Neurogliazellen 
durchsetzt  in  radiärer  Richtung  die  graue  Substanz.  Der  Zelleib  dieser  Stütz- 
elemente ist  klein  und  liegt  in  der  Schicht  der  Purkinjeschen  Zellen,  die  radiären 
Ausläufer  ziehen  bündelweise  vom  Zellkörper  aus  zur  Pia  und  endigen  mit  kegel- 


Das  Gehirn:   Feinerer  Bau. 


191 


förmigen   Ansatzstücken,   die   sich   zu    einer   unter   der  Pia   gelegenen  Lamina 
basalis  verbinden  (Fig.  201).   Zwischen  dieser  und  der  äußeren  Oberfläche  bleibt 


Fig.  201. 

Neurogliazellen  der  grauen  Substanz  der  Kleinhirnrinde. 

Vertikalschnitt  durch  die  Rinde  einer  Kleinhirnwindung  eines  7monatigen  menschlichen  Fetus.     (Retzius.) 

Rechts  ein  Stück  einer  Purkin  j  eschen  Zelle. 

ein  feiner  bei  Schrumpfung  erweiterter,  von  den  Radiärfasern  durchsetzter  Raum 
übrig,  ein  epicerebellarer  Lymphraum,  in  welchem  auch  Lymphkörperchen  beobachtet 
werden  können.     Fig.  202. 

Da  außer  den  Dendriten  der  Purk  inj  eschen  Zellen 
und  den  Radiärfasern  der  Neurogliazellen  auch  die  Blut- 
gefäße in  radiärer  Richtung  die  graue  Schicht  durchdringen, 
erfährt  deren  Substanz  eine  feine  radiäre  Zerklüftung. 


d)  Die  Endhirnganglien. 

Der  Nucleus  caudatus  scheint  in  allen  seinen 
Teilen  gleichmäßig  gebaut  zu  sein.  Er  ist  von  einem 
dicken  Ependym  bedeckt  und  enthält  außer  Nervenfasern 
besonders  zwei  Arten  von  Nervenzellen:  1.  größere  multi- 
polare (von  30,«),  2.  viel  zahlreichere  kleine  multipolare 
(von  15,«).  Dazu  kommen  noch  eigentümliche  rundliche 
in  Lücken  gelagerte  Zellen  (Henle). 

Der  Nucleus  lentiformis.  Der  Bau  des  Putamen 
stimmt  mit  dem  des  Nucleus  caudatus  überein,  wie  er  ja 
auch  vorn  mit  demselben  ununterbrochen  zusammenhängt. 
Die  blassere  Farbe  der  beiden  Innenglieder  (Globus  pallidus),  von  welchen  das 
innerste  wieder  etwas  dunkler  ist,  rührt  von  einem  größeren  Reichtum  an  Nerven- 
fasern, aber  auch  von  zahlreichen  gelb  pigmentierten  Nervenzellen  her.  Die  drei 
-Glieder  des  Linsenkernes  sind  voneinander  abgesetzt  durch  dünne  Markplatten, 
Laminae  medulläres  externa  et  interna,  welche  Ausläufer  in  die  Substanz 
der   einzelnen    Glieder   entsenden,    durch    die   innere   Kapsel   hindurch    mit   dem 


Fig.  202. 

Peripherischer  Teil  der  grauen 

Schicht  der  Kleinhirnrinde  mit 

der  abgehobenen  Lamina 

basalis  (5). 

1  Pia  mater;  2  äußere  Grenze  der 

grauen  Schicht;    3  epimedullarer 

Lymphraum;  4AusläuferderNeu- 

rogliazellen  der  grauen  Substanz. 

Über  4  ein  Lymphocyt. 


192 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Nucleus  caudatus  in  Verbindung  stehen,  aufwärts  aber  in  das  Hemisphärenmark 
und  in  die  graue  Rinde  ausstrahlen.  Auf  der  ventralen  Seite  des  Linsenkernes 
hingegen  treten  beide  Laminae  medulläres  zu  einem  kräftigen  und  wichtigen 
Faserbündel  zusammen,  welches  längs  der  ventralen  Seite  medianwärts  verläuft 
und  so  auf  nächstem  Wege  den  medialen  Rand  des  Hirnschenkels  erreicht. 
Dies  Bündel  führt  den  Namen  Linsenkernschlinge,  Ansa  lenticularis. 

Das  Claustrum,  jener  eigentüm- 
liche bandförmige  Kern,  welcher  lateral 
vom  Nucleus  lentiformis  gelegen  ist  und 
ventral  mit  der  Substantia  perforata  an- 
terior zusammenhängt,  ist,  wie  wir  schon 
oben  gesehen  haben,  entstanden  durch 
Abtrennung  von  der  polymorphen  Schicht 
der  Inselrinde. 

Die  zelligen  Elemente  des  Claustrum 
sind  vorzugsweise  Spindelzellen,  welche 
mit  ihrer  Längsaxe  parallel  der  Ober- 
fläche gestellt  sind.  Meynert  hat  des- 
halb auch  die  an  anderen  Orten  vor- 
kommenden, an  Spindelzellen  reichen 
tiefen  Lagen  (gewöhnliche  Rinde,  Man- 
delkern) als  „Vormauerformation"  be- 
zeichnet. 

e)  Das  Zwischenhirn. 

Die  zentrale  graue  Substanz  des 
dritten  Ventrikels  setzt  sich  kaudal  in 
die  den  Aquaeductus  des  Mittelhirnes 
umgebende  graue  Substanz,  letztere  aber 
in  das  Bodengrau  des  vierten  Ventrikels 
fort.  Nach  einer  von  Meynert  einge- 
führten Unterscheidung  der  verschiedenen 
Lagen  grauer  Substanz  im  Gehirn  wird 
die  zentrale  graue  Substanz  der  genann- 
ten Hirnabteilungen  auch  Höhlengrau 
genannt.  Das  Höhlengrau  des  dritten 
Ventrikels  setzt  sich  ventral  ununterbro- 
chen in  die  graue  Bodenkommissur 
(S.  101)  fort,  hängt  lateral  mit  dem  me- 
dialen Kern  des  Thalamus  (S.  109)  zusammen  und  bildet  auch  die  Substanz  der  Massa 
intermedia;  das  Höhlengrau  des  dritten  Ventrikels  enthält  zahlreiche  Nervenzellen. 
Eine  besondere  keulenförmige  Ansammlung  multipolarer  kleiner  Nervenzellen  im 
Trigonum  habenulae  (S.  109)  stellt  das  Ganglion  habenulae  von  Meynert  dar. 
Aus  ihm  zieht  ein  Bündel  markhaltiger  Fasern  abwärts,  das  Meynertsche  Bündel 
oder  der  Fasciculus  retroflexus  zum  Ganglion  interpedunculare  (Gudden) 
(siehe  Fig.  129  und  Leitungsbahnen).  Über  das  Vicq  d'Azyrsche  Bündel,  die  Pars 
tecta  columnae  fornicis  und  ihre  Lagerung  im  Höhlengrau  siehe  S.  109  und  Fig.  97. 


lob.  ternp 

Fig.  203. 

Schematische  Darstellung  der  Fasern,  welche  aus  dem 
Linsenkern    und    dem   Sehhügel    zur   Rinde   verlaufen. 

(W.  v.  Bechterew.) 
c.cal  Corpus  callosum  ;  es  Nucleus  caudatus;  Fh  Thalamus; 
cL  Nucleus  hypothalamicus  (Luysscher  Körper);  gp  Globus 
pallidus  nuclei  lentiformis;  pt  Putamen  nuclei  lentiformis; 
et  Claustrum  ;  fsi  mittlerer  Thalamusstiet ;  //  Faserbündel, 
welches  aus  dem  Globus  pallidus  und  den  Laminae  medul- 
läres des  Linsenkernes  zur  Rinde  zieht  und  wahrscheinlich 
auch  Fasern  des  Lemniscus  medialis  (sensitivus)  enthält; 
anl  Ansa  nuclei  lentiformis;  fit  unterer  Thalamusstiel; 
/Fornix;  no  Nervus  opticus;  ca  vordere  Kommissur;  ins 
Insula  telencephali;  Inb.pariet.  Rinde  des  Parietallappens; 
lob.temp.  Rinde  des  Temporallappens;  et  Capsula  interna; 
a  Fasern  zur  Verbindung  des  Nucleus  caudatus  mit  dem 
Globus  pallidus;  b  Fasern  zur  Verbindung  des  Putamen  mit 
dem  Globus  pallidus;  c  Fasern,  welche  vom  Luysschen 
Körper  zum  Globus  pallidus  verlaufen. 


Das  Gehirn:  Feinerer  Bau. 


193 


Begriff  des  Höhlengrau,  der  grauen  Rinde  und  der  Kerne. 

Untersucht  man  auf  Grund  der  neueren  Erfahrungen  über  die  Herkunft  der  grauen  Substanz 
den  Begriff  des  Höhlengrau,  so  ist  schon  im  Allgemeinen  Teile  auseinandergesetzt  worden,  daß 
alle  graue  Substanz  in  ihrem  Ursprünge  auf  das  Epithel  des  Zentralkanals  zurückführt  oder  der 
inneren  Zellenlage  des  Medullarrohrcs  den  Ursprung  verdankt.  Diese  Zellenlage,  Pro  lifera  tions- 
schicht  oder  Prüdilektionsschicht,  entwickelt  längere  Zeit  hindurch  fortwährend  Mitosen  und 
Zellteilungen,  welche  ventrikuläre  Mitosen  genannt  worden  sind.  Die  ncugebildeten  Zellen 
sammeln  sich  an  der  Außenfläche  der  Prädilektionsschicht  und  bilden  durch  weitergehenden  Nach- 
schub von  innen  her  allmählich  ansehnliche  Zellenlager.  Schon  von  Anfang  an  tritt  auch  eine 
Differenzierung  der  Zellen  zutage,  indem  ein  Teil  sich  zu  jugendlichen  Nervenzellen  (Neuroblasten), 
ein  anderer  zu  Ependymzellen  gestaltet. 
Jene  bilden  die  Grundlage  aller  grauen 
Substanz.  An  gewissen  Orten  (in  den  End- 
hirnganglien, ebenso  auch  in  den  Kernen 
des  Zwischenhirns,  des  Kleinhirnes  usw.) 
vermehren  sich  die  jungen  Nervenzellen 
durch  eigene  mitotische  Zellteilung;  diese 
Mitosen  werden  ultraventrikulare  Mi- 
tosen genannt;  auch  die  ventrikuläre 
Mitosenbildung  liefert  immer  noch  neue 
Zellen.  Die  Zellen  der  Endhirnrinde 
stammen  von  ventrikulären  mitotischen 
Zellteilungen  ab,  während  gerade  die  End- 
hirnganglien teils  aus  ventrikulären, 
teils  aus  ultraventrikularen  mitotischen 
Zellteilungen  herstammen.  Wo  bleibt  nun 
der  Begriff  des  Höhlengrau?  Alles 
Grau  ist  ursprünglich  Höhlengrau.  Aber 
ein  Teil  dieser  grauen  Massen  wird  durch 
allmählich  gelieferte  weiße  Substanz  von 
dem  Mutterboden  zur  Peripherie  abge- 
drängt. Dies  ist  das  Rindengrau.  Ein 
anderer  Teil  der  grauen  Substanz  aber 
bleibt  mit  dem  Mutterboden  in  Verbindung 
und  ist  dann  Höhlengrau.  Natürlich 
gehören  damit  der  Nucleus  caudatus  und 
lentiformis  auch  zum  Höhlengrau.  Immer 
aber  kann  man  noch  Unterschiede  machen, 
insofern  man  ersteren  Namen  für  die  um 
das  Ventrikelependym  gelagerten  diffu- 
sen grauen  Massen  beibehält,  für  die 

mehr  isolierten,  selbständigeren  Lager  gehäufter  grauer  Substanz  den  Namen  graue  Kerne  fest- 
hält; wobei  man  aber  wissen  muß,  daß  der  Nucleus  caudatus  und  lentiformis,  wie  oben  angegeben, 
von  dem  ihnen  zugehörigen  ventrikulären  Epithel  abstammen. 

Muchin,  N.,  Zum  Bau  des  zentralen  Höhlengraues  des  Gehirnes.  Internat.  Monatsschr.,  XVIII, 
1901.  —  Rauber,  A.,  Die  Mitosen  des  Medullarrohres.   Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  26,  1886. 

Das  Corpus  mamillare  beherbergt  in  seinem  Inneren  zwei  graue  Kerne, 
Nuclei  corporis  mamillaris  (S.  97  und  Leitungsbahnen),  mit  spindelförmigen, 
20 — 30.«  langen  Nervenzellen. 

Die  Hypophysis  cerebri  (Fig.  194)  besteht  in  ihrem  kleinen  hinteren 
cerebralen  Lappen,  der  Neurohypophyse,  aus  Neuroglia,  Blutgefäßen  und 
Bindegewebe,  ohne  Beimischung  von  Nervenzellen  oder  Nervenfasern  (A.  Kohn) 
und  enthält  mehr  oder  weniger  zahlreiche  epitheliale  Gebilde,  welche  vom  vor- 
deren Lappen  stammen. 


Fig.  204. 
Unterschied  von  Höhlengrau,  grauer  Rinde  und  grauen  Kernen. 
Frontalschnitt  durch  das  Gehirn  eines  Schaffetus  von  ca.  7  cm  Länge. 

10 il.  (A.  Kölliker.) 
st  Corpus  striatum ;  m  Foramen  interventriculare;  /Ventriculus  III; 
pl  Plexus  chorioideus;  l  Ventriculus  lateralis;  s  Schlußplatte  der 
Hemisphären,  hier  Verbindungsplatte  der  beiden  Plexus  chorioidei 
und  Fortsetzung  der  Deckplatte  des  3.  Ventrikels;  /  große  Hirn- 
spalte mit  der  primitiven  Sichel ;  th  tiefster  vorderster  Teil  des 
Thalamus;  ch  Chiasma;  o  Opticus;  c  Hirnstielfaserung;  h  Hemi- 
sphären mit  einer  in  den  Seitenventrikel  vorspringenden  Windung 
an  ihrer  medialen  Wand;  p  Pharynx;  sa  Sphenoidale  anterius; 
a  Ala  parva.    Siehe  auch  Fig.  203,  179,  128. 


194  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

Die  Gliazellen  sind  meist  von  einfacher  Form,  bilden  nur  spärliche  Fasern 
und  besitzen  viel  Protoplasma.  Schon  frühzeitig  tritt  Pigment  auf,  welches  bei 
älteren  Individuen  außerordentlich  reichlich  ist.  Es  befindet  sich  meist  in  den 
Zellfortsätzen  und  in  den  Gliafasern  (A.  Kohn),  weniger  im  Zelleib. 

Die  vom  vorderen  Lappen  in  die  Neurohypophyse  gelangten  Epithelzellen 
liegen  einzeln  oder  zu  Gruppen  und  Strängen  vereinigt  oder  bilden  die  Wand 
kolloidhaltiger  Bläschen. 

Der  größere  vordere  Lappen,  Adenohypophyse,  besteht  wesentlich  aus 
epithelialen,  meist  soliden,  teils  hohlen  Strängen  von  sehr  ungleicher  Dicke,  die  von 
helleren  oder  dunkleren  Zellen  zusammengesetzt  werden.  Die  Schläuche  sind  in  lockeres 
gefäßführendes  Bindegewebe  eingehüllt.  Die  Blutgefäße  sind  weit  und  dünnwandig. 
Die  Zellen  enthalten  teils  acidophile,  teils  basophile  Granula.  In  der  Nähe 
der  Neurohypophyse  treten  hohle  Zellstränge  und  kolloidgefüllte  Bläschen  auf, 
welche  den  Follikeln  der  Schilddrüse  ähnlich  sind,  aber  eine  mehrschichtige  Zell- 
wand besitzen.  Das  Kolloid  der  Hypophyse  zeigt  alle  mikrochemischen  Reaktionen 
des  Schilddrüsenkolloid. 

Über  die  Hypophysis  pharyngea  siehe  Abt.  IV,  S.  93. 
Kohn,  A.,  Über  die  Hypophyse.    Münch.  med.  Wochenschr.  1910.  —  Derselbe,  Über  das 
Pigment  in  der  Neurohypophyse  des  Menschen.    Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  75,  1910. 

Das  Corp us  pineale  (Zirbel,  Epiphyse) 
(Fig.  195)  besitzt  eine  bindegewebige  Hülle, 
welche  Fortsätze  in  das  Innere  sendet,  wo- 
durch einzelne  Abteilungen  geschieden  wer- 
den. Letztere  bestehen  aus  Gruppen  poly- 
edrischer  Epithelzellen,  Neuroglia  sowie  Blut- 
gefäßen, Nervenfasern  und  Ganglienzellen. 
Über  den  Hirnsand  siehe  S.  110.  Die  Körner 
des  Hirnsandes  (Fig.  205)  erinnern  an  ver- 
wandte Dinge,  die  besonders  in  höherem 
Fig.  205.  Alter  in  den  Wänden  der  Hirnkammern,  aber 

Himsand,  aus  der  zirbei  isoliert.  auch  in  der  grauen  und  weißen  Substanz, 

und  in  peripheren  Nerven  gefunden  werden. 

Man  nennt  sie  Corpora  amylacea;  sie  sind   rund  oder  eingeschnürt,  deutlich 

geschichtet  und  färben  sich  mit  Jod  und  Schwefelsäure  violett,  wie  Stärkekörner. 

Illing,  P.,  Vergl.  anat.  und  histol.  Untersuchungen  über  die  Epiphysis  cerebri  einiger  Säuger. 

Dissertation  Leipzig  1910. 

Der  Thalamus  ist  an  seiner  dorsalen  Oberfläche  durch  ein  kräftiges  Stratum 
zonale  markhaltiger  Nervenfasern  bekleidet  und  erinnert  hierdurch  an  die  End- 
hirnrinde, noch  mehr  an  die  Lamina  quadrigemina.  Über  seine  drei  Hauptkerne 
und  das  sie  mehr  oder  weniger  trennende  dünne  Markblatt,  Lamina  medullaris 
interna,  siehe  S.  106,  109;  ebenda  ist  auch  der  Ursprung  des  Vicq  d'Azyrschen 
Bündels  vom  vorderen  Kerne  geschildert.  Die  Nervenzellen  aller  Kerne  sind 
zahlreich  und  klein,  am  größten  (40,«)  die  des  vorderen  Kernes  und  des  Pulvinar. 
Innerhalb  dieser  Hauptkerne  sind  in  neuerer  Zeit  auf  Grund  verschiedener  Untersuchungs- 
methoden zahlreiche  (von  manchen  Autoren  30  und  mehr)  kleine  Kerne  unterschieden  worden.  Die 
genauen  Beziehungen  der  meisten  dieser  Kerne  sind  bisher  noch  nicht  festgestellt. 

Zum  Thalamus  gelangen  fast  aus  allen  Gebieten  der  Endhirnrinde  Fasern, 
welche  sich  in  seiner  Nähe  zum  Teil  in  dichteren  Bündeln  sammeln  und  alsdann 


Das  Ochirn:  Feinerer  Bau. 


195 


Stiele  des  Thalamus  genannt  werden,   während  die  Gesamtstrahlung  der  End- 
hirnrinde zum  Thalamus  mit  dem  Namen  Stabkranz  des  Thalamus  bezeichnet 
wird.    (Siehe  S.  109.)     So  bedeutet  in  Fig.  206:  das  Sehhügelende  der  aus  dem 
Stirnlappen     kommenden     Fasern     :'     den 
vorderen    Stiel    des    Thalamus,    der    aus 
dem  hinteren  Teile  des  Stirnlappens  und  dem 
Scheitellappen    kommenden    Fasern    o    den 
oberen  Stiel,  der  aus  dem  Schläfenlappen 
und  der  Insel  kommenden  Fasern  u  den  un- 
teren Stiel,  der  aus  dem  Hinterhauptlappen 
kommenden   Fasern  h  den    hinteren   Stiel 
des  Thalamus,    der  zur  sogenannten   Seh- 
strahlung gehört. 

Der  Thalamus  hat  ferner  wichtige 
Verbindungen  mit  dem  Tractus  opticus.  Sie 
sind  zweierlei  Art,  indem  ein  Teil  der  Thala- 
musfasern  des  Tractus  opticus  zum  Stratum 

zonale  zieht,  ein  anderer  aber  zu  dem  tiefen  Zellenlager  des  Pulvinar.    Über  andere 
Verbindungen  des  Thalamus  siehe  Leitungsbahnen. 

Das  Corpus  geniculatum  laterale  schließt  sich  an  das  laterale  Ende  des 
Pulvinar  an  und  hebt  sich  durch  seine  dunklere  Farbe  von  der  Umgebung  deut- 


Fig.  206. 

Teil  des  Stabkranzes  des  Thalamus. 

//Hemisphärenrinde;  Th  Thalamus;  v  vorderer  Stiel ; 

o  oberer,  h  hinterer  (der  Sehstrahlung  angehörender), 

u  unterer  Stiel  des  Thalamus. 


Fig.  207. 

Schnitt  durch  das  Corpus  geniculatum  laterale  der  Katze. 
Chromsilber-Imprägnation.    Einstrahlung  von  Optikusfasern  und  Auflösung  derselben  in  Endbäumchen.    (Pedro  Ramön.) 


licher  ab.  Seine  Substanz  ist  eigentümlich  gestreift,  indem  schmale  weiße  und 
breitere  graue  Lagen  abwechseln.  Dies  rührt  her  von  der  Einstrahlung  bestimmter 
lateraler  Faserbündel  des  Tractus  opticus.  Seine  Ganglienzellen  sind  zahlreich, 
multipolar,  meist  pigmentiert.     Fig.  207. 

Die  Opticusfasern  haben  ihren  Ursprung  teils  in  der  Retina  des  Auges, 
wo  sie  aus  Neuriten  der  dort  befindlichen  Nervenzellen  hervorgehen,  teils  außer- 
halb der  Retina,  in  den  tieferen  Zentren  des  N.  opticus.  Ein  Teil  dieser  Fasern 
endigt  unter  Bildung  starker  Endbäumchen  um  die  Nervenzellen  des  äußeren 
Kniehöckers,  ein  anderer  im  Thalamus,  wahrscheinlich  in  gleicher  Weise. 
Siehe  auch  Sinnesorgane. 

Corpus  geniculatum  mediale.     Seine  graue  Substanz  geht  dorsal  und 


196  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

ventral  in  die  graue  Substanz  des  Thalamus  über.  Seine  zahlreichen  Nervenzellen 
haben  etwa  25  ,«  größten  Durchmesser. 

In  ihm  endigen  die  Fasern  des  Lemniscus  lat.,  sowie  Fasern,  welche  aus 
dem  unteren  Vierhügel  stammen.  Die  Neuriten  seiner  Ganglienzellen  ziehen  zum 
großen  Teil  zur  oberen  Schläfenwindung. 

Das  Ganglion  habenulae  hat  folgende  Verbindungen:  a)  mit  dem  Fasciculus 
retroflexus,  der  eine  Verbindung  mit  dem  Ganglion  interpedunculare  darstellt; 
b)  mit  der  Stria  medullaris,  deren  zahlreiche  Verbindungen  (mit  dem  Hippocampus, 
der  Substantia  perf.  anterior,  dem  Tuber  cinereum,  dem  Corpus  pineale)  vielleicht 
zur  Verknüpfung  der  Zentren  des  Geruches  und  Gesichtes  dienen. 

Lotheisen,  G.,  Über  die  Striae  medulläres  thalami.    Anatomische  Hefte,  Nr.  12. 

Der  rote  Kern  des  Hypothalamus  enthält  zahlreiche  kleine  Ganglienzellen. 
Von  ihm  ziehen  Faserbündel  (Haubenstrahlung)  zum  Thalamus  und  zur  inneren 
Kapsel.  Diese  Faserzüge  stammen  aus  verschiedenen  Gebieten  (Bindearm,  Formatio 
reticularis  der  Haube,  Nuclei  pontis  und  aus  dem  Nucleus  ruber  selbst).  Aus  dem 
roten  Kern  entspringende  Fasern  bilden  den  Tractus  rubrospinalis  (Monakowsches 
Bündel).  Die  aus  dem  Kern  tretenden  Fasern  kreuzen  sich  in  der  Mittellinie  und 
ziehen  kaudalwärts  durch  Brücke,  Medulla  oblongatazum  Rückenmark  (vergl.  S.61). 

Der  Nucleus  hypothalamicus  (Fig.  129)  oder  das  Corpus  Luysi  besteht 
aus  gelbbraun  pigmentierten  Nervenzellen,  zwischen  denen  Nervenfasern  in  ver- 
schiedenen Richtungen  verlaufen.  Dorsal  und  ventral  ist  das  linsenförmige  Gebilde 
von   einer  dünnen  Markkapsel  mit  unentwirrbar  scheinender  Faserung  umgeben. 

Die  Zona  incerta,  eine  wenig  deutlich  abgegrenzte  Zone  des  Hypothalamus, 
setzt  sich  kaudal  in  die  Formatio  reticularis  der  Mittelhirnhaube  fort  und  besteht 
aus  Längsfaserbündeln,  welche  durch  graue  Substanz  mit  spärlichen  Nervenfasern 
zerklüftet  werden;  sie  geht  medial  in  das  Höhlengrau  des  III.  Ventrikels,  lateral 
in  die  Gitterschicht  des  Thalamus,  vorn  in  das  Tuber  cinereum  über. 

f)  Die  Kerne  des  Kleinhirnes. 

Die  Kleinhirnrinde  ist  bereits  oben  (S.  188)  im  Anschlüsse  an  die  End- 
hirnrinde betrachtet  worden. 

Von  den  Kernen  des  Kleinhirnes  stellt  der  Nucleus  dentatus  ein  in  der 
hinteren  Verlängerung  der  Brachia  conjunctiva  gelegenes  taschenförmiges,  mit 
Nebenfalten  versehenes  graues  Blatt  dar,  welches  eine  Dicke  von  0,3 — 0,5  mm 
besitzt,  während  die  ganze,  vorn-medial  offene  Tasche  15 — 20  mm  lang,  8 — 10  mm 
breit  und  10 — 12  mm  hoch  ist.  Der  feinere  Bau  stimmt  auffallend  mit  dem  des 
Nucleus  olivaris  inf.  überein,  dessen  äußere  Form  ebenfalls  eine  ähnliche  ist.  In 
dem  grauen  Blatte  nämlich  sind  in  mehreren  Lagen  zahlreiche,  30 — 36  ,«  große, 
gelblich  pigmentierte  multipolare  Zellen  enthalten,  während  zwischen  den  Zellen 
zahlreiche  Nervenfasern  durchziehen.  Das  Innere  des  Nucleus  dentatus  ist  mit 
markhaltigen  Nervenfasern  erfüllt,  welche  den  Markkern  des  Nucleus  dentatus 
bilden.  Die  untere  Wand  des  Nucleus  liegt  in  der  Gegend  des  Vogelnestes  und 
befindet  sich  damit  in  großer  Nähe  des  Ependym  des  IV.  Ventrikels,  von  welchem 
nur  eine  0,1  mm  dicke  Markschicht  sie  trennt.  Die  den  Nucleus  dentatus  um- 
hüllende Markkapsel  stellt  einen  Filz  starker  markhaltiger  Nervenfasern  dar  und 
wird  das  Vlies  oder  die  Capsula  nuclei  dentati  genannt. 


197 


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Bfar  Fasciciilus  cuneatus 


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lTict.;^.«OA^   ».. .  .    •..  •- i  '-■.-•.  Fasciciilus  cerebrospinalis  lat. 

(pyramidalis  lat.) 


Substantia  gelatlnosa  centralis 
yy; '• ~ ".<: ;■-<;     *- .-.---.-• -r--.~f"-. <£>  —  -  i  aualis   centralis 

Formatio  reticularis 


Colunina  ant. 

Fila  radicularia  autt.  n.  cerv.  I. 


Fissura  mediana  ant.  Decussatio  pyramidum 

Fig.  208.     Erstes  Cervikalsegment.     Querschnitt  (siehe  Orientierungsfigur  213). 
Markhaltige  Nervenfasern  schwarz,  Ganglienzellen  rot. 


Fasciciilus  gracilis 
5£«&x Fasciculus  cuneatus 


. ~" T'~~ •"''" '■-■•'r-.r Nucleus  fasciculi  gracilis 


y^i4ti-  W     /^V'CJ'"%     Tractus  spiualis  nervi  irigemini 


Nucleus  dorsalis  nervi 
accessorii 


Formatio  reticularis- 


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***-■ Nucleus  fasciculi  cuneati 

Nucleus  tractus  spinalis 
nervi  trigemini 

"Canalis  centralis 
.^.N.'^-ii^f-f— Fasciculus  cerebellospinalis 

l— -Decussatio  pyramidum 


igpf. —  Fasciculus  longitudinalis 
medialis 


Fasciculus  anterolateralis 
superf.  [Gowersi] 


Fig.  209.     Medulla  oblongata.     Querschnitt  I  (siehe  Orientierungsfigur  213). 
Ungefähr  Mitte  der  Decussatio  pyramidum;  Caudale  Enden  der  Nuclei  fasciculi  gracilis  und  cuneatus. 

Markhaltige  Nervenfasern  schwarz;  Ganglienzellen  rot. 


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Das  Gehirn:  Feinerer  Bau.  199 

Der  feinere  Bau  des  Pfropf  kern  es  stimmt  mit  dem  des  Nucleus  dentatus 
überein,  während  der  Kugelkern  mehr  dem  Bau  des  Dachkernes  ähnlich  ist. 
Der  letztere  besitzt  pigmentierte  multipolare  Nervenzellen,  welche  bis  60 ,«  Durch- 
messer haben.  Der  Pfropf  verhält  sich  zum  Nucleus  dentatus  ähnlich,  wie  die 
Nebenoliven  zum  Olivenkern. 

Über  die  Faserbahnen  der  Kleinhirnschenkel  siehe  das  folgende  Kapitel. 

g)  Mittelhirn,  Brücke  und  verlängertes  Mark. 

Vorbemerkungen:  Die  verwickelte  Mikrotopographie  dieser  Hirnteile  wird,  ebenso  wie 
beim  Rückenmark,  mit  Nutzen  klargelegt  durch  Betrachtung  und  Erklärung  einer  Reihe  von  Quer- 
schnittsbildern, deren  Einzelheiten  zunächst  erlernt  werden  müssen  in  der  Art,  wie  die  Topographie 
der  Erdoberfläche  mit  Hilfe  von  Karten  erlernt  wird.  Erst  die  völlige  Kenntnis  der  verschiedenen 
Querschnittsbilder  erlaubt  die  körperliche  Vorstellung  des  gesamten  Aufbaues.  Zur  weiteren  Unter- 
stützung der  Anschauung  dienen  Modelle  und  Projektionszeichnungen,  sowie  Schnitte,  welche  in 
anderer  Richtung,  geführt  worden  sind. 

Wir  werden  hier  nur  eine  systematische  Folge  von  Querschnittsbildern  betrachten,  und 
später  (im  Kapitel  Leitungsbahnen)  an  Projektionszeichnungen  den  Gesamtverlauf  einzelner  Bahnen 
übersehen.    Über  die  Lage  der  Querschnitte  belehrt  die  Orientierungsfigur  213. 

Aus  didaktischen  Gründen  empfiehlt  es  sich,  vom  Rückenmark  auszugehen 
und  von  hier  rostralwärts  vorzuschreiten,  denn  so  knüpfen  wir  an  bekannte  Ver- 
hältnisse an,  und  können  die  Änderungen  im  Aufbau  leichter  erklären  und  behalten. 

1.  I.  Cervikalsegment. 
Wir  beginnen  mit  einem  Schnitt  durch  das  erste  Cervikalsegment  (Fig.  208). 
Das  Rückenmark  ist  hier  annähernd  rund.  Die  graue  Substanz  ist  entsprechend 
der  geringen  Stärke  des  ersten  Cervikalnerven  schwach  entwickelt,  die  Vorder- 
säulen sind  schmal,  der  Hals  der  Hintersäule  ist  außerordentlich  dünn,  die  Sub- 
stantia  gelatinosa  post.  (Rolandi)  dagegen  sehr  stark.  Die  ganze  Hintersäule  ist 
etwas  ventralwärts  umgebogen.  Die  Formatio  reticularis  ist  mächtiger  als  in  den 
folgenden  Cervikalsegmenten.  Rechts  ziehen  Faserbündel  durch  die  Basis  der 
Vordersäule  zum  Vorderstrang  der  anderen  Seite.  Dies  sind  Fasern  der  Pyramiden- 
Seitenstrang-Bahn;  wir  haben  also  das  kaudale  Ende  der  Decussatio  pyramidum 
vor  uns. 

2.  Medulla  oblongata,  Querschnitt  I. 

Der  Schnitt  durch  die  Pyramidenkreuzung  (Fig.  209)  zeigt  ventral  vom 
Zentralkanal  die  dichte  Masse  der  einander  durchkreuzenden  Bündel  der  Pyramiden- 
Seitenstrang-Bahn.  Die  schon  gekreuzten  Bündel  bilden  zu  beiden  Seiten  der 
Fissura  mediana  ant.  dichte  Fasermassen,  welche  das  kaudale  Ende  der  Pyramiden 
der  Medulla  oblongata  sind.  Ihre  einzelnen  Bündel,  Fasciculi  pyramidales, 
sind  quer,  schief  und  längs  getroffen.  Die  mediale  Grenze  der  Vordersäule  ist 
noch  vorhanden,  lateralwärts  geht  die  Vordersäule  auf  in  der  Formatio  reticularis. 
Diejenigen  quer  durchschnittenen  Fasern,  welche  zwischen  der  Pyramidenkreuzung 
und  der  Vordersäule  sich  befinden,  sind  der  Fasciculus  longitudinalis 
medialis. 

Im  Innern  des  Gollschen  Stranges  tritt  ein  Kern  auf,  der  Nucleus  fasci- 
culi gracilis.  Der  Kern  des  Burdachschen  Stranges,  Nucleus  fasciculi 
euneati,  beginnt  dagegen  im  Zusammenhang  mit  der  zentralen  grauen  Substanz. 
Die  Substantia  gelatinosa  posterior  ist  noch  mächtiger  geworden;  nach  außen  von 

Räubee-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  1 1 


200  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

ihr  liegt  der  Tractus  spinalis  nervi  trigemini  an  derselben  Stelle,  welche  im 
Rückenmark  die  Zona  terminalis  inne  hat.  Die  Kollateralen  dieser  Fasern  ziehen 
in  die  Rolandosche  Substanz  (Fig.  232),  welche  nunmehr  als  Nucleus  tractus 
spinalis  nervi  trigemini  bezeichnet  wird.  Zu  beiden  Seiten  des  Zentralkanals 
liegt  eine  Zellengruppe,  der  Nucleus  dorsalis  nervi  accessorii. 

3.  Medulla  oblongata,  Querschnitt  II. 

Der  nächste  Schnitt  (Fig.  210)  liegt  dicht  oberhalb  der  Pyramidenkreuzung. 
Der  Nucleus  fasciculi  gracilis  und  der  Nucleus  fasciculi  cuneati,  sowie 
der  Nucleus  tractus  spinalis  nervi  V  sind  größer  geworden;  auch  der  Tractus 
spinalis  nervi  trigemini  ist  mächtiger.  In  der  grauen  Substanz  um  den  Zentral- 
kanal tritt  der  Nucleus  alae  cinereae  (Nucl.  sensibilis  nervi  vagi)  auf;  dorsal 
von  ihm  befindet  sich  der  Nucleus  dorsalis  nervi  accessorii.  Die  Vorder- 
säule ist  nach  medianwärts,  gegen  den  Fasciculus  longitudinalis  medialis 
noch  scharf  abgegrenzt,  nach  der  Seite  geht  sie  ohne  Grenze  über  in  die 
Formatio  reticularis.  Der  ventrale  Teil  des  Schnittes  wird  gebildet  von  den 
mächtigen  Pyramiden,  deren  einzelne  Bündel,  Fasciculi  pyramidales,  noch 
nach  verschiedenen  Richtungen  durcheinanderlaufeh,  so  daß  man  längs-,  schräg- 
und  quergeschnittene  Bündel  findet.  Über  die  Faserzüge  des  Seitenstranges  ist 
nichts  Besonderes  zu  sagen. 

Als  neu  auftretende  Erscheinung  sind  die  Fibrae  arcuatae  internae  und 
die  Fibrae  arcuatae  externae  anteriores  zu  nennen.  Erstere  ziehen  zu 
Bündeln  vereinigt  bogenförmig  um  die  zentrale  graue  Substanz  herum  und  kreuzen 
sich  ventral  vom  Zentralkanal  mit  den  Fasern  der  Gegenseite.  Nach  der  Kreuzung 
biegt  ein  Teil  der  Fasern  in  aufsteigende  Richtung  um  und  verläuft  neben  der 
Mittellinie  liegend  in  rostraler  Richtung.  Diese  Fasern  bilden  die  mediale 
Schleife,  Lemniscus  medialis  (sensitivus);  deshalb  heißt  die  Kreuzung  der 
Fibrae  arcuatae  intt.  Schleifenkreuzung,  Decussatio  lemniscorum.  Ein 
anderer  Teil  der  Fasern,  welche  in  der  Schleifenkreuzung  auf  die  Gegenseite 
gelangt  sind,  begibt  sich  nicht  in  die  Schleife,  sondern  verläuft  in  der  Raphe 
ventralwärts,  liegt  auf  der  medialen  Oberfläche  der  Pyramide,  biegt  um  die  mediale 
untere  Kante  der  Pyramide  um,  bedeckt  die  äußere  (ventrale)  Oberfläche  der 
Pyramide  und  strebt  dorsalwärts  weiter.  Diese  Fasern  heißen  Fibrae  arcuatae 
externae  anteriores. 

Über  das  Wesen  der  Fibrae  arcuatae  sei  folgendes  bemerkt.  Die  Fasern  der  Fasciculi  gracilis 
et  cuneatus,  welche  Neuriten  sensibler  Neuronen  I.  Ordnung  sind,  finden  sämtlich  in  den  Nuclei 
fasciculi  gracilis  et  cuneati  ihr  Ende.  Dort  beginnt  das  II.  sensible  Neuron,  die  sekundäre 
sensible  Bahn,  mit  den  Ganglienzellen  der  genannten  Kerne.  Die  Neuriten  dieser  Ganglien- 
zellen ziehen  als  Fibrae  arcuatae  internae  zur  Decussatio  lemniscorum,  bilden  den  rostralwärts 
ziehenden  Lemniscus  medialis  und  die  um  die  äußere  Oberfläche  der  Medulla  herumlaufenden 
Fibrae  arcuatae  ext.  antt.     Letztere  sind  also  vorher  Fibrae  arcuatae  intt.  gewesen.     Fig.  253,  254. 

4.  Medulla  oblongata,  Querschnitt  III. 

Im  Schnitt  (Fig.  211)  füllt  der  Nucleus  fasciculi  gracilis  beinahe  den 
ganzen  Raum  des  Gollschen  Stranges  aus.  Der  Nucleus  fasciculi  cuneati 
ist  auch  bedeutend  größer  geworden,  doch  liegt  nach  außen  von  ihm  noch  eine 
beträchtliche  Menge  von  Fasern  des  Burdachschen  Stranges.  Auch  der  Nucleus 
tractus  spinalis  nervi  V  ist  größer  und  ebenso  der  nach  außen  von  ihm  be- 


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Das  Gehirn:   Feinerer  Bau. 


203 


Endliche  Tractus  spinalis  nervi  V.  Die  Vordersäule  des  Rückenmarkes  ist 
völlig  aufgegangen  in  der  Formatio  reticularis.  Die  Pyramiden  sind  gegen  die 
angrenzenden  Teile  gut  abgegrenzt. 

In  der  grauen  Substanz  um  den  Zentralkanal  finden  wir  den  Nucleus  alae 
cinereae  und  den  Nucleus  dorsalis  n.  XI  an  bekannter  Stelle  (vergl.  Fig.  210). 
Neu  aufgetreten  ist  der  Nucleus  nervi  hypoglossi.  Er  liegt  ventral  vom  Zen- 
tralkanal jederseits  dicht  neben  der  Mittellinie,  dicht  oberhalb  des  Fasciculus 
longitudinalis  medialis,  ist  ausgezeichnet  durch  große  Zellen  und  zahlreiche  mark- 


Fig.  230 

Fig.  229 

Fig.  227 

Fig.  226 

Fig.  225 


Fig.  224 
Fig.  223 
Fig.  219 
Fig.  218 
Fig.  217 
Fig.  216 
Fig.  215 

Fig.  214 

r/f-rigsr Fig.  212 

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/--»»• Fig.  210 

l-WL Fig.  209 

Fig.  208 


Fig.  213. 

Orientierungsfigur  über  die  Lage  der  Querschnittsbilder  von  Mittelhirn,  Brücke  und  verlängertem  Mark. 


haltige  Nervenfäserchen,  welche  in  verschiedenster  Richtung  den  Kern  durchsetzen. 
Die  Neuriten  seiner  Zellen  ziehen  schräg  ventral-  und  lateralwärts  an  der  seitlichen 
Grenze  des  Fasciculus  longitudinalis  medialis  herab. 

Neu  ist  auch  ein  Faserbündel,  welches  etwas  dorsal  vom  Zentralkanal  an 
der  Grenze  der  zentralen  grauen  Substanz,  seitlich  vom  Nucleus  alae  cinerae  liegt. 
Es  ist  der  Tractus  solitarius  (Radix  descendens  IX,  X). 

Die  Zahl  der  Fibrae  arcuatae  intt.  ist  bedeutend  größer  als  im  vorher 
betrachteten  Schnitt;  die  von  ihnen  beschriebenen  Bögen  durchsetzen  in  weiter 
Ausdehnung  das  Gebiet  der  Formatio  reticularis,  welche  nunmehr  auch  als  Sub- 
stantia  reticularis  grisea  bezeichnet  wird. 

Die  Decussatio  lemniscorum  ist  breit,  der  Lemniscus  medialis  ist  stärker 
geworden.  Die  Fibrae  arcuatae  extt.  antt.  können  auf  der  Oberfläche  der 
Medulla  oblongata  verfolgt  werden  bis  zu  einer  Stelle,  welche  dorsal  liegt  vom 

11* 


204  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Nucleus  tractus  spinalis  nervi  V.  Sie  liegen  peripher  vom  Tractus  spinalis  nervi  V 
und  drängen  ihn  von  der  Oberfläche  ab.  Zu  ihnen  gesellen  sich  die  Fasern  des 
Fasciculus  cerebello-spinalis,  der  Kleinhirn-Seitenstrang-Bahn,  welche  an 
der  Peripherie  des  Seitenstranges  liegt,  und  zwar  im  Rückenmark  ventral  von  der 
Zona  terminalis  (Fig.  86),  im  Bereich  der  Medulla  oblongata  ventral  von  dem 
Tractus  spinalis  nervi  trigemini.  Die  Fasern  dieser  Bahn  biegen  in  der  Höhe 
dieses  Schnittes  dorsalwärts  um,  gesellen  sich  zu  den  Fibrae  arcuatae  extt.  antt. 
und  ziehen  mit  diesen  zusammen  nach  außen  vom  Tractus  spinalis  nervi  trigemini 
zu  einer  Stelle  dorsal  von  letzterem.  Hier  angelangt  biegen  sie  beide  in  auf- 
steigende Richtung  um  und  bilden  so  das  kaudale  Ende  des  Corpus  resti- 
forme.  Zu  diesem  kommen  als  Fibrae  arcuatae  extt.  posteriores  Neuriten 
von  Ganglienzellen  der  Nuclei  fasciculi  gracilis  et  cuneati  derselben  Seite. 

Die  Fasern  des  Fasciculus  longitudinalis  medialis  ziehen  schräg  dorsalwärts 
und  liegen  dicht  unterhalb  der  grauen  Substanz  links  und  rechts  von  der  Median- 
linie.   An  dieser  Stelle  werden  wir  sie  bis  zum  Mittelhirn  finden. 

In  dem  Seitenstrang  treten  hier  und  da  größere  und  kleinere  Gruppen  von 
Ganglienzellen  auf,  welche  als  Nuclei  laterales  bezeichnet  werden.  Dorsalwärts 
von  der  Pyramide  befindet  sich  eine  winklig  gebogene  Platte  von  grauer  Substanz, 
der  Nucleus  olivaris  accessorius  medialis.  Er  grenzt  an  den  Lemniscus 
medialis  und  liegt  dicht  an  der  dorsalen  Grenze  der  Pyramide. 

Neu  sind  auch  graue  Massen  zwischen  Pyramide  und  Fibrae  arcuatae  extt. 
antt.  Sie  werden  als  Nuclei  arcuati  bezeichnet.  Wir  werden  sie  im  Verlauf 
der  ganzen  Medulla  oblongata  antreffen. 

5.  Medulla  oblongata,  Querschnitt  IV.  i 

Der  folgende  Schnitt  (Fig.  212)  liegt  dicht  unterhalb  der  Spitze  des  Calamus 
scriptorius  und  geht  durch  das  kaudale  Ende  der  Olive. 

Der  Zentralkanal  ist  zu  einer  langen  schmalen  Spalte  geworden.  Der 
Nucleus  fasciculi  gracilis  und  der  Nucleus  fasciculi  cuneati  erreichen 
an  dieser  Stelle  ihr  Maximum.  Der  Nucleus  tractus  spinalis  nervi  V  und 
der  Tractus  spinalis  nervi  V  sind  noch  größer  geworden.  Die  Abgrenzung 
des  letzteren  gegen  die  Umgebung  ist  nunmehr  sehr  leicht,  denn  seine  Nerven- 
fasern sind  sämtlich  genau  quer  geschnitten  und  liegen  in  gleichmäßiger  Weise 
verteilt  nebeneinander.  Nach  außen  und  dorsal  von  ihm  befindet  sich  das  untere 
Stück  des  Corpus  restiforme  zusammengesetzt  aus  den  Fibrae  arcuatae  extt. 
antt.  et  postt.,  sowie  aus  dem  Tractus  cerebellospinalis.  Seine  Fasern  sind  schräg 
getroffen,  woraus  folgt,  daß  sie  noch  weiter  dorsalwärts  ziehen. 

Die  zentrale  graue  Substanz  zeigt  ventral  den  Hypoglossuskern,  weiter 
dorsal  den  Nucleus  alae  cinereae  und  den  Tractus  solitarius.  An  letzterem 
tritt  ein  kleiner  Kern  auf,  Nucleus  tractus  solitarii. 

Die  Zahl  der  Fibrae  arcuatae  intt.  ist  noch  größer  wie  vorher.  Sie  durch- 
schreiten die  Substantia  reticularis  grisea,  die  Substantia  reticularis  alba, 
kreuzen  sich  in  der  Mittellinie,  der  Raphe,  biegen  zum  Teil,  wie  auf  den 
früheren  Schnitten,  in  den  Lemniscus  medialis  um  oder  werden  zu  Fibrae  arcuatae 
extt.  antt.  Die  Wurzelfasern  des  Hypoglossus  ziehen  an  der  Grenze  der  Substantia 
reticularis  grisea  und  alba  schräg  lateralwärts  und  ventralwärts. 

Als   Substantia    reticularis    alba    wird  derjenige  Teil  des  Schnittes  be- 


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Das  Gehirn:   Feinerer  Bau.  207 

zeichnet,  welcher  zwischen  den  Wurzelfasern  des  Hypoglossus  und  der  Raphe 
sich  befindet.  Sie  besteht  aus  den  längs  geschnittenen  (quer  verlaufenden)  Fibrae 
arcuatae  intt.  und  den  quer  durchschnittenen  Bündeln  des  Fasciculus  longitudi- 
nalis  medialis  und  des  Lemniscus  medialis,  sowie  einer  Menge  von  Ganglienzellen, 
welche  namentlich  längs  der  Raphe  sich  befinden.  Der  dorsale  Teil  ihrer  quer 
geschnittenen  Fasern  ist  der  Fasciculus  longitudinalis  medialis,  der  ventrale 
(größere)  Teil  der  quer  durchschnittenen  Fasern  ist  die  mediale  Schleife. 

Die  Substantia  reticularis  grisea  besteht  ebenfalls  aus  zahlreichen  längs 
geschnittenen  und  zahlreichen  quer  geschnittenen  Bündeln,  doch  überwiegt  die 
zwischen  diesen  befindliche  graue  Substanz,  während  in  der  Substantia  reticularis 
alba  die  Nervenfaserbündel  überwiegen. 

Neu  tritt  in  der  Substantia  reticularis  grisea  ungefähr  in  der  Mitte 
zwischen  dem  Nucleus  tractus  spinalis  nervi  V  und  den  Wurzelfasern  des  Hypo- 
glossus eine  kleine  Gruppe  von  Nervenzellen  auf,  Nucleus  ambiguus,  der 
motorische  Vaguskern.  Die  Neuriten  dieser  Zellen  ziehen  schräg  dorsalwärts  und 
medianwärts  zum  Tractus  solitarius  und  von  dort  in  die  Wurzelfasern  des  Vagus, 
welche  auf  der  Figur  nicht  vorhanden  sind. 

Neu  ist  ferner  der  Nucleus  olivaris  inferior,  eine  reich  gefaltete  Platte 
grauer  Substanz,  welche  zahlreiche  mittelgroße  Ganglienzellen  enthält.  Median- 
wärts und  ventralwärts  von  ihm  liegt  der  uns  schon  bekannte  Nucleus  olivaris 
accessorius  medialis,  dorsalwärts  tritt  nunmehr  auch  der  Nucleus  olivaris 
accessorius  dorsalis  auf. 

Am  lateralen  Umfang  des  Nucleus  olivaris  inf.  enden  Fasern,  welche  vom 
Thalamus   zur   Olive   herunterziehen,    Tractus   thalamoolivaris  (Bechterew). 

Über  Pyramide,  Nuclei  arcuati  und  die  Bahnen  des  Seitenstranges  ist  nichts 
Besonderes  zu  sagen. 

6.  Medulla  oblongata,  Querschnitt  V. 

Der  folgende  Schnitt  (Fig.  214)  geht  durch  das  untere  (kaudale)  Drittel  der 
Olive  und  durch  das  untere  Ende  der  Rautengrube.  Er  bietet  im  wesentlichen 
ähnliche  Verhältnisse  wie  der  vorhergehende  Schnitt,  wenn  auch  alle  einzelnen 
Teile,  Kerne  wie  Faserzüge,  kräftiger  geworden  sind.  Nur  der  Nucleus  fasciculi 
gracilis  ist  kleiner  geworden.  Ein  erheblicher  Unterschied  besteht  aber  darin, 
daß  der  Zentralkanal  sich  zum  IV.  Ventrikel  erweitert  hat.  Dadurch  erfahren 
Nucleus  n.  hypoglossi  und  Nucleus  alae  cinereae  eine  Verlagerung  derart,  daß  der 
letztere  weiter  seitwärts  rückt.  Dies  wird  in  den  folgenden  Schnitten  noch  mehr 
hervortreten. 

7.  Medulla  oblongata,  Querschnitt  VI. 

Der  Schnitt  (Fig.  215)  geht  ungefähr  durch  die  Mitte  der  Olive.  Die  graue 
Substanz  enthält  dicht  neben  dem  (durch  einen  Pfeil  bezeichneten)  Sulcus  medianus 
fossae  rhomboideae  den  großen  Hypoglossuskern,  dessen  Wurzelfasern  in  mehreren 
(2 — 3)  Bündeln  an  der  Grenze  von  Substantia  reticularis  alba  und  grisea  schräg 
lateralwärts  und  ventralwärts  ziehen  und  im  Sulcus  lateralis  ant.  zwischen  Olive 
und  Pyramide  heraustreten. 

Dorsalwärts  vom  Hypoglossuskern  befindet  sich  der  kleinzellige  Nucleus 
eminentiae  medialis  (früher  Nucl.  funiculi  teretis),  lateralwärts  der  Nucleus 
intercalatus. 


208  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

Die  graue  Substanz  im  Bereich  der  Ala  cinerea  enthält  den  Nucleus  alae 
cinereae.  Lateralwärts  und  dorsalwärts  von  diesem  tritt  schon  der  Nucleus  n. 
vestibularis  medialis  (Schwalbe)  des  N.  acusticus  auf. 

Vom  Nucleus  fasciculi  gracilis  ist  nichts  mehr  zu  sehen;  der  Nucleus 
fasciculi  cuneati  ist  noch  vorhanden.  Der  Nucleus  tractus  spinalis  nervi 
trigemini  ist  kleiner  als  vorher,  dagegen  ist  der  Tractus  spinalis  nervi  trigemini 
noch  stärker  geworden.  Er  wird  durchsetzt  von  den  Wurzelfasern  des  N.  vagus 
und  von  Fasern,  welche  aus  den  Olivenkernen  kommen,  und  wird  dadurch  in 
einzelne  Bündel  zerlegt,  deren  Zusammengehörigkeit  aus  dem  gleichartigen  Aus- 
sehen erschlossen  werden  kann. 

Bedeutend  kräftiger  ist  das  Corpus  restiforme,  welches  einen  starken  seit- 
lichen Vorsprung  am  Schnittbild  bedingt.  Der  Tractus  solitarius  und  sein 
Kern  sind  stärker  als  auf  den  vorhergehenden  Schnitten.  Lateralwärts  und  dorsal- 
wärts von  ihm  treten  zahlreiche  größere  und  kleinere,  genau  quergeschnittene 
Bündel  von  Nervenfasern  auf,  welche  insgesamt  die  Radix  descendens  n.  vesti- 
bularis darstellen. 

Der  Nucleus  ambiguus  ist  rechts  etwas  deutlicher,  links  ist  er  kaum  zu 
erkennen.  Über  die  Nuclei  laterales  und  die  Bahnen  des  Seitenstranges  ist  nichts 
Besonderes  zu  sagen.  Der  Nucleus  olivaris  accessorius  dorsalis  ist  größer 
und  schärfer  abgegrenzt.  Der  Nucleus  olivaris  accessorius  medialis  liegt 
mehr  im  Bereich  des  Lemniscus.  Der  Nucleus  olivaris  inf.  zeigt  sich  als  stark 
gefaltete,  medianwärts  offene  Platte.  Die  Öffnung  wird  als  Hilus  nuclei  oli- 
varis bezeichnet.  Die  starken,  längs  getroffenen  Bündel,  welche  in  ihn  hinein- 
bezw.  heraustreten,  bilden  den  Pedunculus  nuclei  olivaris.  Er  besteht  zum 
großen  Teil  aus  Neuriten  der  Zellen  des  Nucleus  olivaris  inf.,  welche  auf  die 
Gegenseite  ziehen,  nach  Durchschreitung  des  Seitenstranges  den  Tractus  spinalis 
nervi  trigemini  mit  mehreren  dicken  Bündeln  durchsetzen,  sowie  an  ihm  vorbei 
mit  anderen  Bündeln  zum  Corpus  restiforme  ziehen,  woselbst  sie  in  aufsteigende 
Richtung  umbiegen.     Die  Fasern  heißen  Fibrae  cerebelloolivares. 

An  der  Pyramide,  den  Fibrae  arcuatae  ext.  antt.  und  den  Nuclei  arcuati  sind 
keine  wesentlichen  Veränderungen  aufgetreten. 

8.  Medulla  oblongata,   Querschnitt  VII. 

Der  Schnitt  (Fig.  216)  durch  das  rostrale  Drittel  der  Olive  zeigt  die  Kerne  der 
grauen  Substanz  der  Rautengrube  im  wesentlichen  in  derselben  Anordnung  wie 
der  vorhergehende  Schnitt,  doch  ist  nunmehr  auch  der  Nucleus  fasciculi  cuneati 
nicht  mehr  vorhanden. 

Links  und  rechts  vom  Sulcus  medianus  liegt  der  Hypoglossuskern,  über 
ihm  der  Nucleus  eminentiae  medialis,  weiter  seitlich  der  Nucleus  inter- 
calatus,  Nucleus  alae  cinereae  und  der  Nucleus  n.  vestibularis  medialis 
(Schwalbe). 

Das  Corpus  restiforme  hat  beträchtlich  an  Masse  zugenommen,  was  sich  durch 
die  große  Zahl  der  Fibrae  cerebelloolivares  erklärt. 

Die  äußere  Oberfläche  des  Corpus  restiforme  ist  von  grauer  Substanz  und 
von  längsgeschnittenen  Nervenfasern  bedeckt.  Beide  gehören  dem  Nervus  acu- 
sticus an. 

Der  Tractus  solitarius  und   sein   Kern  sind  stärker  geworden;  die  Zahl 


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Das  Gehirn:   Feinerer  Bau.  211 

und  die  Dicke  der  Bündel  der  Radix  descendens  n.  vestibularis  sind  ver- 
mehrt, zwischen  ihnen  liegen  zahlreiche  große  Ganglienzellen. 

Der  Nucleus  tractus  spinalis  nervi  trigemini  ist  kleiner  geworden, 
die  Fasermasse  des  Tractus  spinalis  nervi  trigemini  aber  hat  noch  mehr 
zugenommen  und  wird  in  mehrere  Bündel  zerspalten  durch  die  Fibrae  cerebello- 
olivares  und  die  Wurzelfasern  des  Vagus. 

Die  Fasermassen  des  Lemniscus  medialis  erfahren  eine  fortdauernde  Zu- 
nahme. Man  bezeichnet  die  zwischen  den  Oliven  befindlichen  Teile  der  Substantia 
reticularis  alba  als  Stratum  interolivare  lemnisci. 

Der  Nucleus  olivaris  inferior  erreicht  hier  seine  stärkste  Ausbildung. 
Der  Nucleus  olivaris  accessorius  medialis  ist  nur  noch  schwach  ausgebil- 
det, der  Nucleus  olivaris  accessorius  dorsalis  dagegen  ist  nicht  schwächer 
geworden. 

Die  Pyramide  springt  stark  ventral  hervor,  die  sie  umgebenden  Nuclei 
arcuati  sind  viel  stärker  als  vorher  und  liegen  wesentlich  auf  der  medialen  Ober- 
fläche der  Pyramide.     Fibrae  arcuatae  extt.  antt.  sind  reichlich  vorhanden. 

Über  Nucleus  ambiguus,  Nuclei  laterales  und  die  Bahnen  des  Seitenstranges 
ist  nichts  Neues  zu  sagen. 

9.  Medulla  oblongata,  Querschnitt  VIII. 

Der  Schnitt  durch  das  rostrale  Ende  der  Medulla  oblongata  trifft  die  oberen 
Teile  des  Recessus  lateralis  ventriculi  quarti.  In  der  Fig.  217  ist  der  Recessus 
lat.  ventriculi  IV  links  noch  vorhanden;  rechts  ist  die  obere  Wand  desselben  tan- 
gential angeschnitten.  Man  erkennt,  daß  die  laterale  Wand  des  Recessus  vom 
Stiel  des  Flocculus,  die  mediale  vom  Corpus  restiforme  und  den  auf  ihm  befind- 
lichen Akustikuskernen  gebildet  wird.  Auch  die  obere  Wand  wird  von  den  Akustikus- 
kernen  gebildet. 

In  dieser  Ebene  ist  kein  Hypoglossuskern  mehr  vorhanden.  Die  an  seiner 
Stelle  befindlichen  Kernmassen  werden  als  Nucleus  praepositus  nervi 
hypoglossi  bezeichnet.  Der  Nucleus  eminentiae  medialis  aber  ist  noch 
vorhanden. 

Das  ganze  übrige  Gebiet  der  grauen  Substanz  der  Rautengrube  ist  Nucleus 
n.  vestibularis  medialis  (Schwalbe).  Der  Nucleus  n.  cochlearis  ventralis 
liegt  ventral  vom  Corpus  restiforme  und  reicht  bis  zur  Eintrittsstelle  des  Nervus 
glossopharyngeus.  Beide  Kerne  hängen  miteinander  zusammen  durch  den  Nucleus 
n.  cochlearis  dorsalis,  welcher  die  äußere  Oberfläche  des  Corpus  restiforme 
und  die  obere  Wand  des  Recessus  lat.  ventriculi  quarti  bekleidet. 

Der  Tractus  solitarius  hört  in  dieser  Gegend  auf.  Er  besteht  aus  ab- 
steigenden Fasern  des  Glossopharyngeus  und  des  Vagus  und  kann  deshalb  nicht 
weiter  rostralwärts  vorhanden  sein,  als  Wurzelfasern  dieser  Nerven  eintreten,  und 
in  dieser  Gegend  treten  die  rostralen  Bündel  des  N.  glossopharyngeus  ein.  Da- 
gegen ist  die   Radix   descendens  n.  vestibularis  noch  mächtiger  geworden. 

Die  beiden  Nebenoliven  sind  nicht  mehr  vorhanden,  der  Nucleus  olivaris 
in  f.  aber  ist  noch  kräftig,  deshalb  ziehen  auch  noch  zahlreiche  Fibrae  cerebelloolivares 
durch  den  Tractus  spinalis  nervi  trigemini  und  dorsalwärts  von  ihm  zum 
Corpus  restiforme. 

Über  die  anderen  Kerne  und  Bahnen  ist  nichts  Besonderes  zu  sagen. 


212  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

10.  Pons.     Querschnitt  I. 

Der  Schnitt  (Fig.  218),  welcher  die  ventrale  Fläche  der  Medulla  oblongata 
dicht  unterhalb  der  Brücke  durchschneidet,  trifft  seitlich  schon  die  Brachia  pontis 
und  die  Umbiegungsstelle  des  Corpus  restiforme  in  das  Kleinhirn. 

Man  sieht  die  Fasern  des  Corpus  restiforme  umbiegen  und  dann  längs  ge- 
schnitten schräg  dorsalwärts  und  seitwärts  verlaufen. 

Ventral  vom  Corpus  restiforme  sind  die  Fasern  des  N.  acusticus  und  der 
Nucleus  n.  cochlearis  ventralis  dieses  Nerven  getroffen.  Besonders  gut  kann 
man  den  Ramus  vestibularis  verfolgen,  dessen  Fasern  zwischen  Corpus  restiforme 
und  Tractus  spinalis  nervi  trigemini  dorsalwärts  zu  den  dort  gelegenen  Kernen 
ziehen.  Es  liegen  hier  der  großzellige  Deiterssche  Kern,  Nucleus  n.  vestibularis 
lat.  (Deiters),  ferner  mehr  medianwärts  der  Nucleus  n.  vestibularis  medialis 
(Schwalbe)  und  dorsalwärts  von  ihm  der. Bechterewsche  Kern,  Nucleus  n. 
vestibularis  sup.  (Bechterew). 

Die  graue  Substanz  am  Boden  des  vierten  Ventrikels  ist  sehr  dünn  geworden. 
Sie  enthält  außer  den  schon  genannten  Kernen  nur  noch  den  Nucleus  emi- 
nentiae  medialis.  Medianwärts  von  dem  Tractus  spinalis  nervi  V  tritt  ein 
kräftiger  großzelliger  Kern  auf,  der  Nucleus  nervi  facialis.  Die  Neuriten 
seiner  Ganglienzellen  ziehen  schräg  medianwärts  und  dorsalwärts  in  der  Richtung 
zum  Sulcus  medianus  fossae  rhomboideae.  Dieser  Abschnitt  der  Facialiswurzel 
heißt  Pars  prima  radicis  nervi  facialis. 

Wir  wollen  hier  gleich  den  weiteren  Verlauf  der  Fasern  anschließen  und 
dazu  die  beiden  Figuren  219,  223  mit  heranziehen,  und  durch  die  schematische 
Figur  220  die  Vorstellung  unterstützen:  In  der  Nähe  des  Sulcus  medianus  fossae 
rhomboideae  angelangt,  biegen  die  Fasern  des  Facialis  in  rostrale  Richtung  um  und 
bilden  ein  Bündel  von  ovalem  Querschnitt  jederseits  in  einiger  Entfernung  von 
dem  genannten  Sulcus  (siehe  Fig.  219).  Nach  Zurücklegung  einer  kurzen  Strecke 
biegt  das  Bündel  unter  Bildung  eines  scharfen  Winkels,  inneres  Knie  des 
Facialis,  Genu  (internum)  nervi  VII,  um,  und  verläuft  im  Bogen  zunächst 
seitwärts,  dann  ventralwärts  und  seitwärts  (Fig.  220,  223),  dann  ventralwärts  und  kau- 
dalwärts,  so  daß  die  Wurzelfasern  am  kaudalen  Rande  der  Brücke  heraustreten. 

Wir  kehren  jetzt  zur  Betrachtung  der  Fig.  218  zurück: 

Umschlossen  vom  Knie  des  Nervus  facialis  befindet  sich  der  Nucleus  nervi 
abducentis. 

Die  Substantia  reticularis  alba  enthält  in  der  Mitte  mehr  graue  Substanz 
und  zahlreiche  Ganglienzellen.  Letztere  bilden  den  Nucleus  reticularis  teg- 
menti.  Dadurch  werden  Fasciculus  longitudinalis  medialis  und  Lem- 
niscus  medialis  voneinander  getrennt. 

Der  Nucleus  olivaris  in  f.  erreicht  in  dieser  Gegend  sein  rostrales  Ende. 
Die  Pyramiden  springen  stark  ventralwärts  vor,  sind  von  Fibrae  arcuatae  extt.  und 
Nuclei  arcuati  umgeben. 

11.  Pons.     Querschnitt  II. 

Der  nächste  Schnitt  (Fig.  219)  geht  durch  den  kaudalen  Teil  der  Brücke.  Die 
seitlichen  Teile  des  Schnittes  sind  dichte  Fasermassen,  die  Brachia  pontis.  Diese 
ziehen  ventralwärts  und  medianwärts.  Sie  teilen  sich  im  Gebiet  der  Brücke  in  einzelne 
Bündel.     Diese  ziehen  teils  als  Fibrae  pontis  superficiales  ventral  über  die 


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Das  Gehirn:   Feinerer  Bau.  215 

Pyramiden,  welche  im  Gebiet  der  Brücke,  Fasciculi  longitudinales  (pyrami- 
dales) heißen,  verdecken  diese  und  schieben  sich  auch  als  Fibrae  pontis  pro- 
fundae  zwischen  die  Pyramide  und  die  dorsalwärts  von  ihr  befindlichen  Teile  ein. 
Diese  queren  Brücken faserbündel  kreuzen  sich  in  der  Mittellinie.  Zwischen 
ihnen  liegen  große  Massen  grauer  Substanz,  welche  Nuclei  pontis  genannt 
werden.  Die  Fasciculi  longitudinales,  die  Nuclei  pontis  und  die  Fibrae  pontis 
zusammen  bilden  die  Pars  basilaris  pontis;  die  Pars  dorsalis  pontis  ist  die 
Fortsetzung  der  Medulla  oblongata  abzüglich  der  Pyramiden. 

Bei  der  genaueren  Betrachtung  der  Pars  dorsalis  pontis  gehen  wir  auch  wieder 
vorteilhaft  von  der  Rautengrube,  und  zwar  vom  Sulcus  medianus  fossae  rhomboi- 
deae  aus. 

Von  Kernen  sind  in  dem  Höhlengrau  nur  der  Nucleus  eminentiae  medialis, 
der  Nucleus  n.  vestibularis    lat.    (Deiters)  und   der  Nucleus   n.  vestibularis  sup. 

Genu  (internum)  radicis  nervi  VII 
Nucleus  nervi  VI  Pars  seeunda  radicis  nervi  VII 

Pars  prima  radicis  nervi  VII       \  / 


Nucleus  nervi  VII  - 


— Nucleus  olivaris  sup. 


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Fig.  220. 

Schematische  Darstellung  des  Verlaufes  der  Facialiswurzel  in  seitlicher  (von  rechts)  Ansicht. 

Die  Brücke  ist  durchsichtig  gedacht.     VI  N.  abducens;    VII  Nervus  facialis. 

(Bechterew)  vorhanden.  Das  ovale  Bündel  jederseits  neben  dem  Sulcus  medi- 
anus ist  der  Querschnitt  des  inneren  Knies  des  Facialis  Genu  (internum)  n.  fa- 
cialis. Ventral  von  ihm  befindet  sich  der  Fasciculus  longitudinalis  medi- 
alis, dessen  Faserbündel  dicht  nebeneinander  liegen  und  ein  Feld  von  drei- 
seitigem Querschnitt  einnehmen.  Seitlich  von  letzterem  sind  die  Wurzelfaser- 
bündel des  Nervus  abducens  getroffen,  welche  auf  der  medialen  Seite  ihres  Kerns 
heraustreten  und  zunächst  im  Bogen  medianwärts,  dann  schräg  ventralwärts  und 
kaudalwärts  durch  die  Substantia  reticularis,  den  Lemniscus  medialis  und  die 
Fasciculi  longitudinales  (pyramidales)  verlaufen.  Der  Austritt  aus  der  Brücke  kann 
in  diesem  Schnitt  nicht  getroffen  sein,  weil  er  sich  am  kaudalen  Rande  der 
Brücke  befindet.  Dorsalwärts  und  lateralwärts  vom  Abducenskern  zieht  die  Pars 
seeunda  nervi  facialis  ventralwärts,  indem  sie  dicht  am  medialen  Rande  des  Tractus 
spinalis  n.  V  entlang  zieht.  Letzterer  ist  außerordentlich  stark  und  enthält  zahl- 
reiche zerstreute  graue  Massen. 

Medianwärts  von  der  Pars  seeunda  nervi  VII  tritt  eine  u-förmig  gebogene 
Platte  grauer  Substanz  auf,  der  Nucleus  olivaris  sup.  Eine  Ganglienzellengruppe 
an  dessen  medialer  Umgrenzung  ist  der  Nucleus  trapezoides,  Trapezkern, 
welcher  ebenso  wie  die  obere  Olive  zum  Corpus  trapezoideum  gehört.  Dies 
sind  quer  verlaufende,  durch  das  Gebiet  des  Lemniscus  medialis  ziehende  Faser- 
züge, welche  sich  in  der  Mittellinie  kreuzen.     Sie  stellen  die  Neuriten  der  Zellen 


216 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


der  Nuclei  n.  cochlearis  dar,  sind  also  Neuronen  II.  Ordnung  der  Gehörleitung 
und  endigen  vielleicht  in  der  oberen  Olive,  von  welcher  dann  das  Neuron  III.  Ord- 
nung der  Gehörleitung  entspringt  und,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  als 
Lemniscus  lateralis  (acusticus)  zu  den  Vierhügeln  zieht.     Fig.  221,  222. 

Das  Gebiet  des  Lemniscus  medialis  liegt  noch  dicht  an  der  Raphe,  dehnt 
sich  aber  weiter  lateralwärts  aus,  als  im  Bereich  der  Medulla  oblongata  und  ist 
dafür  in  dorso-ventraler  Richtung  platter. 


Fig.  221.      Die    Endigung    der    Fasern    des   Cochlearis    im   Ventralganglion. 

Neugeborene  Katze. 
a   mit    einem   konischen   Kolben   endigende   Faser;    b   Faser,    welche   eine    Zelle 
umgibt;     c   drei    Endkolben,    welche    sich    mit    einer   Zelle    in    Kontakt    setzen. 

(Cajal.) 


dV. 


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Fig.  221. 


Fig.  222. 


12.  Pons.     Querschnitt  III. 

Der  nächste  Schnitt  (Fig.  223)  zeigt  nur  geringe  Abweichungen  von  dem 
vorher  betrachteten,  denn  er  liegt  nur  wenig  weiter  rostral.  An  der  Pars  basilaris 
beginnt  die  Zerklüftung  der  Fasciculi  longitudinales  in  einzelne  kleinere  Bündel. 
Die  queren  Brückenfasern  und  die  Kerne  sind  etwas  reichlicher  als  beim  vorher 
betrachteten  Schnitt. 

An  der  Pars  dorsalis  ist  der  Übergang  des  inneren  Knies  in  die  Pars  secunda 
nervi  VII  getroffen.  Der  Abducenskern  ist  nicht  mehr  vorhanden,  von  seinen 
Wurzelfasern  sind  noch  einige  Stücke  im  Gebiet  der  Substantia  reticularis  und 
des  Lemniscus  zu  sehen.  Corpus  trapezoideum,  Nucleus  olivaris  sup.  und  Lem- 
niscus medialis  verhalten  sich  ähnlich  wie  am  vorher  betrachteten  Schnitt. 

Auf  der  rechten  Seite  ist  noch  der  Tractus  spinalis  nervi  V  zu  sehen,  links 
sind  an  Stelle  der  quergeschnittenen  Fasern  des  Tractus  längsgeschnittene  vor- 
handen. Es  sind  die  Wurzelfasern  des  Nervus  trigeminus.  Die  lateral  von  ihnen 
befindlichen  grauen  Massen  stellen  die  Nuclei  sensibiles  V,  die  mediale 
Gruppe  größerer  Zellen  ist  der  Nucleus  motorius  V  Ein  dorsalwärts  ziehendes 
Bündel  ist  die  Radix  mesencephalica  V. 


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Das  Gehirn:   h'einercr  Bau.  219 

13.  Pons.     Querschnitt  IV. 

Im  folgenden  Schnitt  (Fig.  224)  ist  die  Pars  basilaris  pontis  sehr  viel  größer 
geworden,  die  Pars  dorsalis  dagegen  nimmt  an  Masse  ab.  Innerhalb  der  ersteren 
ist  die  Zerklüftung  der  Fibrae  longitudinales  weiter  gediehen,  und  ihre  Menge 
größer  geworden.  Dies  kommt  daher,  daß  quere  Brückenfasern  aus  der  queren 
Richtung  in  die  aufsteigende  umbiegen,  und  umgekehrt  absteigende  Längsfasern 
der  Brücke  in  quere  umbiegen.  Beides  bewirkt  im  gleichen  Sinne  eine  Zunahme 
der  quer  geschnittenen  Fasern,  so  daß  wir  um  so  mehr  längsverlaufende  Brücken- 
fasern finden,  je  weiter  wir  in  der  Brücke  rostralwärts  vorschreiten. 

In  der  Pars  dorsalis  pontis  finden  wir  im  grauen  Belag  des  Ventrikelbodens 
immer  noch  den  Nucleus  eminentiae  medialis  und  seitlich  den  Nucleus 
n.  vestibuläres  sup.  (Bechterew).  Ferner  dicht  unterhalb  der  grauen  Substanz, 
seitlich  neben  der  Mittellinie  das  dreiseitige  Feld  des  Fasciculus  longitudi- 
nalis  medialis.  Ventral  von  ihm  den  Nucleus  reticularis  tegmenti  und 
noch  weiter  ventral  den  Lemniscus  medialis,  welcher  beginnt  sich  von  der 
Mittellinie  zu  entfernen  und  von  Fasern  des  Corpus  trapezoideum  in  querer  Rich- 
tung durchsetzt  ist.  Die  rostralen  Enden  des  Nucleus  olivaris  sup.  und  des 
Nucleus  trapezoides  sind  an  entsprechender  Stelle  zu  sehen  und  eben  dort 
die  quer  getroffenen  Fasern  der  lateralen  Schleife,  Lemniscus  lateralis, 
welche  als  Neuronen  III.  Ordnung  der  Gehörleitung  rostralwärts  ziehen.    Fig.  222. 

Die  Wurzelfasern  des  Nervus  trigeminus  sind  rechts  in  großer  Ausdehnung 
getroffen,  medial  liegen  die  motorischen  Fasern  und  der  motorische  Kern,  lateral 
die  sensiblen  Fasern  und  die  sensiblen  Kerne.  Von  hier  aus  ziehen  schräg  ge- 
troffene Fasern  zur  Raphe,  Fibrae  cruciantes  n.  trigemini,  welche  zur  sekun- 
dären Bahn  des  Trigeminus  gehören. 

14.  Pons.     Querschnitt  V. 

Der  nächste  Schnitt  (Fig.  225)  geht  durch  den  rostralen  Teil  der  Brücke  und 
durch  die  Austrittsstelle  des  N.  trochlearis  dicht  unterhalb  der  unteren  Vierhügel, 
durch  die  Brachia  conjunctiva  und  durch  das  Velum  medulläre  ant. 

Die  Pars  basilaris  pontis  überwiegt  an  Masse  bedeutend.  Ihre  Längs- 
faserzüge  haben  erheblich  zugenommen;  sie  beginnen  sich  an  der  Peripherie  zu 
einer  geschlossenen  Lage  zusammenzudrängen. 

In  der  Pars  dorsalis  liegt  der  sehr  klein  gewordene  vierte  Ventrikel.  Die 
graue  Substanz  seines  Bodens  enthält  neben  der  Mittellinie  den  Nucleus  dor- 
salis raphes  und  seitwärts  eine  Gruppe  stark  pigmentierter  Ganglienzellen,  welche 
den  Locus  caeruleus  bedingen.  Lateralwärts  von  diesen  Zellen  befindet  sich 
ein  schmales  sichelförmiges  Feld  feiner  quer  geschnittener  Nervenfasern,  die  Radix 
mesencephalica  nervi  V.  Ventral  vom  Nucleus  dorsalis  raphes  sehen  wir  den 
nunmehr  sehr  deutlich  abgegrenzten  Fasciculus  longitudinalis  medialis. 

Die  Decke  des  IV.  Ventrikels,  hier  vom  Velum  medulläre  ant.  gebildet,  enthält 
die  Decussatio  nervorum  trochlearium.  Rechts  ist  ein  austretendes  Bündel 
dieses  Nerven  getroffen.  Auf  derselben  Seite  ist  ein  länglichrundes  Bündel  schräg 
geschnittener  Fasern  zu  sehen.  Dies  sind  die  Fasern  des  Trochlearis  der  anderen 
Seite,  welche  nach  der  Kreuzung  seitwärts  und  ventralwärts  ziehen  als  Pars  de- 
scendens  nervi  IV. 

Die  dichten  Massen  quergeschnittener  Nervenfasern,    lateral  von  der  Radix 


220  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

mesencephalica  n.  V,  sind  das  Brachium  conjunctivum.  Einzelne  seiner 
Fasern  ziehen  ventralwärts  und  medianwärts  zur  Mittellinie,  um  sich  hier  zu  kreuzen, 
Decussatio  brachii  conjunctivi.  In  dem  von  ihnen  umschlossenen  hellen 
Feld  befindet  sich  seitlich  der  Tractus  thalamoolivaris,  sowie  an  der  Mittel- 
linie der  Nucleus  centralis  superior.  Lateralwärts  von  dem  Brachium  con- 
junctivum finden  wir  den  Lemniscus  lateralis  und  in  ihm  den  Nucleus  lem- 
nisci  lateralis.  Ventral  von  der  lateralen  Schleife  liegt  der  Tractus  tecto- 
spinalis  und  etwas  weiter  medianwärts  von  diesem  der  Tractus  rubrospinalis. 
Der  Lemniscus  medialis  ist  weit  von  der  Mittellinie  weggerückt  und  liegt 
mit  seinem  lateralen  Teil  dicht  unter  der  Oberfläche.  Er  stellt  hier  ein  flaches, 
breites  Band  dar. 

15.,  16.  Pons.     Querschnitte  VI,  VII. 

Die  beiden  folgenden  Schnitte  (Fig.  226,  227)  gehen  in  geringer  Entfernung 
von  dem  eben  besprochenen  durch  die  unteren  Vierhügel  und  schneiden  den 
Aquaeductus  cerebri.  Sie  sollen  in  erster  Linie  den  merkwürdigen  Verlauf  der 
Pars  descendens  nervi  IV  zeigen.  Dieselbe  gelangt  von  der  Stelle,  an  welcher  wir 
sie  in  Fig.  225  trafen,  immer  weiter  ventralwärts,  zieht  also  um  den  Aquaedukt 
herum  und  trifft  schließlich  auf  den  Nucleus  nervi  IV  (Fig.  227),  welcher  nicht 
weit  von  der  Mittellinie  innerhalb  der  dorsalen  Bündel  des  Fasciculus  longitudinalis 
medialis  liegt. 

Die  Brachia  conjunctiva  verlaufen  in  ähnlicher  Weise  um  den  Aquaedukt  wie 
der  Trochlearis  und  ziehen  zu  ihrer  Kreuzung,  welche  rostralwärts  immer  mäch- 
tiger wird.  Lemniscus  lateralis  und  Tractus  tectospinalis  ziehen  in  den 
Colliculus  inf.  hinein.  Tractus  thalamoolivaris  und  Lemniscus  medialis 
behalten  im  wesentlichen  ihre  Lage.  Dagegen  rückt  der  Tractus  rubrospinalis 
medianwärts. 

In  der  Pars  basilaris  pontis  werden  die  Querfaserzüge  immer  geringer,  die 
Langsfaserzüge  ordnen  sich  seitlich  und  ventral  zu  dichten  Massen  an. 

17.  Hirnschenkel.     Querschnitt  I. 

Der  nächste  Schnitt  (Fig.  229)  führt  uns  in  das  Gebiet  der  oberen  Vierhügel 
und  der  Pedunculi  cerebri.  Hier  im  Gebiet  des  Mittelhirns  unterscheiden  wir  Basis 
und  Tegmentum  (siehe  S.  93, 94).  In  letzterem  liegen  die  Bindearme.  Ihre  Kreuzung  ist 
beendigt.  Die  gekreuzten  Faserzüge  liegen  dicht  neben  der  Mittellinie  als  rundliche 
Stränge.  Dorsal  von  ihnen  befindet  sich  jederseits  der  Fasciculus  longitudinalis 
medialis,  und  weiter  dorsal  von  diesen  und  zwischen  deren  Bündeln  die  Ganglien- 
zellen des  Nucleus  lateralis  nervi  oculomotorii.  Die  Wurzelfasern  dieses 
Nerven  ziehen  zwischen  den  Bündeln  des  Fasciculus  longitudinalis  medialis  und 
durch  das  Brachium  conjunctivum  in  lateral  konvexem  Bogen  ventralwärts  zum 
Sulcus  nervi  oculomotorii.  Der  Tractus  thalamoolivaris  liegt  an  entsprechender 
Stelle,  der  Lemniscus  medialis  ist  noch  weiter  lateralwärts  gerückt,  der  Tractus 
tectospinalis  liegt  dorsalwärts. 

Die  Basis  pedunculi  wird  gebildet  von  einer  mächtigen  Masse  quer  durch- 
schnittener Nervenfasern.  Sie  wird  durch  die  Substantia  nigra  vom  Tegmentum 
getrennt.  Die  zahlreichen  Ganglienzellen  der  Substantia  nigra  enthalten  ein  reich- 
liches dunkles  Pigment. 


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Aquaeductus  cerebri 
Radix  meseneephalica  nervi  trigemini  —  ■■• 

Tractus  tectospina'.is  — ^BM 


Tractus  ttialamoolivaris 
(Bech  lerei i 
Braehiuni  conjunetivum 


Tractus  rubrospinalis    __AfcT 
(Monakow  l 


Pars  descendens  nervi  trochlearis 
I.ccus  caeruleus 
—   l.enmiscus  lateralis 
:\~    I'asciculus  longitudinalis  medialis 


Decussatio  brachii   conjunetivi 
Lemniscus  medialis 


Fig.  226.     Pons.     Querschnitt  VI  (siehe  Onentieriingsfigur  213). 
Der  Schnitt  gellt  durch  die  unteren  Vierhiigel;  Pars  descendens  nervi  trochlearis;  Bindearmkreuzung. 

Markhaltige  Nervenfasern  schwarz,  Ganglienzellen  rot. 


Commissura  colliculorum  inff. 


Radix  meseneephalica  nervi  trigemini-—'. 
Tractus  tectospinalis— 
Locus  caeruleus-- 


(Bechterew) 


Lemniscus  medialis 


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Tractus  rubrospinalis- 
(Monakow) 


-Colliculus  inferior 


Aquaeductus  cerebri 


-Pars  descendens  nervi  trochlearis 
'-_-    N'ucleus  nervi  trochlearis 
Bö— Fasciculus  longitudinalis  medialis 


Decussatio  brachii  conjunetivi 


Fig.  227.     Pons.     Querschnitt  VII  (siehe  Orientierungsfigur  213). 
Kern  des  Nervus  trochlearis;  Bindeannkreuzung.     -   Markhaltige  Nervenfasern  schwarz,  Ganglienzellen  rot. 


Das  Gehirn:   Ursprung  der  Hirnnerven. 


223 


18.  Hirnschenkel.  Querschnitt  II. 
Der  letzte  Schnitt  (Fig.  230),  welchen  wir  betrachten  wollen,  trifft  schon  das 
Corpus  geniculatum  mediale.  Hier  sehen  wir  außer  dem  linken  und  rechten  Nucleus 
lat.  n.  oculomotorii  noch  einen  mittleren  Kern,  Nucleus  medialis  n.  oculo- 
motorii,  weiter  unten  sehen  wir  die  Wurzelfasern  des  Oculomotorius  austreten. 
Am  Pedunculus  hat  sich  im  Vergleich  zu  dem  vorher  betrachteten  Schnitt  nichts 
geändert.  In  der  Haube  erscheint  der  Nucleus  ruber,  der  rote  Kern,  im  Gebiet 
der  Bindearme.  In  ihm  endigen  die  Fasern  der  Bindearme,  welche  aus  dem 
Nucleus  dentatus  cerebelli  kommen,  und  es  beginnt  ein  neues  Neuron,  dessen 
Fasern  teils  zum  Thalamus,  teils  zur  Capsula  interna  ziehen.  Der  Fasciculus 
longitudinalis  ist  schwächer  geworden. 

11.  Ursprung  der  Hirnnerven. 

Über   die   Austrittsstellen   der   Hirnnerven    an   der  Hirnoberfläche    siehe 
S.  148.    Was  aber  den  Ursprung  der  Hirnnerven  betrifft,  so  liegt  dieser  teils  in 


Fig.  228. 

Querschnitt  des  Thorakalmarkes  eines  Hühnerembryo  vom  neunten  Brüttage. 
A  Radix  anterior;   B  Radix  posterior;  C  motorische  Nervenzellen ;  c  Neurit  einer  motorischen  Nervenzelle;  D  intramedul- 
larer  Teil  der  hinteren  Wurzel;   e  Ursprung  einer  Kollateralen,  die  sich  nach  /  verzweigt;  g  letzte  Reiser  der  radikularen 
Kollateralen;    d  Bifurkationsstellen ;    E  Ganglion  spinale;    h  bipolare  Ganglienzelle;    i  eine  andere  bipolare  Ganglienzelle, 

welche  der  Säugetierform  ähnlich  ist.    (Cajal.) 

der  Tiefe  des  Gehirnes,  in  bestimmten  Teilen  seiner  grauen  Substanz,  die  darum 
Kerne  dieser  Nerven  heißen:  so  verhält  es  sich  mit  den  motorischen  Hirn- 
nerven und  motorischen  Hirnnerventeilen.  Teils  liegt  der  Ursprung  außerhalb 
des  Gehirnes,  in  den  spinalartigen  Hirnnervenganglien1):  so  verhält  es  sich 
mit  den  sensiblen  Hirnnerven  und  sensiblen  Hirnnerventeilen.  Beiderlei  Kerne 
"stellen  Ursprungs-  oder  Wurzelkerne  dar,  Nuclei  originis.  Sie  entsprechen 
den  Zellenanhäufungen  peripherer  Neuronen  oder  den  Neuronen  erster  Ordnung. 


')  Möglicherweise  rückt  der  Ursprung  gewisser  Hirnnervenfasern   auch  in  sympathische 
Ganglien  hinaus,  da  diese  mit  jenen  gemeinsamen  Ursprung  haben. 


224  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Jene  Kerne  dagegen,  welche  Neuronen  zweiter  Ordnung  angehören  und  in 
den  Leitungsbahnen  das  nächst  höher  gelegene  Glied  darstellen,  sind  Endkerne, 
Nuclei  terminales. 

Für  das  leichtere  Verständnis  der  Anordnung  und  des  Bauplanes  der  Hirnnervenkerne  ist  zu- 
nächst an  die  bereits  bekannten  Verhältnisse  des  Ursprungs  der  Nerven  des  Rückenmarkes  zu 
erinnern  (Fig.  37)  und  dabei  die  schon  im  Allgemeinen  Teile  vorgeführte  Fig.  228  zugrunde  zu  legen. 
Wie  im  Rückenmark  die  vordere  Wurzel  in  den  motorischen  Zellen  der  Vordersäule  ihren 
U  rspru  ngske  rn  besitzt,  so  verhält  es  sich  im  Gehirn  mit  den  Ursprungskernen  der  motorischen 
Hirnnerven  und  motorischen  Hirnnerventeile.  Die  Neuriten  der  motorischen  Zellen  setzen  sich 
in  die  motorischen  Wurzelfasern  fort.  Wie  am  Rückenmark  die  Ursprungskerne  der  hinteren  Wurzeln 
außerhalb  des  Rückenmarkes  in  den  Spinalganglien  gelegen  sind,  so  verhält  es  sich  auch 
mit  den  sensiblen  oder  hinteren  Wurzeln  der  Hirnnerven;  ihr  Ursprungskern  liegt  in  entsprechenden, 
außerhalb  des  Gehirnes  gelegenen  Ganglien,  den  spinalartigen  Hi  rnnervenganglien.  Auch 
die  Zellen  dieser  Ganglien  zeigen  ganz  übereinstimmende  Verhältnisse;  es  sind  pseudo-uni- 
polare,  ihrem  Wesen  nach  bipolare  Zellen,  deren  peripherer  Ausläufer  wohl  einem  Dendriten- 
fortsatz entspricht,  während  der  zentrale  Ausläufer  einen  Neuriten  darstellt  und  in  die  hintere 
Wurzelfaser  übergeht  (S.  49).  Die  hinteren  Wurzelfasern  der  Hirnnerven  verhalten  sich  in  ihrem  weiteren 
Verlauf  wie  die  hinteren  Wurzelfasern  der  Ruckenmarksnerven,  d.  h.  sie  teilen  sich,  zum  Gehirn 
gelangt,  in  einen  aufsteigenden  und  absteigenden  Ast,  jeder  derselben  löst  sich  endlich  in 
Kollateralen  und  Endfasern  auf,  welche  unter  Ausbildung  von  Endbäumchen  den  Zellkörper 
eines  Neuron  II.  Ordnung  umgeben.  Diese  Zellkörper  in  größere  Gruppen  geordnet,  sind  als- 
dann der  Endkern,  Nucleus  terminalis,  der  sensiblen  oder  hinteren  Wurzel. 

Während  im  Rückenmark  die  motorischen  Ursprungskerne  und  die  sensiblen  Endkerne  je 
zusammenhängende  Säulen  bilden,  ist  dies  bei  den  Gehirnnerven  nicht  durchgehends  der  Fall; 
die  einzelnen  Kerngebiete  können  voneinander  räumlich  gesondert  sein. 

Wie  die  motorischen  Ursprungskerne  der  Rückenmarksnerven  mit  Neuronen  höherer  Ordnung 
in  Verbindung  gesetzt  sind,  so  verhält  es  sich  auch  bei  den  Hirnnerven.  Wie  die  Endkerne  der 
sensiblen  Rückenmarksnerven  ihre  Neuriten  zu  höheren  Zentren  senden,  so  folgen  auch  die  End- 
kerne der  sensiblen  Hirnnerven  dieser  Regel. 

Auf  gewisse  wesentliche  und  unwesentliche  Unterschiede  im  einzelnen  ist  bei  den  einzelnen 
Hirnnerven  die  Aufmerksamkeit  zu  richten. 

I.  N.  olfactorius,  Riechnerv.     Fig.  96,  109,  190,  191. 

Die  Fasern  der  Nervi  olfactorii  entsprechen  mit  ihren  Riechzellen  Neuronen 
1.  Ordnung  und  nehmen  von  den  Riechzellen  ihren  Ursprung.  Ihr  Endkern  liegt 
im  Bulbus  olfactorius;  an  dessen  Glomeruli  haben  die  blassen  Fasern  der  Nervi 
olfactorii  unter  Entwicklung  starker  Endbäumchen  ihren  Abschluß  gefunden  (siehe 
S.  183,  ferner  Leitungsbahnen  und  Sinnesorgane). 

Über  den  N.  terminalis  siehe  S.  1-18. 

II.  N.  opticus,  Sehnerv.     Fig.  109,  111,  112,  12-1. 

Er  nimmt  wie  der  N.  olfactorius,  doch  in  anderer  Weise,  eine  Sonderstellung 
ein  und  hat  die  Bedeutung  einer  teilweise  gekreuzten  interzentralen  Bahn. 

Seine  primären  Zentren  liegen  im  Thalamus;  im  Corpus  geniculatum  laterale 
und  im  oberen  Vierhügel.  Das  sekundäre  Zentrum  befindet  sich  im  Cuneus  des 
Hinterhauptlappens  des  Endhirnes  (siehe  Leitungsbahnen  und  Sinnesorgane). 

III.  N.  oculomotorius,  gemeinschaftlicher  Augenmuskelnerv.     Fig.  229 — 231. 

Der  Ursprungskern  des  Nervus  oculomotorius  liegt  im  zentralen  Höhlengrau, 
unter  den  Vierhügeln,  ventral  vom  Aquaeductus  cerebri,  nahe  der  Mittellinie.  Er 
gliedert  sich  in  mehrere  Teile,  was  mit  der  Versorgung  mehrerer  verschieden 
wirkender  Muskeln  des  Auges  und  des  Augenlides  (gestreifter  und  glatter)  zu- 
sammenhängt. 


225 


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Das  Gehirn:   Ursprung  der  Hirnnerven. 


227 


Aus  den  Kernen  derselben  und  der  gekreuzten  Seite  gehen  die  Wurzelfasern 
hervor,  verlaufen  in  ventraler  Richtung  bogenförmig  (Fig.  229,  230)  durch  die 
Haube  des  Mittelhirns  und  treten  vor  der  Brücke,  im  Sulcus  oculomotorii,  zu 
10 — 15  dicken  Bündeln  verbunden  aus.     Fig.  97. 

Die  Ursprungskerne  des  Oculomotorius  sind  der  paarige  Nucleus  lateralis 
und  der  unpaare  Nucleus  medialis.     Der  erstere  liegt  seitlich  von  der  Mittel- 


Nucleus    cotnmissurae    post.  et 
fasciculi  longitudinalis  medialis 

Fasciculus  longitudinalis 
medialis 


•qssura  /ws(e. 


Kleinzelliger  Lateralkern 

des  Oculomotorius 

M.  levator  palpebrae  sup.  - 


M.  obliquus  inferior 

M.  rectus  superior 
M.  rectus  medialis 
M.  rectus  inferior 


Fig.  231. 

Dorsal-Projektion  der  Augenmuskelkerne.    (Aus  Edinger.) 


linie  oberhalb  und  zwischen  den  Fasern  des  Fasciculus  longitudinalis  medialis.  Dazu 
kommt  noch  vor  dem  rostralen  Ende  des  Nucleus  lat.  ein  kleinzelliger,  manchmal 
aus  zwei  Gruppen  bestehender  Kern,  kleinzelliger  Lateralkern  (Edinger, 
Fig.  231),  welcher  vielleicht  auch  zum  Ursprungsgebiet  des  III.  Hirnnerven  gehört. 

Eine  nach  klinischen  Erfahrungen,  Sektionsbefunden  und  Vivisektionsversuchen  verschiedener 
Autoren  entworfene  Tabelle  von  Starr  verteilt  die  Einzelkerne  in  folgender,  von  vorn  nach  hinten 
gehender  Weise: 

Sphincter  iridis 
Levator  palpebrae 
Rectus  superior 
Obliquus  inferior 
(Siehe  aber  Fig.  231.) 


M.  ciliaris 
Rectus  medialis 
Rectus  inferior 


228  Besonderer  Teil:   Spezielle  Neurologie. 

Hierbei  ist  zu  beachten,  wie  die  betreffenden  Augenmuskeln  sich  bezüglich  ihrer  Entwick- 
lung verhalten: 

Das  erste  Muskelsegment  läßt  den  M.  rectus  superior,  rectus  inferior  und  Obliquus  inferior 
hervorgehen.  Das  zweite  Segment  gibt  dem  Obliquus  sup.  den  Ursprung  (Marshall  und  van 
Wijhe  an  Haien).  Der  Levator  palpebrae  superioris  darf  in  seinem  Ursprünge  dem  Rectus  superior 
mit  Wahrscheinlichkeit  gleichgestellt  werden. 

Vom  Vierhügel  bis  zu  dem  Anfangsteil  des  Rückenmarkes  erstreckt  sich  ein 
wichtiges  Längsbündel  von  dreiseitigem  Querschnitt,  welches  verschiedene  Kerne 
miteinander  in  Verbindung  setzt  und  mediales  Längsbündel,  Fasciculus 
longitudinalis  medialis,  genannt  wird.  Auch  der  Kern  des  Oculomotorius 
wird  durch  ansehnliche  Fasermassen,  welche  dem  medialen  Längsbündel  angehören 
und  parallel  dem  Aquaedukt  kaudalwärts  ziehen,  mit  anderen  Kernen,  zunächst 
mit  den  Kernen  der  übrigen  Augenmuskelnerven,  d.  i.  mit  dem  Nucleus  n. 
trochlearis,  Nucleus  n.  abducentis,  aber  auch  mit  dem  Nucleus  n.  hypoglossi  in 
Verbindung  gesetzt  (vergl.  auch  S.  62). 

Ob  im  Bereich  der  unteren  Vierhügel  zwischen  beiden  medialen  Längs- 
bündeln ein  Faseraustausch  stattfindet,  durch  welchen  Oculomotorius  und 
Trochlearis  der  einen  Seite  mit  dem  Abducens  der  anderen  Seite  verbunden  werden, 
ist  ungewiß. 

Über  die  zentralen  Verbindungen  der  Oculomotoriuskerne  mit  dem  Endhirn  geht  aus  patho- 
logischen Beobachtungen  unzweifelhaft  hervor,  daß  ein  gekreuzter  Zusammenhang  des  Oculo- 
motoriuskernes  mit  dem  Endhirn  vorhanden  ist.  Es  sind  Neuronen  II.  Ordnung  anzunehmen,  deren 
periphere  Enden  in  der  Nähe  des  Oculomotoriuskernes  die  Medianlinie  überschreiten,  um  mit  End- 
bäumchen  an  den  Zellen  des  Oculomotoriuskernes  der  anderen  Seite  zu  enden. 

v.  K  ö  1 1  i  k  e  r ,  Über  den  Ursprung  des  Oculomotorius  beim  Menschen.  Sitz.-Ber.  der  Würzburger 
phys.-med.  Ges.  1892.  —  A.  van  Gehuchten,  De  l'origine  du  nerf  oculomoteur  commun.  In  La 
Cellule  1892,  T.  VIII.  —  St.  Bernheimer,  Das  Wurzelgebiet  des  Oculomotorius  beim  Menschen. 
Wiesbaden  1894. 

IV.  N.  trochlearis,  oberer  Augenmuskelnerv.  Fig.  113,  114,  225 — 227,  231. 
Verfolgt  man  die  Wurzeln  des  Nerven  zentralwärts,  so  ergibt  sich,  daß  der 
rechte  Trochlearis  mit  dem  linken  in  der  Substanz  des  Velum  medulläre  anterius 
sich  kreuzt,  unmittelbar  vor  der  Austrittsstelle  (Decussatio  nervorum  trochlearium), 
Fig.  225.  Die  auf  die  Gegenseite  gelangten  intramedullaren  Bündel  ziehen  nun 
rostralwärts  unter  die  Vierhügel,  durchsetzen  die  graue,  lateral  vom  Aquaedukt 
gelegene  Substanz  und  gelangen  darauf  zu  ihrem  Kerne,  welcher  mit  dem  des 
Oculomotorius  zusammenhängt  (Fig.  231)  und  aus  multipolaren  Zellen  von  45 
bis  50  u  Durchmesser  besteht. 

V.  N.  trigeminus,  dreigeteilter  Nerv.  Fig.  96,  112,  113,  150,  224,  232. 
Der  N.  trigeminus  hat  eine  kleinere,  motorische  Wurzel,  Portio  minor,  und 
eine  sehr  starke,  sensible  Wurzel,  Portio  major.  Der  motorische  Kern  des 
Trigeminus  liegt  medial  von  den  Endkernen  der  sensiblen  Wurzel,  etwa  1  mm  tief  im 
vorderen  Teil  des  Bodens  des  vierten  Ventrikels,  im  lateralen  Winkel  des  letzteren 
und  in  geringer  Entfernung  vom  rostralen  Ende  des  Facialiskernes.  Er  hat  eine 
Länge  von  3,  eine  Dicke  von  1  mm  und  besteht  aus  multipolaren,  gelblich 
pigmentierten  Nervenzellen  von  60 — 70  u  Größe,  die  ihren  Neuriten  in  die  moto- 
rische Wurzel  senden.  Außerdem  kommen  motorische  Fasern  aus  den  Zellen  des 
Locus  caeruleus  und  den  großen  Ganglienzellen,  welche  die  Radix  meseneephalica 
begleiten. 


Das  Gehirn:    Ursprung  der  Hininervcn. 


229 


Der  sensible  Ursprungskern  ist  das  später  zu  schildernde  Ganglion 
semilunare  (Gasseri),  welches  außerhalb  des  Gehirnes,  im  extramedullären  Teil 
der  sensiblen  Wurzel  seine  Lage  hat.  Die  Zellen  dieses  Ganglion  entsenden  den 
N.  trigeminus  (abgesehen  von  der  motorischen  Wurzel)  zur  Peripherie,  die 
sensible  Wurzel  aber  zum  Zentrum.  Intramedullar  verhält  sich  die  Wurzel  wie 
die  hintere  Wurzel  eines  Rückenmarksnerven,  d.  h.  ein  Teil  der  Faserbündel  steigt 
auf-,  ein  anderer  abwärts,  so  daß  im  ganzen,  entsprechend  dem  mächtigen  Nerven, 
eine  sehr  ausgedehnte  fächerförmige  Ausstrahlung  der  Wurzelfasern  zustande 
kommt,  die  ihren  Fuß  an  der  Austrittsstelle  der  sensiblen  Wurzel  in  der  Brücke 
hat.  Die  Endgebiete  der  Ausstrahlung  liegen  rostral  im  Mittelhirn,  kaudal  in  den 
oberen  Teilen  des  Rückenmarkes.  Die  sensiblen  Fasern  endigen  in  den  Nuclei 
sensibiles  n.  trigemini;  die  Fasern  des  Tractus  spinalis 
senden  Kollateralen  und  Endäste  in  den  Nucleus  tractus 
spinalis  nervi  trigemini.  Die  Zellen  des  letzteren  ent- 
senden ihren  Neuriten  teils  auf-,  teils  absteigend  in  dem 
Vorderseitenstrange  weiter  zentralwärts.  (H.  Held.) 
Fig.  232. 

Bickel,  A. ,  Zur  Anatomie  des  accessorischen  Trigeminus- 
kernes.    Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  59,  1901. 

VI.  N.  abducens,  lateraler  Augenmuskelnerv.    Fig.  96,  113, 
150,  218—220,  223. 

Seine  Länge  entspricht  der  Ausdehnung  des  inneren 
Kniees  des  Facialis,  von  dem  er  dorsal  umgriffen  wird; 
seine  Breite  beträgt  1 — 2  mm,  die  Dicke  etwas  weniger. 
Die  Nervenzellen  messen  bis  45  /.t  und  senden  ihren 
Neuriten  in  die  Abducenswurzel.  Letztere  zieht  fast 
senkrecht,  parallel  der  Raphe,  ventralwärts  und  gelangt 
an  der  lateralen  Seite  der  Pyramidenbahn  vorüber  zu 
ihrer  Austrittsstelle  am  kaudalen  Rande  der  Brücke. 
Der  Abducenskern  liegt  nahe  der  Medianlinie,  in  der 
hinteren  Verlängerung  des  Oculomotorius-  und  Troch- 
leariskernes  im  vorderen  Gebiete  der  Rautengrube, 
nahe  der  Oberfläche,  unter  dem  Colliculus  facialis. 


Fig.  232. 

Querschnitt    des  Tractus   spinalis 

nervi    V   Im   Bereich   der  Medulla 

oblongata.    (Nach  H.  Held.) 

1  lateraler  Rand  des  Tractus  spinalis; 

2  Faserquerschnitte  des  Tractus  spi- 
nalis; 3  konkaver  Rand  des  Tractus 
spinalis;  4  Nucleus  tractus  spinalis 
nervi  trigemini;  5  vom  konkaven 
Rande  sich  ablösende  Kollateralen  und 
Endfasern  des  Tractus  spinalis  mit 
Endbäumchen  um  die  Zellen  des  Nu- 
cleus tractus  spinalis  endigend,  deren 
Neuriten  (6)  weiter  zentralwärts  ziehen. 


VII.  N.  facialis,  Antlitznerv.     Fig.  96,  113,  150,  218—220,  223. 

Der  Kern  des  Facialis  liegt  ventral  und  lateral  vom  Abducenskern  etwa  5  mm 
vom  Boden  des  vierten  Ventrikels  entfernt,  im  lateralen  Gebiet  der  Formatio  reti- 
cularis, lateral  von  den  Wurzelfasern  des  Abducens,  dorsal  von  der  oberen  Olive. 
Das  kaudale  Ende  des  Kernes  ist  nur  durch  einen  kleinen  Zwischenraum  vom 
Nucleus  ambiguus  getrennt  (d.  i.  vom  motorischen  Kern  des  Vagus  und  Glosso- 
pharyngeus),  das  rostrale  dagegen  liegt  dem  motorischen  Kern  des  Trigeminus 
nahe.  Vielleicht  entspringt  ein  Teil  der  Facialisfasern  einer  Seite  aus  dem  Kern 
der  anderen  Seite. 

Die  Breite  des  Kernes  beträgt  1  mm,  seine  Länge  4 — 4,5  mm.  Die  aus  dem 
Kern  sich  entwickelnden  Fasern  ziehen  schräg  dorsalwärts  und  medianwärts  durch 
die  Substantia  reticularis  grisea  und  kommen  so  in  die  Nähe  des  Sulcus  medianus 
fossae  rhomboideae.     Innerhalb  des  zentralen  Höhlengraues  biegen  sie  in  rostrale 

Rauber-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.Abt.  12 


230  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Richtung  um  und  bilden  ein  länglichrundes  Bündel,  welches  dicht  unter  der  Ober- 
fläche dorsal  vom  Fasciculus  longitudinalis  medialis  liegend,  bis  zur  Gegend  des 
Colliculus  facialis  zieht.  Dort  biegt  das  Bündel  unter  rechtem  Winkel,  Genu 
(internum)  n.  facialis,  seitwärts  um,  verläuft  etwas  nach  vorn  und  dorsal  kon- 
vex über  das  rostrale  Ende  des  Abducenskemes  und  zieht  schräg  ventralwärts 
sowie  kaudalwärts  zwischen  dem  Nucleus  tractus  spinalis  nervi  trigemini  und  dem 
Facialiskern  bis  zu  seiner  Austrittsstelle  am  kaudalen  Rande  der  Brücke.  Der  vorn 
Ursprungskern  bis  zum  Knie  reichende  Abschnitt  der  Facialiswurzel  heißt  Pars 
prima  radicis  n.  facialis,  der  zwischen  Knie  und  Austrittsstelle  befindliche  Teil 
ist  die  Pars  seeunda  radicis  n.  facialis. 

Der  N.  intermedius  hat  als  Ursprungskern  das  Ganglion  geni- 
culi  des  Facialisstammes.  Sein  Endkern  liegt  in  der  rostralen  Fortsetzung  des 
Endkernes  des  N.  glossopharyngeus,  d.  i.  des  IX.  Hirnnerven;  vielleicht  geht 
sogar  ein  Teil  des  N.  intermedius  in  den  Tractus  solitarius  als  absteigendes 
Bündel  über. 

Außerdem  enthält  der  N.  intermedius  sekretorische  Fasern  für  die  Speichel- 
drüsen. Die  großen  Ursprungszellen  dieser  Fasern  liegen  -  -  zum  größten  Teil 
gekreuzt,  zum  kleineren  Teil  ungekreuzt  —  zerstreut  in  der  Substantia  reticularis 
grisea,  dorsal  vom  Facialiskern;  einzelne  befinden  sich  noch  innerhalb  des  Deiters- 
schen  Kernes  (Kohnstamm,  Anat.  Anz.  XVI,  1902). 

VIII.  N.  acusticus,  Hörnerv.     Fig.  96,  113,  150,  215-219,  221—224. 
Der  Nervus  acusticus  besteht  aus  zwei  starken  Wurzelbündeln: 

a)  einem  lateralen  (hinteren,  dorsalen),  welches  die  Radix  cochlearis  des 
Nervus  acusticus  bildet,  und 

b)  einem  medialen  (vorderen,  ventralen),  Radix  vestibularis. 

Der  Ursprungskern  des  N.  acusticus  verhält  sich  einfach  genug  und  ist 
gegeben  durch  die  in  den  Ästen  des  Acusticus  enthaltenen  Ganglien,  deren  Ge- 
samtheit Ganglion  acusticum  genannt  wird,  im  Schläfenbein  seine  Lage  hat 
und  aus  dem  Ganglion  Spirale,  sowie  den  Ganglia  vestibularia  besteht 
(siehe  periphere  Nerven  und  Sinnesorgane).  Das  Ganglion  acusticum  ist  das 
Homologon  eines  Spinalganglion  und  enthält  bipolare  Nervenzellen. 

Endkerne  des  Acusticus.  Die  Endkerne  des  Acusticus  verhalten  sich  viel 
verwickelter. 

a)  Endkerne  der  lateralen  Wurzel,  d.  h.  der  Radix  cochlearis,  welche 
selbst  reichlich  zellige  Elemente  enthält,  sind  der  mächtige  Nucleus  n.  coch- 
learis ventralis  und  der  Nucleus  n.  cochlearis  dorsalis  s.  Nucleus  tuber- 
culi  acustici. 

Der  Nucleus  ventralis  n.  cochlearis  liegt  ventral  vom  Corpus  restiforme. 
Von  der  medialen  Seite  dieses  Kernes  geht  eine  starke  quere  Faserplatte  aus, 
welche  sich  zu  dem  gleichen  Kern  der  Gegenseite  hinüberspannt  und  Trapez- 
körper, Corpus  trapezoideum,  genannt  wird.  Der  Trapezkörper  steht  in 
wichtigen  inneren  Beziehungen  zu  den  oberen  Oliven  beider  Seiten,  enthält  ferner 
jederseits  einen  ihm  selbst  angehörigen  Kern,  den  Trapezkern,  Nucleus 
trapezoides. 

Das  Tuberculum  acusticum,  der  zweite  Endkern  des  N.  cochlearis  liegt  lateral 
und  dorsal  vom  Corpus  restiforme  und  schließt  sich  an  den  Nucleus  ventralis  an. 


Das  Gehirn:   Ursprung  der  Hirnnerven.  231 

Sowohl  int  Nucleus  ventralis  als  auch  im  Nucleus  dorsalis  endigt  ein  großer 
Teil  der  Fasermassen  des  N.  cochlearis  unter  Entwicklung  von  Endbäumchen  um 
die  in  beiden  Kernen  gelegenen  zahlreichen  Ganglienzellen.  Ein  anderer  Teil 
der  Fasern  aber  tritt  durch  den  Nucleus  ventralis  hindurch  und  findet  sein  Ende 
unter  Absendung  von  Kollateralen  und  Endfasern,  sowie  unter  Ausbildung  von 
Endbäumchen  in  der  oberen  Olive  und  dem  Trapezkern  der  gleichen  und  der 
gegenüberliegenden  Seite,  in  dem  Kern  der  lateralen  Schleife,  in  dem  unteren  Vier- 
hügel, in  dem  oberen  Vierhügel  und  wahrscheinlich  auch,  ohne  unterbrochen 
worden  zu  sein,  in  der  Rinde  des  Schläfenlappens  der  Gegenseite.1) 

Über  die  sich  an  die  Endbäumchenlager  der  lateralen  Wurzel  anschließenden 
Bahnen  zweiter  Ordnung,  über  die  in  jüngster  Zeit  genauer  nachgewiesenen  rück- 
läufigen und  reflektorischen  Systeme  siehe  Leitungsbahnen. 

Die  Striae  medulläres  stellen  eine  Bahn  zweiter  Ordnung  dar,  welche 
teilweise  das  Tuberculum  acusticum  mit  dem  unteren  Vierhügel  der  Gegenseite 
verbindet  (Held). 

b)  Die  Endkerne  des  Nervus  vestibularis  sind: 

1.  Der  Nucleus  nervi  vestibularis  lateralis  (Deiters),  2.  der  Nucleus 
nervi  vestibularis  medialis  (Schwalbe),  3.  der  Nucleus  nervi  vestibu- 
laris superior  (Bechterew). 

Der  Nucleus  medialis  liegt  in  breiter  Fläche  medial  vom  Corpus  resti- 
forme,  im  Boden  des  vierten  Ventrikels.  Er  ist  ein  langgestreckter  Körper  von 
prismatischem  Querschnitt  und  reicht  kaudalwärts  bis  zur  Ala  cinerea  und  bis  in 
die  Nähe  der  Nuclei  fasciculi  gracilis  et  cuneati  (Fig.  113).  Er  nimmt  vielleicht 
auch  einen  kleinen  Teil  der  Fasern  des  N.  cochlearis  auf  und  enthält  viele  kleine 
Nervenzellen. 

Der  Nucleus  lateralis  (Deitersscher  Kern)  besteht  aus  großen  multipo- 
laren Ganglienzellen.  Er  liegt  dorsal  von  derjenigen  Stelle,  an  welcher  das  Corpus 
restiforme  umbiegt,  um  ins  Kleinhirn  zu  gelangen.  Aus  einem  Teil  der  Neuriten 
der  Zellen  des  Deitersschen  Kerns  entsteht  der  Tractus  vestibulospinalis. 

Der  Nucleus  sup.  (Bechterewscher  Kern)  liegt  an  der  lateralen  Wand  des 
vierten  Ventrikels  medianwärts  von  der  Umbiegungsstelle  des  Corpus  restiforme. 
Die  von  ihm  ausgehenden  zentralen  Fasern  gelangen  zu  den  Kernen  des  Klein- 
hirns. Die  zentralen  Bahnen  des  N.  cochlearis  und  diejenigen  des  N.  vestibularis 
sind,  wie  sich  schon  aus  dem  Angegebenen  entnehmen  läßt,  äußerst  verschieden 
voneinander. 

IX.  N.  glossopharyngeus,  Zungenschlundkopfnerv.    Fig.  96,  150,  217,  233. 

Der  Ursprungskern  des  sensiblen  Teiles  des  N.  glossopharyngeus  ist  das 
Ganglion  superius,  vielleicht  auch  das  Ganglion  petrosum.  Der  Endkern 
dieses  sensiblen  Teiles  des  Glossopharyngeus  liegt  in  der  vorderen  Fortsetzung 
des  größeren  sensiblen  Endkernes  des  Vagus,  im  Boden  des  IV.  Ventrikels.  Der 
N.  glossopharyngeus  hat  auch  eine  absteigende  Wurzel;  sie  besteht  aus  einem 
gewissen  Faseranteil  des  Tractus  solitarius,  dessen  rostrales  Ende  in  den  Glosso- 
pharyngeus übergeht. 

Der  Ursprungskern  des  motorischen  Teiles  des  N.  glossopharyngeus  ist  ein 
rostraler  Abschnitt  des  Nucleus  ambiguus,  im  Boden  des  IV.  Ventrikels.  Fig.  217, 233. 

l)  Held,  H.,  Die  zentrale  Gehörleitung.    Arch.  f.  Anatomie  u.  Phys.    1893. 

12* 


232 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


X.  N.  vagus,  Lungenmagennerv.     Fig.  96,  113,  150,  210—216,  234. 

Der  Ursprungskern  des  sensiblen  Teiles  des  N.  vagus  ist  dessen 
oberes  Stammganglion,  das  Ganglion  jugulare,  vielleicht  auch  das  Ganglion 
nodosum  dieses  Nerven. 

Der  Vagus  entwickelt  eine  starke  absteigende  Wurzel;  sie  wird  dar- 
gestellt durch  den  Tractus  solitarius,  dessen  größerer  Faseranteil  sich  dem  Vagus 
zugesellt,  während  sein  oberes  Ende  in  den  Glossopharyngeus  und  vielleicht  auch 
in  den  Intermedius  übergeht.  Der  Tractus  solitarius  (Fig.  211—216)  hat  unterhalb 
des  Hauptendkernes  des  Vagus  1  mm  Durchmesser,  besteht  aus  starken  maß- 
haltigen Nervenfasern,  die  zu  einem  Längsstrange  verbunden  sind  und  sich  bis 
in  das  untere  Halsmark  (bis  zum  VIII.  Halsnerven,  W.  Krause)  verfolgen  lassen. 


Fig.  234. 

Fig.  233.     Glossopharyngeus-Ursprung  bei  einem  10  mm  langen  menschlichen  Embryo.    26:1.    (W.  His.) 
IX  Stamm  des  N. glossopharyngeus  ;  i  Ganglion  (Ursprungskern  des  sensiblen  Teiles  des  N.  glossopharyngeus);  m  Ursprungs- 
kern  des   motorischen  Teiles  des  N.  glossopharyngeus;    rs  Radix   sensitiva;    s   absteigende  Wurzel  —  Tractus  solitarius; 
b  Bodenplatte  (ventrale  Kommissur);  d  Deckplatte;  g  Grundplatte;  /Seiten-  oder  Flügelplatte  der  Längszonen  der  Oblon- 

gata;   vlV  Ventriculus  quartus ;   o  Gehörbläschen. 

Fig.  234.     Vagus  und  Hypoglossuskerne. 

V.  IV  Ventriculus  quartus;   RRaphe;  P  Pyramide;  V  Radix  spinalis  nervi  V;  X  Vagus;  XI  Accessorius;  XII  Hypoglossus; 

O  Xudeus  olivaris  sup. ;  a  Nucleus  ambiguus;  l  Kern  des  Seitenstranges;  c  Nucleus  fasciculi  euneati ;  g  Nucleus  fasciculi 

gracilis;    s  Tractus  solitarius;  p  Nucleus  tractus  spinalis  nervi  Y. 


Er  hat  im  oberen  Gebiet  seine  Lage  in  der  Formatio  reticularis,  an  der  Basis 
der  medialen  dorsalen  Nebensäule  und  des  Hauptendkernes  des  Vagus,  an  der 
lateralen  Seite  der  durchtretenden  Vagusbündel.  Während  seines  ganzen  Längs- 
verlaufes entsendet  er  fortwährend  Kollateralen  und  Endfasern  und  wird  infolge- 
dessen immer  schwächer,  bis  er  ganz  aufhört.  Die  Kollateralen  und  Endfasern 
enden  sämtlich  unter  Entwicklung  von  Endbäumchen  um  die  benachbarten  Zellen 
der  Hintersäule. 

Wie  Held  gezeigt  hat,  gehen  die  vom  Ursprungsganglion  zur  Oblongata 
gelangten  und  in  sie  eingetretenen  Wurzelfasern  des  Glossopharyngeus-Vagus  zum 
Teil  wiederholte,  zahlreiche  Teilungen  ein;  andere  biegen  unmittelbar  in  den  Tractus 
solitarius  um. 

Der  Hauptendkern  des  Vagus,  der  Nucleus  alae  cinereae,  entspricht  in 
seiner  Lage  im  wesentlichen  der  Ala  cinerea  der  Rautengrube  (Fig.  113).  Er  liegt 
demgemäß  lateral  vom  Hypoglossuskern  und  erstreckt  sich  mit  dem  entsprechenden 


Das  Gehirn:    Ursprung  der  Hirnnerven.  233 

Endkern  des  Glossopharyngeus  bis  an  die  Striae  medulläres  hin.  Das  solitäre 
Bündel  berührt  seine  ventrale  Fläche  und  teilt  den  breiten  Kern  unvollständig  in 
eine  größere  mediale  und  eine  kleinere  laterale  Abteilung.  Letztere  enthält  spär- 
liche, erstere  sehr  zahlreiche  Nervenzellen  von  30 — 45  ,/i  Durchmesser. 

Der  motorische  Teil  des  Vagus  entspringt  im  Nucleus  ambiguus,  dessen 
rostraler  Abschnitt  auch  die  motorischen  Wurzelfasern  des  N.  glossopharyngeus 
entsendet.  Die  motorischen  Fasern  gelangen  in  dorsal-konvexem  Bogen  zu  den 
übrigen  Vagusfasern  und  legen  sich  ihnen  an.    Fig.  234. 

XI.  N.  accessorius,  Beinerv.  Fig.  96,  112,  150,  209,  210,  211,  234. 
Der  Ursprungskern  des  Accessorius  ist  nach  den  Untersuchungen  von  Dark- 
schewitsch,  welche  die  vorhergehenden  von  Roller  im  wesentlichen  bestätigt 
haben,  eine,  entsprechend  der  langen  Austrittslinie  der  Wurzelbündel,  langgestreckte 
ununterbrochene  Zellensäule,  welche  dorso-lateral  von  der  medialen  Zellengruppe 
der  Vordersäule  des  Halsmarkes  und  ihrer  Fortsetzung  zum  Hypoglossuskerne 
sich  befindet.  Kaudalwärts  läßt  sich  der  Kern  bis  zum  Ursprünge  des  V.  Halsnerven, 
rostralwärts  bis  zum  kaudalen  Drittel  der  unteren  Oliven  verfolgen.  Die  Beschaffen- 
heit der  multipolaren  Zellen  ist  überall  die  gleiche.  Die  Accessoriuswurzeln  begeben 
sich,  nachdem  sie  den  Kern  verlassen  haben,  nie  geradlinig  zur  Peripherie,  sondern 
bilden  immer  einen  scharfgeknickten  Bogen,  dessen  konvexe  Seite  ventro-lateral 
gerichtet  ist.  Je  einem  Spinalnervenpaare  entsprechen  nur  einzelne  oder  wenige 
Accessoriuswurzelbündel.  In  der  Höhe  der  Kerne  der  Hinterstränge  sollen  sich 
Fasern  aus  dem  Burd achschen  Strange  den  Wurzeln  des  Accessorius  beigesellen 
und  sich  mit  ihnen  zur  Peripherie  begeben. 

XII.  N.  hypoglossus,  Zungenfleischnerv.     Fig.  96,  113,  150,  211—216. 

Der  Hypoglossuskern  bildet  einen  langgestreckten  Zellenstrang,  welcher  sich 
als  Fortsetzung  der  vorderen  medialen  Teile  der  Vordersäule  des  Rückenmarkes 
geltend  macht.  Sein  kaudaler  Teil  liegt  an  der  ventralen  Seite  des  Canalis  cen- 
tralis der  Oblongata,  der  längere  rostrale  Teil  durchzieht  neben  dem  Sulcus  medianus 
die  Rautengrube  bis  in  die  Gegend  der  Striae  medulläres,  um  hinter  ihnen  ab- 
gerundet zu  endigen.  Seine  Länge  beträgt  18,  seine  Breite  1 — 2,  seine  Dicke 
1  mm.  Durch  Züge  von  Längsfasern  steht  er  in  Verbindung  mit  dem  weiter  oben 
in  derselben  Zone  gelegenen  Nucleus  n.  abducentis.  Die  Zellen  des  Kernes  haben 
bis  60,»  Durchmesser  und  entsenden  ihren  Neuriten  in  die  Wurzelbündel  des 
Hypoglossus.  Vielleicht  tritt  ein  Teil  der  Neuriten  unter  Kreuzung  über  die  Mittel- 
linie hinaus  und  geht  in  die  Wurzel  der  Gegenseite  über.  Die  10 — 15  Wurzel- 
bündel sammeln  sich  an  der  ventralen  Seite  des  Kernes,  durchziehen  in  ventraler 
und  leicht  lateraler  Richtung  die  Oblongata  und  gelangen  im  Sulcus  lateralis  anterior 
derselben  zur  Oberfläche. 

Die  graue  Substanz  des  Kernes  grenzt  nicht  unmittelbar  an  das  Ventrikelependym;  es  schiebt 
sich  vielmehr  noch  eine  graue  Substanzlage  zwischen  beide  ein,  welche  quere,  zur  Raphe  ziehende 
markhaltige  Fasern  enthält  und  dem  Trigonum  n.  hypoglossi  das  weißliche  Aussehen  gibt.  Medial- 
dorsal vom  Nucleus  n.  hypoglossi,  unter  der  weißlichen  Lage,  befindet  sich  eine  besondere  Ansamm- 
lung kleiner  multipolarer  Zellen,  Nucleus  eminentiae  medialis  (Fig.  215 — 224).  Zwischen  dem 
Hypoglossuskern  und  dem  Nucleus  alae  cinerae  liegt  der  Nucleus  intercalatus.    Fig.  215,  216. 

Dem  Hypoglossus  gesellen  sich  in  früher  Fetalzeit  einige  dorsale  Wurzelfäden  bei,  die  sogar 
kleine  Ganglien  enthalten,  später  aber  mit  letzteren  untergehen  (Froriep);  nach  anderer  Ansicht 
sollen  diese  Ganglien  eher  dem  Accessorius  angehören  (His). 


234  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

12.  Morphologische  Stellung  der  Hirnnervenkerne. 

Schon  jetzt,  bevor  noch  der  periphere  Verlauf  der  in  ihren  Kernen  und 
Wurzeln  untersuchten  Hirnnerven  bekannt  geworden  ist,  lassen  sich  gewisse  all- 
gemeine Erwägungen  anstellen. 

A)  Die  motorischen  Kerne  bilden  zwei  Systeme,  ein  mediales  und  ein 
laterales. 

1.  Das  mediale  motorische  System  umfaßt  die  Nuclei  n.  hypoglossi,  n. 
abducentis,  n.  trochlearis  und  n.  oculomotorii. 

2.  Das  laterale  motorische  System  enthält  die  Nuclei  n.  accessorii, 
n.  facialis,  aber  auch  die  Kerne  der  motorischen  Teile  des  Vagus,  Glosso- 
pharyngeus  undTrigeminus,  also  den  Nucleus  motorius  n.  trigemini  und  den  Nucleus 
ambiguus.  Der  letztere  ist  nichts  weiter  als  der  fortgesetzte  Accessoriuskern.  Alle 
diese  Kerne  sind  Ursprungskerne.  Während  das  mediale  und  laterale  System 
der  motorischen  Ursprungskerne  bei  den  Hirnnerven  gesondert  auftritt  und  ge- 
sonderte Nervenwurzeln  hervorgehen  läßt,  ist  dies  bei  den  Rückenmarksnerven 
nicht  der  Fall.  Doch  entspricht  am  Rückenmarke  die  laterale  Gruppe  der 
motorischen  Vordersäulenzellen  der  lateralen  Gruppe  der  motorischen  Hirn- 
nervenkerne. Gesonderte  laterale  Nerven  sind  im  Rückenmarke  nicht  vorhanden; 
ihre  Vertreter  ziehen  mit  den  vorderen  Wurzeln  der  Rückenmarksnerven  zur 
Peripherie. 

B)  Die  Ursprungskerne  aller  sensiblen  Hirnnerven  und  Hirnnerventeile, 
mit  Ausnahme  der  beiden  ersten  Hirnnerven,  welche  besondere  Erscheinungen  dar- 
stellen, werden  durch  ein  einziges  System  gebildet,  durch  das  System  der  spinal- 
artigen Hirnnervenganglien. 

Auch  die  Endkerne  der  sensiblen  und  sensoriellen  Hirnnerven  (wobei  wieder 
der  Olfactorius  und  Opticus  ausscheiden)  bilden  zusammen  ein  ausgedehntes 
System  morphologisch  gleichwertiger  Glieder. 

Über  die  Vergleichung  der  Hirn-  und  Rückenmarksnerven  siehe  auch  unten 
am  Schluß  des  Abschnittes  Rückenmarksnerven. 

13.  Skeletotopie  des  Gehirns. 

Um  die  gegenseitigen  Lageverhältnisse  bestimmter  Punkte  oder  Linien  auf  der  äußeren  Ober- 
fläche des  Schädels  oder  Kopfes  zu  den  Hauptfurchen  der  Gehirnoberfläche  zu  ermitteln,  trieb  Broca 
an  geeigneter  Stelle  Stifte  oder  Nadeln  von  2 — 3cm  Länge  durch  die  Nähte  und  die  Dura  in  das 
Gehirn  und  untersuchte  darauf  die  Abstände  der  die  Nahtlinien  veranschaulichenden  Stifte  von  den 
wichtigsten  Nachbarfurchen.    Nach  Broca  und  Ecker  sind  zu  diesem  Zwecke  6  Stifte  ausreichend. 

Eine  zweite  Methode,  die  graphische,  wendete  Turner  an:  Er  teilte  die  Oberfläche  jeder 
Schädelhälfte  in  fünf  Regionen  (präcoronale,  postcoronale,  postparietale,  postlambdoidale  und  squa- 
mososphenoidale),  entfernte  den  bedeckenden  Knochen  jeder  Region  für  sich,  zeichnete  das  Bild  der 
vorliegenden  Furchen  und  Windungen  und  konnte  so  die  ganze  Hirnoberfläche  richtig  in  den 
Schädelumriß  mit  den  Nähten  eintragen.  Hefftler  erweiterte  die  Methode  noch  dahin,  daß  er  an 
Köpfen,  die  in  verschiedener  Stellung  eingegipst  waren,  die  Umrisse  der  Weichteile,  der  Knochen, 
sowieFurchen  und  Windungen  ineinander  zeichnete.  Neuerdings  beschäftigten  sich  Adamkiewicz, 
Altuchoff,  Fere,  Symington,  Turner,  Sernoff,  Stieda,  Froriep,  Kraus,  Schwalbe, 
Fr.  W.  Müller,  mit  dem  interessanten  Gegenstande.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  diesen  Bestim- 
mungen ein  großer   chirurgischer  Wert  innewohnt. 

Es  ergab  sich  u.  a.,  daß  die  Teilungsstelle  der  Fissura  lateralis  in  den  Ramus 
posterior  und  superior  fast  immer  der  Vereinigung  der  hinteren  oberen  Spitze  des 


Das  Gehirn:  Skeletotopie.  235 

großen  Keilbeinflügels  mit  der  Sutura  squamosa  entspricht.  Der  Ramus  superior 
steigt  der  Kranznaht  entsprechend  aufwärts,  der  Ramus  posterior  folgt  ungefähr 
der  Sutura  squamosa. 

Der  Sulcus  centralis  liegt  mit  seinem  dorsalen  Ende  48,  mit  seinem  ventralen 
Ende  28mm  hinter  der  Kranznaht. 

Die  Fissura  parieto-occipitalis  liegt  fast  immer  genau  in  der  Höhe  der  Ver- 
einigung der  Pfeilnaht  mit  der  Lambdanaht. 

Sulcus  centralis 


Ramus  posterior  fissurae  cerebri  lateralis 
(Sylvii) 


Fissura  parieto-occipitalis 


Fig.  235. 
Skeletotopie  des  Gehirns.    (Aus  Waldeyer,  nach  Thane.) 

Die  Insel  wird  durch  die  Schuppennaht  in  eine  obere  und  untere  Hälfte 
geschieden.  —  Weiteres  über  diesen  Gegenstand  gehört  der  topographischen 
Anatomie  an. 

Waldeyer,  Topographie  des  Gehirns.  Leipzig,  G.  Thieme,  1901.  —  Fr.  W.  Müller,  Über 
craniocerebrale  Topographie.    Merkel  und  Bonnets  Ergebnisse.    1910. 

Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 

Viae  nerueae  centrales.     Hodologla. 

Einleitung. 

Die  Lehre  von  den  zentralen  Leitungsbahnen  hat  zur  Aufgabe  die  Darstellung  des  Ursprunges, 
Verlaufes  und  der  Endigung  sämtlicher  Nervenfasermassen,  die  in  den  Zentralorganen  vorkommen, 
sowie  ihre  Beziehungen  zum  peripheren  Nervensystem,  mit  dem  idealen  Ziele,  jedes  einzelne  Neuron, 
deren  es  viele  Hunderte  von  Millionen  sind,  nach  allen  ihren  morphologischen  Verhältnissen  kennen 
zu  lernen.  Die  Lehre  von  den  zentralen  Leitungsbahnen  hat  es  also  in  erster  Linie  mit  der  weißen 
Substanz  der  Zentralorgane  zu  tun.  Sie  enthüllt  uns  aber  nicht  allein  die  Systematik  der  weißen 
Substanz,  sondern,  indem  sie  diese  Aufgabe  erfüllt,  zugleich  auch  die  Systematik  der  grauen.  Die 
erstere  ist  gegen  die  letztere  bekanntlich  nichts  weniger  als  abgeschlossen;  sie  ist  vielmehr  deren 
Erzeugnis,  steht  mit  ihr  in  innigster  Verbindung  und  macht  mit  ihr  ein  Ganzes  aus.  Nur  durch 
diese  Verbindung  sind  beide  Teile  zu  Leistungen  befähigt.    Die  weißen  Markstraßen  sind  die  Wege 


236  "  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

der  grauen  Substanz,  welche  sie  einschlägt,  um  ihre  Tätigkeiten  auszuüben.    Indem  man  also  den 
Leitungsbahnen  nachgeht,  lernt  man  auch  die  graue  Substanz  genauer  kennen. 

Die  Bahnendes  Rückenmarkes  sind  schon  Seite  58 — 64  im  Zusammenhang  geschildert  worden: 
auch  die  wesentlichen  Methoden  der  Untersuchung  des  Nervensystems  sind  schon  (S.  17—19)  kurz 
erwähnt  worden.    Eine  Ergänzung  dazu  bilden  die  folgenden  Ausführungen: 

Untersuchungsmethoden. 

Die  Untersuchungsmethoden  sind  teils  solche  der  anatomischen  Technik,  teils  gehören  sie 
der  Physiologie  und  Pathologie  an. 

1.  Methode  der  Abfaserung. 

Sie  besteht  darin,  am  gehärteten  Rückenmark  und  Gehirn  die  weiße  Substanz  in  natürliche 
Bündel  und  Stränge  zu  zerlegen.  Ihrer  bedienten  sich  früher  insbesondere  Gall,  Burdach,  Reil, 
Fr.  Arnold,  Foville  neben  vielen  anderen.  Noch  jetzt  liefert  sie  für  eine  gewisse  begrenzte  Anzahl 
von  Bahnen  gute  Demonstrationspräparate,  arbeitet  aber  im  Feineren  unsicher,  ist  längst  von  anderen 
Methoden  überholt  und  hat  als  Untersüchungsmethode  nur  mehr  historische  Beachtung  zu  beanspruchen. 
Ein  Beispiel  für  die  Abfaserungsmethode  gibt  Fig.  97,  woselbst  die  Pars  teeta  columnae  fornicis  und 
der  Tractus  thalamomamillaris  auf  diese  Art  dargestellt  sind;  siehe  auch  Fig.  1-16,  149. 

2.  Methode  der  Schnittreihen. 

Schon  Rolando  hatte  1824  dünne  Schnitte  des  Zentralnervensystemes  hergestellt,  um  durch 
deren  mikroskopische  Untersuchung  Aufschlüsse  über  den  Bau  des  Organes  zu  erhalten.  Vorteilhafter 
noch  mußte  es  sein,  einen  Organteil,  ja  ein  ganzes  Rückenmark  und  Gehirn  in  eine  ununterbrochene 
Reihe  von  Schnitten  zu  zerlegen,  die  Eigentümlichkeiten  eines  jeden  kennen  zu  lernen  und  durch 
Zusammensetzung  der  Einzelerfahrungen  ein  Bild  des  Gesamtbaues  zu  konstruieren.  Diesen  Weg 
schlug  B.  Stilling  ein.  Eine  der  vielen  von  ihm  gelieferten  Abbildungen  gibt  Fig.  105  wieder.  Im 
Januar  1842  ließ  Stilling  bei  einer  Kälte  von  13°  R  ein  Stück  Rückenmark  durchfrieren  und 
machte  dann  mit  dem  Skalpell  einen  mäßig  feinen  Querschnitt  durch  dasselbe.  .Als  ich  diesen",  so 
schreibt  er,  .unter  das  Mikroskop  brachte  und  bei  löfacher  Linearvergrößerung  die  prächtigen  Quer- 
faserstrahlungen  sah,  da  hatte  ich  einen  Schlüssel  gefunden,  der  die  Gemächer  zu  dem  wunderbaren 
Grau  des  Rückenmarkes  eröffnete.  Nicht  froher  hatte  Archimedes  sein  n»i*:(  gerufen,  als  ich  bei 
jenem  Anblick  ausrief." 

Stilling  vertauschte  bald  die  Gefriermethode  mit  der  von  Hannover  zuerst  in  Anwendung 
gebrachten  Härtung  in  verdünnten  Chromsäurelösungen.  Die  Methode  der  Schnittreihen,  in  ihrer 
Brauchbarkeit  erhöht  durch  die  unterdessen  zu  hoher  Vollkommenheit  gediehene  Färbetechnik,  ver- 
bessert durch  die  Erfindung  vorzüglicher  Mikrotome,  ist  seitdem  zur  Erforschung  von  Körpern 
verwickelten  Baues  in  weitestem  Umfange  benützt  worden.  Ihr  zur  Hilfe  kommt  gegenwärtig  in 
steigendem  Grade  die  graphische  und  plastische  Methode  der  Rekonstruktion,  welche  ebenso 
sicher  wieder  aufbaut,  was  die  andere  Methode  aufs  feinste  zerlegte.  Dennoch  versagt  die  Methode, 
ohne  die  Hilfe  anderer,  in  allen  jenen  Fällen,  in  welchen  Faserbündel  verschiedener  Art  dicht  bei- 
sammen liegen  und  sich  miteinander  dicht  verflechten,  oder  auch,  wenn  sie  nach  den  verschiedensten 
Richtungen  auseinanderfahren  und  sich  zerstreuen. 

3.  Methode  der  Färbung. 

Die  Chromsäurehärtung  liefert  außer  der  Härtung  zugleich  in  mancher  Hinsicht  vortreffliche 
Färbung.  Bahnbrechend  für  den  überaus  hohen  Aufschwung  der  Färbetechnik  und  der  chemischen 
Behandlung  der  Gewebe  war  die  Einführung  des  Karmins  durch  Gerlach.  Wichtig  für  die  Unter- 
suchung des  Nervensystems  war  längere  Zeit  hindurch  die  Färbung  mit  Goldchloridlösung,  indem 
dieselbe  eine  spezifische  Färbung,  d.  h.  Färbung  des  einen  Gewebes  ohne  Mitfärbung  eines 
Nachbargewebes  bewirkte.  Von  weit  größerer  Bedeutung  war  in  der  Folge  das  Hämatoxylin- 
verfahren  nach  Weigert  nebst  verschiedenen  Modifikationen  desselben.  Es  gestattete,  soeben 
markhaltig  gewordene  einzelne  Nervenfasern  und  Bündel  solcher  inmitten  einer  noch  so  verwickelt 
beschaffenen  Nachbarschaft  mit  Sicherheit  zu  verfolgen.  In  noch  höherem  Range  als  dieses  steht 
das  Silberverfahren  nach  Golgi  mit  seinen  verschiedenen  Modifikationen.  Es  leistet  vor  allem 
bei  der  Untersuchung  der  embryonalen  Nervenzentren,  aber  auch  in  späterer  Zeit  und  im  Gebiete 
des  peripheren  Nervensystems  Dienste  von  so  hervorragendem  Werte,  daß  man  nicht  mit  Unrecht 
von  einer  Golgischen  und  vor-Golgischen  Zeit  der  Untersuchung  des  Nervensystems  spricht. 
Ein  schönes  Beispiel  dieser  Methode  gibt  Fig.  207.    Von  ebenso  hohem  Werte  ist  eine  Parallel- 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  237 

methode  des  Silberverfahrens,  nämlich  die  vitale  Methylenblau  färbu  ng  nach  Ehrlich,  mit 
den  neuesten  Verbesserungen  (Bethe);  siehe  Fig.  248.  Beide  Verfahren  unterstützten  daher  ein- 
ander gegenseitig;  sie  beide  sind  spezifische  Methoden  im  oben  erwähnten  Sinne. 

4.  Die  vergleichend-anatomische  Methode. 

Sie  zieht  das  Nervensystem  der  Tierwelt  in  ihre  Betrachtung  und  enthüllt  die  sich  in  dem- 
selben ausprägenden  Leitungsbahnen.  Noch  in  den  Anfängen  begriffen,  hat  sie  schon  jetzt  große 
Erfolge  zu  verzeichnen  und  wird  in  steigendem  Grade  die  Erwartungen  erfüllen,  die  man  von  ihr 
zu  hegen  berechtigt  ist.  * 

5.  Die  entwicklungsgeschichtliche  Methode. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  die  Untersuchung  der  Entwicklung  des  Nervensystems  eine 
hervorragende  Bedeutung  haben  muß.  Sie  zeigt  das  Nervensystem  in  seinem  frühesten  Werden, 
in  seinem  allmählichen  Wachstum,  in  seinen  Wegen  zur  Vollendung,  in  der  Ausbildung  seiner 
Elementarbestandteile,  in  dem  Eindringen  anderer  Gewebe,  in  den  räumlichen  und  zeitlichen  Be- 
ziehungen seiner  einzelnen  Glieder. 

Zur  entwicklungsgeschichtlichen  Methode  gehört  auch  die  Untersuchung  der  sich  entwickeln- 
den Markscheidensysteme. 

Sie  hat  mit  Hilfe  der  Methoden  2  und  3  im  wesentlichen  geschaffen,  was  bis  in  die  jüngste 
Zeit  an  Kenntnis  der  Leitungsbahnen  vorlag  und  hat  noch  viele  fernere  Erfolge  zu  erwarten.  Sie 
zeigt  in  vielen  Fällen  der  folgenden  (6.)  Methode  die  von  ihr  einzuschlagenden  Wege  zur  Ent- 
hüllung feinerer  Einzelheiten;  denn  sie  ist  in  ihren  Ergebnissen  am  menschlichen  Gehirn  und 
Rückenmark  allen  übrigen  Methoden  weit  vorausgeeilt.  Man  verdankt  die  Ausbildung  und  Ver- 
wertung dieser  Methode  Paul  Flechsig  und  seinen  Schülern. 

Sie  beruht  auf  dem  Umstände,  daß  die  bereits  angelegten  Nervenfasern  (Axenzylinder)  zu  sehr 
verschiedenen  Zeiten  der  individuellen  Entwicklung  ihre  Markscheide  erhalten,  so  daß  Abstände  von 
mehreren  Monaten  die  Markumhüllung  verschiedener  Bahnsysteme  voneinander  trennen  können.  Die 
Markscheidenbildung,  so  hat  sich  gezeigt,  erfolgt  weder  gleichzeitig  oder  diffus  bei  allen  Bahnsystemen 
noch  in  beliebiger  Abwechslung,  sondern  örtlich  und  zeitlich  geregelt,  an  gewisse  Systeme  und  Ent- 
wicklungsstufen gebunden.  Jene  Systeme  umhüllen  sich  am  frühesten  mit  Markscheiden,  welche  für 
die  Funktionen  des  jungen  Organismus  ihrer  am  frühesten  bedürfen;  so  lassen  sich  hieraus  auch 
Schlüsse  ziehen,  auf  die  Entwicklungsstufen  bestimmter  Hirn-  und  Rückenmarkszentren. 

Im  allgemeinen  können  die  verschiedenen  Teile  des  Nervensystems  nach  der  Zeit  der  Mark- 
scheidenbildung in  folgende  Reihe  gebracht  werden: 

Am  frühesten  erhalten  ihre  Markscheide  die  Fasern  der  peripheren  Nervenstämme  sowie  der 
Reflexbahnen  des  Rückenmarkes  und  des  verlängerten  Markes,  im  ganzen  also  die  Fasern  derAußen- 
Neuronen;  hierauf  folgen  die  Fasern  des  Kleinhirns;  sodann  jene  Fasern,  welche  die  Rinde  der  End- 
hirnhemisphären mit  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarkes  und  des  Hirnstammes  verbinden;  endlich 
die  im  Gebiete  der  Endhirnhemisphären  zerstreuten  Fasern.  Von  allen  zentralen  Fasern  erhalten  die 
Assoziationsfasern  ihr  Mark  am  spätesten. 

Zu  bestimmter  Zeit  also  wird  man  bei  der  Untersuchung  eines  jungen  Nervensystems  gewisse 
Fasern  bereits  mit  der  Markscheide  versehen,  andere  des  Markes  noch  entbehrend  antreffen.  Hier- 
durch ist  der  Untersucher  in  den  Stand  gesetzt,  dieses  oder  jenes  Fasersystem  von  allen  übrigen  scharf 
zu  trennen. 

6.  Die  Methode  der  Untersuchung  der  Nerveneinheiten. 

Die  Nerveneinheiten,  Neuronen,  kennt  man  genauer  erst  seit  kurzer  Zeit.  Das  ganze 
Nervensystem  besteht  seiner  wesentlichen  Zusammensetzung  nach  aus  einer  Vielheit  von  Nerven- 
einheiten, die  zueinander  und  zu  dem  übrigen  Körper  in  bestimmte  Beziehungen  gesetzt  sind.  Es 
genügt  nicht,  nur  Bahnen  im  allgemeinen  zu  kennen,  mit  ihren  Anfangs-  und  Endpunkten,  sondern 
es  ist  erforderlich,  die  Beziehungen  aller  Nerveneinheiten  zu  allen  Bahnen  kennen  zu  lernen. 
Beim  Menschen,  wie  bei  den  Tieren,  bei  Embryonen  und  bei  Erwachsenen,  mit  diesem  oder  jenem 
geeigneten  technischen  Verfahren  sind  also  die  Nerveneinheiten  in  allen  ihren  Verhältnissen 
zu  erforschen.  Die  Methode  der  Untersuchung  der  Nerveneinheiten  steht  gegenwärtig  im  Vorder- 
grund der  Forschung. 

7.  Die  physiologische  oder  vivisektorische  Methode. 

Durch  unmittelbare,  namentlich  elektrische  Reizung  können  bestimmte  Zentren  und  Faser- 
gruppen in  Erregung  versetzt  und  kann  der  Erfolg  wahrgenommen  werden.     Durch  Zerstörung  von 


238  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Zentren  oder  Durchschneidung  bestimmter  Fasergruppen  wird  deren  Tätigkeit  aufgehoben ;  hier  kommt 
es  auf  das  Studium  der  vorhandenen  Ausfallserscheinungen  an.  Außer  der  Erkennbarkeit  der  Ver- 
laufsrichtung der  Fasern  wird  durch  die  Methode  auch  die  Funktion  der  betreffenden  Zentren 
und  Fasergruppen  der  Untersuchung  zugängig  gemacht,  sie  ist  folglich  eine  höchst  wichtige  Methode. 

8.  Die  pathologisch-physiologische  Methode. 

So  nennt  v.  Bechterew  eine  Methode,  welche  auf  dem  gleichen  Prinzipe  beruht  wie  die 
7.  Methode;  auch  hier  handelt  es  sich  um  Zerstörung  von  Teilen  des  Nervensystems.  Was  aber 
dort  die  Hand  des  Experimentators  am  Tiere,  das  tut  hier  die  Natur  selbst  durch  krankhafte  Vor- 
gänge am  nervösen  Zentralorgane  des  Menschen. 

9.  Die  Methode  der  primären  Degeneration. 

Eine  Anzahl  von  Rückenmark-  oder  Gehirnerkrankungen  befällt  nur  gewisse  Fasersysteme  und 
läßt,  anfänglich  oder  dauernd,  andere  Systeme  frei.  Solche  Erkrankungen,  z.  B.  der  Hinterstränge  des 
Ruckenmarkes,  werden  System-Erkrankungen  genannt.  Aus  der  Untersuchung  des  erkrankten 
Systems  lassen  sich  über  die  Grenzen  dieses  Systems  öfters  wichtige  Anhaltspunkte  gewinnen. 

10.  Die  Methode  der  sekundären  Degeneration. 

Im  Jahre  1850  hatte  Türck  gefunden,  daß  die  Unterbrechung  der  Leitung  im  Rückenmark 
zu  Degenerationen  führte,  welche  sich  aufwärts  in  anderen  Fasersträngen  vollzogen  als  abwärts. 
1852  zeigte  Waller,  daß  durchschnittene  Nerven  in  ganz  bestimmten  Richtungen  degenerieren. 
Das  Studium  der  sekundären  Degenerationen,  wie  man  diese  Folgeerscheinungen  nennt,  ist 
seitdem  für  den  Fortschritt  der  uns  beschäftigenden  Lehre  von  großer  Bedeutung  geworden.  Es 
ergab  sich,  daß  im  Rückenmark  und  Gehirn  ganz  bestimmte  Fasergebiete  degenerieren,  je  nach 
dem  Orte  und  der  Ausdehnung  des  Eingriffes,  welcher  die  Degeneration  im  Gefolge  hat.  Die  degene- 
rierten Fasern  können  in  der  ganzen  Länge  ihres  Verlaufes  verfolgt  werden,  indem  sie  sich  durch 
die  sinnfälligen  Erscheinungen  der  Degeneration  von  den  angrenzenden  gesunden  Gebieten  wohl 
unterscheidbar  abheben.  Fasergebiete,  in  welchen  eine  Degeneration  sich  konstant  fortzupflanzen 
pflegt,  nennt  man  auch  Fasersysteme.  Für  die  Gesamtheit  der  sekundären  Degeneration  gilt 
der  Satz,  daß  Fasern  entarten,  welche  von  ihren  Ursprungsherden  getrennt  worden  sind.  Auf  das 
einzelne  Neuron  übertragen  lautet  dieser  Satz:  eine  Nervenfaser  degeneriert,  die  vor  ihrer  Ur- 
sprungszelle getrennt  worden  ist.  So  unterscheidet  man  absteigende  und  aufsteigende 
Degenerationen,  je  nachdem  der  Ursprungsherd  eines  Fasersystemes  oberhalb  oder  unter- 
halb der  Eingriffsstelle  gelegen  ist.  Die  sekundäre  Degeneration  ist  für  die  Aufhellung  eines  Faser- 
systems von  Wichtigkeit  nur  unter  der  Bedingung  vorhandener  positiver  Ergebnisse.  Die 
Methode  ist  eine  äußerst  wichtige  und   verspricht  auch   in  der  Zukunft  noch  bedeutende  Erfolge. 

Beispiele  für  sekundäre  Degeneration  sind  folgende: 

Wird  die  Pyramidenbahn  in  der  Capsula  interna  durch  einen  Krankheitsherd  zerstört,  so 
verändern  sich  die  Markscheide  und  der  Axenzylinder  der  von  ihren  Ursprungszellen  in  der  End- 
hirnrinde abgetrennten  Nervenfasern ;  sie  schwinden  allmählich  und  werden  durch  Bindegewebe 
ersetzt.  Die  Entartung  setzt  sich  von  der  inneren  Kapsel  aus  unaufhaltsam  bis  in  das  Rückenmark 
fort  und  nimmt  dort  das  bekannte  Gebiet  im  gekreuzten  Seitenstrange  und  im  gleichseitigen  Vorder- 
strange ein.  Die  Degeneration  schreitet  fort  mindestens  bis  zu  den  Kollateralen  und  Endfasern 
der  Pyramidenbündel  in  der  grauen  Substanz  der  Vordersäule;  denn  bis  dahin  erstrecken  sich  die 
Neuronen  der  Pyramiden.    Fig.  85. 

Wird  durch  Druck  oder  eine  andere  Verletzung  der  Brustteil  des  Rückenmarkes  unter- 
brochen, so  degeneriert  die  kaudal  liegende  Pyramidenbahn  abwärts.  Aber  auch  aufwärts  folgt 
eine  Degeneration  nach.  Sie  nimmt  angrenzend  das  ganze  Gebiet  der  Hinterstränge  ein;  einige 
Wurzelhöhen  weiter  kranial  beschränkt  sie  sich  jedoch  auf  die  Gol Ischen  Bündel.  Die  degene- 
rierten Fasern  sind  hier  zum  größten  Teil  Wurzelfasern,  welche  von  ihrem  Ursprungsherde,  den 
Spinalganglien,  getrennt  worden  sind. 

Nicht  immer  aber  macht  die  Degeneration  an  den  Grenzen  eines  Neurongebietes  Halt;  sie 
kann  sich  auf  ein  Neuron  der  folgenden  Ordnung  fortsetzen.  So  degeneriert  in  dem  angegebenen 
Beispiele  nicht  nur  ein  Teil  des  Burdachschen  und  der  Gollsche  Strang  aufwärts,  sondern  auch 
das  Kleinhirnseitenstrangbündel. 

11.  Die  Methode  der  Entwicklungshemmung. 
Kunstlich  an  jungen  Tieren  hervorgerufene  oder  durch  krankhafte  Vorgänge  im  fetalen  Leben 
bedingte  Zerstörungen   zentraler  oder  peripherer  Organe  erzeugen  Entwicklungshemmungen   oder 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  239 

völlige  Atrophie  der  ihnen  entsprechenden  peripheren  oder  zentralen  Organe.  Die  Methode  vermag 
also,  aber  nur  sofern  sie  positive  Ergebnisse  liefert,  wichtige  Aufschlüsse  über  den  Zusammenhang 
zentraler  und  peripherer  Apparate  zu  gewähren. 

12.  Die  Methode  der  angeborenen  Defekte  im  nervösen  Apparate. 
Sie  schließt  sich  an  die  Methode  der  künstlich  erzeugten  Entwicklungshemmung  unmittelbar  an. 

Historische  Entwicklung  der  Lehre  von  den  Leitungsbahnen. 

Beim  Betreten  dieses  Gebietes  ist  passend  an  ein  im  Jahre  1819  gesprochenes  Wort  von 
Burdach  zu  erinnern:  .Das  Sammeln  einzelner  Baustoffe  ist  doch  nicht  allein,  was  Not  tut.  In 
jedem  Zeitraum,  wo  eine  neue  Masse  derselben  gewonnen  worden  ist,  mögen  wir  von  neuem 
daran  gehen,  sie  zum  Gebäude  zu  fügen.  Durch  solche  Gcstaltgebung  wird  das  Fortschreiten 
des  Forschungsgeistes  zu  neuen  Entdeckungen  keineswegs  gehemmt;  vielmehr  erfahren  wir  gerade 
erst,  wenn  wir  das  Ganze  überblicken,  die  Lücken  unserer  Kenntnisse  und  lernen  einsehen,  welche 
Richtungen  die  Forschung  künftig  nehmen  muß.  Möge  der  Versuch  eines  solchen  Baues  sich 
immer  wiederholen.     Keiner  geht  vorüber,  ohne  dem  Wissen  förderlich  gewesen  zu  sein." 

Auch  jetzt  noch  haben  diese  Worte  ihre  volle  Geltung  zu  beanspruchen.  Doch  können  sie 
gegenwärtig  schon  von  angenehmeren  Empfindungen  begleitet  werden,  als  zu  jener  Zeit,  obwohl 
diese  erst  einer  nahen  Vergangenheit  angehört.  Damals  machte  der  Hirn-  und  Rückenmarksbau 
noch  den  Eindruck  eines  Chaos.  Hirn  und  Rückenmark  waren  Gebilde  von  fast  unnahbarer  Größe. 
Aber  es  ist  seitdem  ein  weiter  Weg  zurückgelegt  worden.  Anstatt  in  dem  zentralen  Nervensystem 
noch  ein  Chaos  wahrzunehmen,  sehen  wir  gegenwärtig  die  Grundzüge  seines  Baues  klar  vor  uns; 
wir  wissen  im  wesentlichen,  wie  Rückenmark  und  Gehirn  beschaffen  sind,  bei  Tieren  und  bei 
Menschen,  bei  Embryonen  und  bei  Erwachsenen.  Auch  sehen  wir  genau  die  noch  vorhandenen 
Lücken  und  kennen  mit  Sicherheit  die  Mittel,  sie  nach  und  nach  auszufüllen.  An  Stelle  der 
früheren  Trostlosigkeit  ist  also  eine  hinreichend  begründete  Zuversicht  getreten. 

Diesen  Eindruck  tragen  wir  davon,  wenn  wir  rasch  einen  Überblick  zu  gewinnen  suchen 
über  die  verschiedenen  Versuche,  die  gemacht  worden  sind,  Leitungsbahnen  im  Gehirn  und 
Rückenmark  zu  erkennen. 

Schon  Descartes  gab  in  seinem  Tractatus  de  homine  (1662)  schematische  Darstellungen  der 
Hirnfaserung.  Was  aber  seine  Bemühungen  zu  bedeuten  hatten,  läßt  sich  unschwer  erkennen,  wenn 
wir  zusehen,  welche  Anschauungen  noch  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  vertreten  waren. 

So  sagt  noch  Arnold:  „Die  Nervensubstanz  ist  teils  weiße,  teils  graue.  Am  Rückenmarke,  am 
verlängerten  Marke  und  an  den  Stielen  des  Hirns  liegt  die  weiße  Substanz  außen  und  die  graue 
innen:  am  kleinen  und  großen  Hirn  dagegen  befindet  sich  die  graue  Substanz  teils  im  Inneren 
der  Marksubstanz,  teils  im  Umfange  derselben.  Die  von  Markmasse  umschlossene  graue  Substanz 
wollen  wir  als  Kernsubstanz,  Substantia  nuclearis,  bezeichnen;  die  an  der  Peripherie  der 
Marksubstanz  befindliche  graue  Masse  wird  im  Gegensatz  zu  jener  Rindensubstanz,  Sub- 
stantia corticalis,  genannt.  Die  Kernsubstanz  kommt  vor  im  Rückenmark,  im  verlängerten 
Mark,  im  Inneren  des  kleinen  und  großen  Hirns,  in  letzterem  namentlich  in  den  Hirnhügeln; 
die  Rindensubstanz  dagegen  befindet  sich  nur  am  kleinen  und  großen  Hirn,  die  beide  an  ihrer 
Peripherie  mit  einer  Lage  von  Rinde  versehen  sind.  Es  gibt  nur  wenige  Stellen  im  Umfange  des 
großen  und  kleinen  Hirns,  an  denen  die  Markmasse  bloß  liegt  oder  noch  über  die  Rinde  sich 
hinwegzieht;  hierher  gehören  die  Flocke  am  kleinen  Hirn  und  die  weiße  netzförmige  Substanz  an 
der  inneren  Partie  des  Unterlappen  vom  großen  Hirn.  —  Die  weiße  oder  markige  Substanz, 
Substantia  alba  s.  medullaris,  besteht  1.  aus  einer  feinkörnigen  Masse,  2.  aus  lichten,  weißen, 
körnigen  Kugeln  (Markkugeln)  und  3.  aus  Primitivfasern.  —  Im  Rückenmark  ziehen  die  Fasern 
longitudinal,  d.  h.  parallel  mit  der  Axe,  vom  unteren  bis  zum  oberen  Ende  und  setzen  sich  un- 
unterbrochen durch  das  verlängerte  Mark  teils  in  gerader,  teils  in  gekreuzter  Richtung  bis  zu  den 
Stielen  des  kleinen  und  großen  Hirns  fort.  —  Die  graue  Substanz,  Substantia  cinerea 
s.  spongiosa  (nach  Rolando),  enthält  als  wesentliche  Bestandteile  1.  eine  feinkörnige  Masse, 
2.  kleine  körnige  Kügelchen  (graue  Kugeln),  3.  die  mehr  oder  weniger  ansehnlichen  und  verschieden 
gestalteten  Ganglienkugeln  und  4.  primitive  Nervenfasern.  Die  graue  Substanz  ist  weicher  als  die  weiße, 
erscheint  bei  durchfallendem  Lichte  heller  und  durchsichtiger  und  kommt  in  verschiedenen  Abarten 
der  Färbung  vom  Gelblichgrauen  bis  zum  Dunkelgrauen  und  vom  Rötlichen  bis  zum  Schwarzen  vor." 

So  verhielt  es  sich  mit  der  Kenntnis  der  Nervenelemente  zur  Blütezeit  der  Abfaserungsmethode 
und  zur  Zeit,  als  die  bereits  erstarkende  Zellenlehre  ihren  Siegeslauf  anzutreten  begann.     Es  läßt 


240  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

sich  also  leicht  denken,  welche  Vorstellungen  über  den  feineren  Bau  des  Rückenmarkes  und  Ge- 
hirnes vorhanden  waren  in  noch  früheren  Jahrzehnten  und  Jahrhunderten;  ihnen  hat  Fan  ton  i 
seinerzeit  einen  berühmt  gewordenen  Ausdruck  verliehen,  welcher  bereits  oben  erwähnt  worden 
ist:  Obscura  textura,  obscuriores  morbi,  obscurissimae  funetiones. 

Es  ist  nützlich,  noch  eine  zweite  Stimme  zu  hören.  Es  ist  diejenige  eines  Heros  der  anato- 
mischen, physiologischen  und  pathologischen  Forschung.  Gar  oft  hat  sie  den  Klang  der  Trauer, 
insofern  Henle  das  Ziel  mit  voller  Sicherheit  vor  Augen  sah,  aber  an  der  hartnäckigen  Schwierigkeit 
des  Gegenstandes  unmutig  verzweifelte. 

So  sagt  Henle  von  dem  Ziele:  „Stände  uns  eine  vollkommene  Einsicht  in  den  Bau  des 
Nervensystems  zu  Gebote,  so  hätte  die  anatomische  Beschreibung  die  Aufgabe,  jede  Faser  oder 
doch  jede  physiologisch  eigentumliche  Gruppe  von  Fasern  von  den  Nervenzellen,  aus  welchen  sie 
ihren  Ursprung  nehmen,  bis  zum  Orte  ihrer  peripherischen  Endigung,  oder  in  umgekehrter  Richtung, 
zu  verfolgen.  Die  peripherischen  Enden  werden  hier  nur  so  weit  abgehandelt,  als  sie  nicht  ihrer 
Gleichmäßigkeit  wegen  der  Physiologie  anheimfallen  (Muskelnerven)  oder  wegen  ihrer  Ausstrahlung 
in  besondere  Organe  zweckmäßiger  mit  diesen  Organen  in  der  Eingeweidelehre  dargestellt  wurden 
(Sinnesnerven).  Was  die  zentralen  Endigungen  der  Fasern  betrifft,  so  gestattet  der  gegenwärtige 
Zustand  unserer  Kenntnisse  nicht,  dieselben  aus  der  kompakten  Masse  der  sogenannten  Zentral- 
organe auszuscheiden.  So  weit  also  die  Fasern  der  peripheren  Nerven  durch  die  Zentralorgane 
verlaufen,  werden  sie  als  Bestandteil  der  letzteren  geschildert.  Dadurch  erhalten  die  Ausdrücke 
Wurzel  und  Ursprung  einen  Doppelsinn.  Sie  bedeuten  sowohl  die  an  der  Oberfläche  der  Zentral- 
organe austretenden  Fäden  und  deren  Austrittsstelle,  als  auch  die  Zellenfortsätze,  in  welche  die 
Nervenfasern  in  der  Tiefe  übergehen,  und  die  Zellen,  mit  welchen  sie  zusammenhängen.  Die 
letzteren  führen  in  Beziehung  zu  den  aus  ihnen  hervorgehenden  Nerven  auch  den  Namen  Kerne." 

Eine  andere  Stelle  bei  Henle  hat  folgenden  Wortlaut:  „Ebenso  unzulänglich,  wie  in  der 
Unterscheidung  der  Spezies  der  Nerven,  erweist  sich  die  anatomische  Untersuchung  in  der  Ver- 
folgung ihrer  Bahnen.  Sie  darf,  als  Resultat  der  mikroskopischen  Zergliederung  der  Nerven,  den 
Satz  aussprechen,  daß  jede  Faser  selbständig  und  ununterbrochen  vom  zentralen  zum  peripherischen 
Ende  verläuft;  aber  wie  die  Stämme  durch  gegenseitigen  Austausch  ihrer  Bündel  an  vielen  Stellen 
Geflechte  bilden,  so  gehen  die  sekundären  Bündel  auch  innerhalb  der  Stämme  Verflechtungen  ein, 
und  diese  sind  in  vielen  Nerven  so  häufig,  daß  der  einzelne  Strang  sich  kaum  auf  eine  Strecke 
von  einigen  Millimetern  isolieren  läßt.  Den  einzelnen  Primitivfasern,  die  man  nur  mikroskopisch 
zu  unterscheiden  und  demnach  nur  in  sehr  kleinen  Teilen  ihres  Weges  zu  übersehen  vermag,  durch 
diese  Anastomosen  nachzugehen,  ist  untunlich.  Noch  größer  sind  die  Schwierigkeiten,  wenn  es 
sich  um  den  Lauf  der  Nerven  in  den  Zentralorganen  handelt,  wo  die  Fasern  der  Nervenwurzeln 
sich  früher  oder  später  nach  dem  Eintritt  vereinzeln  und  zwischen  anderen  Elementen  zerstreuen. 
Die  Substanz  der  frischen  Zentralorgane  gestattet  ihrer  Weichheit  wegen  keine  Zerfaserung,  die 
Zerfaserung  der  gehärteten   enthüllt  nur  die  Richtung  der  groben  Züge,   und   die  Stillingsche 

Methode,  die  Zerlegung  des  gehärteten  Organs  in  feine  Scheiben,  läßt  Zweifel die  durch 

die  Meinungsverschiedenheiten   der  Beobachter  auf  diesem  Gebiete  nur  zu  anschaulich  werden." 

Aber  die  Zeit  der  Auffindung  weiterführender  Untersuchungsmethoden  war  damals  erst  im 
Anbrechen  begriffen.  Ein  Rückenmarkschema  von  wissenschaftlicher  Bedeutung  lieferte  zuerst 
Stilling  auf  Grund  der  von  ihm  erfundenen  Methode. 

Von  späteren  Darstellungen  ist  diejenige  von  Kölliker  (1867)  als  lehrreich  in  Betrachtung 
zu  ziehen.    Seine  Hauptsätze  sind  die  folgenden: 

.  1 .  Die  Fasern  der  motorischen  und  sensiblen  Wurzeln  haben  ihre  Ursprünge  (Endigungen)  teils 
im  Marke,  teils  im  Gehirne  mit  Inbegriff  der  Medulla  oblongata.  2.  Die  im  Marke  entspringenden 
Wurzelfasern  stammen  von  den  Nervenfortsätzen  der  Zellen  und  gibt  es  besonders  motorische  und 
sensible  Zellen.  3.  In  jeder  Rückenmarkshälfte  stehen  alle  Zellen  einer  Art  durch  ihre  verästelten 
Ausläufer,  indem  dieselben  wahrscheinlich  ein  Netz  bilden,  untereinander  in  Verbindung,  bilden  jedoch 
eine  gewisse  Zahl  Abteilungen  (Kerne),  die  auf  jeden  Fall  der  Menge  der  Wurzeln  entsprechen,  wahr- 
scheinlich aber  noch  zahlreicher  sind.  4.  In  derselben  Weise  hängen  auch  die  sensiblen  und  motorischen 
Zellen  und  die  Zellen  der  rechten  und  linken  Rückenmarkshälfte  durch  Anastomosen  zusammen. 
5.  Die  Richtigkeit  der  Annahme  solcher  Anastomosen  vorausgesetzt,  erscheint  es  ebenso  leicht  mög- 
lich, daß  dieselben  durch  die  unveränderten  verästelten  Zellcnausläufer  sich  machen  oder  daß  die- 
selben zum  Teil  überall  vorher  die  Natur  dunkelrandiger  Fasern  annehmen.  6.  Die  Zellen,  die  als 
Quellen  und  Enden  der  Wurzelfasern  sich  ergeben,  stehen  durch  besondere  Wurzelfasern  mit  dem 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  241 

Gehirn  in  Verbindung,  die  wahrscheinlich  alle  in  den  weißen  Strängen  verlaufen.  Da  die  Zahl  dieser 
Leitungsfasern  geringer  zu  sein  scheint  als  die  der  Wurzelfasern,  so  entspricht  wahrscheinlich  eine 
Leitungsfaser  immer  einer  Gruppe  von  Nervenzellen  und  Wurzelfascrn.  7.  Die  Leitungsfasern  sind 
allem  Anscheine  nach  ebenfalls  wie  die  Wurzclfasem  Fortsetzungen  von  Nervenfaserfortsätzen  der 
Zellen.  Ist  dem  so,  so  müssen,  da  keine  Zelle  zwei  Nervenfaserfortsätze  abgibt,  besondere  Zellen 
für  die  Leitungsfasern  angenommen  werden,  von  welchen  Leitungszcllen  dann  vor  allem  das  gelten 
würde,  was  unter  4  von  den  Anastomosen  von  vorn  nach  hinten  und  von  rechts  nach  links  bemerkt 
wurde.  Außerdem  könnten  auch  noch  manche  Zellen  vorkommen,  die  einfach  als  Bindeglieder 
dienen  und  weder  mit  Wurzelfasern  noch  mit  Leitungsfasern  unmittelbar  zusammenhängen." 

Wenn  man  bedenkt,  daß  diese  Angaben  vor  fünf  Dezennien  gemacht  worden  sind,  so  hat 
der  Satz  7  ein  besonderes  Interesse.  Man  erkennt,  daß  die  Vorstellung  von  Nerveneinheiten 
sich  in  demselben  bereits  glücklich  auszuprägen  beginnt. 

In  der  Tat  brauchte  Kölliker  in  seiner  neueren  Darstellung  des  Rückenmarkbaues  nur  auf 
diese  früheren  Vorstellungen  zurückzugreifen,  um  mit  gewissen  Modifikationen  den  neuen  Tat- 
sachen ganz  gerecht  zu  werden. 

Was  die  Leitungsbahnen  im  Gehirn  betrifft,  so  war  eine  Reihe  von  Forschern,  vor  allen 
Deiters,  mit  Aufwendung  von  allen  zu  Gebote  stehenden  Hilfsmitteln  bestrebt,  ein  Verständnis  des 
Hirnbaues  besonders  dadurch  zu  gewinnen,  daß  sie  den  Bau  verschiedener  Teile  des  Gehirnes,  in  erster 
Linie  denjenigen  der  Medulla  oblongata,  auf  den  Bau  des  Rückenmarkes  zurückzuführen  suchten. 

Ein  anderer  berühmter  Forscher,  Meynert,  nahm  seinen  Ausgangspunkt  überwiegend  von 
physiologischen  Überlegungen,  ohne  indessen  der  anatomischen  Grundlage  zu  entraten.  Er 
brachte  in  seinem  Hirnschema  die  innerhalb  des  ganzen  Gehirns  vorhandene  graue  Substanz, 
welche  ja  in  der  Tat  in  verschiedener  Weise  untergebracht  ist,  in  vier  große  Abteilungen,  indem 
er  unterschied: 

1.  die  flächenhaft  ausgebreitete  Substanz  der  Endhirnrinde; 

2.  die  graue  Substanz  der  von  ihm  unter  dem  Namen  Hirnganglien  zusammengefaßten 
Gebilde,  nämlich  des  Nucleus  caudatus  und  lentiformis,  des  Sehhügels  und  der  Vierhügel; 

3.  das  zentrale  Höhlengrau,  d.  i.  diejenige  graue  Substanz,  welche  in  der  Verlängerung 
der  grauen  Säulen  des  Rückenmarkes  die  Wandungen  des  vierten  Ventrikels,  der  Syl  vischen 
Wasserleitung,  des  dritten  Ventrikels  auskleidet; 

4.  die  grauen  Lager  des  Kleinhirnes,  mögen  sie  der  Rinde  des  Organes  angehören,  oder 
in  seiner  Tiefe  versteckt  liegen. 

Die  Leitungsbahnen  berücksichtigend,  sucht  Meynert  auf  physiologischem  Hintergrunde 
die  Hauptzüge  der  Hirnfaserung  zu  enthüllen.  Er  geht  dabei  von  dem  Grundgedanken  aus,  daß 
jeder  Teil  des  Körpers  in  unmittelbarer  leitender  Verbindung  mit  der  Endhirnrinde  steht,  indem 
dieselbe  die  Fähigkeit  besitzt,  einerseits  von  sämtlichen  empfindenden  Flächen  Empfindungseindrücke 
aufzunehmen,  andererseits  den  Muskeln  Bewegungsantriebe  zuzuschicken. 

Alle  peripheren  Teile  sind  dieser  Vorstellung  entsprechend  in  der  Hirnrinde  vertreten. 
Letztere  ist  als  eine  Projektionsfläche  anzusehen,  auf  welche  die  Außenwelt  projiziert  wird. 
Die  Leitungsbahnen  zwischen  der  Endhirnrinde  und  der  Peripherie  sind  daher  Projektions- 
systeme. 

Das  gesamte  Projektionssystem  ist  aber  kein  ununterbrochenes;  vielmehr  findet  nachMeynerts 
Anschauung  von  der  Hirnrinde  bis  zur  Peripherie  eine  zweimalige  Unterbrechung  durch  graue 
Massen  statt.     So  entsteht  ein  Projektionssystem  erster,  zweiter  und  dritter  Ordnung. 

Zunächst  konvergieren  die  von  der  Hirnrinde  sich  entwickelnden  Fasern  zu  den  von  Meynert 
als  Hirnganglien  bezeichneten  grauen  Massen  (Streifenhügel,  Sehhügel,  Vierhügel)  und  senken  sich 
in  dieselben  ein.    Dies  ist  das  Projektionssystem  erster  Ordnung. 

Mit  bedeutend  verringerter  Fasermenge  tritt  die  Fortsetzung  aus  den  genannten  Hirnganglien 
aus  und  verläuft  nun  als  Projektionssystem  zweiter  Ordnung  längs  des  ganzen  Hirnstammes 
und  längs  des  Rückenmarkes  abwärts,  um  in  der  ganzen  Ausdehnung  Fasern  an  die  zweite  graue 
Unterbrechungsmasse  abzugeben,  an  das  zentrale  Höhlengrau,  aus  welchem  nach  Meynert 
auch  die  graue  Substanz  des  Rückenmarkes  besteht.  Dieses  Grau  erstreckt  sich,  wie  schon  erwähnt, 
vom  dritten  Ventrikel  bis  zum  Conus  medullaris  des  Markes.  Demgemäß  haben  die  Fasern  des 
zweiten  Systemes  eine  sehr  verschiedene  Länge;  die  Dicke  des  Systemes  nimmt  hinten  allmählich 
ab,  die  Länge  zu. 


242 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Aus  dem  zentralen  Höhlengrau  entspringt  endlich  das  Projektionssystem  dritter  Ord- 
nung. Dieses  besteht  aus  den  peripheren  Nerven  und  zeichnet  sich  gegenüber  dem  zweiten  wieder 
durch  eine  bedeutende  Vermehrung  der  Faserzahl  aus.    Fig.  236. 

Das  Projektionssystem  erster  Ordnung  oder  das  erste  Glied  des  Projektionssystemes  bildet 
den  Hauptbestandteil  der  R  ei  Ischen  Stabkranzfaserung.  Das  zweite  Glied  des  Projektionssystemes 
stellt  die  Hauptfaserziige  des  Reilschen  Hirnschenkelsystemes  dar,  schließt  Fuß  und  Haube  des 
Hirnschcnkels  ein  und  geht  in  die  langen  Bahnen  des  Rückenmarkes  über;  das  dritte  Glied  des 
Projektionssystemes  wird,  wie  gesagt,  von  den  peripheren  Nerven  gebildet. 

Im  Gebiet  des  zweiten  Projektionssystemes  findet  eine  Kreuzung  der  Fasermassen  statt, 
so  daß  die  Endhirnhemisphären  mit  den  entgegengesetzten  Körperhälften  verbunden  sind.    In  das 
zweite  Projektionssystem  ist  ferner  das  Kleinhirn  eingeflochten,  welches  vorn  mit  den  Hirnganglien, 
beziehungsweise  mit  der  Endhirnrinde,   hinten   mit   dem  Rückenmark  Verbindungen  besitzt.     Das 
zweite  Projektionssystem  besteht  ferner  aus  zwei  verschiedenen  Bahnen, 
einer  ventralen,    dem   Hirnschenkelfuße,    und    einer   dorsalen,    der 
Hirnschenkelhaube.     Der  Fuß  steht  mit  dem  Nucleus  caudatus  und  lenti- 
formis,  die  Haube  mit  den  Sehhügeln  und  den  Vierhügeln  in  Verbindung. 
Erstere  werden   daher  als  Ganglien  des  Fußes,  letztere  als  Ganglien 
der  Haube  betrachtet.     Der  Fuß  des  Hirnschenkels  enthält  die  Willkür- 
bahnen, die  Haube  Reflexbahnen.    Ein  in  der  Substantia  nigra  enthaltenes 
Fasersystem  bildet  das  Stratum  intermedium. 

Dem  Projektionssysteme  stehen  gegenüber: 

1.  die   Kommissurensysteme,    welche  zur  Verbindung  iden- 
tischer Stellen  beider  Hälften  dienen  (Balken,  vordere  Kommissur); 

2.  die  Assoziationssysteme,  bestimmt  zur  Verbindung  ver- 
schiedener Stellen  derselben  Hemisphäre. 

Dies  sind  die  Grundzüge  der  Mey  nertschen  Lehre  des  Hirnbaues. 
Wie  überhaupt  Schemata  leicht  etwas  Wandelbares  haben,  so  blieb  auch 
das  bis  ins  einzelne  ausgearbeitete  System  Meynerts  von  dem  Schicksal 
nicht  verschont,  von  der  zunehmenden  Erfahrung  überholt  zu  werden. 
Viele  der  Säulen,  welche  zur  Stütze  des  Gebäudes  aufgerichtet  worden 
waren,  sind  unterdessen  gesunken,  und  man  möchte  befürchten,  auch  die 
letzten,  schon  geborsten,  könnten  über  Nacht  dahinstürzen.  Gewisse  Ge- 
danken aber,  wie  jene,  welche  die  Verknüpfung  der  Hirnrinde  und  der 
Außenwelt  durch  ein  großes  Projektionssystem  ausdrücken,  werden 
dennoch  bestehen  bleiben  und  fortwirken.  Meynert  kommt  zweifellos 
das  Verdienst  zu,  zum  ersten  Male  auf  einem  schwierigen  Gebiete  ein  umfassendes,  seinerzeit 
wohlberechtigtes  System  des  Hirnbaues  aufgestellt  zu  haben. 

Über  den  Begriff  des  Höhlengrau  ist  bereits  oben  (S.  193)  auf  Grundlage  der  neueren 
Erfahrungen  über  die  einheitliche  Entstehung  der  gesamten  grauen  Substanz  berichtet  worden. 
Kann  man  auch  das  Rinden-,  Kern-  und  Höhlengrau  in  sekundärer  Weise  voneinander  trennen,  so 
gehört  doch  die  graue  Substanz  des  Rückenmarkes  nicht  in  die  Abteilung  des  Hühlengrau,  sondern 
in  ihr  sind  sämtliche  graue  Unterabteilungen  voneinander  ungeschieden  vertreten.  Mit  anderen 
Worten,  die  beiden  Medullarplatten  des  Rückenmarkes  setzen  sich  mit  ihren  verschiedenen  Längs- 
zonen unmittelbar  in  die  Medullarplatten  des  Gehirnes  fort  und  lassen  aus  sich  die  verschiedenen 
Zonen  der  grauen  Masse  hervorgehen. 

Schwerer  fällt  in  das  Gewicht,  daß  in  dem  Mey  nertschen  Hirnschema  das  morphologische 
Element  nicht  genügend  vertreten  ist.  Das  Gehirn  ist  kein  so  einheitlicher  Körper,  wie  man  ihn 
gern  zu  betrachten  geneigt  war,  sondern  es  geht  aus  drei  morphologisch  gleichwertigen,  aufein- 
anderfolgenden Abteilungen  hervor,  den  drei  primären  Hirnbläschen,  die  sich  später  in  fünf 
Abteilungen  scheiden.  Vom  embryologischen  Standpunkte  ist  keine  andere  Einteilung  haltbar.  Das 
Vierhügelhirn  ist  morphologisch  betrachtet  nichts  weniger  als  ein  Ganglion  des  Großhirnes,  sondern 
übertrifft  das  Endhirn  an  morphologischer  Bedeutung,  insofern  letzteres  als  ein  Auswuchs  des 
Zwischenhirnes  zu  betrachten  ist.  Die  in  dem  Meynertschen  Schema  vorkommenden  Ganglien 
(Zwischenhirn,  Vierhügel)  sind  also  sämtlich  morphologische  Hirnabteilungen  mindestens  des- 
selben Ranges,  wie  das  Endhirn.    Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  auch  die  Untersuchung 


Fig.  236. 

Allgemeines    Schema    des 
Meynertschen    Hirnplanes. 

A  Vorderhirn ;  ß  Corpus 
striatum,  Sehhügel  und  Vier- 
hügel;  C  Höhlengrau  und 
Rückenmarkgrau.  /,  //,  /// 
die  drei  Glieder  des  gesamten 
Projektionssystems. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


243 


der  Leitungsbahnen  mit  dieser  Unterlage  zu  rechnen  hat  und  mehr  und  mehr  auf  embryologischem 
Boden  sich  bewegen  muß. 

Fußend  auf  der  Meynertschen  Theorie  der  Projektionssysteme  hat  die  Folgezeit  eine 
außerordentliche  Menge  von  physiologischen  und  pathologischen  Untersuchungen  hervorgebracht, 
auf  Grund  deren  die  psycho-motorischen  und  psycho-sensiblen  Felder  der  Großhirnrinde  bestimmt 
wurden,  wie  sie  in  den  Figuren  237—240  dargestellt  sind.  (Über  die  neueren  Anschauungen  ver- 
gleiche die  Figuren  250,  251.) 

Das  vor  drei  Jahrzehnten  (1883  u.  1885)  erschienene,  von  Chr.  Aeby  ausgearbeitete  Hirn- 
schema, durch  einen  Zeitraum  von  mehr  als  einem  Jahrzehnt  von  seinem  Vorgänger  geschieden, 
stellt  die  unterdessen,  insbesondere  mit  der  neuen  Markscheidenmethode  gewonnenen  bedeutungs- 
vollen Erfahrungen  übersichtlich  zusammen  und  fußt  dabei  insbesondere  auf  den  Beobachtungen  von 
Flechsig  und  Wernicke,  in  streitigen  Fragen  des  letzteren  Anschauung  bevorzugend. 


P.fr. 


P.fr. 


P.fv. 


Fig.  239. 

Laterale  Fläche  der  linken  Hemisphäre. 


P.fr. 


1  J 

Fig.  237.  Fig.  238. 

Dorsale  Fläche  der  linken        Ventrale  Fläche  der  rechten 

Hemisphäre.  Hemisphäre. 

Fig.  237—240.    Sensible  und  motorische  Rindenfelder 

nach  früherer  Darstellung; 

die  jetzigen  Anschauungen  siehe  in  Fig.  250,  251.  J 

In  allen  Figuren  bedeutet:    P.fr.  Polus  frontalis. 

1  Sehzentrum;  2  Geruchszentrum;  3  Geschmackszentrum  ; 

4  Gehörzentrum. 

Es  motorisches  Zentrum  der  oberen  Extremität;  Ei  motorisches  Zentrum  der  unteren  Extremität;  L,  P  motorisches  Zentrum 

des  Kehlkopfes  und  Gaumens;    Lo  Mi  motorisches  Zentrum  der  Sprache  und  der  Mimik;    Ma  motorisches  Zentrum  der 

Kaubewegungen;  O  motorisches  Zentrum  der  Augenbewegungen;    Tr  motorisches  Zentrum  der  Rumpfbewegungen. 


Fig.  240. 

Mediale  Fläche  der  rechten  Hemisphäre. 


Aeby  teilt,  indem  er  sich  sofort  auf  einen  gefährlichen  Weg  begibt,  nach  den  Lehren  der  ver- 
gleichenden Anatomie  das  zentrale  Nervensystem  in  ein  segmentales  und  nichtsegmentales  Gebiet 
ein.  Das  Rückenmark  ist  segmental  angelegt  und  richtet  sich  nach  der  allgemeinen  Wirbelgliederung, 
wie  ersieh  ausdrückt.  Das  Gehirn  aber  zerfällt  in  ein  segmentales  und  nichtsegmentales  Stamm- 
gebiet und  in  ein  Hemisphärengebiet  (siehe  auch  S.  234). 

a)  Das  segmentale  Stammgebiet  des  Gehirnes  enthält  segmentale  Bestandteile,  bis  zur 
völligen  Unkenntlichkeit  verwischt,  in  den  verschiedenen  Nervenkernen,  von  welchen  die  meisten 
dem  verlängerten  Marke  und  seinem  zentralen  Höhlengrau  angehören,  einige  aber  bis  zum  Höhlen- 
grau des  dritten  Ventrikels  vorrücken.  Die  unterste  Gruppe  der  Nervenkerne  gehört  dem  neunten 
bis  zwölften  Hirnnerven  an;  die  mittlere  dem  sechsten  bis  achten,  die  folgende  dem  fünften;  die 
vierte  Gruppe  ist  ausschließlich  motorisch  und  gehört  dem  dritten  und  vierten  Hirnnerven  an,  während 
die  Reihe  der  sensiblen  Kerne  vorn  mit  dem  Trigeminus  abschließt.    Im  ganzen  sind  also  vier 


244 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Gruppen  von  Nervenkernen  zu  unterscheiden.   Der  Olfactorius  ist  als  ein  direktes  Differenzierungs- 
produkt des  Vorderhirnes,  der  Optikus  als  ein  solches  des  Zwischenhirnes  zu  betrachten. 

b)  Das  nie htseg mentale  Stammgebiet  des  Hirnes  ist  gegeben  1.  durch  den  Haubenstrang, 
2.  durch  den  Schleifenstrang  (siehe  Fig.  241). 


PS  KS     Fc 

Fig.  241. 


Hlrnschema  bei  seitlicher  Ansicht.  (Chr.  Aeby.) 
c  Nucleus  fasciculi  euneati ;  g  Nucleus  fasciculi  gracilis;  O  untere  (große)  Olive;  Cb  Rinde  des  Kleinhirnes;  Vs  Vermis 
superior  des  Kleinhirnes;  d  Nucleus  dentatus  cerebelli ;  B  Brücke;  Np  Nucleus  pontis  lateralis;  Cq  Corpus  quadrigeminum  ; 
rk  roter  Kern  der  Haube;  S  Substantia  nigra  (Sömmerringi) ;  P  Putamen  (Linsenkorn  von  Aeby);  Gp  Globus  pallidus; 
Nc  Nucleus  caudatus;  o  vordere  Verbindung  zwischen  dem  Putamen  und  dem  Nucleus  caudatus ;  Th  Thalamus;  Ci  Cap- 
sula interna;  Cc  Corpus  callosum  ;  PV,  PS  Vorder-  und  Seitenstrangpyramidcnbahn ;  Py.Py  Pyramidenbahn,  dorsalwärts 
in  der  lindhirnrinde  endigend;  Ks  Kleinhirnseitenstrangbabn ,  zum  Oberwurm  (  Vs)  ziehend;  Fe  Fasciculus  euneatus; 
Fr  Funiculus  (Corpus)  restiformis;  Pcq  Crus  cerebelli  ad  corpus  quadrigeminum,  zum  roten  Kerne  und  von  ihm  zum 
Thalamus  und  Globus  pallidus  ziehend ;  Fg  Fasciculus  gracilis;  Seh  Schleifenstrang;  x  Bündel  der  Schleife  zum  Kleinhirne; 
Va  Vierhflgelarme  (Brachia  quadrigemina)  zum  Sehhügel ;  St  K  Stabkranz  des  Kleinhirnes;  StG  Stabkranz  des  Endhirnes  = 
Thalamusverbindung  des  Endhirnes,  deren  vier  in  der  Figur  gezeichnet  sind;  y  Verbindung  des  Nucleus  caudatus  mit 
dem  Globus  pallidus;  z  Verbindung  des  Globus  pallidus  mit  dem  Putamen  ;  BG,  BG  vorderes  und  hinteres  Bündel  des 
Brückenschenkels    des    Endhirnes;     Bl<    Brückenschenkel    des    Kleinhirnes;     ß5    Balkenstrahlungen    zur    Endhirnrinde 

(es  sind  deren  sieben  Linien  gezeichnet). 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


245 


Der  Haubenstrang  enthält  von  grauer  Substanz:  den  Kern  des  Keilstranges,  die  Olive,  den 
Nuclcus  dentatus  ccrebelli,  den  roten  Kern,  den  Sehliügel  und  den  Globus  pallidus  des  Linsen- 
kernes. Die  weiße  Substanz  des  Haubenstranges  besteht  aus  dem  Oliven-  und  Großhirnschenkcl 
des  Kleinhirnes. 

Der  Schleifcnstrang  enthält  von  grauer  Substanz:  den  Kern  des  Gollschen  Stranges,  die 
Ganglien  des  Vierhügels  und  den  Sehliügel.  Die  weiße  Substanz  des  Schleifenstrangcs  enthält  die 
Schleife,  die  Vierhügelarme  und  den  Gollschen  Strang. 

Der  Haubenstrang  (Fe)  geht  aus  den  hinteren  Grundbündeln  oder  dem  Keilstrange  des 
Rückenmarkes  hervor  und  tritt  in  den  Nucleus  fasciculi  euneati  (e)  ein.  Auch  weiter  cerebralwärts 
ist  seine  Neigung  groß,  graue  Massen  in  seine  Bahn  aufzunehmen,  indem  er  durch  die  Olive  (O), 
weiterhin  durch  den  Nucleus  dentatus  cerebelli  (d),  durch  den  roten  Kern  (rk)  unterbrochen  wird 
und  darauf  teils  zum  Sehhügel  (77*),  teils  zum  Globus  pallidus  (Gp)  zieht,  welcher  wesentlich  zum 
Sehhügel  gehört.    Die  aus  der  Olive   hervorgegangenen  Fasern   des  Haubenstranges   kreuzen  sich 


Fig.  242. 

Fig.  242.  Schema  des  Hirnschenkelfußes,  (v.  Bechterew.) 
qs  oberer  Vierhügel;  aS  Sylvische  Wasserleitung;  nr  roter 
Kern;  sn  Substantia  nigra;  Im  Lemniscus  mediaüs;  sein  medialer 

Abschnitt    besteht    hauptsächlich    aus    Fasern ,    welche    aus    den  Fig.   243. 

Kernen  der  Keilstränge,  sein  lateraler  Abschnitt  hauptsächlich  aus 

solchen,  welche  aus  den  Kernen  der  zarten  Stränge  hervorgehen;  Ims  Lemniscus  lateralis;  6  Fasern  des  lateralen  oder 
hinteren  Brückensystemes;  4  Fasern  des  Pyramidenstranges;  3  Fasern  motorischer  Hirnnerven ;  5  Fasern  motorischer  Hirn- 
nerven,  welche  die  in   der  Schleifenschicht  zerstreuten  (2)  Fasern   des  vorderen   oder  medialen  Brückensystemes  bilden. 

Fig.  243.    Schematische  Darstellung  der  Faserverteilung  in  der  inneren  Kapsel,     (v.  Bechterew.) 
/,  //,  ///  die  drei  Teile  des  Nucl.  lentiformis;  nc  Nucleus  caudatus;  Fh  Thalamus;  gp  Globus  pallidus;  pt  Putamen  nuclei 
Ientiformis;    1   Fasern  des  Pedunculus  anterior  thalami;    2  Fasern   des  medialen  Brückensystemes;    3  Fasern  motorischer 
Hirnnerven;     4   Pyramidenbündel;    5    Pyramidenbündel,    gemischt  mit  den  sensiblen   Bahnen;    6   Fasern  des  lateralen 

Brückensystemes. 


mit  denjenigen  der  anderen  Seite  und  bilden  den  Olivenschenkel  des  Kleinhirnes,  d.  h.  den  Haupt- 
teil des  Corpus  restiforme  (Fr).  Aus  der  konkaven  Fläche  des  Nucleus  dentatus  cerebelli  hervor- 
tretend, bilden  sie  den  Vierhügel-  oder  richtiger  Großhirnschenkel  des  Kleinhirnes  (Pcq),  der  auch 
bekanntlich  Bindearm  genannt  wird.  Jenseits  des  roten  Kernes  erfolgt  die  erwähnte  Gabelung  in 
zwei  Endäste,  deren  einer  zum  Globus  pallidus,  der  andere  zum  Sehhügel  zieht.  Eigentümliche 
Zellenmassen  (die  Substantia  nigra  und  der  Luyssche  Körper),  die  vielleicht  zum  System  des 
Globus  pallidus  gehören,  sind  teils  an-,  teils  eingelagert. 

Der  Schleifenstrang  (Seh)  geht  aus  dem  Fasciculus  gracilis  (Fg)  hervor,  der  in  den  Nucleus 
fasciculi  gracilis  (g)  einmündet.  Die  aus  diesem  hervortretende  Fasermasse  gibt  ein  kleines  Bündel  (x) 
an  die  gleichseitige  Kleinhirnhälfte  ab,  biegt  darauf  in  scharfem  Bogen  um  die  Kerne  der  Vagusgruppe 
nach  vorn,  überschreitet  die  Mittellinie  (was  bei  der  Projektion  des  Faserverlaufes  auf  die  Sagittal- 
ebene  nicht  zu  sehen  ist)  und  gelangt  so  zur  ventralen  Seite  des  Crus  cerebelli  ad  Corpus  quadri- 
geminum  (Pcq)  der  anderen  Seite.  Der  Schleifenstrang  vervollständigt  auf  diese  Weise  die  Haube 
des  Mittelhirnes  als  deren  unterste,  von  der  Substantia  nigra  begrenzte  Abteilung.  Die  Fasermasse 
des  Haubenstranges  ordnet  sich  schließlich  zu  drei  Bündeln,  welche  seitlich  über  den  Haubenstrang 

Rauber-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  13 


246  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

hervortreten  und  ihn  dorsalwärts  oberflächlich  umgreifen.  Der  obere  (vordere)  von  ihnen  geht 
geradeswegs  zum  gleichseitigen  Sehhügel  (Th);  der  mittlere  und  wahrscheinlich  auch  der  untere 
durch  das  Ganglion  des  vorderen  und  hinteren  Vierhügels  (Cq)  zum  entgegengesetzten  Sehhügel. 
Die  Strecke  zwischen  Vierhügel  und  Sehhügel  entspricht  den  Brachia  quadrigemina. 

Die  Bildung  des  Schleifenstranges  verhält  sich  im  Ruckenmark  anders  als  die  des  Hauben- 
stranges. Jener  entsteht  so,  daß  von  den  Hintersäulen  ausgehende  aufsteigende  Fasern  allmählich 
sich  zur  Schleifenbahn  zusammenlegen,  nachdem  die  Fasern  beider  Seiten  sich  vorher  schon  ge- 
kreuzt haben. 

Der  Anschluß  der  von  dem  Kern  des  Keilstranges  medullarwärts  ziehenden  Fasern  an  die  ein- 
zelnen Rückenmarksegmente  ist  dagegen  großenteils  nur  ein  mittelbarer,  durch  kurze  Bahnen 
von  Segment  zu  Segment  dargestellter.  Auch  die  Fasern  des  Keilstranges  erfahren  jedoch  eine 
Kreuzung.  Diese  Kreuzung  ist  für  die  Gol Ischen  Stränge  vielleicht  eine  direkte,  schon  durch  die 
Nervenwurzeln  geschehende,  für  die  Keilstränge  eine  indirekte. 

c)  Das  Hemisphärengebiet  des  Gehirnes.  Es  besteht  aus  der  Rinde  des  End-  und 
Kleinhirnes,  sowie  aus  dem  Nucleus  caudatus  und  lentiformis.  Als  Linsenkern  ist  nur  das  Putamen 
zu  betrachten,  während  der  Globus  pallidus  dem  Sehhügel  zugehört.  Die  Verbindungen  der  Hemi- 
sphärenrinde  sind  teils  äußere  (zum  Anschluß  an  medullarwärts  gelegene  Teile),  teils  innere  (zur 
gegenseitigen  Verbindung  einzelner  Rindengebiete).  Zur  ersteren  Abteilung  gehört  die  Pyramiden- 
bahn (Py),  welche  sich  aus  einem  Vorderstrang-  und  Seitenstrangteile  zusammensetzt,  und  die 
Kleinhirnseitenstrangbahn  (KS),  erstere  zur  Rinde  des  Endhirnes,  letztere  zur  Rinde  des 
Kleinhirnes  ziehend.  Pyramiden-  und  Kleinhirnseitenstrangbahn  verbinden  das  Rindengebiet  mit 
dem  segmentalen  Gebiete.  Zur  Verbindung  der  Rinde  mit  dem  n  ichtsegmentalen  Stamm- 
gebiet ist  der  Stabkranz  des  End- und  des  Kleinhirnes  bestimmt.  Als  solchen  bezeichnet  Aeby 
die  radiär  gestellten  Fasern  zwischen  der  Rinde  und  den  nächstgelegenen  Ganglien,  welche  am 
Großhirn  durch  den  Sehhügel  und  Globus  pallidus,  am  Kleinhirn  durch  den  Nucleus  dentatus  ge- 
geben sind.  Als  Stabkranz  des  Endhirnes  sind  also  in  Fig.  241  die  von  der  Endhirnrinde  zum 
Sehhügel  (Th)  ziehenden  Faserbündel  (StG)  zu  betrachten.  Die  Verbindung  des  Nucleus  caudatus 
(Nc)  und  lentiformis  (P)  mit  dem  Globus  pallidus  (Gp)  wird  durch  die  Bündel  y  und  z  dargestellt. 
Am  Kleinhirn  haben  wir  den  Stabkranz  in  den  Bündeln  StK.  vor  uns. 

Die  inneren  Rindenverbindungen  sind  teils  solche,  die  zwischen  der  End-  und  Kleinhirn- 
rinde bestehen,  teils  eigene  Rindenverbindungen  des  End-  und  Kleinhirnes.  Letztere  sind  gegeben 
durch  die  Windungskommissuren  des  End-  und  Kleinhirnes  (Fibrae  arcuatae,  Gewölbe,  Balken, 
vordere  Kommissur).  In  Fig.  241  ist  von  solchen  nur  der  Balken  (Cc)  mit  seiner  Strahlung  (BS) 
gezeichnet. 

Die  Rindenverbindungen  zwischen  End-  und  Kleinhirn  sind  gegeben  durch  die  Brücken- 
schenkel des  End-  und  Kleinhirnes.  Die  Brückenschenkel  des  Kleinhirnes  gehen  von  der  Klein- 
hirnrinde aus  und  gelangen  zu  den  seitlichen  Brückenganglien  (Np).  Von  letzteren  aus  nehmen 
die  Brückenschenkel  des  Endhirnes  (BG)  ihren  Anfang,  gelangen  zur  Mittellinie,  kreuzen  sich  hier 
mit  denjenigen  der  anderen  Seite  und  ziehen,  der  Pyramidenbahn  mit  einem  medialen  und  late- 
ralen (vorderen  und  hinteren)  Bündel  anliegend,  mit  letzterer  durch  die  innere  Kapsel  (CT)  zur 
Rinde.  Das  vordere  Bündel  gelangt  dabei  zu  Gebieten,  welche  vor,  das  hintere  zu  solchen, 
welche  hinter  dem  Rindengebiete  der  Pyramidenbahn  liegen.  Jenes  verteilt  sich  im  Stirn- 
lappen und  gilt  als  motorisch,  das  hintere  dagegen  im  Hinterhaupt-  und  Schläfcnlappen  und  gilt 
als  sensibel.  — 

Hiermit  ist  uns  der  Inhalt  dieses  Hirnschema  bekannt  geworden.  Erleichtert  wird  die 
Orientierung  in  den  Lageverhältnissen  und  besonders  in  den  Kreuzungen  noch  durch  eine  von 
Aeby  gegebene  Projektion  des  Faserverlaufes  auf  die  Frontalebene,  auf  welche  nebst  dem  aus- 
fuhrlicheren Texte  hier  hinzuweisen  ist.  Mehr  noch  erleichtert  wird  das  Studium  durch  das  unter 
Aebys  Leitung  hergestellte  große  Drahtmodell  der  Leitungsbahnen,  welches  mit  anderen, 
neueren  Modellen  ähnlicher  Art,  wie  dem  von  L.  Edinger,  von  J.  Kollmann,  wohl  in  allen 
anatomischen  Instituten  Aufstellung  gefunden  hat,  um  den  Zwecken  des  Studiums  zu  dienen. 

Hier  würde  sich  nun  der  Hirnplan  von  P.  Flechsig  unmittelbar  anzureihen  haben.  Er 
unterscheidet  sich  von  dem  Aebyschen  Schema  in  sehr  wesentlichen  Punkten. 

Flechsig  geht  aus  von  der  größeren  oder  geringeren  Versorgung  der  einzelnen  Teile  der 
Großhirnrinde  mit  Nervenfasern  und  dem  Zeitpunkt  der  Entwicklung  der  Markscheiden  (siehe  S.  237 
unter  5).    Er   äußert  sich   (1901)  über  die  myelogen  ctische  Flächengliederung  der  Rinde  des 


Die  Lcitungsbahiien  des  Zentralnervensystems. 


2-17 


menschlichen  Endhirnes  folgendermaßen.     Auf  gewissen  Altersstufen   differenzieren   sich  die  Win- 
dungen in  markreiche,  markarme  und  marklosc  Gebiete.     Die  Zahl  der  myelogenetischen  Rinden- 


245).     Es  lassen  sich   drei   chronologische  Gruppen 
Intcrmediärgebiete,  3.  Terminalgebiete.    Jedes  Feld  nimmt 


Fig.  244. 

Myelogenetlsche  Rindenfelder  des  menschlichen  Endhirns, 
äußere  Fläche.    (P.  Flechsig,  1901.) 


leider  beträgt  36  (siehe  Fig.  244  und 
unterscheiden:  1.  Primordialgebiete,  2. 
eine  besondere  anatomische  und  dem- 
gemäß auch  funktionelle  Stellung  ein. 
Die  durchschnittliche  Größe  eines 
Rindenfeldes  beträgt  20qcm. 

Anatomisch  sind  die  Rindcn- 
felder  vor  allem  durch  ihren  großen 
Reichtum  an  Projektionsfasern  (Lei- 
tungen von  und  nach  subkortikalen 
Zentren)  ausgezeichnet.  Die  Primor- 
dialgebiete umfassen  die  Eintritts- 
stellen aller  Sinnesleitungen  in  die 
Rinde.  Jedem  sensiblen  Endorgane  der 
Peripherie  entspricht  in  der  Rinde  ein 
besonderes  Primordialgebiet:  kortikale 
Sinneszentren  oder  kortikale  Sinnes- 
flächen. 

Dem  Olfactorius  entspricht  N.  2, 
dem  Opticus  4,  dem  Acusticus  (coch- 
learis)  5  usw.     N.  1  ist  als  Endorgan 

besonders  der  Hinterstränge,  also  hinterer  Wurzeln  anzusehen;  Haut- und  Muskelnerven  scheinen  hier 
nebeneinander  vertreten  zu  sein.  Für  manche  Primordialgebiete,  z.  B.  den  Gyrus  subangularis  N.  10 
ist  vorläufig  kein  peripheres  Endorgan  bekannt.  Die  einzelnen  kortikalen  Sinnesflächen  sind  durch 
weite  Rindenstrecken  (Intermediär-  und  Terminalgebiete)  getrennt,  in  welche  Sinnesleitungen  nicht 
eintreten. 

Auch  die  bekannten  moto- 
rischen Leitungen  entspringen  in 
bez.  unmittelbar  neben  Primordial- 
gebieten,  so  die  Pyramidenbahn  in 
N.  1,  der  motorische  Teil  des  Fornix 
inferior  in  N.  2  und  3,  die  medialen 
Bündel  des  Hirnschenkelfußes  in  N.  1  b , 
6,  12,  14  und  15.  Betreffs  der  Ge- 
biete 5  und  36  besteht  noch  Unsicher- 
heit. Aus  4  geht  ein  Faserzug  bis  ins 
mittlere  Mark  des  oberen  Vierhügels, 
welcher  in  der  „sekundären"  Sehstrah- 
lung von  Flechsig  verläuft.  Jeder 
kortikopetalen  Bahn  entspricht  hiernach 
eine  kortikofugale  Bahn,  so  daß  man 
hier  von  konjugierten  Leitungen  spre- 
chen kann.  Was  ihre  Lage  im  Stab- 
kranze betrifft,  so  folgen  sie  im  all- 
gemeinen der  Regel,   daß   die  kortikopetalen   Leitungen  lateral  von  den  kortikofugalen  liegen. 

Innerhalb  der  Primordialgebiete  mischen  sich  beiderlei  Leitungen  nicht  gleichmäßig.  So  tritt 
in  N.  1  die  Taststrahlung  meist  in  die  hintere  Zentralwindung,  nur  mit  wenigen  Fasern  in  die  vordere, 
während  die  (motorische)  Pyramidenbahn  großenteils  aus  den  vorderen,  kleinenteils  aus  der  hinteren 
Zentralwindung  entspringt.  Nirgends  läßt  sich  jedoch  ein  rein  sensibles  oder  ein  rein  motorisches 
Feld  abgrenzen.  Die  Hörsphäre  (N.  5),  zu  welcher  aus  dem  inneren  Kniehöcker  und  Thalamus 
Leitungen  treten  (Hörstrahlung,  Cochlearisstrahlung),  entsendet  Fasern  zur  Brücke,  welche  kortiko- 
fugal  zu  leiten  scheinen.  Der  Ursprung  erstreckt  sich  wohl  noch  etwas  über  5  hinaus  auf  den  in 
der  ersten  Temporalfurche  verborgenen  Teil  der  zweiten  Schläfenwindung.  Ganz  fraglich  ist  dagegen 
die  Beteiligung  des  oberflächlichen  Gebietes  der  zweiten  und  der  dritten  Schläfenwindung. 

13* 


Fig.  245. 

Myelogenetlsche  Rindenfelder  des  menschlichen  Endhirns, 
mediale  Fläche.    (P.  Flechsig,  1901.) 


248  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

In  den  Terminal-  und  den  meisten  Intermediärgebieten  läßt  sich  ein  Stabkranz  nicht  nach- 
weisen; die  Projektionsfasern  treten  an  Menge  also  zurück;  sie  verschwinden  fast  neben  andersartigen 
Leitungen.  Am  erwachsenen  Gehirn  sind  die  Verhältnisse  zu  verwickelt  für  sichere  Entscheidung:  so 
konnte  es  kommen,  daß  zwei  mächtige  Projektionssysteme  (Fasciculus  longitudinalis  inferior 
und  Cingulum)  fälschlich  für  Assoziationssysteme  erklärt  worden  sind.  Bei  3l/j  monatigen 
Kindern  dagegen  ist  die  Unterscheidung  sicher  zu  machen.  Fl.  hält  es  demgemäß  für  irrtümlich, 
annehmen  zu  wollen,  daß  die  Windungen  des  Endhirncs  in  gleicher  Weise  mit  Stabkranzfasern 
ausgestattet  seien. 

Die  klinische  Beobachtung  steht  nach  Fl.  mit  den  myelogenetischen  Erfahrungen  in 
befriedigendem  Einklänge:  Störungen  der  Motilität  und  Sensibilität  werden  nur  bei  Verletzungen 
der  Primordialgebiete  beobachtet.  Bei  Verletzungen  von  Intermediär-  und  Terminalgebieten  sind 
hingegen  nur  gewisse  Formen  von  Sprachstörung  (Alexie,  optische  Aphasie,  sensorisch  amnestische 
Aphasie  usw.)  und  partieller,  z.  B.  optischer  Amnesie  bekannt. 

Was  die  üblichen  Vorstellungen  über  den  Assoziationsmechanismus  betrifft,  so  hebt  Fl.  hervor, 
daß  die  Fibrae  arcuatae  gyrorum  zwischen  allen  benachbarten  Feldern  vorhanden  sind.  Weiter  aus- 
einanderliegende Felder  werden  durch  lange  Fasern  verknüpft,  sind  aber  noch  sehr  unvollkommen 
bekannt.  Keineswegs  treten  alle  Felder  mit  langen  Bahnen  in  ausgiebige  Verbindung.  Wie  hin- 
sichtlich der  Stabkranzfasern,  so  sind  auch  hinsichtlich  der  langen  Assoziationssysteme  die  Rindenfelder 
in  höchst  auffälliger  Weise  voneinander  unterschieden.  Die  Termi  nalgebiete  sind  am  reichsten 
an  langen  Assoziationsbahnen;  es  sind  die  Knotenpunkte  der  letzteren.  Kein  langes  Assoziations- 
bündel verknüpft  zwei  als  Sinneszentren  aufzufassende  Primordialgebiete.  Der  Fasciculus  longitudinalis 
inferior,  welcher  als  Gegenbeweis  angeführt  zu  werden  pflegt,  ist  gerade  ein  Beweismittel:  denn  er 
ist,  wie  oben  erwähnt,  ein  Projektionssystem,  nämlich  die  wirkliche  Sehstrahlung,  die  Leitung 
der  optischen  Erregungen  vom  äußeren  Kniehöcker  zur  Sehrinde.  Sollen  ein  Gesichts-  und  ein  Ge- 
höreindruck sich  in  der  Endhirnrinde  begegnen,  so  kann  dies  nur  durch  Vermittlung  von  Inter- 
mediär- und  Terminalgebieten  geschehen.  „Ist  die  Interferenz  der  Reize  Vorbedingung  für  die  Asso- 
ziation ihrer  Gedächtnisspuren,  so  kann  auch  hierzu  die  Rinde  der  Intermediär-  und  Terminalgebiete 
nicht  entbehrt  werden.  Insofern  sind  dieselben  Assoziationszentren;  und  hierfür  spricht  in  der  Tat 
die  klinische  Beobachtung,  wonach  bei  Verletzung  der  zwischen  Seh-,  Hör-  und  Tastsphäre  ge- 
legenen Gebiete  eben  Assoziationsstörungen,  deren  bekannteste  die  sensorische  Alexie  ist,  auftreten." 
Fl.  schließt  seine  Darlegung  mit  dem  Hinweise  auf  den  wichtigen  Umstand,  daß  die  Untersuchung 
des  menschlichen  Gehirnes  auf  diesem  Gebiet  weitaus  die  besten  Ergebnisse  liefert.  »Die  zugrunde 
liegenden  Entwicklungsgesetze  treten  aber  beim  Menschen  in  dem  Maße  klarer  hervor,  als  sein 
Intellekt  den  der  Tiere  überragt."  — 

Wir  wenden  uns  nunmehr  zu  Cajals  Untersuchungen.  In  ihnen  hat,  so  wird  dereinst  wohl 
die  Geschichte  der  Wissenschaft  es  darstellen,  die  gegenwärtige  elementare  Epoche  der  anato- 
mischen Erforschung  des  Nervensystemes  ihren  Höhepunkt  erreicht.  Dies  rührt  daher,  daß  von  hier 
an  die  Nerveneinheiten  und  zugleich  die  Hauptzüge  ihrer  gesamten  Unterbringung  im  Körper 
aufgedeckt  und  sofort  auch  in  den  Vordergrund  der  Forschung  gerückt  erscheinen.  Damit  ist  die 
Grundlage  für  alle  Zeiten  gewonnen.  Erreicht  wurden  diese  Ergebnisse  durch  die  glücklichste  Be- 
nutzung einer  ausgezeichneten  Methode,  der  Golgi sehen  Silbermethode  nebst  ihren  Modifikationen. 
Man  muß  die  früheren  großen  Beobachter  auf  dem  Gebiete  des  Nervensystemes,  Reil,  Burdach, 
Arnold,  Henle  und  viele  andere,  bedauern,  daß  ihre  Sehnsucht  ungestillt  geblieben  ist  und  daß 
sie  die  gegenwärtige  Zeit  nicht  gesehen  haben.  Was  noch  zu  erledigen  übrig  bleibt,  ist  Weiter- 
führung  der  Beobachtung,  bis  mit  Hilfe  der  neueren  Methoden  die  Topographie  sämtlicher  Nerven- 
einheiten ermittelt  ist.  —  Cajal  faßte  die  Resultate  seiner  Untersuchungen  über  den  Bau  des 
Nervensystemes  folgendermaßen  zusammen.    .Meine  Arbeiten  zeigten: 

1.  daß  die  Ganglienzellen  Zellindividualitäten  sind  und  niemals  untereinander,  weder  durch 
die  protoplasmatische  Verzweigung,  noch  durch  die  Ausbreitungsweise  der  nervösen  Fortsätze  zu- 
sammenhängen; 2.  daß  jeder  Axenzylinder  unter  Bildung  von  varikösen  und  geschlängelten  Ver- 
zweigungen nach  Art  der  Nervenausbreitung  in  der  motorischen  Muskelplatte  endigt;  3.  daß  diese 
Verzweigungen  teils  dem  Körper  einer  Nervenzelle,  teils  den  Protoplasmafortsätzen  anliegen  und 
so  für  die  Fortleitung  von  Reizen  äußerst  günstige  Kontaktverhältnisse  herstellen;  4.  daß  der  Zell- 
körper sowohl,  wie  die  Protoplasmafortsätzc  nicht  nur  nutritive,  sondern  auch  leitende  Funk- 
tionen haben." 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


249 


Das  gegebene  Rückenmarksschema  liegt  in  Fig.  246  vor  und  kann  auf  Grund  der  früheren 
Darstellung  ohne  weitere  Auseinandersetzung  unschwer  verstanden  werden.  Die  Unterschiede  von 
der  älteren  Theorie  des  Rückenmarkbaues  ergeben  sich  am  deutlichsten  bei  einer  Vergleichung 
der  Fig.  246  u.  247. 


Kollateralen  aus  Fasern  des  Fasciculus  gracilis 
Kollateralen  zur  Hintersäule  ; 

Kollatcralen  zur  Vordersäule  \         ; 


Hintere  Wurzelfasern 
mit  Kollateralen 


Zelle  des  Nucleus  dorsalis 

:  Kleine  Zelle  der  Substantia  gelatinosa  posterior 

i  /  Marginalzeile 


Teilung  der  hinteren 

Wurzelfaser  in  einen 

aufsteigenden  und  einen 

absteigenden  Ast 
Querschnitt  einer 

Nervenfaser 
Neurit  einer 

Marginalzeile 
Neurit  einer  Zelle  des 
Nucleus  dorsalis 


Kollateralen  von  Fasern 
d.  Vorderseitenstranges 


Strangzelle  mit  Neurit 
und  Kollaterale 


Kommissurenzelle 

Strangzelle 

der  Vordersäule 

Motorische 

Vordersäulenzelle 


*  Vordere  Wurzelfaser 


Kollateralen  aus  Fasern  des  Vorderstranges  zur  Neurit  einer  Kommissurenzelle 

Vordersäule  derselben  und  der  anderen  Seite 

Fig.  246. 

Rückenmarkschema,    welches    die    Beziehungen   zwischen    den    einzelnen    Elementen    nach    den    Entdeckungen 

von  Cajal  zeigt. 


Hintere  Wurzelfaser,  in  einer  Zelle  des 
Nucleus  dorsalis  entspringend      | 

I 


Hintere  Wurzelfasern,  /N*- 

im  allgemeinen  Netz  endigend  i  m 


Kleinhirn-Seitenstrang-Bahn  .•■/- 


Zellen  der  Hintersäule,  welche 

sich    mit   ihren    Dendriten    am 

allgemeinen  Netz  beteiligen 

Wurzelzelle    der    Vordersäule, 

deren  Protoplasmafortsätze  ein 

Netz    bilden,     in    welches    die 

hinteren  Wurzeln  einmünden 


Motorische  Vordersäulenzelle 

Pyramiden-Vorderstrang-Bahn 


Unipolare  Zellen  des  .Spinalganglion 


Endigung  einer  hinteren  Wurzel- 
faser im  Netz  der  Hintersäule 
Hintere  Wurzelfaser 

zum  Seitenstrang 

Faser  aus  dem  Nucleus  dorsalis 
zum  Seitenstrang 

Seitenstrang 


Motorische  Vordersäulenzelle 


Motorische  Wurzelfasern 

von  derselben  Seite 
Motorische  Wurzelfaser  aus 
•  der  Gegenseite  kommend 

Zelle  des  Nucleus  dorsalis 
Nucleus  dorsalis 
Fissura  mediana  ant. 


Fig.  247. 

Darstellung  der  früheren  Theorie  über  den  Zusammenhang  der  vorderen  und  hinteren  Rückenmarkswurzeln.  (Cajal.) 

(Diese  Theorie  findet  durch  die  neueren  Untersuchungen  wieder  bedeutende  Unterstützung.) 


250 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Gegenüber  den  Anschauungen  von  Cajal  hat  durch  die  Untersuchungen  v.  Bethe  und  zahl- 
reichen anderen  Autoren  auf  Grund  der  Darstellung  der  Neurofibrillen  wieder  die  alte  Anschauung 
vom  Vorhandensein  eines  Nervennetzes  neue  Unterstützung  erhalten,  und  es  kann  wohl  kaum 
bezweifelt  werden,  daß  ein  nervöses  Netz  bereits  an  vielen  Stellen  sicher  nachgewiesen  ist  (siehe 
darüber,  S.  5,  6). 


äßmL 


Fig.  248. 
Linke  Hälfte  des  Gehirnganglion  von  NereTs  dlverslcolor 

(eines  Polychäten)  nebst  den  mit  ihm  zusammenhängenden  Nervenzweigen  von  der  Dorsalseite  gesehen.  Methylenblau- 
färbung, Bethesche  Fixation.  (G.  Retzius,  1896.)  2/3  des  Originals,  welches  beide  Seilen  darstellt. 
gl  vordere  Gruppe  von  Ganglienzellen;  ga,  gs  seitliche  Gruppe  von  Ganglienzellen  ;  g8  hintere  Gruppe  von  Ganglienzellen; 
sn  bipolare  Nervenzellen  von  sensiblem  Typus,  deren  periphere  Fortsätze  nach  einer  Hautstelle  ziehen,  um  dort  zu  endigen; 
pr  vordere  Haufen  grober  Körner;  an  Antennennerven;  a  Antenne;  m  baumartig  verästelte  Nervenfasern  (Muskelnerven); 
k  Nervenäste  mit  kolbenartig  gestalteter  Verzweigung  der  grobkörnigen  Fasern  ;  pn  Palpennerven  ;  p  Palpen  ;  c  kommissurale 
Zweige  des  Bauchstranges  (zum  Unterschlundganglion  ziehend);  au  pigmentierte  Augen. 


Von  den  Ergebnissen  der  Untersuchungen  Cajals  über  den  feineren  Bau  des  Gehirnes 
ist  bereits  an  zahlreichen  Stellen  dieser  Abteilung  die  Rede  gewesen  (S.  174 — 196)  und  an  dieser 
Stelle  hierauf  zu  verweisen. 

In  der  vergleichenden  Anatomie  der  Leitungsbahnen  sind  in  überraschend  kurzer  Zeit 
bedeutende  Leistungen  zutage  gefördert  worden,  vor  allem  auf  dem  ausgedehnten  und  viel  um- 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


251 


fassenden  Gebiet  der  Wirbellosen.    Der  größte  Teil  dieser  Leistungen   knüpft  sich  an  die  be- 
wunderungswürdigen Untersuchungen  von  G.  Retzius  über  diesen  schwierigen  Gegenstand. 

Ein  Beispiel  seiner  in  mehreren  Foliobänden  niedergelegten  Beobachtungen  gibt  nebenstehende 
Figur,  welche  die  linke  Hälfte  des  oberen  Schlundganglions  jenes  durch  seinen  Farbenreiz  und  die 
Eleganz  seiner  Bewegungen 
einnehmenden  Polychäten  dar- 
stellt, der  als  Nerei's  diver- 
sicolor  bekannt  ist;  siehe 
Fig.  248. 

Das  Feld  der  niederen 
und  höheren  Wirbeltiere  be- 
züglich der  nervösen  Leitungs- 
bahnen vergleichend  zu  bear- 
beiten, ist  von  L.  Edinger 
mit  schönem  Erfolge  begonnen 
worden.  Man  darf  nicht  ver- 
gessen, jede  Tiergruppe,  selbst 
nur  ein  Tier,  ist  in  der  Regel 
die  Forderung  einer  Lebens- 
arbeit, wenn  das  Ergebnis  jene 
Stufe  erreichen  soll,  welche  von 
der  Höhe  der  Alethode  gebiete- 
risch verlangt  wird. 

Ein  kleines  Beispiel  der 
Beobachtungen  Edingers 
liegt  vor  in  Fig.  249,  welche 
einen  Horizontalschnitt  durch 
das  Gehirn  von  Scyllium  cani- 
cula  wiedergibt. 

Endlich  sind  hier  zu 
erwähnen  die  schon  früher 
(S.  178)  besprochenen  Ergeb- 
nisse der  Untersuchungen  des 
Schichtenbaues  der  Großhirn- 
rinde. Schon  früher  waren 
gröbere  Unterschiede  einzelner 
Teile  der  Großhirnrinde  fest- 
gestellt worden.  Die  plan- 
mäßigen Untersuchungen  von 
Brodmann  haben  eine  über- 
raschende Mannigfaltigkeit  des 
Baues  verschiedener  Teile  er- 
geben und  was  an  dieser  Stelle  besonders  betont  werden  muß,  sie  haben  gezeigt,  daß  eine  ganze 
Anzahl  der  anatomisch  verschiedenen  Rindenfelder  mit  physiologisch  bestimmten  Zonen, 
den  psychischen  Zentren,  mehr  oder  weniger  übereinstimmen  (siehe  Seite  178,  179  und  vergl. 
die  Fig.  152,  153  und  192,  193  mit  den  Fig.  250,  251). 

Nach  dieser  historischen  Betrachtung  ist  noch  die  Aufgabe  zu  erfüllen,  eine 
Zusammenfassung  der  Hauptergebnisse  vorzulegen,  welche  dem  gegen- 
wärtigen Standpunkt  der  Lehre  von  den  Leitungsbahnen  entspricht  und  für 
die  Zwecke  des  Studierenden  sich  eignet.1) 


Tela  chorioidea 
Tractus  striothalamicus 

Tractus  opticus 


—  Decussatio  tr.  tegmento-cerebellaris 
Ji        ^  -  Decussatio  hypothalamica  sup. 

ÜX-" Corpus  geniculatum  lat. 

N.  oculomotorius 

Tractus  tectobulbaris  et  spinalis 

Commissura  ansularis 


Fig.  249. 

Horizontalschnitt  durch  das  ganze  Gehirn  eines  Haies,   Scyllium   canicula, 

zur  Demonstration  der  Kreuzung  aus  dem  Nuciei  praetectales  und  anderer 

Kreuzungen  am  Boden  des  Gehirnes.     (L.  Edinger.) 


')  Dieses   Kapitel  hat  für  die  VII.  Auflage  Professor  Dr.  W.  von  Bechterew  bearbeitet; 
es  ist  um  ein  geringes  von  mir  umgearbeitet  worden. 


252  Besonderer  Teil.'  Spezielle  Neurologie. 

Gesamtübersicht  über  die  Leitungsbahnen  im  Gehirn  und  Rückenmark. 
A.  Die  psychischen  Zentren  der  Großhirnrinde. 

Wie  wir  gesehen  haben  (S.  178  und  folgende)  ist  der  anatomische  Bau  der 
einzelnen  Bezirke  der  Großhirnrinde  weder  nach  der  Zellen-Schichtung  noch  nach 
der  Versorgung  mit  Nervenfasern  gleichartig,  sondern  es  sind  größere  oder  ge- 
ringere Unterschiede  vorhanden.  Ferner  zeigt  die  Untersuchung  des  Verlaufes  der 
einzelnen  Leitungsbahnen,  daß  bestimmten  Bezirken  der  Großhirnrinde  bestimmte 
zuleitende  (zentripetale)  und  ableitende  (zentrifugale)  Bahnen  zukommen.    S.  247. 

Die  physiologische  Untersuchung  und  die  Beobachtung  krankhafter  Zustände 
zeigen,  daß  den  einzelnen  Sinnesorganen  und  bestimmten  Muskelgruppen  bestimmte 
räumlich  abgegrenzte  Bezirke  der  Großhirnrinde  entsprechen.  Sie  heißen  Sphären, 
Rindenfelder,  (psychische)  Zentren. 

Der  Funktion  nach  kann  man  motorische  und  sensorische  Zentren 
unterscheiden.  In  den  Figuren  250,  251  sind  die  motorischen  durch  rote  Farbe, 
die  sensorischen  durch  blaue  Farbe  kenntlich  gemacht. 

Der  Lage  nach  kann  man  eine  zentrale,  occipitale,  temporale  und  Hippo- 
campus-Zone  unterscheiden,  welche  durch  große,  weißgelassene  Abschnitte  von- 
einander getrennt  werden.  Letztere  sind  Bezirke,  deren  Funktion  zurzeit  noch  nicht 
bekannt  ist.  Flechsig  hat  sie  als  kortikale  Assoziationszentren  bezeichnet 
(siehe  weiter  unten  S.  255),  doch  ist  nach  den  reichen  Ergebnissen  des  Schichten- 
baues der  Großhirnrinde  anzunehmen,  daß  hier  noch  zahlreiche  verschiedene 
Zentren  liegen  und  daß  weitere  Untersuchungen  diese  hellen  Felder  immer  mehr 
einschränken  werden. 

Betrachten  wir  nunmehr  die  Zonen   und  die  in  ihnen  befindlichen  Zentren 
nebst  den  zu-  und  ableitenden  Bahnen. 
1.  Die  zentrale  Zone. 

Sie  umfaßt  beide  Zentralwindungen  mit  dem  Parazentralläppchen,  sowie  den 
hinteren  Abschnitt  aller  drei  Stirnwindungen  und  den  Lobulus  parietalis  sup. 
Davon  enthält  der  Gyrus  centralis  anterior  nebst  den  angrenzenden  Teilen 
der  drei  Stirnwindungen  sowie  dem  Operculum  die  myomotorischen  Zentren. 
Diese  verteilen  sich  im  einzelnen  folgendermaßen.  Im  vorderen  Teil  des  Lobulus 
paracentralis  (Fig.  251)  und  im  oberen  Teil  des  Gyrus  centralis  anterior  (Fig.  250) 
befindet  sich  das  Zentrum  für  die  Muskulatur  des  Beins;  es  folgen  dann  in  der 
Reihenfolge  von  oben  nach  unten  die  Zentren  für  die  Muskeln  des  Oberarms, 
Vorderarms,  Hand,  Finger,  des  Mundes,  der  Zunge.  Im  Operculum  liegen  die 
Zentren  für  die  Kehlkopf-,  Kau-,  Schlundmuskulatur. 

Die  Zentren  für  die  Rumpfmuskulatur  finden  sich  auf  der  Oberfläche  der 
vorderen  Zentralwindung  oberhalb  der  Zentren  für  die  obere  Extremität,  auf  der 
lateralen  Oberfläche  der  Hemisphären. 

Im  hinteren  Teil  der  mittleren  Stirnwindung  befindet  sich  das  Zentrum  für  die 
feineren  beim  Schreiben  nötigen  Bewegungen  der  Arm-  und  Handmuskeln.  Weiter 
vorn  in  derselben  Windung  ein  Zentrum  für  Kopf-  und  Augenbewegungen. 

Das  motorische  Sprachzentrum  (die  Brocasche  Stelle)  befindet  sich  in 
der  Umgebung  des  Ramus  anterior  ascendens  der  Sylvischen  Furche,  und  zwar 
auf  der  linken  Hemisphäre.  Es  ist  dies  das  Zentrum  für  die  feineren  Bewegungen 
der  Lippen-,  Gaumen-,  Zungen-,  Kehlkopfmuskeln,  welche  zum  Sprechen  nötig  sind, 


253 


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Die  Lcitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  255 

während  die  Zentren  für  gröbere  Bewegungen  dieser  Muskeln  sich  im  Gyrus 
centralis  anterior  und  im  Operculum  befinden. 

Der  Gyrus  centralis  posterior  und  der  Lobulus  parietalis  superior 
sind  sensible  Zentren  des  Muskelsinnes,  der  Körperfühlsphäre. 

Die  zentripetalen  Bahnen  der  zentralen  Zone  sind:  Fortsetzungen  zentripetaler  Hintcr- 
wurzelfasern  und  zentripetaler  Vagusfasern,  sowie  solcher  des  N.  glossopharyngeus,  trlgeminus 
und  vestibularis,  die  nach  Unterbrechung  in  entsprechenden  Kernen  des  Rückenmarkes,  des  ver- 
längerten Markes,  des  Kleinhirnes  und  des  Gehirnstammes  zur  Hirnrinde  hinaufsteigen. 

Die  zentrifugalen  Bahnen  sind:  Die  Pyramidenbahn  und  Zentrifugalfasern,  die  schließlich 
in  die  Vorderwurzeln  und  in  motorische  Gehirnnerven  übergehen,  unterwegs  unterbrochen  durch 
Kerne  des  Gehirnstammes,  des  Kleinhirns,  des  verlängerten  Markes  und  Rückenmarkes.  Ein  Teil 
dieser  Bahnen  wird  zu  einem  zentrifugalen  Bestandteil  der  Hinterwurzeln. 

2.  Die  occipitale  Zone. 

Sie  entspricht  den  beiden  Abhängen  der  Fissura  calcarina,  dem  Cuneus  und 
der  Außenfläche  des  Hinterhauptlappens. 

Die  Abhänge  der  Fissura  calcarina  und  ihre  nähere  Umgebung,  welche 
(siehe  Seite  180,  181)  durch  das  Vorhandensein  des  Vicq  d'Azyrschen  Streifens  und 
durch  besondere  Vielschichtigkeit  der  Zellen  ausgezeichnet  ist,  sind  das  Sehzentrum. 

Ihre  Zentripetalleitung  wird  gebildet  von  Faserzügen  aus  den  Sehhügeln,  die  im  lateralen 
Kniehöcker  unterbrochen  werden. 

Ihre  Zentrifugalleitung  besteht  aus  Fasern  umgekehrter  Richtung,  die  zum  lateralen  Knie- 
höcker und  weiter  zur  Netzhaut  verlaufen,  sowie  aus  Zentrifugalfasern  der  Gra tioletschen  Seh- 
strahlung, die  nach  Unterbrechung  im  oberen  Vierhügel,  im  Pulvinar  und  in  mehreren  anderen  distalen 
Kernen  zu  den  Kernen  der  drei  Augenmuskelnerven  und  zu  den  vorderen  Wurzeln  gelangen. 

Der  Cuneus  und  die  laterale  sowie  obere  Fläche  des  Hinterhaupt- 
lappens enthalten  die  optischen  Erinnerungsbilder. 

Der  Gyrus  angularis  enthält  das  optische  Sprachzentrum. 

3.  Die  temporale  Zone. 

Das  Hörzentrum  befindet  sich  in  den  Gyri  temporales  transversa  Das 
akustische  Sprachzentrum  (die  Wernickesche  Stelle)  liegt  im  Gyrus  tempo- 
ralis  superior  gegenüber  dem  Operculum.     Fig.  250. 

Ihre  Zentripetalleitung  besteht  aus  Fortsetzungen  des  N.  cochlearis,  denen  unterwegs 
verschiedene  Kerne  des  Gehirnstammes  (Nucleus  n.  cochlearis  ventralis  et  dorsalis,  obere  Olive, 
Kern  der  lateralen  Schleife,  medialer  Kniehöcker)  eingeschaltet  sind. 

Die  entsprechende  Zentrifugalleitung  setzt  sich  zusammen  aus  Fasern  umgekehrter 
Richtung,  welche  die  Bahn  der  Zentripetalleitung  einschlagen,  ferner  aus  Zentrifugalfasern,  die  durch 
den  medialen  Kniehöcker  und  kaudalere  Kerne  in  den  Facialis  übergehen,  endlich  Fasern,  die  zum 
oberen  Vierhügel  ziehen  und  peripheriewärts  in  die  Bahn  der  Augenmuskelnerven  übergehen. 

4.  Die  Zone  des  Gyrus  hippocampi  und  des  Ammonshorns. 

Der  Gyrus  hippocampi  und  das  Ammonshorn  enthalten  die  Zentren  für  Geruch 
und  Geschmack.  Auch  die  Area  parolfactoria  und  der  Gyrus  subcallosus  gehören 
zum  Geruchszentrum. 

Ihre  Zentrip  etalleitung  ist  dargestellt  durch  die  Fila  olfactoria,  welche  nach  Unterbrechung 
im  Bulbus  olfactorius  in  dessen  lateraler  Wurzel  verlaufen. 

Ihre  Zentrifugalbahnen  sind:  Fasern  von  umgekehrter  Richtung,  in  den  Bulbus  olfactorius 
übergehend ;  ferner  Fasern  der  Fimbria  und  des  Fornix,  Fasern  des  Fornix  longus,  endlich  Fasern  zum 
Thalamus  (Fasciculus  ammonio-thalamicus).  Letztere  Bahnen  gehen  nach  Unterbrechung  in  ent- 
sprechenden Kernen  peripher  in  motorische  Hirn-  (Facialis)  und  Rückenmarkwurzeln  über. 

5.  Die  sogenannten  kortikalen  Assoziationszentren. 

Der  übrige  Teil  der  Vorderhirnrinde  —  die  Regio  praefrontalis  --  mit  den 


256  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

Orbitalwindungen,  der  Parietallappen,  die  2.  und  3.  Schläfenwindung,  die  Basal- 
fläche  des  Temporooccipitallappens,  sowie  die  Insula  stellen  in  ihrer  Gesamtheit 
etwa  zwei  Drittel  der  Rinde  dar,  während  ein  Drittel  auf  die  vorhin  betrachteten 
Zonen  entfällt.  Topographisch  können  in  diesem  Gebiet  drei  Teile  unter- 
schieden werden:  1.  ein  frontales,  2.  ein  parietotemporales,  3.  ein  insu- 
lares Feld. 

P.  Flechsig  hat  diese  Zonen  als  kortikale  Assoziationsgebiete  unterschieden. 
Die  drei  Assoziationszentren  umfassen: 

1.  Das  hintere  Assoziationszentrum.  Es  umfaßt  die  parietalen  Win- 
dungen, den  Praecuneus,  einen  Teil  der  Gyri  lingualis  und  fusiformis,  die  vor- 
deren oder  äußeren  Teile  der  occipitalen  Gyri  und  die  2.  und  3.  Schläfenwindung. 

2.  Das  vordere  Assoziationszentrum,  in  der  vorderen  Gegend  des  Lobus 
frontalis  gelegen. 

3.  Das  mittlere  Assoziationszentrum,  das  kleinste  von  allen,  umfaßt 
die  Inselwindungen. 

Nach  P.  Flechsig  unterscheiden  sich  diese  drei  Zentren  von  den  vorher  beschriebenen  da- 
durch, daß  sie  keine  Stabkranzfasern  empfangen  und  demzufolge  mit  den  peripheren  Organen,  folg- 
lich mit  der  Außenwelt  nicht  direkt  verbunden  sind,  während  sie  durch  Assoziationsfasern  mit  den 
sensitiven  und  sensorisch-motorischen  Zonen  verbunden  wären.  Man  hat  hingegen  Erfahrungen  ge- 
sammelt, nach  welchen  diese  Zentren  nicht  so  vollständig  von  den  subkortikalen  Gebilden  isoliert 
sind.  Für  mehrere  Gebiete,  die  hierher  gehören,  ist  der  Nachweis  subkortikaler  Verbindungen  streng 
geliefert;  so  verhält  es  sich  z.  B.  mit  dem  Gyrus  angularis.  Dieser  Teil  der  Rinde  entbehrt  jeden- 
falls nicht  der  Projektionsfasern. 

Andererseits  fehlen  auch  den  übrigen  Rindengebieten  nicht  Assoziationsbahnen.  Nur  haben  sie 
in  den  Flechsigschen  Zonen  eine  überwiegende  Ausbildung,  daher  verdienen  die  Flechsigschen 
Zentren  doch  eine  gesonderte  Beschreibung;  denn  sie  sind  die  Zeugen  einer  phylogenetisch  und 
ontogenetisch  späten  Entwicklung;  man  kann  sie  andererseits  nach  ihren  Funktionen  auch  betrachten 
als  Gebiete,  welche  den  eigentlichen  psychischen  Leistungen  zur  Grundlage  dienen. 

Ihre  Aufgabe  besteht  in  der  funktionellen  Verkettung  der  sensitiv-motorischen  Rindenfelder 
und  in  gewissen  Umgestaltungen  der  diesen  letzteren  zufließenden  Erregungen.  So  verhält  sich 
einerseits  das  hintere  Assoziationsgebiet  zu  der  Seh-,  Hör-  und  Riechsphäre,  andererseits  das  vor- 
dere Assoziationsgebiet  zu  den  sensitiv-motorischen  Körperzentren  der  zentralen  Zone. 

Das  erstere  Gebiet  verarbeitet  Erregungen,  die  ihre  Quelle  in  der  Außenwelt  haben;  das 
zweite  beeinflußt  die  Eindrücke,  welche  sich  von  unserem  eigenen  Körper  bilden  und  von  der 
Haut,  den  Muskeln,  den  Schleimhäuten  und  den  inneren  Organen  stammen.  So  kommt  es,  daß 
bei  dem  Menschen  diejenigen  pathologischen  Vorgänge,  welche  im  vorderen  Gebiete  Platz  greifen, 
die  Grundlagen  der  Persönlichkeit  erschüttern,  während  Störungen  des  hinteren  Gebietes  Ver- 
wirrung, Unfähigkeit  der  räumlichen  Orientierung,  Verwechslung  von  Personen  und  Objekten,  sowie 
gewisse  pathognomonische  Störungen  der  Sprache,  wie  Wortblindheit  und  Worttaubheit  herbeiführen. 
Die  beiden  Gebiete  stehen  demnach  in  gegenseitigem  unmittelbaren  Verkehr,  sei  es  durch  die  Ver- 
mittlung der  zwischen  beiden  eingeschalteten  Körperfühlsphäre,  sei  es  durch  unmittelbare  Assozia- 
tionsbahnen, die  im  Zentrum  semiovale  enthalten  sind.  Die  letzteren  spielen  wahrscheinlich  eine 
große  Rolle  bei  der  Auslösung  willkürlicher  Bewegungen. 

Das  dritte  Zentrum  bewirkt  offenbar  eine  Assoziation  der  Verbalsymbole  und  funktioniert 
demnach  ausschließlich  als  Sprachzentrum.  Erkrankungen  desselben  führen  zu  Störungen  der 
Sprachfunktion  (Aphasie). 

Mit  diesen  Betrachtungen  soll  die  Beschreibung  von  Tatsachen  schließen,  welche  sich  auf  die 
Ergebnisse  der  verschiedensten  Untersuchungsmethoden,  insbesondere  aber  auf  die  durch  Flechsig 
eingeführte  entwicklungsgeschichtliche  Methode  stützt.  Von  allen  Fragen,  die  im  vorliegenden  Teile 
behandelt  worden  sind,  konnte  eine  ansehnliche  Alenge  nicht  nach  allen  Richtungen  hin  zum  Abschlüsse 
gebracht  werden;  sie  verdienen  eine  eingehendere  Lösung,  welche  zukünftige  Forschungen  ihnen 
bringen  werden. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  257 

Was  die  am  Schlüsse  erörterte  Theorie  betrifft,  so  kann  man  ihr  den  Wert  glänzender  Hypo- 
these nicht  bestreiten,  welche  neue  Gesichtspunkte  auf  dem  so  ausgedehnten  Felde  der  modernen 
Psycho-Physiologie  eröffnet  und  schon  jetzt  reichliche  Früchte  getragen  hat. 

Wie  man  erkennt,  ist  der  Einteilungsgrund  für  die  beiden  Hauptassoziationszentren  ein  rein 
physiologischer.  Vom  morphologischen  Gesichtspunkt  aus  lassen  sich  aber  gewisse  Bedenken  gegen- 
über dieser  Einteilung  nicht  unterdrücken.  Vielleicht  wird  man  in  der  Folge  dazu  gelangen,  die 
Körperfühlsphäre  und  die  ihr  entsprechenden  Sinnesorgane  in  einen  geringeren  Gegensatz  zu  dem 
hinteren  Assoziationsgebiet  zu  bringen,  als  es  zurzeit  geschieht;  man  wird  die  Assoziationszentren 
vor  allem  morphologisch  zu  gliedern  und  einzuteilen  haben.  Zu  den  Sinnesorganen  des  äußeren 
und  inneren  Integumentes  nämlich  gehören  morphologisch  auch  der  gesamte  periphere  Apparat 
des  Geruchsorganes,  das  Geschmacks- und  das  Gehörorgan.  Dem  äußeren  Integument  und 
seinen  sensiblen  Nerven  steht  das  häutige  Gehörlabyrinth  und  der  Hörnerv  morphologisch  gleich- 
wertig gegenüber;  das  Geruchsorgan  schließt  sich  unmittelbar  an;  das  Geschmacksorgan  steht  ihnen 
morphologisch  nahe.  Es  ist  daher  zu  erwarten,  daß  diese  Verwandtschaften  auch  im  Zentral- 
organ des  Nervensystems  bis  in  das  Endhirn  hinauf  sich  ausprägen  werden.  So  bliebe  allein  für 
das  Auge  eine  Ausnahmestellung  zurück.  Indessen  ist  zu  beachten,  daß  die  gesamte  Retina  vom 
embryologischen  Standpunkte  aus  ein  Hirnteil  ist. 

Die  weitere  Untersuchung  der  Assoziationsfelder  hat  folgende  Fragen  zu  lösen:  Welches  ist 
das  morphologische  Gesetz  der  Verteilung  der  Rindenfelder  des  Endhirnes  gegenüber  der  Ver- 
teilung der  sensorischen  und  sensiblen  Felder  der  gesamten  äußeren  und  inneren  Körperperipherie? 
Und  ebenso  bezüglich  der  Motilität:  Welches  ist  das  morphologische  Gesetz  der  Verteilung  der  moto- 
rischen Rindenfelder  des  Endhirnes  gegenüber  der  morphologischen  Topographie  der  gesamten 
Körpermuskulatur? 

B.  Die  Leitungsbahnen. 

Wir  haben  bei  der  Betrachtung  des  Gesamtaufbaues  des  Rückenmarkes  (S.  60) 
gesehen,  daß  man  die  in  ihm  verlaufenden  Bahnen  in  absteigende,  auf- 
steigende sowie  ab-  und  aufsteigende  einteilen  kann.  Diese  Einteilung  ist 
auch  bei  der  Betrachtung  der  Bahnen  des  Gehirnes  sowie  der  Verbindungen  zwischen 
Gehirn  und  Rückenmark  mit  Vorteil  anzuwenden,  denn  sie  entspricht  einerseits  dem 
anatomischen  Aufbau  der  Leitungsbahnen,  bietet  aber  andererseits  den  Vorteil, 
daß  dem  physiologischen  Prinzip  der  zentrifugalen  und  zentripetalen  Lei- 
tungsrichtung vollauf  Rechnung  getragen  wird.  In  vielen  Fällen  allerdings  ist 
der  Begriff  der  „aufsteigenden"  Bahn  mit  einer  gewissen  Einschränkung  aufzu- 
fassen, dann  nämlich,  wenn  unzweifelhaft  sensorische  Bahnen  eine  gewisse  Anzahl 
absteigender  Fasern  beherbergen,  wenn  es  sich  also  nur  um  relativ  oder  vorwiegend 
aufsteigende  Systeme  handelt. 

Daneben  gibt  es  aber  zahlreiche  Faserstränge,  deren  Aufgabe  nicht  in  einer 
Verbindung  der  Körperperipherie  mit  dem  Zentralorgane  besteht,  welche  vielmehr 
zu  einer  Verknüpfung  verschiedener  Leitungsbahnen  untereinander  dienen.  Die 
Leitungsbahnen  verlaufen  nämlich  nicht  ununterbrochen  von  der  Peripherie  zur 
Rinde  oder  umgekehrt;  vielmehr  werden  von  ihnen  in  gewissen  Abständen  nach 
den  Seiten  hin  Kollateralen  an  benachbarte  graue  Kerne  abgegeben,  oder  es  finden 
unmittelbar  Unterbrechungen  durch  Einlagerung  von  Kernen  statt,  die  ihrerseits 
vermittels  besonderer  Bahnen  zu  entfernteren  grauen  Massen  in  Beziehung  stehen; 
es  sind  dies  die  Systeme  kollateraler  Leitung,  die  Abzweigungen  mancherlei 
Art  von  den  Hauptbahnen. 

Eine  gewisse  Anzahl  von  Systemen  endlich  kann  weder  den  aufsteigenden, 
noch  den  absteigenden  Bahnen  zugeteilt  werden;  denn  sie  bestehen  aus  Fasern 
von  beiden  Richtungen.  Sie  dienen  der  Verknüpfung  funktionell  zusammen- 
gehöriger Zentren  und  verdienen  daher  die  Bezeichnung  Assoziationsbahnen. 


258  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

/.  Die  aufsteigenden  Leitungs-Systeme. 

Alle  aufsteigenden  Bahnen  des  Rückenmarkes  von  peripherem  Ursprung, 
bezw.  die  Fortsetzungen  von  Hinterwurzeln  und  auch  die  Systeme,  die  als  Fort- 
setzungen der  centripetalen  (sensiblen)  Hirnnerven  dienen,  endigen  schließlich  um 
Zellen  der  Hirnrinde,  nachdem  sie  in  diesen  oder  jenen  Kernen  eine  Unter- 
brechung erfahren  haben1). 

Die  hinteren  Wurzeln  können  topographisch  und  auf  Grund  ihrer  Entwicklung 
unterschieden  werden:  in  1.  mediale,  stärkere,  früh  ummarkte,  welche  in  die 
Hinterstränge  eintreten,  und  2.  laterale,  feinere,  später  ummarkte  Bündel,  welche 
in  die  Randzone,  bezw.  in  die  Spitze  der  Hintersäule  gelangen. 

Abgesehen  von  einigen  Fasern,  welche  aus  dem  Grau  des  Rückenmarkes  in 
die  hinteren  Wurzeln  eintreten  und  absteigende  Leitungen  darstellen,  erscheinen 
alle  übrigen  Hinterwurzelfasern  als  zentrale  Äste  T-förmig  geteilter  Nervenfortsätze 
von  Zellen  der  Spinalganglien,  die  ihre  peripheren  Äste  zur  Haut  und  zu  den 
Muskeln  entsenden. 

Die  zentralen  Äste  der  Spinalganglienzellen  erfahren  innerhalb  des  Hinter- 
stranges eine  weitere  Teilung,  und  zwar  in  einen  feineren,  kürzeren,  absteigenden 
und  einen  gröberen,  längeren  aufsteigenden  Ast.  Beide  geben  in  der  Regel  feine 
Kollateralen  an  die  graue  Substanz  ab,  wo  ihre  baumförmigen  Aufzweigungen  mit 
Zellen  in  Berührung  gelangen.  Auch  die  in  das  Grau  umbiegenden  Enden 
der  beiden  Teilungsäste  treten  mit  ihren  Endbäumchen  an  Zellen  heran,  siehe 
Fig.  79—81. 

Es  sind  hauptsächlich  vier  Zellgruppen  zu  unterscheiden,  die  von  den  End- 
bäumen der  Hauptäste  der  Hinterwurzeln  bezw.  deren  Kollateralen  erreicht  werden, 
nämlich  1.  Zellen  der  Clarkeschen  Säulen,  2.  Zellen  der  Hintersäule  und  zwischen 
anderen  die  Gruppe  der  Zellen  an  der  vorderen  Grenze  der  Substantia  gela- 
tinosa  Rolandi,  3.  Zellen  der  zentralen  Gruppe  der  grauen  Substanz,  4.  Vorder- 
säulenzellen. 

Die  langen  Äste  der  Hinterwurzelfasern,  die  in  dem  Burdachschen  Strang 
hinaufsteigen,  endigen  teils  in  verschiedenen  Höhen  des  Rückenmark-Grau,  teils 
ziehen  sie  weiter  zentralwärts  und  erreichen  die  Goll- Burdachschen  Kerne  des 
verlängerten  Markes.  Zu  dem  Gollschen  Kerne  gelangen  dabei  Äste  von  Wurzel- 
fasern, die  dem  Sakralmark,  Lendenmark  und  unteren  Brustmark  angehören,  d.  h. 
also  von  der  unteren  Rumpfhälfte.  Die  Wurzelfasern  des  oberen  Brustmarkes, 
der  Halsanschwellung  und  des  Cervicalmarkes,  also  von  der  oberen  Rumpf- 
hälfte, begeben  sich  zu  dem  Burdachschen  Kerne. 

Von  den  Zellen,  um  welche  die  terminalen  und  kollateralen  Äste  der  Hinter- 
wurzelfasern ihre  Aufzweigung  finden,  gehen,  mit  Ausnahme  der  Vordersäulen- 
zellen,  die  den  sog.  Vorderwurzeln  zum  Ursprung  dienen,  seitwärts  Axenzylinder 
ab,  die  teils  in  die  Stränge  der  entsprechenden  Rückenmarkshälfte  hineintreten,  teils 
in  die  vordere  Kommissur  (Comm.  ant.  alba)  gelangen  und  nach  Kreuzung  hier- 
selbst  die  entgegengesetzte  Strangseite  erreichen  und  dann  rostralwärts  verlaufen. 

Auch  die  Zellen  der  Goll-Burdachschen  Kerne  dienen  aufsteigenden  Axen- 


')  Ausgenommen  davon  sind  nur  die  Fasern  der  Riechnerven,  deren  Zentralenden  sich  in  den 
Glomeruli  mit  den  Mitralzellenfortsätzen  des  Bulbus  bezw.  Lobus  olfactorius  (bekanntlich  ein  Rinden- 
gebilde) ineinanderflechten. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


259 


Zylindern  zum  Ursprung,  die  in  die  mediale  Schleife  (Lemniscus  medialis)  und  in 
den  Strickkörper  übergehen.  Ein  großer  Teil  dieser  aufsteigenden  Nerven fortsätze 
gelangt,  je  nach  ihrer  Länge,  zu  Zellen  der  Oblongata,  des  Kleinhirnes,  des  Hirn- 
stammes.  Hier  entstehen  neue  Systeme  aufsteigender  Fortsätze,  die  schließlich 
bestimmte  Gegenden  der  Hirnrinde  erreichen,  wo  sie  mittels  ihrer  Endbäumchen 
sich  perizellular  ausbreiten. 

Aus   so   zusammengesetzten   Reihen   von  Neuronen  mit  aufwärts  ziehenden 
Axenzylinderfortsätzen  bestehen  die  aufsteigenden  Leitungssysteme. 


Medio-peripheres  Bündel 
y  O  oll  scher  Strang 

Intermediäres  Bündel 
Hintere 
.  Mittlere 

Vordere  I 


Zone  des 

Bu  rdachschen 

Stranges 


Zona  terminalis 


Substantia  gelajjnc£a_p_osl, 

(Kolaridrj  u.  Zona  spongiosa 

Fasciculus  cerebrospina- 
lis lat.  (pyramidalis  lat.) 


Fasciculus 
cerebejlp.spinalis 


.Tractus  rubrospinalis 
(Monakow) 


-•Tractus  tectospinalis 


Fasciculus  anterolat. 
superf.  (Gowersi) 
-.Fasciculus   lat.  proprius 
(Flechsig) 


Fasciculus  ant.  proprius  (Flechsig) 


Tra.clus  spinoolivaris 
(Bechterew) 


Tractus  vestibulo-spinalis 
Fasciculus  cerebrospinalis  ant.  (pyramidalis  ant.) 


Fasciculus  longitudinalis  medialis      Mediales  aufsteigendes  Bündel 

Fig.  252. 

Rückenmarksquerschnitt  mit  den  Bezirken  der  verschiedenen  Bahnen. 

Ursprung  und  Endigung  von  einem  Teil  der  Bahnen  ist  ebenfalls  angegeben.    (Bechterew.) 

Die  Punkte  im  Fasciculus  cerebrospinalis  lat.  bedeuten  das  intermediäre  Kleinhirnbündel. 

ca  Vordersäulenzelle;    es  Zelle  in  der  Substantia  gelatinosa  post.  (Roland i);   gc  Mittelzelle;   gs  Hintersäulenzelle;    N.d 

Nucleus  dorsalis  (Clarkesche  Säule);    ra  vordere  Wurzelfasern;    rpi  innere   hintere  Wurzelfasern;    rpe  äußere    hintere 

Wurzelfasern. 


Zu  unterscheiden  sind  zunächst  zwei  Systeme,  die  als  Fortsetzung  von 
Wurzelfasern  der  Hinterstränge  erscheinen. 

Das  eine  besteht  aus  den  Fortsetzungen  von  Hinterwurzelfasern,  welche  die 
Gollschen  Kerne  erreichen.  Es  entwickelt  sich  aus  Nervenfortsätzen  der  Zellen 
dieser  Kerne,  bildet  dann  den  oberen,  längeren  Teil  der  Schleifenkreuzung 
(Decussatio  lemniscorum),  nimmt  im  dorsalen  Abschnitt  der  Olivenzwischenschicht 
Platz  und  gestaltet  sich  weiterhin  zum  medialen  Teil  des  medialen  Lemniscus, 
welcher  schließlich  den  lateralen  Kern  des  Thalamus  erreicht.  Die  ankommenden 
Fasern  zweigen  sich  um  die  hier  vorhandenen  Nervenzellen  auf,  und  diese  ent- 
senden  ihrerseits   in   Gestalt    ihrer   Axenzylinderfortsätze   sogen,  thalamokortikale 


260 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Fasern,  die  zerstreut  durch  den  hinteren  Teil  des  hinteren  Schenkels  der  Capsula 
interna  mit  dem  Stabkranz  zum  Scheitellappen  und  zur  hinteren  Zentralwindung 


Fig.  253. 

Verlauf  der  sensiblen  Bahn  von  den  hinteren  Wurzeln  zur  Großhirnrinde.     (Nach  Bechterew. ) 
ß  Burdachscher  Strang;    g  G  ollscher  Strang;    Is  Fasciculus  anterolateraüs  superficialis,  als  ein  Teil  des  Gowerschen 
Bündels,   welcher  zum  Thalamus  zieht;    p  hintere   sensible  Wurzelfasern;   s  subkortikale  sensible   Bahn   vom  Thalamus. 

verlaufen    und    in    der    Umgebung   der    kleinen    Rindenzellen    daselbst   ihre  Auf- 
zweigung finden.     Fig.  253. 

Das  zweite,  in  der  Entwicklung  dem  ersten  vorauseilende  Fasersystem  wird 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  261 

gebildet  durch  Fortsätze  von  Wurzelfasern,  welche  die  Kerne  der  Burdachschen 
Stränge  aufsuchen  und  eine  dem  vorigen  System  ganz  analoge  Richtung  ein- 
schlagen. Es  nimmt  von  Zellen  der  Burdachschen  Kerne  seinen  Ausgangspunkt. 
Die  hier  austretenden  Fasern  begeben  sich  zur  Schleifenkreuzung  (Decussatio 
lemniscorum),  deren  unteren  kürzeren  Abschnitt  sie  bilden,  lagern  sich  dann  im 
ventralen  Teil  der  Olivenzwjschenschicht  dicht  über  den  Pyramiden  und  erzeugen 
im  weiteren  Verlauf  den  äußeren  Teil  des  medialen  Lemniscus. 

Auch  die  Fasern  dieses  Systemes  erreichen,  gleich  denen  des  vorigen,  den 
lateralen  Kern  des  Sehhügels,  zu  dessen  Zellen  sie  in  Beziehung  treten.  Ihre 
weiteren  Anschlüsse  stellen  sich  dar  als  thalamo-kortikale  Bahnen,  die  in  Thalamus- 
zellen  entspringen  und  mit  dem  Stabkranz  die  Rinde  der  Scheitelgegend  und  der 
hinteren  Zentralwindung  aufsuchen.  Ihre  Endaufzweigungen  lagern  sich  ähnlich 
den  vorigen  Fasern  an  die  hier  vorhandenen  kleinen  Rindenzellen  an. 

Zu  den  beiden  geschilderten  Faserarten  gesellen  sich  in  den  Hintersträngen 
weitere,  die  aus  endogenen  Hinterstrangfasern  zusammengesetzt  sind.  Eines  dieser 
Fasersysteme  entwickelt  sich  aus  Axenzylindern  zerstreuter  Zellen  der  Hintersäule, 
und  steigt  dann  innerhalb  der  Gollschen  Stränge  zu  dem  Nucleus  fasciculi  gracilis 
hinauf,  wo  sich  Beziehungen  zu  den  hier  vorhandenen  Nervenzellen  herstellen. 
Die  weitere  Bahn  dieser  Fasern  liegt  im  medialen  Abschnitt  der  entsprechenden 
Hälfte  des  Lemniscus  medialis.  Den  Abschluß  bilden  thalamo-kortikale  Fasern,  die 
in  der  Rinde  des  Scheitellappens  und  der  hinteren  Zentralwindung  ihr  Ende  finden. 

Die  soeben  betrachteten  Systeme,  die  als  Tractus  bulbo-thalamicus 
medialis  und  lateralis  bezeichnet  werden  können,  haben  eine  Reihe  seitlicher 
Abzweigungen,  von  denen  die  zu  den  Kernen  der  Formatio  reticularis,  zum  Grau 
der  Brücke,  zur  Substantia  nigra,  zur  Vierhügelgegend,  zu  den  Corpora  mamillaria 
(Pedunculus  corporis  mamillaris)  bekannt  sind1). 

Die  weiteren  ansehnlichen  Bahnen  leiten  sich  aus  Neuriten  von  Hintersäulen- 
zellen ab,  welche  ventral  von  der  Subst.  gelatinosa  Rolandi  liegen,  und  an  denen 
hintere  Wurzelfasern  ihre  Endausbreitung  finden.  Die  meisten  hierher  gehörigen 
Fasern  verlaufen  durch  die  Commissura  ant.  alba,  wo  in  der  Mittellinie  eine  Kreuzung 
vor  sich  geht  (Fig.  253).  Nach  Durchsetzung  der  vorderen  Kommissur  gelangen 
diese  Fasern  in  das  Grundbündel  des  Seiten-  und  Vorderstranges  und  bilden  dort 
einen  besonderen  Strang  (Fascic.  antero- lateralis  superf.)2),  der  nach  und  nach 
lateralwärts  hinausrückt  und  schließlich  in  peripherer  Lagerung  die  Medulla  ob- 
longata  erreicht.  Hier  ordnet  sich  die  eine  ventral  und  medial  gelegene  Bahn  aus- 
wärts von  der  unteren  Olive;  rückt  aber  in  rostraler  Richtung  immer  mehr  median- 
wärts  und  tritt  in  der  Höhe  des  oberen  Olivenabschnittes  in  den  Bestand  des 
Lemniscus  medialis  hinein,  wo  sie  laterale  Lage  einnimmt.  Mit  der  Schleife 
erreicht  die  Bahn  den  Sehhügel  und  schließt  sich  dann  den  erwähnten  thalamo- 
kortikalen  Bündeln  des  Stabkranzes  an. 

Andere  Fasern  dieses  Systems  verlaufen  mit  den  vorigen  bis  zur  Gegend  der 
unteren  Olive  und  lagern  sich  hier  ebenfalls  lateral.     Im  weiteren  Verlauf  jedoch 


')  Die  Annahme  des  Vorkommens  von  Schleifenfasern,  die  von  den  Hinterstrangkernen  unmittel- 
bar zur  Großhirnrinde  verlaufen  sollen  (Hösel),  wird  durch  experimentelle  Ergebnisse  widerlegt. 

-)  Dieser  Strang  bildet  den  Teil  des  Gowersschen  Bündels,  der  das  Kleinhirn  nicht  erreicht, 
sondern  direkt  in  den  Hirnstamm  und  zum  Thalamus  emporzieht. 


262  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

weichen  sie  lateralwärts  ab  und  sammeln  sich  dicht  medianwärts  von  der  lateralen 
Schleife.  In  der  Vierhügelgegend  begibt  sich  die  Bahn  zum  Thalamus,  medial 
am  Corpus  geniculatum  mediale  vorbeiziehend,  tritt  dann  in  Gesellschaft  anderer 
Fasern  des  Lemniscus  medialis  in  den  Thalamus  hinein  und  wird  schließlich, 
wie  das  vorerwähnte  Fasersystem,  durch  thalamo-kortikale  Fasern  zur  Rinde  fort- 
gesetzt. 

Cerebellare  Bahnen  sind  mehrere  zu  unterscheiden. 

1.  Eine  davon  entwickelt  sich  aus  Nervenfortsätzen  von  Zellen  der  Clarkeschen 
Säule  (Nucleus  dorsalis)  und  verläuft  zur  hinteren  Hälfte  des  entsprechenden  Seiten- 
stranges, um  in  peripherer  (randständiger)  Lagerung  zum  verlängerten  Mark  hinauf- 
zusteigen. Hier  lagert  es  anfangs  zwischen  unterer  Olive  und  spinaler  Trigeminus- 
wurzel,  rückt  aber  nach  und  nach  dorsalwärts  hinaus  und  gesellt  sich  zum  Corpus 
restiforme,  wo  es  zentrale  Lage  einnimmt.  Mit  dem  Corpus  restiforme  steigt  dieses 
als  (dorsale)  Kleinhirnseitenstrangbahn  bekannte  Fasersystem  zum  Cerebellum  hin- 
auf; es  zieht  als  geschlossenes  Bündel  im  Kleinhirnmark  vor  dem  Nucleus  den- 
tatus  zum  Vermis  superior,  mit  dessen  Zellen  seine  Endausbreitungen  in  Kontakt- 
beziehungen treten.     Fig.  254. 

2.  Ein  zweites  cerebellares  Fasersystem  geht  aus  den  zentralen  Gebieten  des 
Rückenmarkgrau  hervor,  zieht  an  den  Rand  der  vorderen  Hälfte  des  Seitenstranges 
und  lagert  hier  ventral  von  dem  vorigen  System.  Es  heißt  ventrale  Kleinhirn- 
seitenstrangbahn und  gehört  zum  Bestände  des  sogen.  Gowersschen  Bündels. 
Aufwärts  verläuft  diese  Bahn  an  der  Peripherie  des  vorderen  Seitenstrangabschnittes 
in  Nachbarschaft  der  dorsalen  Kleinhirnbahn;  in  der  Gegend  des  verlängerten 
Markes  aber,  in  Höhe  der  unteren  Olive,  schlägt  sie  einen  besonderen  Weg  ein, 
verläuft  in  der  oberen  Oblongatagegend  zwischen  spinaler  Trigeminuswurzel  und 
medialer  Schleife  und  lagert  sich  im  Bereich  der  Brückenhaube  dicht  medianwärts  von 
der  Facialiswurzel.  Noch  weiter  rostralwärts  findet  sich  die  ventrale  Kleinhirnbahn 
medial  von  der  Trigeminuswurzel.  Sie  weicht  dann  latero-dorsalwärts  ab,  krümmt 
sich  teilweise  von  außen  um  die  laterale  Schleife,  umgeht  von  außen  und  oben 
das  Brachium  conjunctivum  und  gelangt  schließlich  unter  Durchsetzung  des  vor- 
deren Marksegels  zum  Kleinhirn,  bezw.  zur  Rinde  der  vorderen  und  unteren 
Wurmabschnitte,  wo  sich  Beziehungen  zu  den  Nervenzellen  herausstellen. 

3.'  Ein  drittes  cerebello-spinales  System  leitet  sich  von  endogenen  Fasern  des 
Hinterstranges  her,  die  in  Zellen  des  Rückenmarkgrau  entspringend  innerhalb  der 
Hinterstränge  aufwärts  ziehen  und  im  Bereich  der  Medulla  oblongata  teils  zum 
lateralen  Burdachschen  bezw.  zum  sogen.  Monakowschen  Kern  gelangen,  teils 
in  lateralwärts  abweichendem  Verlauf  am  dorsalen  Rande  des  verlängerten  Markes 
sich  dem  Corpus  restiforme  hinzugesellen,  das  auch  Fasern  aus  dem  Monakowschen 
Kern  in  sich  aufnimmt.  Im  weiteren  Verlauf  begibt  sich  die  Bahn  zum  Kleinhirn, 
wo  sie  als  selbständiger  Strang  die  lateralen  Abschnitte  des  entsprechenden  Ober- 
wurmes aufsucht.  Außerdem  ziehen  einige  der  Fasern  aus  den  Hinterstrangkernen 
als  Fibrae  arcuatae  internae  zur  Raphe,  die  sie  kreuzen  und  dann  nach  Unter- 
brechung im  sogen.  Nucleus  arciformis  als  Fibrae  arcuatae  externae  antt.  an  der 
Außenfläche  des  verlängerten  Markes  zum  Corpus  restiforme  hinaufsteigen,  wo  sie 
sich  wahrscheinlich  dem  geschilderten  Bündel  der  anderen  Seite  anschließen. 

Zu  den  genannten  tritt  ferner  die  Rückenmark-Oliven-Kleinhirnbahn  hinzu, 
die    unlängst   durch    Untersuchungen    im    Bechterewschen    Institut   aufgefunden 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


263 


Fig.  254. 

Die     aufsteigenden    Kleinhirnbündel 

markes  und  ihre  zentralen  Bahnen. 

(Nach  Bechterew.) 

B  Burdachscher  Strang;  ca  Fasciculus  cerebellaris 
ant.  zum  Wurm  durch  dasVelum  medulläre  ant.  ziehend  ; 
co  Fibrae  cerebelloolivares;  cp  gemeinsamer  Faserzug 
der  Hinterstrangkerne  zum  Wurm ;  d  Nucleus  dentatus 
cerebelli;  fi  Fibrae  arcuatae  intt. ;  fp  Fibrae  arcuatae 
extt.  postt. ;  //  Fasern  von  der  Rinde  des  Wurmes  zu  den 
Dachkernen;  G  Gollscher  Strang;  g  Guirlandenfasern; 
gl  Nucleus  globosus;  p  Nucleus  emboliformis;  rp  hin- 
tere (sensible)  Wurzelfasern;  sc  subkortikale  Bahnen 
des  Brachium  conjunetivum ;  so  Tractus  spinoolivaris; 
/  Nucleus  legmenti ;  tr  Kleinhirnbündel  des  Seiten- 
stranges (Fasciculus  spinocerebellaris) ;  Vi  Vermis  inf. ; 
Vs  Vermis  sup. 


Raübee-Kopsch,  Anatomie.    10.  Aufl.    V.  Abt. 


14 


264  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

wurde.  Ihre  Fasern  entstehen  im  Grau  des  Halsmarkes,  verlaufen  am  Rande  des 
vordersten  Seitenstrangabschnittes  und  dringen  schließlich  in  die  untere  Olive 
teilweise  in  dem  Gebiet  der  vorderen  Wurzeln  ein,  wo  höchstwahrscheinlich  zellu- 
lare Beziehungen  zustande  kommen.  Ihrerseits  entsenden  die  Olivenzellen  cere- 
belloolivare,  teilweise  sich  kreuzende  Fasern,  die  mit  dem  Corpus  restiforme  zum 
Vließ  hinziehen  und  die  Rinde  der  Kleinhirnhemisphä're  aufsuchen1). 

Sämtliche  Kleinhirnbahnen,  die  bisher  erwähnt  wurden,  laufen  großhimwärts 
im  Brachium  conjunctivum  weiter,  das  —  wie  die  Untersuchung  der  Markscheiden- 
entwicklung lehrt  —  aus  einer  ganzen  Reihe  (wenigstens  vier)-)  einzelner  Systeme 
zusammengesetzt  ist  und  die  Kleinhirnrinde  unter  Vermittlung  der  zentralen  Klein- 
hirnkerne mit  dem  Nucleus  ruber  und  dem  lateralen  Thalamuskem  verbindet.  Den 
proximalen  Anschluß  bilden  thalamo-kortikale  Fasern,  welche  zur  Rinde  des  Parietal- 
lappens  und  der  Zentralwindungen  emporziehen. 

Ein  besonderes  aufsteigendes  Fasersystem  hat  am  medialen  Rande  des  Vorder- 
stranges seine  Lage.  Es  entwickelt  sich  aus  Zellen  der  tiefen  Abschnitte  des 
Rückenmarkgraues,  deren  genauere  Lokalisation  bisher  nicht  endgültig  ermittelt 
werden  konnte.  Beim  Übergänge  in  das  verlängerte  Mark  findet  sich  diese  Bahn 
ventral  vom  hinteren  Längsbündel  in  der  Nähe  der  Raphe.  Sie  läßt  sich  weit  in 
den  Hirnstamm  hinein  verfolgen,  doch  bleibt  es  ungewiß,  wo  sie  ihre  Endstätte 
findet.  Rostralwärts  erfährt  sie  jedenfalls  eine  allmähliche  Verschmächtigung,  be- 
dingt durch  Verlust  von  Fasern,  die  wahrscheinlich  nach  und  nach  zu  den  Kernen 
der  Formatio  reticularis  abgehen.  In  diesem  zuerst  von  P.  Marie  beschriebenen 
System,  das  man  als  Fasciculus  spino-bulbaris  bezeichnet,  sind  offenbar  auch 
Bündel  vorhanden,  die  verschiedene  Querschnitte  des  Rückenmarkes  mit  den 
grauen  Kernen  der  Formatio  reticularis  des  Gehirnstammes  verbinden. 

Aufsteigenden  Charakter  haben  im  Rückenmark  endlich  eine  Reihe  kurzer 
Bahnen,  wie  sie  in  den  Hintersträngen,  aber  auch  in  den  Vorderseitensträngen 
und  namentlich  in  der  Nachbarschaft  der  Hintersäule,  unter  anderem  in  der  Gegend 
des  von  Bechterew  sogenannten  medialen  Bündels  (im  hinteren  Teil  der  sog. 
Grenzschicht  des  Seitenstranges)  verbreitet  sind.  Diese  kurzen  Bahnen  haben 
augenscheinlich  mehr  lokale  Bedeutung,  sofern  sie  verschiedene  Rückenmarks- 
querschnitte in  aufsteigender  Richtung  miteinander  in  Verbindung  setzen. 

In  ähnlicher  Weise  wie  die  Bahnen  der  hinteren  Wurzelfasern  des  Rücken- 
markes verhalten  sich  andere  ebenfalls  von  aufsteigender  Art,  die  sich  als  Fort- 
setzung zentripetaler  Hirnnervenfasern  darstellen.  Hierher  gehören  die  Bahnen 
des  Trigeminus,  Glossopharyngeus,  Vagus,  Acusticus,  Opticus,  Olfactorius. 

Der  Nervus  trigeminus  hat  im  Ganglion  semilunare  (Gasseri)  sein  Spinal- 
ganglion (Fig.  255).  Auch  die  Zellen  dieses  Ganglion  entsenden  je  einen  einheit- 
lichen Fortsatz,  der  alsbald  in  zwei  Äste  zerfällt:  einen  peripheren  zur  Bildung  des 
sensiblen  Stammes  des  Trigeminus,  und  einen  zentralen,  der  die  sensible  oder 
sog.  absteigende  Trigeminuswurzel,  Tractus  spinalis  n.  trigemini,  bilden  hilft. 
Nach  ihrem  Eintritt  in  die  Brücke  teilen  sich  die  Elemente  der  sensiblen  Quintus- 
wurzel  ebenfalls  in  je  zwei  Äste,  einen  aufsteigenden  und  einen  absteigenden; 
doch    erscheint    jener    kürzer    als    dieser    und    splittert    sich    frei    in    den   sen- 


*)  Das  Gowerssche  Bündel  gibt  zur  unteren  Olive  Kollateralen  ab. 

2)  Siehe  Bechterew:  Leitungsbahnen  im  Gehirn  und  Rückenmark,  S.  403. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


265 


Fig.  255. 

Die  zentralen  Bahnen  des  Nervus  trlgeminus.    (Nach  Bechterew.) 
IN.  ophthalmicus;  //  N.  maxülaris  ;  IHN.  mandibularis;  Vs  Nuclei  sensibiles  n.  trigemini;  N.ts  Nucleus  traclusspinalis  nervi 


trigemini ;  ss  subkortikale  Fasern  vom  Thalamus  zum  unteren  Abschnitt  des  Gyrus  centralis  post. 


y  Fibrae  arcuatae  intt. 
14* 


266  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

siblen  Kernen  des  Trigeminus  auf,  wobei  Kontaktbeziehungen  zu  den  Zellen  der- 
selben sich  herausstellen.  Die  längeren  absteigenden  Teilungsfäden  senken  sich 
durch  das  gesamte  verlängerte  Mark  in  das  Halsmark  hinab,  wobei  sie  fortwährend 
lateral  von  dem  Nucleus  tractus  spinalis  n.  trigemini,  der  rostralen  Fortsetzung 
der  Substantia  gelatinosa  der  Hintersäule,  liegen.  Die  Ausdehnung  dieser  langen 
Fasern,  die  unterwegs  überall  Kollateralen  zu  der  Substantia  gelatinosa  abgeben, 
ist  keine  gleichmäßige,  einige  von  ihnen  erreichen  jedoch  sicher  das  untere  Hals- 
mark. Nahe  ihrem  unteren  Ende  wenden  sich  die  absteigenden  Teilungsfäden 
medianwärts  und  endigen  nach  Durchsetzung  der  Substantia  gelatinosa  an  den 
großen  Ganglienzellen  im  Bereiche  des  medialen  Abschnittes  des  Nucl.  tractus 
spinalis  n.  trigemini. 

Die  zentrale  Bahn  des  Trigeminus  (Fig.  255)  wird  gebildet  durch  Axen- 
zylinderfortsätze  dieser  Zellen,  die  unter  Aufnahme  von  Markscheiden  zum  größten 
Teil  als  Fibrae  arcuatae  internae  die  Raphe  durchkreuzen,  zum  geringeren  Teil 
ungekreuzt  bleiben.  Beide  Faserarten  gestalten  sich  dann  zu  einem  besonderen 
Zuge,  der  dorso-lateral  von  dem  Lemniscus  medialis  Platz  nimmt.  Während  ihres 
ferneren  Verlaufes  nähern  sich  diese  Fasern  nach  und  nach  der  dorsalen  Grenze 
des  Lemniscus  medialis  und  treten  schließlich  in  der  Vierhügelgegend  in  den  Be- 
stand der  Schleife  hinein,  in  deren  Gesellschaft  sie  einen  kleinen  Kern  im  Nucleus 
lateralis  thalami  aufsuchen.  Den  weiteren  Anschluß  bilden  thalamokortikale 
Bahnen,  die  zum  unteren  Abschnitt  der  hinteren  Zentralwindung  ziehen. 

In  die  aufsteigende  Bahn  des  Nervus  glossopharyngeus  sind  das 
Ganglion  jugulare  superius  und  das  Ganglion  petrosum  eingeschaltet,  die  gleich 
Spinalganglien  Zellen  mit  einheitlichem  Fortsatz  aufweisen,  der  alsbald  in  einen 
peripheren  und  einen  zentralen  Ast  zerfällt.  Die  zentralen  Teilungsäste  beider 
Ganglien  treten  in  den  Seitenteil  des  verlängerten  Markes  ein,  wo  sie  als  gesonderte 
Bündelchen  in  der  Nähe  der  hier  vorhandenen  schmalen  Säule  der  Substantia 
gelatinosa  verlaufen,  und  teilen  sich  nun  wiederum  in  je  zwei  Äste,  einen  kürzeren 
aufsteigenden  und  einen  längeren  absteigenden.  Die  aufsteigenden  Äste  verzweigen 
sich  um  die  Ganglienzellen  in  der  Nachbarschaft  der  Substantia  gelatinosa,  die 
absteigenden  wenden  sich  abwärts  in  Gestalt  des  Tractus  solitarius.  Dieser  medial 
von  der  Substantia  gelatinosa  verlaufende  Faserzug,  der  auch  absteigende  Äste 
der  Vaguswurzel  führt,  erschöpft  sich  nach  und  nach  in  kaudaler  Richtung  in  dem 
Maße,  als  seine  Fäden  streckenweise  zur  Substantia  gelatinosa  abzweigen  und  um 
die  hier  vorhandenen  Nervenzellen  ihre  Endaufsplitterung  finden. 

Was  die  weiteren  Bahnen  der  Wurzelfasern  des  Glossopharyngeus  betrifft, 
so  entwickeln  sich  aus  den  erwähnten  Nervenzellen  im  Gebiete  der  Substantia 
gelatinosa  neue  Faserzüge  als  Fibrae  arcuatae  internae,  deren  Mehrzahl  in  der 
Raphe  zur  Kreuzung  gelangt  und  darauf  im  ventralen  Abschnitt  der  Substantia 
reticularis  alba  Platz  nimmt.  Aufsteigende  Richtung  einschlagend  nähern  sich  die 
in  Rede  stehenden  Fasern  allmählich  der  dorsalen  Seite  des  Lemniscus  medialis 
ähnlich  wie  die  zentralen  Bahnen  des  Trigeminus,  in  deren  Gesellschaft  sie  darauf 
rostralwärts  verlaufen.  Mit  der  Schleife  gelangen  sie  schließlich  zum  kleinen 
sensiblen  Kern  des  Nucleus  lateralis  thalami,  um  dessen  Zellen  ihre  Endauf- 
zweigungen sich  verbreiten.  In  diesen  Zellen  entspringen  Neuriten,  die  als  sub- 
kortikale Fortsetzungen  des  Glossopharyngeus  zum  hinteren  Abschnitt  des  Oper- 
culum  verlaufen.     Fig.  256. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


267 


Fig.  256. 

Verlauf  der  Geschmacksleitung.    (Nach  Bechterew.) 
I  N.  Ophthalmien  ;    II  N.  maxillaris;    ///  N.  mandibularis;    cg  kortikales  Geschmackszentrum;    fg  zentrale  aufsteigende 
Geschmacksleitung  im  Lemniscus  medialis;  fg'  subkortikale  Leitung;  Gg  Ganglion  geniculi ;  G.sp  Ganglion  jugulare  sup. 
et  petrosum  nervi   glossopharyngei;    ta  zentrale   aufsteigende  Fasern   des  Trigeminus   im   Lemniscus  medialis;    ta'  sub- 
kortikale Verbindung  des  Thalamus  mit  dem  unteren  Abschnitt  des  Gyrus  centralis  post. 


268  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Zu  dem  in  das  Gehirn  eintretenden  Glossopharyngeus  gesellt  sich  der  sog. 
N.  intermedius  Wrisbergi  (Fig.  256).  Er  kommt  anscheinend  aus  zentralen 
Fortsätzen  der  Zellen  des  Ganglion  geniculi,  deren  periphere  Fortsätze  vielleicht 
zur  Chorda  tympani  und  zum  N.  lingualis  gelangen  und  als  Geschmacksfasern 
für  die  vorderen  -/.,  der  Zunge  dienen.  Verlauf  und  Endigungen  des  Nervus  inter- 
medius sind  analog  denen  des  Glossopharyngeus;  seine  absteigenden  Fasern  ge- 
langen ebenfalls  zum  Tractus  solitarius,  an  dessen  Zellen  sie  aufhören.  Die  zen- 
trale Bahn  des  N.  intermedius  entspricht  vollkommen  dem  Verlauf  der  sensiblen 
Fasern  des  Glossopharyngeus. 

Die  Wurzelfasern  des  Nervus  vagus  (Fig.  257)  haben  gleich  denen  des 
Glossopharyngeus  auf  ihrer  Bahn  zwei  gangliöse  Einschaltungen  in  Gestalt  des 
Ganglion  jugulare  sup.  und  des  Ganglion  nodosum,  deren  Zellen,  entsprechend 
dem  Typus  der  Spinalganglienzellen,  je  einen  einzigen  Fortsatz  abgeben,  der  sich 
in  einen  peripheren  und  zentralen  Faden  spaltet.  Sämtliche  zentrale  Fäden  des 
Vagus  treten  bündelweise  in  den  Seitenteil  des  verlängerten  Markes  hinein,  wo 
sie  kaudal  von  den  Glossopharyngeusfasern  eintreten.  Gleich  diesen  spalten  sie 
sich  unter  dem  Boden  des  vierten  Ventrikels  in  kurze  aufsteigende  und  lange 
absteigende  Äste.  Jene  gelangen  in  Kontaktbeziehungen  mit  den  hier  in  der 
Nachbarschaft  der  Substantia  gelatinosa  vorhandenen  Nervenzellen,  diese  —  die 
absteigenden  Fäden  —  schlagen  kaudale  Richtung  ein,  verlaufen  im  Gebiete  des 
Tractus  solitarius  in  Gesellschaft  der  Glossopharyngeusfasern,  durchsetzen  dann 
die  Substantia  gelatinosa  und  verzweigen  sich  schließlich  mit  ihren  Endaufsplitte- 
rungen  an  den  dieser  Substanz  angehörenden  Nervenzellen. 

Weiterhin  verlaufen  die  zentralen  Fasern  des  Vagus,  gleich  denen  des  Glosso- 
pharyngeus als  größtenteils  in  der  Raphe  kreuzende  und  zum  Teil  ungekreuzt 
bleibende  Fibrae  arcuatae  internae,  die  in  der  ventralen  Gegend  der  Substantia 
reticularis  über  der  Schleifenschicht  aufsteigende  Richtung  annehmen  und  schließ- 
lich ganz  in  die  Bahn  des  Lemniscus  medialis  übergehen.  Jenseits  des  lateralen 
Thalamuskerns,  den  diese  Fasern  in  Gesellschaft  der  Schleife  erreichen,  werden 
sie  durch  thalamo-kortikale  Bahnen  fortgesetzt,  die  in  der  Umgebung  der  korti- 
kalen Endigungen  des  Glossopharyngeus  ihre  Rindenausbreitung  finden. 

Der  Nervus  acusticus  weist  zwei  Bestandteile  auf,  die  besonders  auch 
hinsichtlich  der  zentralen  Bahnen  dieses  Nerven  wohl  auseinanderzuhalten  sind: 
den  Gehör-  oder  Schneckennerv:  N.  cochlearis,  und  den  Vorhofsnerv:  N.  vesti- 
bularis. 

Der  N.  cochlearis  (Fig.  258)  erscheint  als  Fortsetzung  der  Axenzylinder  von 
bipolaren  Zellen  des  Ganglion  spirale,  deren  periphere  Fortsätze  auf  ihrem  Wege  zum 
Gehörapparat  in  das  Cortische  Organ  eintreten  und  mittels  freier  Endigungen  sich 
an  Zellen  dieses  Organes  ausbreiten.  Die  zentralen  Fäden  der  Bipolarzellen  des 
Ganglion  spirale  senken  sich  in  das  verlängerte  Mark  an  der  Grenze  der  Brücke 
als  äußere  oder  hintere  Akustikuswurzel  ein,  Radix  cochlearis,  während  die  mediale 
oder  vordere  Wurzel  des  Gehörnerven  dem  Ramus  vestibularis  desselben  entspricht. 
Fast  unmittelbar  nach  ihrem  Eintritt  in  das  Gehirn  gelangt  die  Schneckenwurzel 
zu  dem  ventralen  Akustikuskern,  Nucleus  ventralis  n.  cochlearis,  um  dessen  Zellen 
ein  Teil  ihrer  Fasern  seine  Endausbreitung  findet.  Ein  anderer  Faseranteil  dieser 
Wurzel  erreicht  einen  dorsolateral  von  dem  Nucleus  ventralis  gelegenen  grauen 
Kern,  Nucleus  dorsalis  n.  cochlearis,  der  als  Tuberculum  acusticum  bekannt,  im 


Die  I.eitungsbalincn  des  Zentralnervensystems. 


269 


Tierhirn  unverhältnismäßig  stärker  ausgebildet  erscheint,  als  im  Gehirn  des  Men- 
schen. Entsprechend  diesen  beiden  Endigungsstätten  der  Fasern  des  Gehörnerven 
schlagen  seine  weiteren  Bahnen  zwei  Hauptrichtungen  ein. 


Fig.  257. 

Die  zentrale  Leitung  des  Glossopharyngeus  und  Vagus.     (Nach  Bechterew.) 
ts  subkortikale  Fasern  vom  Thalamus  zur  Großhirnrinde. 


Die  Nervenfortsätze  der  Zellen  des  ventralen  Kerns  begeben  sich,  mit  Mark- 
scheiden bekleidet,  direkt  medianwärts  und  erzeugen  in  der  unteren  Hälfte  der 
Brücke  das  Corpus  trapezoideum  —  querverlaufende,  in  der  Raphe  sich  kreuzende 
Fasern.  Unter  Abgabe  von  Kollateralen  an  den  Facialiskern  ziehen  diese  Akustikus- 
fasern  teils  zur  oberen  Olive,  Nucl.  olivaris  sup.,  ihrer  eigenen,  teils  zu  dem  gleichen 


270 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Kern  der  anderen  Seite,  teils  verlaufen  sie  an  den  Brückenoliven  vorbei  im  Außen- 
felde der  Haube  als  laterale  Schleife,  deren  Kern,  Nucleus  lemnisci  lateralis,  einen 
Teil  der  hierhergehörigen  Fasern  aufnimmt,  wahrend  der  Rest  den  unteren  Vier- 
hügel aufsucht  unter  Entsendung  von  Kollateralen  zu  Zellen  der  oberflächlichen 
Schicht  des  oberen  Vierhügels.  Aus  allen  genannten  Kernen  —  mit  Ausnahme  der 
durch  Kollateralen  versorgten,  —  entwickeln  sich  Axenzylinder  von  aufsteigendem 
Charakter.  Ihre  Gesamtheit  entspricht  einer  zentralen  Gehörleitung,  die  nach 
Kreuzung  in  der  Raphe  auf  dem  Niveau  des  Corpus  trapezoideum  im  Gebiete 
der  lateralen  Schleife  verläuft,  welche  mit  ihrem  Kern  zum  unteren  Vierhügel  und 
zum  medialen  Kniehöcker  tritt,  teils  ziehen  sie  an  dem  Kniehöcker  vorbei  und 
begeben  sich  rindenwärts. 


Fig.  258. 

Die  zentralen  Bahnen  des  Nervus  cochlearis.     (Nach  Bechterew.) 
VI  Fila  radicularia  nervi  abducentis;   VIII. c  Nervus  cochlearis;    cgm  Corpus  geniculatum  mediale;    \.\  I  Xucleus  nervi 
abducentis;  na  Nucleus  ventralis  nervi  cochlearis;  nll  Nucleus  lemnisci  lateralis;  os  Nucleus  olivaris  sup. ;  st  subkortikale 

aufsteigende  Bahn  zur  Rinde  des  Schläfenlappens. 


Die  vom  Tuberculum  acusticum  abgehenden  Axenzylinder  bilden  eine  zweite 
zentrale  Gehörleitung,  die  um  den  dorsalen  Teil  des  Corpus  restiforme  umbiegt, 
darauf  als  Striae  medulläres  medio-ventralwärts  verlaufend  über  der  Schleife  zur 
Kreuzung  gelangt  und  nun  der  erwähnten  lateralen  Schleife  sich  hinzugesellt. 
Unterwegs  begibt  sich  ein  kleiner  Anteil  der  hierher  gehörigen  Fasern  zum  Nucleus 
olivaris  sup.  der  gleichen  Seite,  ein  anderer  zu  demselben  Kern  der  entgegen- 
gesetzten Seite,  während  der  Rest  in  den  Kern  der  lateralen  Schleife  und  in  den 
unteren  Vierhügelkern  eintritt  und  teilweise  direkt  zum  medialen  Kniehöcker  zieht, 
wo,  gleich  den  übrigen  Endstätten,  Kontaktbeziehungen  zu  den  Zellen  dieser  Kerne 
sich  herausstellen.  Die  weitere  Bahn  dieser  und  jener  Gehörnervenfasern,  welche 
auch  ihre  Kollateralen  zum  N.  facialis  und  zu  dem  oberen  Vierhügel  schicken, 
wird  gebildet  durch  Axenzylinder  aus  dem  unteren  Vierhügel-  und  lateralen  Schleifen- 
kern, deren  Gesamtheit  den  unteren  Vierhügelarm  ausmacht.    Diese  Fasern  treten 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


271 


auf  ihrem  Wege  teils  in  den  medialen  Kniehöcker  hinein,  teils  ziehen  sie  ähnlich 
den  vorigen  Fasern  an  dem  Kniehöcker  vorbei  und  begeben  sich  rindenwärts. 
Beide   letztgenannte    Fasern    bilden    zusammen    mit   den    aus   Axenzylindern   des 


Fig.  259. 

Die  zentralen  Bahnen  des  Nervus  vestibularis.    (Nach  Bechterew.) 
VII  Nervus  facialis;   VIII  Nervus  acusticus;  a  Nucleus  n.  vestibularis  sup.  (Bechterew);   D  Nucleus  n.  vestibularis  lat. 
(Deiters);    d  Nucleus  dentatus;    g  Nucleus  globosus;    p   Nucleus  emboliformis ;    ra  Fila  radicularia  antt. ;    sc,  sc"  sub- 
kortikale Fasern  vom  Nucleus  ruber  und  Thalamus  zur  Großhirnrinde ;   t  Nucleus  tegmenti. 

medialen  Kniehöckers  hervorgehenden  die  subkortikale  Gehörleitung,  die  haupt- 
sächlich zu  der  ersten  Schläfenwindung  hinaufzieht  und  ihre  Endverzweigungen 
an  die  dort  vorhandenen  Zellen  abgibt1). 


*)  Im  Tierhirn  können  Wurzelfasern  des  Nervus  cochlearis  unmittelbar  bis  zu  den  oberen  Oliven 
verfolgt  werden;  sie  sollen  sogar  direkt  bis  zum  unteren  Vierhügel  hinaufsteigen. 


272  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Während  seines  Verlaufes  gibt  das  betrachtete  Fasersystem  Seitenzweige  ab, 
die  zu  den  oberen  Oliven,  zum  Abducenskern  und  in  das  hintere  Längsbündel 
gelangen. 

Den  Wurzeln  des  Nervus  vestibularis  (Fig.  259,  260)  ist  auf  ihrer  Bahn  das 
Ganglion  vestibuläre  eingeschaltet,  dessen  peripherische  Zellfortsätze  zu  den  Maculae 
acusticae  sacculi  et  utriculi  und  zu  den  Cristae  ampullares  ziehen.  Seine  zentralen 
Fortsätze  bilden  die  mediale  oder  vordere,  bezw.  vestibuläre  Wurzel;  sie  dringen 
an  der  Grenze  zwischen  verlängertem  Mark  und  Brücke  dicht  medial  und  rostral 
von  der  vorigen  Wurzel  in  die  Substanz  der  Brücke  hinein,  und  begeben  sich 
zum  lateralen  Winkel  der  Rautengrube;  sie  spalten  sich  alsbald  in  kurze  auf- 
steigende und  längere  absteigende  Äste.  Die  aufsteigenden  Äste  gelangen  zu  dem 
Nucleus  n.  vestibularis  sup.  (Bechterew)  und  gewinnen  Beziehungen  zu  dessen 
Ganglienzellen.  Die  absteigenden  Äste  treten  in  den  Nucleus  n.  vestibularis  lateralis 
oder  Deitersschen  Kern  hinein,  und  schlagen  in  demselben  absteigende  Richtung 
ein,  wobei  ein  allmählicher  Faserverlust  stattfindet,  in  dem  Maße,  als  immer  neue 
Elemente  der  Wurzel  sich  nach  und  nach  in  die  Umgebung  von  Zellen  des 
Deitersschen  Kerns  abzweigen. 

Die  Axenzylinder  des  Nucleus  nervi  vestibularis  sup.  begeben  sich  unter 
Markscheidenaufnahme  durch  den  medialen  Abschnitt  des  unteren  Kleinhirn- 
schenkels zur  Gegend  der  zentralen  Kleinhirnkerne,  vor  allem  zu  dem  Nucleus 
globosus  und  zum  Nucleus  fastigii,  in  denen  sie  sich  aufzweigen. 

Die  Weiterleitung  zum  Großhirn  wird  wohl  durch  Fasern  des  Brachium  con- 
junctivum  vermittelt.  Vom  Deitersschen  Kern  wiederum  begeben  sich  Axenzylinder 
einerseits  medianwärts  unter  dem  Ventrikelboden  zum  hinteren  Längsbündel  teils 
der  gleichen,  teils  der  entgegengesetzten  Seite  behufs  Verbindung  mit  den  Kernen 
der  Augenmuskel-  und  anderer  motorischer  Gehirnnerven;  andererseits  erzeugen 
sie  eine  besondere  absteigende  cerebro-spinale  Bahn,  die  als  Tractus  vestibulo- 
spinalis  von  Loewenthal  bekannt  ist,  und  im  weiteren  noch  näher  zu  betrachten 
sein  wird. 

Die  Fasern  der  Nervi  optici  (Fig.  261)  sind  die  Axenzylinder  der  Ganglien- 
zellen der  Netzhaut,  deren  Dendriten,  peripheriewärts  ziehend  und  büschelförmig 
aufgezweigt  sich  mit  den  Endbüscheln  der  zentralen  Fortsätze  der  Bipolarzellen 
der  Retina  durchflechten.  Die  peripheren  Fortsätze  der  Bipolaren  ebenfalls  büschel- 
förmig verästelt,  gewinnen  Kontaktbeziehungen  zu  den  zentralen  Fortsätzen  der 
Sehzellen,  deren  peripher  gerichtete  Fortsätze  in  Gestalt  der  Zapfen  und  Stäbchen 
ihre  Endigung  finden.  Die  Fasern  der  Nervi  optici  erscheinen  demnach  bereits 
als  Axenzylinder  von  Neuronen  111.  Ordnung. 

Bei  allen  Tieren  und  beim  Menschen  bilden  die  Sehnerven  auf  ihrer  zentral- 
wärts  gerichteten  Bahn  eine  Kreuzung  —  Chiasma  opticum  — ,  die  bei  Reptilien, 
Amphibien,  Fischen,  Vögeln,  sowie  bei  niederen  Säugetierformen  (Maus,  Meer- 
schwein) vollständig,  dagegen  bei  höheren  Säugern  (teilweise  schon  Kaninchen, 
vor  allem  aber  Hund,  Katze  und  zumal  Affe  und  Mensch)  unvollständig  ist.  Die 
Zahl  der  ungekreuzt  bleibenden  Sehnervenfasern  ist  bei  höheren  Säugetierformen 
(Mensch,  Affe)  größer,  als  bei  niederen  (Hund,  Katze)  und  am  geringsten  beim 
Kaninchen. 

Bekannt  ist  zugleich,  daß  ein  Teil  der  Fasern,  die  dem  sogenannten  Macula- 
bündel  angehören,  im  Chiasma  dichotomische  Teilung  erfährt.   Zentralwärts  wenden 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


273 


sich  die  Fasern  der  Nervi  optici,  nachdem  sie  sich  jenseits  des  Chiasma  zum 
Tractus  opticus  formiert  haben,  mehreren  Kernen  zu;  sie  erreichen  den  lateralen 
Kniehöcker,  das  Pulvinar  thalami  und  den  oberen  Vierhügel.   Ein  kleinerer  Faser- 


Fig.  260. 

Die  zentrale  Leitung  des  Nervus  oculomotorius  und  des  Nervus  abducens  sowie  die  zentrale  und  periphere  Bahn 

des  Nervus  vestibularis.  (Nach  Bechterew.) 
bc  Fasern  des  Brachium  conjunctivum ;  ca  subkortikale  Verbindung  des  Nucleus  nervi  abducentis;  co  subkortikale  Ver- 
bindung des  Nucleus  nervi  oculomotorii;  er  zentrale  Bahn  des  Brachium  conjunctivum;  d  Nucleus  dentatus;  fp  Fasciculus 
longitudinalis  medialis;  N. /// Nucleus  nervi  oculomotorii ;  N.  VI  Nucleus  nervi  abducentis  ;  nD  Nucleus  n.  vestibularis  lat. 
(Deiters);  ng  Nucleus  globosus ;  nt  Nucleus  tegmenti ;  nv  Nucleus  n.  vestibularis  sup.  (Bechterew);  p  Nucleus  emboli- 
formis ;  ra  Fiia  radicularia  antt. ;  vs  Tractus  vestibulospinalis.  Die  Verbindung  des  N.  VI  mit  dem  N.  III  durch  den  Fasci- 
culus longitudinalis  medialis  ist  in  diesem  Schema  nicht  dargestellt. 


teil  wendet  sich  außerdem  vor  seinem  Eintritt  in  den  lateralen  Kniehöcker  um 
die  äußere  und  ventrale  Oberfläche  des  Hirnschenkels  und  verliert  sich  in  einem 
kleinen  konischen  Gebilde:  Nucleus  tractus  peduneularis  transversi.    (Fig.  261  np.) 


274 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Ein  letzter,  ebenfalls  geringer  Faseranteil  des  Sehnerven  begibt  sich  hinter  dem 
Chiasma  zum  zentralen  Höhlengrau  und  zum  sogenannten  basalen  Opticusganglion, 
welches  ein  Teil  des  Tuber  cinereum  ist.1) 


Corpus       (\ 
jemtulalum  lat.V 


Fig.  261. 

Verlauf  der  Sehbahnen.    (Nach  Bechterew.) 

cv  kortikales  Sehzentrum;  fa  Fasern  aus  dem  oberen  Vierhügel  in  den  Fasciculus  praedorsalis  übergehend;  np  konischer 
Kern  des  Pedunculus  cerebri;    oc  subkortikale  Sehleitung  (Gratioletsche  Strahlung);    s  Fasern   aus  dem  Chiasma  zum 

Boden  des  III.  Ventrikels. 

In   allen  genannten  Formationen  endigen  Fasern   der  Tractus  optici  mittels 
Telodendren  um  Zellen,  mit  denen  sie  Kontakt  unterhalten.     Aus  diesen  Zellen 


*)  Die  im  Tractus  opticus  enthaltene  Gud  den  sehe  Kommissur  und  die  über  dem  Tractus 
liegende  Meynertsche  Kommissur  haben  mit  der  Sehbahn  nichts  zu  tun,  sondern  vermitteln  Be- 
ziehungen zwischen  bestimmten  grauen  Formationen,  die  Guddensche  Kommissur  zum  medialen 
Kniehöcker  (?),  die  Meynertsche  zum  Linsenkern. 


Die  LeiUingsbahncn  des  Zentralnervensystems. 


275 


entstehen  ihrerseits  Axenzylinder,  von  denen  aber  nur  die  des  lateralen  Kniehöckers 
rindenwärts  verlaufen  und  den  Hinterhauptlappen  im  Bereich  der  Fissura  calcarina 
erreichen,  wo  ihre  Endaufzweigungen  zu  den  zerstreuten  großen  Ganglienzellen 
der  vierten  und  fünften  Schicht  in  Beziehung  treten1). 


Bulbus  oIFactonü^" 


Fig.  262. 

Die  zentralen  Riechbahnen.  (Nach  Bechterew.) 
X  Fila  radicularia  nervi  vagi ;  ca  Commissura  ant. ;  cm  Corpus  mamillare;  cp  Fasern  vom  Nucleus  habenulae  zur  hinteren 
Kommissur;  /G  Faserzug  vom  Corpus  mamillare  zum  Gud  den  sehen  Kern;  fi  Fasciculus  thalamo-mamillaris;  //  Fasciculus 
longitudinalis  medialis;  fr  Fornix;  ful  Fasern  des  Fornix  longus  ;  gh  Nucleus  habenulae;  gi  Ganglion  interpeduneulare; 
gp  Gyrus  piriformis;  /  Lemniscus  medialis;  m  Fasern  vom  Gudden sehen  Kern  zur  Substantia  reticularis  grisea;  na  Nucleus 
ant.  thalami ;  nG  Guddenscher  Kern;  nt  Nucleus  tegmenti  (v.  Gudden);  nX  Nucleus  sensibilis  nervi  vagi;  pee  Pedun- 
culus  corporis  mamillaris  aus  der  Schleifenschicht;  qa  Lamina  quadrigemina;  r  Fasern  vom  Nucleus  tegmenti  (v.  Gudden) 
zu  den  Kernen  der  Hirnnerven;  re  Radix  lat.  tractus  olfactorü;  rf  Fasern  des  Tractus  olfactorius  zum  Gebiet  des  Tri- 
gonum  olfactorium;  ro  Radix  medialis  tractus  olfactorü;  s  Fasern  vom  Ganglion  interpeduneulare  zum  Nucleus  tegmenti; 
so  Gebiet  des  Trigonum  olfactorium;   th  Thalamus;    tro  Tractus  olfactorius;    tt  Stria  medullaris;    x  Fasciculus  retroflexus. 


Die  Fasern  des  Olfactorius,  als  Nervi  olfactorü  bekannt,  sind  die  zentralen 
Fortsätze  der  im  Riechepithel  gelegenen  Neuroepithelzellen,  deren  starke,  kurze 
Fortsätze  frei  an  der  Oberfläche  endigen.  Zentralwärts  durchsetzen  die  Nervi 
olfactorü  die  Lamina  cribrosa,  treten  von  der  ventralen  Seite  her  in  den  Bulbus 
olfactorius  hinein  und  verästeln  sich  hier  innerhalb  des  Stratum  glomerulosum  mit 


l)  Wie  in  der  Gehörbahn,  so  sind  auch  in  der  Sehbahn  rückläufige  Systeme  vorhanden.  Die- 
selben verästeln  sich  frei  in  der  inneren  retikulären  Schicht  der  Netzhaut  in  der  Nähe  der  neuriten- 
losen,  reich  mit  Dendriten  ausgestatteten  Spongioblasten. 


276  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

dichten  Endbüscheln.  Die  Zweige  der  Büschel  durchflechten  sich  mit  den  aus- 
gedehnten Endbäumchen  der  langen  Protoplasmafortsätze  der  Mitralzellen,  die  in 
der  Tiefe  eine  besondere  Schicht  bilden.  Infolge  dieser  Durchflechtung  der  End- 
verästelungen der  Nervi  olfactorii  mit  den  Mitralzellendendriten  kommt  es  zur 
Bildung  der  Glomeruli  olfactorii.  In  den  Glomeruli  gelangen  die  Nervi  olfactorii 
in  Kontakt  mit  den  Hauptdendriten  der  Mitralzellen,  deren  übrige  Dendriten 
kollaterale  Richtung  einschlagen  (siehe  auch  Fig.  190,  191). 

Die  von  den  Mitralzellen  abgehenden  Axenzylinder  wenden  sich  nach  Auf- 
nahme von  Markscheiden  zentralwärts  zum  Tractus  olfactorius  und  weiterhin  zur 
Gegend  der  sogenannten  lateralen  Olfactoriuswurzel,  die  sich  gegen  den  vorderen 
Schläfenlappen  zum  Gyrus  uncinatus,  bezw.  Gyrus  piriformis  wendet  (Fig.  262). 
In  dieser  Rindenregion  gewinnen  die  Verästelungen  der  erwähnten  Fortsätze 
Kontaktbeziehungen  zu  dort  vorhandenen  großen  Zellen,  die  das  kortikale  Riech- 
feld bilden. 

Unterwegs  entsenden  die  zentralen  Fortsetzungen  der  Nervi  olfactorii  Kolla- 
teralen, welche  mit  den  Pyramidenzellen  der  grauen  Substanz  des  Tractus  olfac- 
torius in  Berührung  gelangen.  Die  Axenzylinder  der  Pyramidenzellen  schlagen 
ihrerseits  zentralwärts  gerichtete  Bahnen  ein.  Mindestens  ein  Teil  von  ihnen 
findet  zur  Herstellung  einer  Kommissur  zwischen  den  Bulbi  und  Tractus  olfactorii 
Verwendung. 

Die  Axenzylinder  der  vorhin  genannten  Mitralzellen  gelangen  jedoch  nicht 
nur  zur  Rinde  der  Gyrus  piriformis,  sondern  wenden  sich  teilweise  auch  zu  der 
dem  Trigonum  olfactorium  zustrebenden  mittleren  Riechwurzel,  wo  ebenfalls  ein 
Kontakt  ihrer  Verzweigungen  mit  Zelldendriten  zustande  kommt.  Die  Neuriten 
der  Zellen  des  Trigonum  olfactorium  hinwiederum  verlaufen  gegen  den  Hirnstamm 
und  entsprechen  einer  reflektorischen  Riechbahn. ') 

//.  Die  absteigenden  Leitungs-Systeme. 

Aus  Axenzylindern  von  Zellen  der  Hirnrinde  hervorgegangen,  wenden  sich 
sämtliche  absteigenden  Leitungsbahnen  peripheriewärts,  indem  sie  den  Hirnstamm 
und  das  Rückenmark  mit  den  zentrifugal-motorischen  Hirnnerven-  bezw.  den 
vorderen  Rückenmarkswurzeln  verlassen.  Eine  Ausnahme  bilden  nur  die  absteigen- 
den Fasern  der  hinteren  Wurzeln  und  der  sensiblen  Hirnnerven. 

Zu  den  gegenwärtig  bestgekannten  Systemen  dieser  Art  gehört  die  Pyra- 
midenbahn. 

Die  Pyramidenbahn  (Fig.  263)  beginnt  beim  Menschen  und  bei  den  Affen 
im  Bereich  der  vorderen  Zentralwindung  und  im  Wurzelgebiet  der  ersten  und 
zweiten  Stirnwindung,  in  den  Riesenpyramidenzellen,  deren  Neuriten  nach  Auf- 
nahme von  Markscheiden  mit  dem  Stabkranz  zur  Gegend  des  mittleren  Drittels 
vom  hinteren  Schenkel  der  Capsula  interna  hinabsteigen.  Sodann  treten  die 
Pyramidenfasern  in  den  Fuß  des  Hirnschenkels,  dessen  zweites  bis  viertes  Fünftel 
sie  auf  Querschnitten  einnehmen,  durchsetzen  weiterhin  den   ventralen  Teil  der 


l)  Außer  den  vorhin  aufgeführten  Faserarten  enthält  der  Bulbus  olfactorius  centrifugal  ge- 
richtete Fasern.  Diese  verästeln  sich  frei  in  der  Körnerschicht,  welche  dicht  hinter  der  Mitral- 
zellenschicht  gelegen,  besondere  neuritenlose  Zellen  enthält,  aber  auch  sog.  Golgische  Zellen  mit 
kurzem  reichverzweigten  Neuriten  aufweist. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems. 


277 


Brücke,  wo  sie  zum  Teil  von  den  queren  Brückenfasern  zerklüftet  werden,  und 
wenden  sich  schließlich  zur  Pyramide  der  entsprechenden  Seite,  wo  sie  eine  teil- 
weise Durchkreuzung  ihrer  Elemente  erfahren.     Fig.  264. 


Fig.  263. 

Verlauf  der  Pyramidenbahn.     (Nach  Bechterew.) 
bp   Fasern   aus  den  Nuclei   pontis  durch  Vermittlung  der  Brachia   pontis  zum  Kleinhirn  verlaufend;    Np   Nuclei   pontis; 
pa  Fasciculus  cerebrospinalis  ant.  (pyramidalis  ant.) ;    pl  Fasciculus  cerebrospinalis  lat.  (pyramidalis  lat.) ;    ra   Fila  radicu- 

laria  antt. ;  y  Substantia  nigra. 

Der  größere  gekreuzte  Teil  der  Pyramidenbahnfaserung  steigt  im  hinteren 
(dorsalen)  Teil  des  Seitenstranges  abwärts  als  Pyramidenseitenstrangbahn, 
Fase,  cerebrospinalis  lat.,  die  übrigens  auch  eine  geringe  Anzahl  ungekreuzter 
Elemente  führt.  Der  kleinere,  zunächst  nicht  kreuzende  Teil  der  Pyramidenfaserung 
zieht  im  medialen  Abschnitt  des  Vorderstranges  abwärts  als  Pyramidenvorder- 
strangbahn,  Fase,  cerebrospinalis  ant.    Die  laterale  Pyramidenbahn  kann  bis  in 


278 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


die  kaudalen  Abschnitte  des  Rückenmarkes,  bezw.  in  das  Sakralmark  hinein  verfolgt 
werden.    Die  ventrale  Pyramidenbahn  ist  von  geringerer  Ausdehnung  und  verliert 


Fig.  264. 

Verlauf  der  Pyramidenbahnen  und  der  zentralen  Bahnen  des  motorischen  Trigemlnusteils  und  des  Facialis. 

(Nach  Bechterew.) 

Vm  motorischer  Teil  des  Nervus  trigeminus;    VII  Fila  radicularia  nervi  facialis;  /zentrale  Facialisleitung;    N.  V'tNucleus 

motorius  nervi  trigemini ;  N.V1I  Nucleus  nervi  facialis;   p  Fasern  der  I'yramidenbahn  (Fase,  cerebrospinalis  lat.  et  am.); 

ra  Fila  radicularia  antt. ;   t  zentrale  Bahn  des  motorischen  Trigeminusteils. 


sich  bereits  in  der  Gegend  der  oberen  Rückenmarkshälfte;  ihre  Länge  und  Stärke 
ist  beim  Menschen  außerordentlichen  Schwankungen  unterworfen,  bei  den  Tieren 
tritt  sie  im  allgemeinen  wenig  hervor  und  kann  hier  fehlen. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  279 

Die  Endfasern  beider  Pyramidenbahnen  gelangen  zu  Ganglienzellen  der 
Vordersäule,  und  zwar  überwiegend  zu  solchen  der  Vordersäule  der  gleichen  Seite, 
und  gewinnen  Kontaktbeziehungen  zu  diesen  Zellen. 

Während  ihres  Verlaufes  entwickeln  die  Pyramidenbahnen  kollaterale  Fasern 
(Fig.  263).  Ein  stärkeres  Bündel  solcher  Kollateralen  wendet  sich  zu  den  Brücken- 
kernen; ein  weiteres  solches  Bündel  geht  zu  der  Substantia  nigra;  jedoch  treten 
auch  im  Rückenmark  eine  Anzahl  Kollateralen  von  der  Pyramidenbahn  ab,  die  an 
Vordersäulenzellen  herantreten  (Fig.  264).  Die  Ganglienzellen  der  Vordersäulen 
entsenden  ihrerseits  Axenzylinder,  die  in  vordere  Wurzeln  und  späterhin  in  ge- 
mischte Nervenstämme  übergehen,  um  schließlich  für  die  Muskulatur  des  Rumpfes 
und  der  Extremitäten  Verwendung  zu  finden. 

Ein  aus  dem  hinteren  Abschnitt  der  mittleren  Stirnwindung  hervorgehender 
Anteil  der  Pyramidenbahn  wird  zum  System  des  Nervus  phrenicus.  Im  Stab- 
kranz abwärts  ziehend,  verlaufen  die  Fasern  dieses  Systems  durch  den  vorderen 
Schenkel  der  inneren  Kapsel  nahe  dem  Knie,  durchsetzen  dann  den  Hirnschenkel- 
fuß und  erreichen  unter  partieller  Kreuzung  das  verlängerte  Mark.  —  Der  weitere 
Verlauf  dieses  Systems  ist  unbekannt,  er  konnte  nur  physiologisch  verfolgt  werden 
auf  Grund  des  bei  seiner  Reizung  auftretenden  inspiratorischen  Effektes.  Wahr- 
scheinlich gelangen  seine  Fasern  im  verlängerten  Mark  zu  dem  Respirationskern 
(Fig.  265)  und  begeben  sich  dann-  abwärts  in  das  Halsmark,  wo  sie  sich  im  ventralen 
Abschnitt  des  Seitenstranges  in  der  Nähe  der  Vordersäule  liegen  und  schließlich 
nach  partieller  Kreuzung  in  die  Phrenicuskerne  des  4.  und  5.  Cervikalsegmentes 
hineintreten.  Die  Axenzylinder  der  Vordersäulenzellen,  die  diesen  Kernen  ent- 
sprechen, verlaufen  als  Nervus  phrenicus  mit  den  vorderen  Wurzeln  peripheriewärts. 

Ein  anderer  Teil  der  Pyramidenfasern,  aus  der  Gegend  des  hinteren  Abschnittes 
der  oberen  Stirnwindung  hervorgehend  (Fig.  266c),  begibt  sich  in  Gesellschaft 
der  übrigen  Pyramidenbündel  abwärts,  gelangt  im  kaudalen  Teil  des  verlängerten 
Markes  und  im  Halsmark  zu  einer  besonderen  dorso-lateralen  Gruppe  von  Vorder- 
säulenzellen, die  als  Nucleus  nervi  accessorii  bekannt  sind.  Fortgesetzt 
werden  diese  Fasern,  die  als  Accessoriussystem  bezeichnet  werden  können,  durch 
die  Wurzeln  des  Nervus  accessorius,  die  vom  Kern  dorsalwärts  verlaufen,  sich 
darauf  durch  den  Seitenstrang  lateralwärts  wenden  unter  vorübergehender  Annahme 
einer  vertikal  aufsteigenden  Richtung,  und  schließlich  in  den  Nervus  accessorius 
zur  Versorgung  der  Mm.  trapezius  und  sternocleidomastoideus  eintreten. 

Im  unteren  Gebiet  des  Gyrus  centralis  anterior  beginnt  das  Facialis-System 
(Fig.  264,  266).  Es  zieht  innerhalb  des  Stabkranzes  abwärts,  durchsetzt  den  hinteren 
Schenkel  der  Capsula  interna  in  dessen  vorderem  Teil  und  lagert  sich  innerhalb 
des  Hirnschenkelfußes  in  unmittelbarer  Nähe  der  Pyramidenbahn.  Mit  der  Pyra- 
midenbahn verlaufen  die  Fasern  des  Facialis-Systems  in  den  basalen  Teilen  der 
Brücke,  kreuzen  sich  sodann  im  unteren  Brückengebiet  und  gelangen  schließlich 
zu  den  Facialiskernen.  Die  von  letzteren  abgegebenen  Axenzylinder  verlaufen  nach 
Aufnahme  von  Markscheiden  in  dorso-medialer  Richtung,  bilden  rostral  vom  Ab- 
ducenskern  ein  Knie  und  treten  dann  als  Facialiswurzeln  aus. 

Abwärts  von  dem  Facialis-System  entspringt  aus  Zellen  des  unteren  Teiles 
der  vorderen  Zentralwindung  das  absteigende  Trigeminus-System  (Fig.  264, 
266).  Gleich  dem  vorigen  System  verläuft  es  mit  dem  Stabkranz  durch  die  innere 
Kapsel,  den  Hirnschenkel  und  die  Brücke.    Entsprechend  dem  kaudalen  Abschnitt 

Uauber-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  15 


280 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


des  unteren  Vierhügels  wenden  sich  diese  Trigeminusfasern  von  der  Pyramiden- 
bahn allmählich  dorsalwärts  und  gelangen  unter  teilweiser  Kreuzung  in  der  Raphe 
zu  den  motorischen  Trigeminuskernen  im  lateralen  Teil  der  Brückenhaube. 


Fig.  265. 

Die  Atmungsleitung.    (Nach  Bechterew. 
X  Fila  radicularia  nervi  vagi ;   XU  Fila  radicularia  nervi  hypoglossi ;  fr  spinale  absteigende  Atmungsbahn ;  fs  und  hs  Bahn 
für  psychoreflektorisches  Atmen;    N.X11  Nucleus  nervi  hypoglossi;    Na   Nucleus  ambiguus ;    nr  Nucleus  respiratorius; 
ra  Fila  radicularia  antt. ;    rs  Bahn  für  die  willkürlichen  Atmungsbewegungen;    t  Bahn    für  psychoreflektorisches  Atmen; 

ts  Tractus  solitarius. 


Die  aus  Zellen  dieser  Kerne  hervorgegangenen  Axenzylinder  erzeugen  nach 
Aufnahme  von  Markscheiden  die  motorische  Trigeminuswurzel. 

Ergänzt  wird  das  absteigende  Trigeminus-System  durch  Bahnen,  die  zu  dem 
sogen,  accessorischen  Trigeminuskern  verlaufen,  einer  Anhäufung  rundlicher 
Nervenzellen,  die  am  Außenrande  der  zentralen  grauen  Substanz  im  Bereiche  des 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  281 

Vierhügels  und  der  oberen  Brückengegend  vorhanden  ist,  und  den  Elementen  des 
Locus  caeruleus  unmittelbar  angrenzt.  Der  Verlauf  des  zentralen  Neurons  dieses 
Fasersystemes  ist  nicht  endgültig  festgestellt;  es  gestaltet  sich  höchstwahrscheinlich 
so,  daß  die  hinzugehörigen  Fasern  aus  der  Hirnrinde  im  Stabkranz  abwärts  ziehen, 
nach  Durchsetzung  der  Capsula  interna  zur  Haube  verlaufen  und  dicht  lateral  von 
der  grauen  Substanz  als  besonderes  Bündel  sich  lagern,  das  auf  Querschnitten  die 
Gestalt  eines  bis  an  die  Zellen  des  erwähnten  Kernes  sich  fortsetzenden  Halb- 
mondes zeigt.  Das  periphere  Neuron  dieses  Fasersystems  wird  gebildet  durch  die 
Radix  meseneephalica  n.  trigemini  (siehe  S.  300). 

Ein  weiteres  wichtiges  Augen-Fasersystem  entspringt  aus  Zellen  des 
hinteren  Abschnittes  der  mittleren  Stirnwindung  in  Gestalt  von  Axenzylindern,  die 
nach  Annahme  von  Markscheiden  im  Stabkranz  herabsteigen  und  die  Capsula  in- 
terna in  der  Nähe  ihres  Knies  durchsetzen.  Aus  den  hierher  gehörigen  Fasern 
entwickeln  sich  zwei  Bündel  (Fig.  266).  Das  eine  verläuft  mit  der  Pyramidenbahn 
und  geht  im  Bereiche  der  Brücke  in  die  Haube  über,  kreuzt  in  der  Raphe  und 
wendet  sich  zu  dem  Kern  des  Nervus  abducens  der  anderen  Seite,  der  durch 
Fasern  des  hinteren  Längsbündels  mit  dem  für  den  Musculus  rectus  medialis 
bestimmten  Oculomotoriuskern  in  Verbindung  steht.  Der  zweite  Faserzug  trennt 
sich  von  dem  vorigen,  wie  es  scheint,  schon  in  der  Gegend  zwischen  oberem 
Vierhügel  und  hinterem  Teil  des  Thalamus;  er  gelangt  zur  Haube,  geht  teilweise 
auf  die  andere  Seite  und  begibt  sich  auf  noch  unbekannten  Wegen  zu  den  übrigen 
Kernen  des  Oculomotorius  der.  entgegengesetzten  und  zu  dem  des  Trochlearis  der 
gleichen  Seite. 

Die  Zellen  des  Abducenskerns,  sowie  diejenigen  des  Oculomotorius-  und 
Trochleariskerns  entsenden  Axenzylinder.  Die  vom  Abducenskern  verlaufen  unge- 
kreuzt ventralwärts  und  verlassen  als  Abducenswurzeln  (zur  Innervation  der  Mm. 
recti  laterales)  zwischen  verlängertem  Mark  und  Brücke  das  Gehirn. 

Die  Axenzylinder  des  Trochleariskerns  ziehen  dorsalwärts,  kreuzen  sich  voll- 
ständig im  Gebiete  des  Velum  medulläre  ant.  und  treten  unterhalb  der  Vierhügel- 
platte aus. 

Die  Axenzylinder  der  Oculomotoriuskerne  endlich  ziehen  größtenteils  ventral- 
wärts und  ungekreuzt;  andere,  und  zwar  diejenigen  des  hinteren  Teiles  des  Haupt- 
kerns, kreuzen  sich  dorsal  von  den  Kernen.  Beide  sammeln  sich  zu  Bündeln,  die 
zum  großen  Teil  in  lateral-konvexen  Bogen  zum  Sulcus  nervi  oculomotorii  verlaufen 
und  dort  austreten. 

Das  System  des  Nervus  hypoglossus  (Fig.  266)  entsteht  aus  Axenzylindern 
von  Zellen  des  unteren  Abschnittes  der  vorderen  Zentralwindung  (abwärts  vom 
Facialisgebiet).  Seine  Fasern  gelangen  zum  Stabkranz,  durchsetzen  den  vorderen, 
dem  Knie  angrenzenden  Teil  des  hinteren  Schenkels  der  Capsula  interna  und 
erreichen  den  Hirnschenkelfuß  und  die  Brücke,  wo  sie  dicht  neben  dem  Facialis- 
System  liegen.  In  der  Pyramide  verlaufen  sie  bis  zur  Höhe  der  Hypoglossus- 
kerne,  treten  dann  aus  der  Pyramide  dorsalwärts  hinaus,  kreuzen  sich  zum  größten 
Teil  in  der  Raphe  und  begeben  sich  zu  den  Hypoglossuskernen,  mit  deren  Zellen 
ihre  Endaufzweigungen  in  Kontakt  treten. 

"Aus  diesen  Zellen  hervorgehende  Axenzylinder  bilden  die  Hypoglossus- 
wurzeln. 

Die    Systeme   des   Glossopharyngeus    und  Vagus   entwickeln   sich   aus 

15* 


282 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Axenzylindern  der  alleruntersten  Felder  des  Gyrus  centralis  anterior  (hinter  der 
Wurzel  der  unteren  Stirnwindung).  Sie  steigen  im  Stabkranz  abwärts,  durchsetzen 
die  Capsula  interna  in  der  Nähe  ihres  Knies  und  verlaufen  in  der  Basis  pedunculi 
cerebri   in   Gesellschaft  der  Pyramidenbahn.    Im   verlängerten  Mark   kreuzen   sie 


Fig.  266. 

Zentrale  Bahnen  der  motorischen  Gehirnnerven.     (Nach  Bechterew.) 
a,  o  Rindenzentren  und  Fasern  für  Oculomotorius  und  Abducens;  c  Rindenzentrum  und  Fasern  für  Accessorius;  f,h,k,s 
Rindenzentren  und  Fasern  für  Antlitz  (Facialis),  Zungenbewegungen  (Hypoglossus).  Kaubewegungen  (Trigeminus),  Schlucken 
(Glossopharyngeus  und  Vagus);   Mi//,  N.IV  usw.  die  Kerne  der  motorischen  Hirnnerven;    ///,  IV  usw.  die  Wurzeln  der 

motorischen  Hirnnerven. 


sich  teilweise  in  der  Raphe  und  begeben  sich  einerseits  zu  dem  dorsalen  klein- 
zelligen Vago-glossopharyngeuskern,  andererseits  zu  dem  Nucleus  ambiguus. 

Die  aus  den  oberen  Teilen  des  erstgenannten  Kernes  hervorgehenden  Axen- 
.zylinder  verlaufen  unter  dem  Ventrikelboden  lateralwärts  und  verlassen  den  Seiten- 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  283 

teil  des  verlängerten  Markes  in  Gestalt  einzelner  Bündel,  die  schließlich  den  Stamm 
des  Nervus  glossopharyngeus  ausmachen.  Einige  Fasern  ziehen  medianwärts  und 
gehen  nach  Überschreitung  der  Raphe  in  Wurzeln  des  Glossopharyngeus  der  an- 
deren Seite  über.  Die  aus  den  rostralen  Teilen  des  Nucleus  ambiguus  hervor- 
gehenden Axenzylinder  verlaufen  anfangs  dorsalwärts  und  wenden  sich  nach  Er- 
reichung des  Grau  vom  Boden  des  IV.  Ventrikels  lateralwärts  zu  den  vorgenannten 
Glossopharyngeuswurzeln  (für  den  M.  stylopharyngeus). 

Die  Wurzelfasern  des  Nervus  vagus  entwickeln  sich  als  Axenzylinder  der 
kaudalen  Teile  beider  Kerne  und  schlagen  eine  den  vorigen  Faserzügen  sehr  ähn- 
liche Bahn  ein.  Sie  liegen  während  ihres  ganzen  cerebralen  Verlaufes  kaudal 
von  den  Glossopharyngeuswurzeln.  Aus  ihnen  entwickelt  sich  der  Stamm  des 
Nervus  vagus. 

Ein  Teil  der  absteigenden  Fasern  der  Hirnnerven  begibt  sich  im  unteren 
Abschnitt  des  Hirnschenkels  zur  Schleife  als  mediale  und  zerstreute  accessorische 
Schleifenbündel  und  erreichen  so  ihre  Endkerne.  Welche  cerebrale  Verbindungen 
der  Gehirnnerven  mit  der  Schleife  zu  den  entsprechenden  Nervenkernen  ge- 
langen, ist  noch  unbekannt;  ein  Teil  der  cerebralen  Fasern  des  Vagus  und 
Glossopharyngeus  dürfte  wohl  im  Wege  der  Schleife  zum  verlängerten  Mark 
hinabziehen. 

Zu  den  absteigenden  Leitungsbahnen,  welche  die  Hirnrinde  unmittelbar  mit 
motorischen  Hirnnervenkernen  und  mit  dem  Rückenmark  verbinden,  tritt  eine 
Reihe  von  Bahnen  hinzu,  die  in  subkortikalen  GangHen  und  in  bestimmten  Kernen 
des  Hirnstammes  unterbrochen  werden.     Fig.  267. 

In  erster  Linie  gehören  hierher  Leitungen,  die  aus  der  zentralen  motorischen 
Rindenzone  hervorgehen  und  im  Stabkranz  zum  medialen  Kern  des  Thalamus 
hinabsteigen.  Fasern,  die  aus  Zellen  dieses  Kerns  entstehen,  erreichen  den  roten 
Haubenkern  der  gleichen  Seite  (zum  Teil  auch  den  der  anderen  Seite),  und  aus 
diesem  gehen  neue  absteigende  Fasern  hervor,  die  in  der  basalen  For eischen 
Kreuzung  die  Mittellinie  überschreiten  und  weiterhin  als  Monakowsches  Bündel, 
Tractus  rubrospinalis,  längs  der  Seitenfläche  des  verlängerten  Markes  abwärts 
ziehen.  Auf  dem  Wege  dahin  gibt  dieses  System  einen  bestimmten  Faseranteil 
an  den  Facialis-  und  Trigeminuskern  ab  und  geht  in  den  Seitenstrang  des  Rücken- 
markes über.  Hier  liegt  es  in  ganzer  Ausdehnung  bis  in  das  Sakralmark  hinab 
ventral  von  der  Pyramidenbahn  (Fig.  252).  Seine  Elemente  wenden  sich  schließ- 
lich gegen  das  Rückenmarksgrau  und  gewinnen  Beziehungen  zu  Vordersäulen- 
zellen,  bezw.  zu  den  Ursprungsstätten  vorderer  Rückenmarkswurzeln. 

Eine  weitere,  durch  den  Thalamus  hindurchtretende  absteigende  Bahn  nimmt 
ebenfalls  in  der  zentralen  motorischen  Rindenregion  ihren  Anfang,  begibt  sich  im 
Stabkranze  abwärts  und  erreicht  den  medialen  Kern  des  Sehhügels.  Aus  Zellen 
dieses  Kerns  geht  dann  ein  von  Bechterew  aufgefundener  Faserzug  hervor,  der, 
medial  neben  den  Fasern  des  Fasciculus  retroflexus  verlaufend,  sich  lateral  dem 
hinteren  Längsbündel  anlagert,  im  Vierhügelgebiet  ventrolaterale  Richtung  ein- 
schlägt, allmählich  der  Mittellinie  näher  rückt  und  den  von  Bechterew  beschrie- 
benen Nucleus  reticularis  der  Brückenhaube  erreicht.  Seinerseits  entsendet  dieser 
Kern  absteigende  Faserzüge  zu  den  Vorder-Seitenstranggrundbündeln  (Fase.  ant.  et 
lat.  proprius)  und  von  hier  zu  Zellen  der  Vordersäule  bezw.  zu  den  Ursprungs- 
gebieten der  vorderen  Rückenmarkswurzeln. 


284 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Eine  dritte  Thalamusbahn,  aus  der  zentralen  motorischen  Rindenzone  hervor- 
gehend und  im  Stabkranze  abwärts  verlaufend,  erreicht  gleichfalls  den  medialen 


Fig.  267. 

Absteigende  Bahnen*  welche  durch  den  Thalamus  treten.  (Nach  Skizzen  von  Bechterew.) 
a  Fasern,  die  vom  Thalamus  längs  der  Raphe  abwärts  verlaufen;  b  Fasern  vom  Thalamus  zum  Nucleus  reticularis  tegmenti ; 
c  Fasern  vom  Thalamus  zum  Nucleus  lemnisci  lat. ;  cp  Fasern  der  Commissura  post. ;  d,  <V  Fasern  vom  Thalamus  zum 
Nucleus  ruber  der  gleichen  und  der  entgegengesetzten  Seile;  e  Fasern  vom  Thalamus  zum  Stratum  superficiale  des  oberen 
Vierhügels;  fp  absteigende  Fasern  des  hinteren  Längsbündels  (Fase,  longitudinalis  medialis);  m  Nucleus  medialis  thalami ; 
nci  Substantia  reticularis  grisea;  nll  Nucleus  lemnisci  lateralis;  nm  Nucleus  medianus;  nrs  Nucleus  reticularis  tegmenti; 
q  weiterer  Verlauf  der  Bahn  a  ;  ra  Fila  radicularia  ant. ;  /  Fasern  vom  N.  reticularis  zum  Rückenmark  ;  ti  kortiko-thalamische 
Fasern  zum  Nucleus  medialis  thalami;  tg  kortiko-thalamische  Fasern  aus  dem  kortikalen  Stimmzentrum;  tr  Tractus  rubro- 

spinalis  (Monakow). 

Sehhügelkern.     Ein  hier  entspringender,  in  Bechterews  Institut  (von  Dr.  Ernst) 
näher  verfolgter  Faserzug  verläuft  anfangs  (zwischen  Thalamus  und  Vierhügeln) 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  285 

ventromedial  vom  hinteren  Längsbündel  und  nimmt  dann  dorsal  vom  Fasciculus 
retroflexus  Platz.  In  Höhe  des  Nucleus  ruber  findet  er  sich  ventral  von  der 
Fontänenkreuzung  und  medial  von  den  Oculomotoriuswurzeln;  in  der  Brücken- 
gegend rückt  er  in  die  Nähe  der  Raphe,  berührt  mit  seinen  ventralen  Bündeln  den 
dorsomedialen  Rand  des  Lemniscus  medialis,  erreicht  jedoch  dorsal  nicht  das 
hintere  Längsbündel.  Im  weiteren  Verlauf  dauernd  der- Raphe  folgend,  erschöpft 
sich  der  Faserzug  gegen  das  verlängerte  Mark  hin  und  hört  im  Bereiche  des 
unteren  Zentralkerns  vollends  auf.  Seine  kaudale  Bahn  ist  zwar  nicht  näher 
ermittelt,  aber  es  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,  daß  seine  Elemente  zu  Zellen  der 
Formatio  reticularis  medullae  oblongatae  in  Beziehung  treten.  Neue  Fasern,  die 
hier  entstehen,  ziehen  wahrscheinlich  im  Grundbündel  des  Vorder-Seitenstranges 
(Fasciculus  ant.  et  lat.  proprius)  des  Rückenmarkes  abwärts  und  gelangen  zu  Zellen 
der  Vordersäule  bezw.  zu  Ursprungszellen  vorderer  Rückenmarkswurzeln. 

Ein  weiteres  absteigendes  Fasersystem  entwickelt  sich  aus  der  Großhirnrinde 
dicht  hinter  der  unteren  Stirnwindung  am  Orte  des  Stimmzentrums  (Fig.  267).  Es 
verläuft  im  Stabkranz  zur  Gegend  des  Thalamus  bezw.  zur  Nachbarschaft  des 
Corpus  geniculatum  mediale,  wo  es  wahrscheinlich  zu  den  hier  vorhandenen 
Nervenzellen  in  Kontaktbeziehungen  tritt.  Hier  entstehende  neue  Faserzüge  ver- 
laufen im  Brachium  quadrigeminum  inf.  zur  Gegend  des  unteren  Vierhügels,  wo  sie 
den  Kern  der  lateralen  Schleife  erreichen,  wenden  sich  dann  medianwärts  und 
gelangen  unter  partieller  Kreuzung  zum  Nucleus  centralis  superior  bezw.  medialis. 
Absteigende  Fasern  laufen  von  hier,  wie  man  voraussetzen  kann,  in  der  Formatio 
reticularis  zu  den  laryngealen  Kernen  des  Vagus  und  zum  Respirations-Zentrum, 
das  seinerseits  mit  den  Phrenicuskernen  des  Halsmarkes  in  Verbindung  steht.  Die 
Wurzeln  der  genannten  Nerven  bilden  demgemäß  das  peripherische  Neuron  dieses 
Fasersystems. 

Als  ein  kleines  Fasersystem  erscheinen  die  Bündel,  die  vom  Thalamus  zum 
oberflächlichen  Grau  des  oberen  Vierhügels  gehen. 

Ein  absteigender  Zug  geht  vom  Thalamus  durch  den  Bindearm  zum  Klein- 
hirn (s.  unten). 

Unter  den  Fasersystemen,  die  durch  den  oberen  Vierhügel  hindurch- 
gehen, erwähnen  wir  zuerst  die  Züge  aus  den  Zentralwindungen.  Sie  begeben 
sich  im  Stabkranz  zur  Capsula  interna,  gehen  dann  zum  äußeren  Felde  des  Hirn- 
schenkels und  erreichen  schließlich  das  vordere  Vierhügelganglion,  zu  dessen  Zellen 
sie  in  Beziehung  treten.  Hier  entspringende  weitere  Züge  umgeben  fächerförmig 
das  zentrale  Grau  des  oberen  Vierhügels,  lagern  sich  nach  Erzeugung  der  Meynert- 
schen  Kreuzung  ventral  vom  hinteren  Längsbündel,  dem  sie  sich  (Fasciculus  prae- 
dorsalis)  teilweise  hinzugesellen,  und  gelangen  so  zum  verlängerten  Mark,  um  darauf 
zum  größten  Teil  spinalwärts  zu  ziehen. 

Fortgesetzt  wird  dieses  Fasersystem,  dessen  Elemente  wahrscheinlich  mit 
motorischen  Zellen  der  Formatio  reticularis  Kontaktbeziehungen  unterhalten,  durch 
absteigende  Bahnen  der  medioventralen  Vorderstrangfelder.  Hier  liegt  dieses 
System  unmittelbar  vor  den  Fasern  des  hinteren  Längsbündels.  Seine  Fasern 
erreichen  schließlich  die  Vordersäule  und  ziehen  mit  den  vorderen  Wurzeln  weiter. 
Unterwegs  werden  überallhin  Kollateralen  zum  hinteren  Längsbündel  und  zu 
einigen  Hirnnervenkernen  (Trigeminus)  abgegeben. 

Im  Bereich  der  Augenzentren  des  Scheitellappens  entstehende  Faserzüge 


286 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


begeben  sich  Im  Stabkranz  zur  Capsula  interna  und  erreichen  den  oberen  Vier- 
hügel. Ihre  Fortsetzung  bilden,  wie  aus  physiologischen  Untersuchungen  sich 
ergibt,  Fasern,  die  aus  Zellen  des  oberen  Vierhügels  hervorgehen  und  teils  dorsal 


Fig.  268. 

Absteigende  Rindenbahnen,  welche  durch  den  oberen  Vierhügel  durchtreten.  (Nach  Skizzen  von  Bechterew.) 
II  Opticus;  ///  Oculomotorius;  IV  Trochlearis ;  \7Abducens;  VII  Facialis;  rge  Corpus  geniculatum  laterale ;  cgi  Corpus 
geniculaturn  mediale;  co  Sehbahn  vom  Corpus  geniculatum  lat.  zur  Rinde  des  Occipitallappens ;  cp  Commissura  post. ; 
Jl  1  Fasciculus  praedorsalis;  1p  Fasciculus  longitudinalis  medialis ;  gl  Fasern  aus  dem  Corpus  geniculatum  mediale  zum 
Nucleus  lemnisci  lat.;  ld  deren  weitere  Bahn  durch  die  Raphe  zum  Facialiskern  (?);  nr  Nucleus  ruber;  nrs  Nucleus  reti- 
cularis; oq  Fasern  aus  der  Occipitalregion  zur  Commissura  post. ;  qp  Vierhügelbrückenbahn  ;  p  Brückenbahn  zum  Rücken- 
mark. Fortsetzung  von  qp;  qr  Tractus  tecto-bulbaris ;  ra  Fila  radicularia  antt. ;  rs  Bahnen  aus  dem  Nucleus  reticularis  zum 
Rückenmark;  s  Fasern  aus  dem  Corpus  geniculatum  laterale;  sq  Fasern  aus  der  Parietalrinde  zur  Commissura  posterior; 
/r/  Pasern  aus  der  Temporalrinde  zur  Commissura  post.;  tg  Fasern  aus  der  Temporalrinde  zum  Corpus  geniculatum  mediale. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  287 

vom  Aquaeductus  Sylvii  sich  kreuzen,  teils  direkt  in  das  hintere  Längsbündel 
eingehen.  Sie  gelangen  so  zu  den  Augenmuskelkernen  (Abducens,  Oculomotorius, 
Trochlearis).     Die  Wurzeln  der  Augenmuskelnerven  stellen  ihre  weitere  Bahn  dar. 

Ein  ausgedehntes  Fasersystem  entsteht  im  Occipital läppen  der  Großhirn- 
rinde, <am  Orte  der  occipitalen  Sehzentren.  Mit  der  Gratioletschen  Sehstrahlung 
abwärtsziehend,  gelangen  sie  zur  Gegend  des  oberen  Vierhügels,  wo  weitere  Fort- 
setzungen hervorgehen,  die  in  der  hinteren  Kommissur  über  dem  Aquaeductus 
Sylvii  sich  partiell  kreuzen;  dann  gehen  sie  in  den  Fasciculus  longitudinalis  medialis 
über  und  erreichen  so  die  Kerne  der  Augenmuskelnerven,  die  die  weitere  Leitung 
der  Bahn  übernehmen. 

Ein  drittes  ähnlich  sich  verhaltendes  Fasersystem  kommt  aus  den  hinteren 
Abschnitten  des  Schläfenlappens  (Gebiet  des  temporalen  Augenzentrums).  Im 
Stabkranze  herabsteigend  gehen  seine  Fasern  ebenfalls  in  die  Gegend  des  oberen 
Vierhügels  und  in  die  Commissura  posterior  über,  wo  sie  sich  kreuzen  und  darauf 
zum  hinteren  Längsbündel  und  zu  den  Kernen  der  Augenmuskelnerven  gelangen, 
denen  die  weitere  Fortleitung  des  Fasersystems  zufällt. 

Als  besonderer,  durch  den  oberen  Vierhügel  durchtretender  Faserzug  ist  der 
Tractus  tecto-bulbaris  (Münzer)  zu  nennen.  Aus  Zellen  des  oberen  Vierhügels 
hervorgegangen,  verläuft  er  an  der  entsprechenden  Seite  des  Hirnschenkels  bis  zur 
unteren  Brückengegend  und  verliert  sich  hier,  da  seine  Fasern  wahrscheinlich 
Zellen  des  Nucleus  reticularis  aufsuchen.  Ein  ganz  ähnlicher  Faserzug  begibt  sich 
vom  oberflächlichen  Grau  des  oberen  Vierhügels  abwärts  zur  Brückengegend 
(Pawlow).  Es  handelt  sich  wohl  um  lokale  Verbindungswege  im  Bereich  des 
Hirnstammes. 

Absteigende  Fasern  der  oberen  Schläfenlappengebiete  (Gegend  des  Gehör- 
zentrums) steigen  im  Stabkranz  zur  Gegend  des  medialen  Kniehöckers  herab 
(Ohrensystem  s.  Fig.  268).  Ein  neues  hier  beginnendes  Neuron  läuft  mit  dem 
Brachium  quadrigeminum  inf.  zum  Gebiet  des  unteren  Vierhügels  und  erreicht 
auf  vorläufig  nicht  näher  ermittelte  Weise  den  zur  Innervation  der  Ohrmuskulatur 
in  Beziehung  stehenden  Facialiskern.  Physiologische  Befunde  deuten  an,  daß 
dieses  System  zu  dem  für  die  Ohrbewegungen  bestimmten  Teil  des  Facialiskerns 
gelangt. 

Die  Zentral  windungen  entsenden  Fasern,  welche  im  Stabkranz  die  Richtung 
zum  Globus  pallidus  des  Linsenkerns  (der  auch  einen  Teil  der  Fasern  vom  Nucleus 
caudatus  und  Putamen  in  sich  aufnimmt)  einschlagen.  Im  Globus  pallidus  nimmt 
wiederum  ein  Teil  der  Fasern  der  von  Bechterew  aufgefundenen  zentralen  Hauben- 
bahn ihren  Ursprung,  die  in  den  zentralen  Teilen  der  Haube  verläuft,  gegen  die 
Medulla  oblongata  hin  nach  und  nach  ventrolateralwärts  hinausrückt  und  dann 
lateral  von  der  unteren  Olive  zu  liegen  kommt,  wobei  Beziehungen  zu  den  Oliven- 
zellen eingegangen  werden.  Fortgesetzt  wird  die  Bahn  durch  den  von  Bechterew 
genauer  verfolgten  Fasciculus  paraolivarius,  der  -entsprechend  dem  Austrittsgebiete 
der  vorderen  Wurzeln  im  gesamten  Halsmark  abwärts  zieht. 

Aus  den  Zentralwindungen  und  anderen  Gebieten  der  Großhirnrinde  gehen 
Faserzüge  durch  den  Fasciculus  subcallosus  (Fasciculus  nuclei  caudati)  zur  Gegend 
des  Schweifkerns,  wo  sie  zellulare  Beziehungen  anknüpfen.  Vom  Nucleus  cau- 
datus begibt  sich  andererseits  der  Fasciculus  basalis  zum  dorsalen  Abschnitt  der 
Hirnschenkelbasis,  bezw.  zur  Gegend  des  Corpus  hypothalamicum  und  der  Sub- 


288 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Fig.  269 


Absteigende  Rindenbahnen,  die  durch  Brücke  und  Kleinhirn  durchtreten.  (Nach  Skizzen  von  Bechterew.) 
Vm  Portio  rnotorica  nervi  trigemini;  /Xm  motorische  Fasern  des  Glossopharyngeus;  cc  kortiko-striale  Bahn;  cl  subkortikale 
Bahn  des  Globus  pallidus;  cn  kortikale  Bahn  zur  Substantia  nigra;  co  Fibrae  cerebelloolivares;  cp  subkortikale  Bahn  des 
Putamen  ;  ä  Nucleus  dentatus  ;  je  zentrale  Haubenbahn  ;  fi  Fasern  des  intermediären  Bündels ;  fn  Fasern  aus  der  Substantia 
nigra  zu  den  motorischen  Kernen  des  Trigeminus  und  Glossopharyngeus;  fp  frontopontine  Bahn;  g  Guirlandenfasern ; 
N.a  Nucleus  ahibiguus;  N.Vm  Nucleus  motorius  nervi  trigemini ;  ng  Nucleus  globosus;  N.oi Nucleus  olivaris  inf. ;  N.p  lateraler 
Brückenkern ;  nrs  Nucleus  reticularis ;  nt  Nucleus  tegmenti ;  or  Fasern  aus  dem  Nucleus  olivaris  sup.  zum  Nucleus  nervi  ab- 
ducentis;  os  Nucleus  olivaris  sup. ;  p  Nucleus  emboliformis;  pc  Brückenganglien-Kleinhirnbahn;  pr  Verbindung  des  Klein- 
hirns mit  der  Formatio  reticularis;  ps  Verbindungen  des  Nucleus  reticularis  mit  dem  Rückenmark;  ra  Fila  radicularia  antt. ; 
rpi  medialer  Brückenkern  ;  st  Verbindung  des  Nucleus  caudatus  mit  dem  Globus  pallidus ;  te  olivo-spinale  Fasern  (Fasciculus 
paraolivarius  nach  Bechterew);    tp  occipitotemporale  Brückenbahn;    vt  Bahn  vom  Vermis  sup.  zum  Nucleus  tegmenti. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  289 

stantia  nigra.  Die  weiteren  Bahnen  dieses  Fasersystemes,  das  zu  der  Formatio 
reticularis  Beziehungen  hat,  sind  nicht  ermittelt. 

In  dem  alleruntersten  Felde  der  Zentralwindungen  entspringt  ein  System  von 
Fasern,  die  im  Stabkranz  und  durch  die  Capsula  interna  zum  lateralen  Abschnitt 
der  Substantia  nigra  hinabsteigen  (Fig.  269).  Ihre  weiteren  Anschlüsse  ver- 
laufen unter  teilweiser  Kreuzung  zu  den  motorischen  Kernen  des  Trigeminus  und 
Glossopharyngeus,  deren  Wurzeln  das  periphere  Neuron  dieses  Fasersystems 
darstellen. 

Die  Züge  des  Fornix  longus  (Fig.  262)  kommen  aus  der  Gegend  des  Gyrus 
fornicatus.  Teils  den  Balken  durchsetzend,  teils  ihn  als  Striae  longitudinales  um- 
gehend, nähern  sie  sich  dem  Riechfelde,  mit  dessen  Zellen  sie  Kontaktbeziehungen 
anknüpfen.  Die  Zellen  des  Riechfeldes  entsenden  ihrerseits  Fasern  der  Stria 
medullaris,  die  mit  Unterbrechung  im  Nucleus  habenulae  in  den  Habenulae  weiter- 
ziehen. Sie  kreuzen  an  der  Basis  der  Zirbel,  verlaufen  darauf  im  ventralen  Ab- 
schnitt der  Commissura  posterior  und  gelangen  zu  den  Kernen  des  hinteren  Längs- 
bündels; mit  den  Fasern,  die  aus  diesem  Kern  in  den  Fasciculus  longitudinalis 
medialis  hineintreten,  ziehen  sie  zum  Vorderstrang  des  Rückenmarkes  hinab. 
Sie  nehmen  hier  die  dorsaleren  Teile  des  medialen  Vorderstrangrandes  für  sich  in 
Anspruch. 

Ihre  weitere  Fortsetzung  ist  in  Wurzelfasern  der  Vordersäulen  zu  suchen. 
Ein  Teil  der  hierher  gehörigen  Fasern  gewinnt  möglicherweise  Beziehungen  zu 
den  Kernen  der  Augenmuskelnerven.  Ein  anderer  Teil  des  Systems  begibt  sich 
von  den  Habenulakernen  im  Fasciculus  retroflexus  zu  dem  Ganglion  interpedun- 
culare  (Gudden),  vor  welchem  eine  teilweise  Kreuzung  zustande  kommt.  Ein 
im  Ganglion  interpeduneulare  entspringender  Faserzug  läuft  gegen  den  Boden 
der  vierten  Hirnkammer  zu  einem  besonderen  Kern  daselbst  (Nucleus  tegmenti 
Gudden),  und  letzterer  gewinnt  hier  wahrscheinlich  Beziehungen  zu  motorischen 
Hirnnervenkernen  (Glossopharyngeus,  Vagus  usw.),  deren  Elemente  das  periphere 
Neuron  des  Systemes  sind. 

Das  Fasersystem  der  Stria  terminalis  ist  nicht  näher  untersucht.  Es  handelt 
sich  wahrscheinlich  um  eine  absteigende  Bahn,  die  auch  zu  dem  Riechfelde  in 
Beziehungen  steht. 

Im  Gebiete  des  kortikalen  Riechzentrums,  bezw.  in  der  Gegend  des 
Gyrus  piriformis,  nimmt  als  Fimbria  ein  mächtiger  Faserzug  seinen  Ursprung, 
der  in  das  Gewölbe  und  seine  Schenkel  übergeht  (Fig.  262).  Auf  dem  Wege  dahin 
begibt  sich  ein  Teil  der  Fasern  zur  Stria  medullaris  und  schlägt  die  Richtung  zum 
Nucleus  habenulae  ein  unter  Anschluß  an  die  vorhin  geschilderten  Fasersysteme. 
Ein  anderer  größerer  Anteil  der  hierher  gehörigen  Fasern  geht  in  Gesellschaft 
der  Columnae  fornicis  zu  dem  basalen  Corpus  mamillare.  Hier  entstehen  mit 
gemeinsamer  Wurzel:  1.  das  Haubenbündel  von  Gudden,  das  zur  Hirnschenkel- 
haube zieht  und  in  den  dorsalen  Teilen  der  Formatio  reticularis  pontis  den 
Guddenschen  Kern  erreicht,  und  2.  das  Vicq  d'Azyrsche  Bündel,  das  nahe  der 
Wand  der  dritten  Gehirnkammer  zum  Nucleus  anterior  thalami  hinaufsteigt.  Die 
weiteren  Anschlüsse  dieser  Bahnen  sind  noch  näher  zu  verfolgen. 

Eine  ausgedehnte  absteigende  Bahn  kommt  aus  der  hinteren  Stirnlappen- 
region, steigt  im  vorderen  Schenkel  der  Capsula  interna  und  im  medialen  Teil 
des   Hirnschenkels   abwärts   und    erreicht  die  medialen  Brückenkerne  (Fig.  269). 


290 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Eine  zweite  ähnlich  angeordnete  Bahn  entspringt  im  Occipitotemporalgebiet 
des    Endhirns.     Sie    zieht    im    Stabkranz    distalwärts    und    gelangt   am    hinteren 


Fig.  270. 

Die  Verbindungen  des  Nucleus  caudatus  und  die  Schleifenbahn.  (Nach  Skizzen  von  Bechterew.) 
Vm  Nucleus  motorius  nervi  trigemini ;  IX  Fila  radicularia  nervi  glossopharyngei ;  IXm  Nucleus  motorius  n.  gtüssopharyngei ; 
cc  kortiko-striale  Bahnen;  ch  Corpus  hypothalamicum ;  jB  Fasciculus  cuneatus  (Burdachi);  fb  Fasern  von  der  Hirn- 
rinde zur  Substantia  nigra;  fG  Fasciculus  gracilis  (Golli);  //  Fasern  vom  Nucleus  caudatus  zum  Corpus  hypothalamicum; 
fl1  Fasern  vom  Nucleus  caudatus  zum  Thalamus;  fs  Fasern  von  der  Substantia  nigra  zu  den  motorischen  Kernen  des  Trige- 
minus  und  (ilossopharyngeus;  Ic  subkortikale  Bahn  des  Lemniscus  medialis;  ns  sensibler  Thalamuskern ;  p,  p1  Bahnen 
vom  Lemniscus  medialis  zur  Substantia  nigra  und  zum  Corpus  hypothalamicum. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems.  291 

Schenkel  der  Capsula  durch  das  laterale  Feld  des  Hirnschenkels  zu  den  lateralen 
Brückenkernen. 

Die  weiteren  Fortsetzungen  dieser  beiden  Systeme,  namentlich  des  vorderen, 
steigen  teilweise  mit  dem  Fasciculus  verticalis  pontis  zur  Brückenhaube  bezw.  zur 
Formatio  reticularis,  hauptsächlich  zum  Nucleus  reticularis  tegmenti  hinauf.  Ihr 
weiterer  Verlauf  ist  in  absteigenden  Fasern  der  Vorderseitenstranggrundbündel 
(Fase.  ant.   und  lat.  proprius)  bezw.  in  vorderen  Rückenmarkwurzeln  zu  suchen. 

Ein  anderer  Teil  dieser  Bahnen,  vor  allem  die  hinteren  von  ihnen,  wird  fort- 
gesetzt durch  Fasern  des  mittleren  Kleinhirnschenkels,  die  aus  den  Brückenganglien 
hervorgehend,  im  Pons  sich  kreuzen  und  die  Richtung  zu  den  Kleinhirnhemi- 
sphären einschlagen.  Ihre  weitere  Bahn  bilden  zentrifugale  Kleinhirnfasern,  die  u.  a. 
im  Corpus  restiforme,  z.  T.  auch  im  Brachium  pontis  verlaufen. 

Das  Kleinhirn  entwickelt  mehrere  bedeutsame  Systeme  von  absteigendem 
Verlauf.  Hierher  gehören  die  Verbindungen  der  Rinde  des  Vermis  superior  mit 
dem  Dachkern.  Ein  im  Nucleus  fastigii  entstehender  Faserzug,  der  über  und 
zwischen  beiden  Kernen  sich  kreuzt,  läuft  im  medialen  Felde  des  hinteren  Klein- 
hirnschenkels zur  gleichseitigen  Oberolive,  die  ihrerseits  einen  Faserzug  zum  Abdu- 
censkern  entsendet. 

Dem  zentralen  Kleinhirngebiet  entstammt  ferner  ein  Bündel  von  Fasern,  die 
am  medialen  Teil  des  Corpus  restiforme  herabsteigen  und  zum  Deitersschen 
Kern  gelangen.  Der  hier  entspringende  Tractus  vestibulospinalis  begibt  sich  längs 
der  ventrolateralen  Umrandung  des  Rückenmarkes  abwärts  und  verschiebt  sich  in  den 
kaudalen  Teilen  des  Rückenmarkes  ventralwärts;  seine  Fasern  gewinnen  schließlich 
Beziehungen  zu  Vordersäulenzellen  und  müssen  dementsprechend  weiterhin  An- 
schluß an  vordere  spinale  Wurzeln  finden.  Ein  als  kollaterale  Abzweigung  dieses 
Systems  auftretender  Faserzug  läuft  vom  Deitersschen  Kern  zum  hinteren  Längs- 
bündel, das  Beziehungen  zu  den  Kernen  der  Augenmuskelnerven  vermittelt. 

Ein  zweites  cerebellares  System,  das  intermediäre  Kleinhirnbündel  wird 
dargestellt  durch  Fasern,  die  das  Kleinhirn  durch  das  Corpus  restiforme  verlassen. 
An  der  Seitenfläche  des  verlängerten  Markes  hinabsteigend,  dringen  sie  zur  Pyra- 
mide (und  zwar  hauptsächlich  zu  derjenigen  der  gleichen  Seite)  vor  (Fig.  269). 
Sie  verlaufen  weiterhin  mit  der  Pyramidenseitenstrangbahn,  zum  größeren  Teil 
zwischen  den  Pyramidenfasern  eingelagert,  zum  geringen  Teil  außerhalb  dieser 
Bahn  sich  hinziehend.  (Fig.  252.)  Gleich  anderen  absteigenden  Bahnen  gelangt 
auch  diese  zu  Zellen  der  Vordersäule,  gewinnt  Beziehungen  zu  ihnen  und  findet 
Anschluß  an  vordere  Rückenmarkwurzeln.  Zu  den  absteigenden  Bahnen  gehört 
ferner  ein  großer  Teil  der  Fibrae  cerebelloolivares  (Fig.  269),  die  in  Olivenzellen 
unterbrochen  werden  und  als  Fibrae  olivo-spinales  bis  zur  Vordersäule  weiter  ziehen; 
ihre  periphere  Bahn  liegt  in  den  vorderen  Rückenmarkwurzeln.  —  Weniger  bekannt 
sind  absteigende  Fasern,  die  das  Kleinhirn  mit  den  Seitenstrangkernen  verbinden, 
sowie  Fasern,  die  von  der  Flocke  zum  verlängerten  Mark  hinabsteigen.  Auch 
der  Fasciculus  uncinatus,  über  dem  Bindearm  an  dessen  Eintrittsstelle  im  Cerebellum 
gelegen,  gehört  zu  den  absteigenden  Leitungen. 

Das  Brachium  pontis  enthält  zum  Teil  absteigende  Fasern  zur  Brücke  und 
zur  Formatio  reticularis. 

Das  absteigende  Bündel  des  Bindearms  (Mendel,  Bechterew)  kommt  vom 
Thalamus,  erscheint  also  als  Fortsetzung  kortiko-thalamischer  Bahnen.    Anschluß 


292 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


findet  dieser  Faserzug  an  absteigende  Kleinhirnbahnen,  welche  zu  den  zentralen 
Kernen  des  Cerebellum  in  Beziehung  stehen.    Von  den  aufsteigenden  Fasern  des 


Fig.  271.  V 

Die  absteigenden  Brückenbahnen  und  die  absteigenden  Kleinhirnbahnen.    (Nach  Bechterew.) 
VI  Fila  radicularia  nervi  abducentis ;  cp  Rindenbrückenbahn;  erp  Fasern,  welche  im  Brachium  ponlis  zum  Kleinhirn  ziehen; 
d  Nucleus  dentatus  cerebelli;  fed  Faser  vom  Kleinhirn  zum  Deitersschen  Kern  (Nucleus  vestibularis  lat.) ;  lo  Fasern  vom 
Nucleus  tegmenti  zum  Nucleus  olivaris  sup. ;  ft  Fasern  von  der  Rinde  des  Wurms  zum  Nucleus  tegmenti ;  g  Guirlanden- 
fasern;    N.VI  Nucleus   nervi  abducentis;    nd  Deitersscher  Kern;    N.o.i  Nucleus  olivaris   inf. ;    nt  Nucleus   tegmenti; 

os  Nucleus  olivaris  sup. ;   ra  Fila  radicularia  an». 

Bindearms    gehen    absteigende    Kollateralen    als    besonderes    Bündel    zum    ver- 
längerten Mark. 

Zu  erwähnen  sind  schließlich  absteigende  Bahnen,  die  im  Bereich  sensibler 
Nerven  vorhanden  sind.  Aufgefunden  sind  solche  Bahnen  in  den  Bulbi  olfactorii, 
in  den  Sehnerven,  in  der  Gehörleitung,  in  den  hinteren  spinalen  Wurzeln. 


Die  Leitungsbahnen  des  Zentralnervensystems;   Hirnnerven.  293 

Außer  den  großen  Leitungen  zwischen  Hirnrinde  und  Grau  der  Cerebro- 
spinalaxe  sind  im  Zentralnervensystem  zahlreiche  kurze  Bahnen  von  lokaler  Be- 
deutung verbreitet.  Mehrere  solche  sind  schon  erwähnt  worden,  andere  können 
nur  bei  näherem  Eingehen  auf  detaillierte  Verhältnisse  Darstellung  finden.  Solche 
Verbindungen  sind  z.  B.  die  Koordinationsfasern  des  Rückenmarks,  die  von  den 
Strangzellen  herrühren. 

Zu  erinnern  ist  auch  an  die  ausgedehnten  Systeme  der  Kommissuren-  und 
Assoziationsbahnen,  die  überall  im  Rückenmark  und  Gehirn  zur  Ausbildung 
gelangen.  Sie  sind  schon  früher  erwähnt  worden.  Über  die  Kommissurenfasern 
siehe  S.  142,  über  die  Assoziationsbahnen  siehe  S.  139.  Eine  kurze  Zusammen- 
stellung sei  im  folgenden  gegeben. 

///.  Assoziationssysteme  und  Kommissurensysteme. 

Im  Rückenmark:  Die  Fasern  der  hinteren  Kommissur.  Die  vordere  Kommissur  hingegen 
ist  von  Kreuzfasern  eingenommen,  so  von  den  zentralen  (kollateralen)  Fortsetzungen  der  hinteren 
Wurzeln. 

Im  Hirnstamm:  Fasern,  welche  die  homonymen  Kerne  der  motorischen  und  sensitiven  Hirn- 
nerven beiderSeiten  miteinander  verbinden  (kommissuraleFasern  zwischen  den  beidenTractussolitarii, 
zwischen  den  beiden  vorderen  Kernen  des  achten  Nervenpaares,  in  der  Trapezformation  usw.);  Fasern, 
welche  die  Kerne  heteronymer  Hirnnerven  miteinander  verbinden:  hinteres  Längsbündel,  dorsales 
Längsbündel  der  grauen  Substanz  (Schütz),  die  Guddensche  und  die  Meynert  sehe  Kommissur  usw. 

Hierher  gehören  auch  die  Kochschen  Verbindungsfasern  zwischen  den  einzelnen  Abschnitten 
des  Hypoglossuskerns. 

Im  Kleinhirn:  Fasern,  welche  die  verschiedenen  Gebiete  seiner  Rinde  verbinden,  große 
obere  Wurmkreuzung,  die  guirlandenförmigen  Fasern,  ein  Teil  der  Fasern  der  Flockenstiele. 

Im  Endhirn:  Vordere  Kommissur,  in  ihr  eingeschlossen  die  Fasern,  welche  die  beiden 
Tractus  olfactorii  miteinander  vereinigen;  der  Balken,  die  Commissura  hippocampi,  endlich  die 
Assoziationsbündel,  welche  im  Zentrum  semiovale  oder  in  der  Rinde  selbst  gelegen  sind. 

III.  Die  Hirnnerven,  Nervi  cerebrales. 

Der  Ursprung  der  Hirnnerven  und  ihre  Austrittsstellen  an  der  Hirn- 
oberfläche sind  schon  S.  148 — 150  und  S.  224 — 233  geschildert  worden.  Im  An- 
schlüsse hieran  sind  nunmehr  die  Durchtrittsstellen  an  der  mit  der  Dura  be- 
kleideten Schädelbasis  zu  betrachten. 

Durchtrittsstellen  der  Hirnnerven  an  der  Schädelbasis.    Fig.  151,  273. 

I.  Die  Nervi  olfactorii  treten  vom  Bulbus  olfactorius  aus  durch  die  Löcher  derLaminacribrosa 
des  Siebbeines  mit  Durascheiden  versehen  zu  der  medialen  und  lateralen  Wand  der  Nasenhöhle. 

II.  Der  N.  opticus  tritt,  die  A.ophthalmica  deckend,  durch  das  Foramen  opticum  zur  Augenhöhle. 

III.  Der  N.  oculomotorius  begibt  sich  zum  Seitenrande  des  Processus  clinoideus  posterior  und 
betritt  den  Porus  oculomotorii  der  Dura  ;  letzterer  liegt  in  der  medialen  Wand  der  Plica  petroclinoidea 
lateralis  der  Dura  und  führt  den  Nerven  durch  die  Fissura  orbitalis  superior  zur  Orbita. 

IV.  1  cm  hinter  dem  Porus  oculomotorii  liegt  der  enge,  von  der  Plica  petroclinoidea  lateralis 
etwas  überdachte  Porus  trochlearis  der  Dura,  welcher  den  N.  trochlearis  aufnimmt  und  zur  Or- 
bita geleitet. 

V.  1  cm  hinter  dem  Porus  trochlearis  folgt  der  weite  Porus  trigemini,  welcher  in  das  Cavum 
semilunare  führt;  ersterer  nimmt  beide  Wurzeln  des  Trigeminus,  letzteres  das  Ganglion  semi- 
lunare  auf.  Der  Porus  trigemini  hat  seine  Lage  unter  der  Plica  petroclinoidea  medialis  und  dem 
medialen  Teil  des  Tentorium  cerebelli  s.  Fig.  151. 


294 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


VI.  N.  abducens.  5mm  median wärts  und  rückwärts  vom  Porus  trigemini  liegt  im  Bereich 
des  Clivus  der  kleine  Porus  abducentis;  er  befindet  sich  medianwärts  von  der  Spitze  der  Schläfen- 
beinpyramide und  näher  der  Medianebene  als  die  drei  vorhergehenden. 

VII.  und  VIII.  Der  Facialis  und  Acusticus  betreten  den  von  "der  Dura  ausgekleideten 
Porus  et  Meatus  acusticus  internus. 

IX,  X  und  XI.  Der  Glossophary ngeus,  Vagus  und  Accessorius  ziehen  zur  vorderen 
oder  Nerven-Abteilung  des  Foramen  jugularc.  Jener  erhält  dabei  eine  besondere,  die  beiden 
letzteren  eine  gemeinsame  Durascheide. 

XII.  Der  Hypoglossus  betritt  gewöhnlich  in  zwei  größere  Bündel  gesondert  den  Porus 
hypoglossi,  welcher  demgemäß  häufig  doppelt  ist.  Er  entspricht  der  inneren  Mündung  des  Canalis 
hypoglossi  des  Os  occipitale. 

I.  Nervi  olfactorii.     Fig.  272,  285. 
Die  vom  Bulbus  olfactorius  ausgehenden  blassen  Riechfäden,  etwa  20  an  der 
Zahl,  bilden  keinen  gemeinsamen  Stamm,  sondern  treten  je  in  eine  mediale  und 
in   eine  laterale  Reihe  gesondert  und  von  scheidenartigen  Fortsätzen  der  Hirn- 
häute umgeben,  einzeln  durch  die  Löcher  der  Lamina  cribrosa  zur  Riechschleimhaut. 


Fig.  272. 

Verbreitung  der  Geruchsnerven  an  der  Nasenscheidewand.  (Von -H  i  rsch  f  eld  und  Leveille.)  2:3. 
Die  rechte  Seite  der  Nasenscheidewand  liegt  vor.  Canalis  caroticus  und  Foramen  jugulare  sind  eröffnet.  /  Bulbus  olfactorius  ; 
1  Nervi  olfactorii  mediales;  2  Scheidewandzweig  des  N.  ethmoidalis  anterior;  //  N.  opticus;  ///  N.  oculomotorius ;  /VN. 
trochlearis;  V  N.  trigeminus;  3  N.  nasopalatinus  (Scarpae);  4  Plexus  caroticus  internus  des  Sympathicus ;  5,  6,  7  Zweige 
desselben;  8  N.  caroticus  int.;  9  N.  caroticotympanicus ;  10  oberes  Ende  des  Ganglion  cervicale  superius;  VI  N.  abducens; 
VII  N.  facialis;  VIII  N.  acusticus;  IX  N.  glossopharyngeus ;  11  sein  Ganglion  petrosum  ;  X  N.  vagus;  12  sein  Ganglion 
jugulare;  13  Verbindung  der  Nn.  vagus  und  glossopharyngeus  mit  dem  Ganglion  cervicale  superius  n.  sympathici ;  XI  N. 
accessorius ;  14  sein  Ramus  internus ;  XII N.  hypoglossus  ;  15  sein  Verbindungsast  z.  Ganglion]cervicale  superius  n.  sympathici. 

a)  Die  Nn.  olfactorii  mediales  breiten  sich  in  den  oberen  Teilen  der  Schleimhaut  der 
Nasenscheidewand  aus,  indem  sie  zunächst  in  Furchen  der  perpendikulären  Platte  des  Sieb- 
beines verlaufen  und  untereinander  in  geflechtartige  Verbindung  treten.     Fig.  272. 

b)  Die  Nn.  olfactorii  laterales  suchen  die  Schleimhaut  der  oberen  und  der  mittleren 
Muschel  auf  und  bilden  auf  ihrem  Wege  ein  reichlicheres  Geflecht  als  die  mediales.  Fig.  285. 
(Über  ihre  Endigung  siehe  Sinnesorgane.) 

II.  N.  opticus. 

Über  den  Tractus  opticus,  das  Chiasma  opticum  siehe  S.  102. 

Der  N.  opticus  dringt  als  zylindrischer  Stamm  von  4  mm  Stärke,  mit  der 
A.  ophthalmica  an  seiner  unteren  Seite,  durch  das  Foramen  opticum  in  die  Augen- 
höhle, erhält  beim  Eintritte  in  jenes  Loch  zu  seiner  pialen  und  arachnoidalen  Scheide 
noch   eine   Durascheide  und   inseriert   an   der  hinteren  Peripherie   des  Augapfels, 


205 


■^1^2^*2^**^ 


Falx  ceretiri 


II.  X.  opticus. 
N.  ophthalmicus— 

N.  maxillaris 

N.  mandibularis 

Ganglion  semilunare    j 
(Qasseri)        "T? 

N.  oculomotorius — f.] 

IV.  N.  trochlearis — | 
V.  N.  trigeminus 

VI.  N.  abducens — t"<fc 

■ 

VII.  N.  facialis — " 

N.  intermedius -"""" 

VIII.  N.  acusticus — ' 

IX.  N.  glosso— " 
pharyngeus 

X.  N.  vagus*'' 

XI.  N.  accessorius 
(Willisii) 

XII.  N.  hypoglossus 

A.  vertebralis  ■-'' 
N.  cervicalis  I 

Tentorium  cerebelli  (abgeschnitten)- 


^        A, 

T       Ala  parva  ossis 

A — sphenoidalis 
41       A.  carotis  int. 

I 

lypophysis 

l Infundibulnm 

Dorsuni  sellae 
turcicae 
Sinus  caver- 
'  nosus 

i  _A.  meningea 
*T~  media 

i    Sinus 
»r"~petrosus  inf. 


Sinus  rectus  Confhf  ns  sinuum 

Protuberantia  occipitalis  int. 


Fig.  273.     Situs  cavi  cranii  (%o). 


296 


M.  frontalis. 
M.  corrugator  supercilii 


M.  levator  palpebrae  sup 
M.  orbicularis  oculi-- 

Olandula  lacrimalis 

M.  rectus  sup. 

N.  lacrimalis  — 


Ramiis  inf.  n.  oculomotor 
M.  rectus  lat. 


Nn.  temporales  profund 
N.  massetericus 

N.  mandibularis ^^ 

Discus  articularis  der  Art.  mandibulae— 
Foramen  spinosum-T 


Sinus  frontalis 

X.  supratrochlearis 

.1 Trochlea 

K.  frontalis 

A'    5  u  praoi  bi  tal  is 

Cellul.ie  einnti 

\.  infratrochlearis 

Crista  galli 

X.  ethmoidalis  ant. 

N.  nasociliaris 
Lamina  cribrosa 

M.  obliquus  sup 
N.  trochlearis 

\*.  oph  thal  m  ic  u  s 

-  N.  opticus 

X.  maxillaris 

—  A.  carotis  int. 
.    N.  oculomolorius 

Ganglion  semilunare 

(G  a  s  s  e  r  i) 
N.  abducens 

X.  trigeminus 

N.  abducens 


N.  facialis 

N.  intermedius 

X.  acusticus 

N.  glossopharvngeus 

N.  vagus 

N.  accessorius  (Vi'illisi) 


Fig.  274.     Nerven  der  Augenhöhle  von  oben  dargestellt  ('  ,). 


Hirnnerven.  297 

4  mm  medial  vom  hinteren  Pol  desselben  (Fig.  277).  15 — 20  mm  vom  Augapfel 
entfernt  tritt  ein  wichtiger  Ast  der  A.  Ophthalmien,  A.  centralis  retinae,  in  den 
Sehnerven  ein  und  verläuft  mit  der  gleichnamigen  Vene  in  der  Axe  des  Sehnerven 
zur  Retina.  Über  den  feineren  Bau  und  die  Ausbreitung  des  Opticus  in  der  Retina 
siehe  Abt.  VI,  Sinnesorgane. 

III.  N.  oculomotorius.     Fig.  274—278. 

Er  entspringt  aus  den  Nuclei  oculomotorii  des  Mittelhirnes  und  verläßt 
dieses  im  Sulcus  oculomotorii  mit  10 — 15  Wurzeln,  verläuft  dann  zwischen  den 
Aa.  cerebelli  superior  und  cerebri  posterior  lateralwärts-  und  vorwärts  zum  Seiten- 
rande des  Processus  clinoideus  posterior,  betritt  den  Porus  oculomotorii  und  zieht 
in  der  oberen  Wand  des  Sinus  cavernosus  zur  Fissura  orbitalis  superior  und 
zur  Orbita. 

Er  führt  gegen  15000  meist  starke  markhaltige  Nervenfasern,  welche  zu  einer  Anzahl  sekun- 
därer Bündel  vereinigt  sind.  Im  Stamme  des  Nerven  sind  auch  vereinzelte  Nervenzellen,  kugelige 
und  verästelte,  zwischen  den  Fasern  gefunden  worden. 

Schon  intrakranial  gibt  der  Nerv  feine  Fäden  zu  den  pialen  Arterien.  In  der  oberen 
Wand  des  Sinus  cavernosus  empfängt  er  feine  Fäden  aus  dem  die  A.  carotis  interna  umstrickenden 
Plexus  caroticus  internus;  in  der  Fissura  orbitalis  superior  erhält  er  ferner  feine  sensible 
Fäden  vom  nahen  N.  ophthalmicus. 

In  der  Fissura  orbitalis  superior  nimmt  er  die  mediale  Ecke  ein,  hat  den  N.  trochlearis  lateral 
neben  sich  und  tritt  zwischen  den  beiden  Ursprungsköpfen  des  M.  rectus  oculi  lateralis  durch.  Gleich 
nach  dem  Eintritt  in  die  Orbita  teilt  er  sich  in  zwei  Äste,  einen  oberen  und  einen  unteren. 

Der  Rarnus  superior  versorgt  den  M.  rectus  oculi  superior  und  den  M.  levator 
palpebrae  superioris. 

Der  Ramus  inferior  teilt  sich  in  drei  Zweige  für  die  Mm.  rectus  medialis, 
rectus  inferior  und  obliquus  inferior. 

Von  letzterem  Zweige  geht  auch  ein  kurzer  Faden  zum  Ciliarganglion  ab,  die 
Radix  brevis  ganglii  ciliaris. 

Ganglion  ciliare.    Fig.  275 — 278. 

Das  Ciliarganglion  ist  ein  plattes,  vierseitiges  Gebilde  von  etwa  2  mm  Länge, 
welches  im  hinteren  Abschnitt  der  Orbita,  an  der  lateralen  Seite  des  Opticus, 
zwischen  diesem  und  dem  M.  rectus  oculi  lateralis  liegt. 

An  den  hinteren  unteren  Rand  des  Ganglion  treten  dessen  sogenannte 
Wurzeln  heran.  Die  Radix  brevis  s.  motoria  stammt  aus  dem  Oculomotorius, 
ist  stärker  als  die  übrigen  und  zuweilen  in  zwei  Fäden  geteilt.  Die  Radix  longa 
s.  sensitiva  kommt  aus  dem  N.  nasociliaris  des  Trigeminus  und  besteht  oft  aus 
mehreren  feinen  Fäden.  Die  Radix  media  s.  sympathica  wird  von  mehreren 
feinen  Fäden  gebildet,  welche  aus  dem  Plexus  cavernosus  des  Sympathicus  stammen, 
sich  zum  Teil  den  anderen  Wurzeln  anlegen,  zum  Teil  am  Ganglion  vorbeiziehen 
und  sich  den  Ciliarnerven  beimischen. 

Das  Ganglion  besteht  aus  multipolaren  Nervenzellen  mit  vielen  Dendriten 
und  einem  Neuriten  (Retzius).  Vom  vorderen  Rande,  besonders  von  den  vor- 
deren Ecken  des  Ganglion  entspringen  3—6  Nervi  ciliares  breves,  welche  sich 
durch  Teilung  bis  auf  etwa  20  vermehren  und  neben  dem  N.  opticus  zum  Aug- 
apfel gelangen.     Gewöhnlich  läßt  sich  eine  obere  und  eine  untere  Gruppe  dieser 

Rauber-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aun.    V.Abt.  15 


298 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


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Fig.  276. 

Fig.  276.  Astfolge  des  N.  oculomotorlus  (linke  Seite). 
1  Stamm;  2  Verbindung  mit  dem  Sympathicus;  3  Verbindung  mit  dem 
Nervus  ophthalmicus ;  4  Ramus  superior;  5  Zweig  für  den  Levator  pal* 
pebrae  superioris ;  6  Zweig  für  den  M.  rectus  superior;  7  Ramus  inferior; 
8  Zweig  für  den  M.  obliquus  inferior;  9  Radix  brevis  ganglii  ciliaris; 
10  Radix  sympathica;  11  Radix  longa;  12  Ganglion  ciliare;  13  Nn.  ciliares 
breves;  14  Zweig  für  den  M.  rectus  inferior;  15  Zweig  für  den  M.  rectus 
Fig.  275.  medialis. 

Fig.  275.  Ansicht  der  Augenmuskelnerven  von  oben.  Rechte  Seite.  (Von  Hirschfeld  und  Leveille.)  1:1. 
Der  N.  ophthalmicus  trigemini  ist  kurz  abgeschnitten;  der  Ring,  an  welchem  die  Augenmuskeln  rings  um  die  Eintrittsstelle 
des  Sehnerven  in  die  Augenhöhle  entspringen,  ist  eingeschnitten  und  auseinander  gelegt,  wobei  zugleich  die  vorderen 
Stücke  der  Muskeln  entfernt  sind.  Ein  Teil  des  Sehnerven  ist  weggeschnitten,  um  den  M.  rectus  inferior  sichtbar  zu 
machen.  An  dem  Augapfel  selbst  ist  ein  Teil  der  Sklera  und  Cornea  entfernt,  wodurch  der  Verlauf  der  Ciliarnerven  her- 
vortritt, a  oberer  Teil  der  Carotis  interna  an  der  Stelle,  wo  sie  aus  dem  Sinus  cavernosus  hervortritt  und  die  A.  ophthal- 
mica  abgibt;  b  M.  obliquus  superior;  b'  sein  vorderer  durch  die  Rolle  gehender  Teil;  c  M.  levator  palpebrae  superioris; 
d  M.  rectus  superior;  e  M.  rectus  medialis;  /  M.  rectus  lateralis;  /'  seine  zurückgebogene  Ursprungssehne;  g  M.  rectus 
inferior;  h  Ansatzstelle  des  M.  obliquus  inferior.  II  Sehnervenkreuzung;  //'  Eintrittsstelle  des  Sehnerven  in  den  Augapfel ; 
III  N.  oculomotorius;  1  Ramus  sup.  desselben;  2  Ramus  i  n  f. ;  3  langer  Ast  desselben  zum  M.  obliquus  inferior, 
mit  Abgabe  der  Radix  brevis  zum  Ganglion  ciliare;  von  diesem  Ganglion  gehen  kurze  Ciliarnerven  aus,  welche  die  Sklera 
durchbohren;  einige  derselben  gelangen  bei  3'  zu  dem  Ciliarmuskel ;  IV  N.  trochlearis;  4  Verzweigung  desselben  am 
M.  obliquus  superior;  V  große  sensible,  V' kleine  motorische  Wurzel  des  Trigeminus,  nach  vom  das  Ganglion  semüunare 
und  die  drei  Aste  des  Nerven;   V/N.  abducens;   6  seine  Verteilung  am  M.  rectus  lateralis. 


N.  supraorbitalis 


Ramus  sup.  n.  oculomotorii 
Ganglion  ciliare 
Radix  longa 
Radix  sympathica 
N.  opticus 
N.  abducens  | 


-  Nn.  ciliares 


Nerven  der 


N.  oculomotorius 


Ganglion  semilunare 


Ast  des  N.  oculomotorius  zum  M.  obliquus  inf. 
Radix  brevis  ganglii  ciliaris 
N.  ophthalmicus 

Fig.  277. 

rechten  Augenhöhle,    von   der   lateralen  Seite   betrachtet.      (Von  Hirschfeld  und  LeveilU.)     3:4. 
Der  Musculus  rectus  lateralis  ist  durchschnitten  und  mit  seinem  hinteren  Ende  abwärts  gebogen. 
Die  laterale  Wand  der  Orbita  ist  entfernt. 


Hirnnervcn. 


299 


Nerven  unterscheiden.     Zur  unteren  Gruppe  gesellen  sich  die  beiden  ebenso  ver- 
laufenden Nervi  ciliares  longi  aus  dem  I.  Aste  des  Trigeminus. 

Sämtliche  Nn.  ciliares  dringen  in  der  Umgebung  des  Sehnerven  schräg  durch  die  Tunica 
fibrosa  oculi  und  ziehen  zwischen  ihr  und  der  Tunica  vasculosa  oculi  in  Meridianrichtung  nach 
vorn,  indem  sie  unterdessen  Ästchen  an  die  Chorioidea  abgeben.  Am  Anfange  des  Corpus  ciliare 
teilen  sie  sich  wiederholt  und  bilden  im  Inneren  des  Musculus  ciliaris  ein  Ganglienzellen  ent- 
haltendes Geflecht,  aus  welchem  die  Nerven  für  den  Musculus  ciliaris,  für  die  Iris  und  die 
Hornhaut  des  Auges  hervorgehen.  Die  sympathische  Wurzel  führt  dem  Augapfel  Gefäß- 
nerven zu,  die  sich  besonders  in  der  Chorioidea  und  Iris  verbreiten.  Diese  Wurzel  enthält  ferner 
Fasern,  deren  Reizung  Pupillenerweiterung  bedingt.  Die  kurze  Wurzel  bringt  dem  Ganglion 
Fasern  zu,  welche  den  M.  sphineter  pupillae  und  den  M.  ciliaris  versorgen.  Die  lange  Wurzel 
enthält  sensible  Fasern.  Die  sympathischen  Bewe- 
gungsfasern haben  übrigens  ihren  letzten  Ursprung 
im  cerebro-spinalen  Systeme,  und  zwar  im  unte- 
ren Hals-  und  oberen  Brustmark.  Von  diesem 
ausgeliende  Ramicommunicantes  übermitteln 
sie  dem  Hals-Sympathicus,  diese  aber  dem  Plexus 
caroticus  und  seinen  bezüglichen  Asten. 

Das  Ganglion  ciliare  nimmt  seinen  ent- 
wicklungsgeschichtlichen Ursprung  vom  embryo- 
nalen Ganglion  semilunare  commune,  von 
dem  sich  verschiedene  Teile  abgliedern,  um  sich 
zu  sympathischen  (motorischen)  Ganglien  zu  ge- 
stalten. Ein  vorderer  abgegliederter  Teil  ist 
das  Ganglion  ciliare,  welches  darauf  zu  dem 
N.  oculomotorius  in  nähere  Beziehungen  tritt. 
Bei  niederen  Wirbeltieren  (Amphibien)  ist  das 
Ganglion  durch  Nervenzellen  vertreten,  welche 
sich  über  größere  Bahnstrecken  des  Oculomo- 
torius verteilen.  Bei  Ungulaten,  Nagern,  Carni- 
voren  sitzt  das  Ganglion  unmittelbar  dem  Oculo- 
motorius an  (Schwalbe).  Dies  Verhalten  des 
Ganglion  weist  auf  die  morphologische  Zuge- 
hörigkeit des  N.  oculomotorius  zum  Trigeminus- 
gebiet  hin. 

Apolant  (Über  das  Ganglion  ciliare, 
Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  47,  1896)  durchschnitt  an 
Katzen  den  Stamm  des  Oculomotorius  und  fand 
in  der  Folge  die  motorische  Wurzel  des  Gan- 
glion degeneriert;  die  Ciliarnervendagegenblieben 


Fig.  278. 

Ganglion  ciliare  der  rechten  Seite. 

Verkehrte  Prismazeichnung.  (M.  Reichert,  1875.) 
1  Ramus  inferior  n.  oculomotorii ;  2  N.  nasociliaris;  3  Ra- 
dices  longae;  4  Radix  motoria;  5  Radices  sympathicae 
vom  Plexus  caroticus;  6  Ganglion  ciliare;  7  vier  dickere 
Bündel  von  Nn.  ciliares ;  8  zwei  Nn.  ciliares  longi ;  9  acces- 
sorische  Gahglienzellenhaufen ;  10  A.  ciliaris  posterior 
longa;    11  Schlingenbildung  um  die  Arterie. 


intakt.  Hierausfolgt:  1.  Alle  Oculomotoriusfasern 

endigen  im  Ganglion.     2.  Das  G.  ist  ein  sympathisches,   das  in  der  Bahn   der  zum  Ciliarmuskel 

und  zum  Sphineter  pupillae  ziehenden  Oculomotoriusfasern  eingeschaltet  ist. 

Bei  Vögeln  ist  das  G.  nach  den  neuen  Untersuchungen  v.  Lenhossek's  (Arch.  mikr.  Anat. 
Bd.  76,  1911)  ein  in  die  Bahn  des  Oculomotorius  eingeschaltetes  „motorisches  Schaltganglion". 
Seine  Zellen  haben  keine  Ähnlichkeit  mit  den  Nervenzellen  des  Sympathicus  der  Vögel,  allerdings 
zeigen  sie  einen  Anklang  an  die  sympathischen  Zellen  der  Amphibien.  Bei  der  Beurteilung  dieser 
Befunde  wird  man  daran  denken  müssen,  daß  die  Vögel  und  Reptilien  gestreifte  Muskelfasern  in 
Iris  und  Corpus  ciliare  haben. 

IV.  N.  trochlearis.     Fig.  273—275. 

Nachdem  er  in  den  Porus  trochlearis  der  Dura  mater  gelangt  ist,  verläuft  er 

in  einem  kleinen  Kanal  der  Dura  längs  des  Ramus  I.  n.  trigemini  zur  Fissura  orbi- 

talis  superior.    In  der  Augenhöhle  angelangt,  wendet  er  sich  über  den  Ursprung  des 

M.  levator  palpebrae  superioris  zum  M.  obliquus  oculi  superior  und  tritt  in  denselben  ein. 

16* 


300  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Er  ist  der  dünnste  der  Hirnnerven  mit  gegen  1200  Fasern,  nimmt  einen  sympathischen  Faden 
vom  Plexus  cavernosus  und  einen  sensiblen  vom  Ramus  1.  n.  trigemini  auf. 

Fürbringer,  M.,  Morphologische  Streitfragen;  1.  N.trochlearis.  Morphol.  Jahrbuch,  XXX,  1902. 

V.  N.  trigeminus.     Fig.  274,  279—290. 

Er  verläßt  die  Brücke  mit  einer  stärkeren,  50  Bündel  umfassenden  sen- 
siblen Wurzel,  Portio  major,  und  einer  schwächeren  motorischen  Wurzel, 
Portio  minor.  Darauf  betritt  er  den  Porus  trigemini  und  das  Cavum  semilunare 
der  Dura  mater.  In  letzterem  schwillt  die  sensible  Wurzel  zu  dem  mächtigen, 
einem  spinalen  Ganglion  entsprechenden  Ganglion  semilunare  (Gasseri)  an 
und  hat  die  motorische  Wurzel  an  ihrer  medialen  Seite,  ebenso  wie  es  bei  den 
Spinalnerven  der  Fall  ist.    Fig.  275. 

Das  Ganglion  liegt  auf  der  dorsalen  Fläche  des  Felsenbeines  in  der  Impressio  trigemini  (siehe 
Abt.  II,  S.  83).  Der  konkave  Rand  des  Ganglion  ist  nach  hinten,  zur  sensiblen  Wurzel,  der  konvexe 
Rand  nach  vorn  gewendet.  Vom  konvexen  Rande  gehen  drei  große  Äste  ab,  der  Nervus  ophthal- 
micus,N.  maxillaris,  N.  mandibularis.  In  letzteren  Ast,  der  außerdem  viele  sensible  Elemente 
enthält  und  der  stärkste  der  drei  Äste  ist,  geht  die  ganze  motorische  Wurzel  über.  Das  Ganglion 
semilunare  ist  seinem  morphologischen  Wesen  nach  das  spinalartige  Ursprungsganglion  der 
sensiblen  Wurzel  des  Trigeminus. 

Die  Zellen  der  Radix  mesencephalica  sollen  nach  älterer  Anschauung  ihren  Neuriten  zur 
motorischen  Portion  senden,  nach  Willems  (1911)  aber  sind  diese  Zellen  einem  Spinalganglion 
homolog  und  dienen  der  Muskelsensibilität;  dagegen  sprechen  die  Befunde  von  Terni  (Mon.  zool. 
ital.  1912)  zugunsten  der  motorischen  Natur  dieser  Zellen. 

I.  N.  ophthalmicus.    Fig.  274,  279. 

Der  Augenast  des  Trigeminus  ist  der  schwächste  der  drei  Äste,  zieht  lateral 
vom  Sinus  cavernosus  und  N.  abducens  zur  Fissura  orbitalis  superior  und  hat  hier 
den  N.  trochlearis  über  sich. 

Während  seines  Verlaufes  im  Sinus  cavernosus  nimmt  er  einige  Fädchen 
vom  Plexus  caroticus  auf,  entsendet  je  einen  Faden  zum  Oculomotorius, 
Trochlearis,  Abducens  und  versorgt  dadurch  letztere  mit  sensiblen  Fasern. 
Noch  intrakranial  entsendet  er  einen  feinen  Ramus  meningeus,  den  N.  tentorii, 
welcher  sich  nach  hinten  wendet  und  sogleich  an  den  Trochlearis  anlegt,  um  mit 
langgestreckten  feinen  Fäden  im  Zelte  sich  zu  verbreiten  und  die  Wandungen 
des  Sinus  petrosus  superior,  Sinus  transversus  und  Sinus  rectus  zu  versorgen. 

Vor  dem  Eintritt  in  die  Fissur  teilt  sich  der  N.  ophthalmicus  in  seine  drei 
Endäste,  den  medial  gelegenen  N.  nasocilaris,  den  in  der  Mitte  befindlichen 
N.  frontalis  und  den  lateralen  N.  lacrimalis. 

1.  N.  lacrimalis.     Fig.  274,  281. 

Der  Tränennerv  zieht  längs  des  lateralen  oberen  Randes  der  Orbita  über  dem 
M.  rectus  lateralis  zur  oberen  Tränendrüse  und  teilt  sich  hinter  dieser  in  einen 
oberen  und  einen  unteren  Ast.  Der  obere  Ast  gibt  feine  Fäden  an  die  Tränen- 
drüse, Rami  lacrimales,  dringt  durch  sie  hindurch  und  verästelt  sich  darauf  in 
der  Konjunktiva  und  der  Haut  am  lateralen  Augenwinkel,  sowie  im  oberen  Augen- 
lide, Ramus  palpebralis. 

Der  untere  Ast  begibt  sich  an  der  lateralen  Orbitawand  abwärts  und  verbindet 
sich  mit  dem  N.  zygomaticus  des  Ramus  II  trigemini:  Ramus  anastomoticus  cum 
nervo  zygomatico  (Fig.  281).     Von  der  vorn  konvexen  Seite  dieser  Anastomose 


Hirnnerven.  301 

entspringen    mehrere   aus   beiden    Nerven   stammende    Fädchen,   welche    in    die 
Tränendrüse  eintreten  (E.  Bischoff). 

Die  Fasern  für  die  Tränensekretion  kommen  von  dem  Ganglion  sphenopalatinum  des 
II.  Trigeminusastes;  der  zu  diesem  Ganglion  tretende  N.  petrosus  superficialis  major  enthält  die 
aus  der  Medulla  oblongata  stammenden  sekretorischen  Fasern. 

2.  N.  frontalis.     Fig.  274,  277,  294,  295. 

Der  Stirnast,  der  stärkste  der  drei  Endäste,  läuft  unmittelbar  unter  dem  Dache 
der  Orbita  und  der  Periorbita,  als  weißer  Strang  hindurchschimmernd,  auf  dem 
M.  levator  palpebrae  superioris  vorwärts.  Hinter  der  Augenhöhlenmitte  teilt  er 
sich  in  den  dünnen,  medianwärts  ziehenden  N.  supratrochlearis  und  den 
starken  N.  supraorbitalis,  welcher  in  der  Richtung  des  Stammes  zur  Incisura 
supraorbitalis  zieht. 

a)  Der  N.  supratrochlearis  folgt  dem  oberen  Rande  des  M.  obliquus 
superior  und  teilt  sich  an  der  medialen  Seite  der  Trochlea  in  einen  oberen  und 
einen  unteren  Endzweig. 

Der  obere  Zweig  verläßt  die  Orbita  über  der  Trochlea,  durchbohrt  den 
M.  orbicularis  oculi  sowie  den  M.  frontalis  und  .endigt  mit  Zweigen  zum  oberen 
Augenlide,  zur  Nasenwurzel  und  zur  angrenzenden  Stirnhaut. 

Der  untere  Zweig  zieht  von  der  Trochlea  abwärts  und  verbindet  sich  kon- 
stant mit  dem  N.  infratrochlearis  aus  dem  N.  nasociliaris.  Von  dem  vorn  konvexen 
anastomotischen  Bogen  entspringen  feine  Fäden  für  die  Haut  und  die  Konjunktiva 
des 'medialen  Augenwinkels. 

b)  Der  N.  supraorbitalis  setzt  die  Richtung  des  Stammes  fort,  gibt  hinter 
dem  Margo  supraorbitalis  den  Ramus  frontalis,  welcher  in  der  Incisura  frontalis 
liegend  zur  Stirn  zieht,  ab  und  gelangt  selber  durch  das  Foramen  supraorbitale 
(oder  die  Incisura)  zur  Stirngegend.  Beide  Nerven  durchbohren  den  M.  orbicularis 
oculi,  M.  corrugator  supercilii  und  M.  frontalis  und  breiten  sich  als  Rami  fron- 
tales in  der  Stirnhaut  bis  zur  Scheitelgegend  aus.  Mit  je  einem  lateralwärts  ab- 
steigenden Ast  versorgen  sie  auch  die  Haut  und  Konjunktiva  des  oberen  Augen- 
lides.    An  der  Incisur  sendet  der  Nerv  dem  Stirnbein  und  dem  Periost  Zweige  zu. 

3.  N.  nasociliaris.     Fig.  274,  277,  285,  294,  295. 

Der  N.  nasociliaris  gelangt  zusammen  mit  dem  Oculomotorius  und  Abducens 
zwischen  den  beiden  Ursprungsbündeln  des  M.  rectus  lateralis  in  die  Orbita  und 
begibt  sich  über  dem  Sehnerven  und  unter  dem  M.  rectus  superior  zur  medialen 
Orbitawand.  In  der  Gegend  des  Foramen  ethmoidale  anterius  spaltet  er  sich  in 
seine  beiden  Endäste,  den  N.  infratrochlearis  und  den  N.  ethmoidalis  anterior. 
Vor  der  Spaltung  entsendet  er  die  lange  oder  sensible  Wurzel  des  Ganglion 
ciliare,  Radix  longa  ganglii  ciliaris,  sowie  einen  oder  zwei  Nn.  ciliares 
longi,  die  an  der  medialen  Seite  des  N.  opticus  zum  Augapfel  ziehen,  und  den 
N.  ethmoidalis  post.,  welcher  zusammen  mit  einem  R.  orbitalis  des  Ggl.  spheno- 
palatinum zum  Foramen  ethmoidale  post.  zieht.  Von  den  beiden  Endästen  des 
N.  nasociliaris  verläuft: 

a)  Der  N.  infratrochlearis  unter  dem  M.  obliquus  superior  an  der  medialen 
Orbitawand  nach  vorn  zur  Trochlea  und  teilt  sich  in  einen  oberen  und  einen 
unteren  Zweig.  Der  obere  verbindet  sich  mit  dem  N.  supratrochlearis  und 
zieht  zum  oberen  Augenlid,  Ramus  palpebralis  sup.;  der  untere,  Ramus 
palpebralis   inf.,    versorgt  den  Tränensack   (als   ein    ursprüngliches   Hautstück), 


302 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


die  Caruncula    lacrimalis   und  sendet   auch    feine   Fäden    zur  Haut  am   medialen 
Augenwinkel. 

b)  Der  N.  ethmoidalis  anterior,  die  Fortsetzung  des  Nasociliaris  gelangt 
durch  das  Foramen  ethmoidale  anterius  zur  Schädelhöhle,  zieht  von  der  Dura  be- 
deckt auf  der  Lamina  cribrosa  nach  vorn,  um  durch  eine  vordere  Öffnung  (Foramen 
cribro  -  ethmoidale)  in  die  Nasenhöhle  einzutreten.  Hier  teilt  er  sich  in  drei 
Zweige,  Rami  nasales  anteriores:  und  zwar  zwei  für  die  Schleimhaut  der 
Nasenhöhle,  Rami  nasales  interni,  einen  für  die  äußere  Nasenhaut,  Ramus 
nasalis  externus. 


Fig.  279. 


Fig.  280. 

Fig.  280.    Astfolge  des  N.  maxillaris. 

1  Stamm  des  N.  maxillaris;  2  N.  meningeus  (medius);  3  Nn.  sphenopalatini ;  4  Gan- 
glion sphenopalatinum  ;  5  N.  canalis  pterygoidei  (Vidii);  6  Nn.  palatini ;  7  N.  zygo- 
maticus;  8  Ramus  anastomoticus  cum  n.  zygomatico  vom  N.  lacrimalis  des  N.  ophihal- 
micus ;  9  R.  zygomaticotemporalis;  10  Ramus  zygomaticofacialis;  11  N.  infraorbitalis ; 
12,  13  Rami  alveolares  supp.  postt. ;  14  Ramus  alveolaris  superior  medius;  15  R.  alveo- 
lares superior  anterior ;  16,  16  Plexus  dentalis  superior;  17  Rami  dentales  et  gingivales 
superiores ;  18  Rr.  palpebrales  inferiores;  19  Rr.  nasales  externi ;  20  Rr.  labiales  supe- 
riores  des  N.  infraorbitalis. 


Fig.  279.    Astfolge  des  Nervus  ophthalmicus. 
/  N.  ophthalmicus;  1  Verbindung  mit  dem  Sympathicus;  2  sensible  Zweige  für  die  motorischen  Augennerven ;  3  N.  tentorii ; 
4  Radix  longa  des  Ganglion  ciliare;  5  Nn.  ciliares  longi ;  6  N.  ethmoidalis;   7  N.  infratrochlearis;   8  N.  supratrochlearis; 
9  R.  frontalis;   10  N.  supraorbitalis;  11  R.  anastomoticus  cum  n.  zygomatico;  12  Rami  lacrimales;    13  Ramus  palpebralis; 

a  N.  lacrimalis;    b  N.  frontalis;   c  N.  nasociliaris. 

Die  Rami  nasales  intt.  sind: 

u.  Rami  nasales  mediales,  für  den  vorderen  Teil  der  Schleimhaut  des 
Nasenseptum.     Fig.  272, 2. 

ß.  Rami  nasales  laterales;  sie  ziehen  am  vorderen  Ende  beider  Sieb- 
beinmuscheln vorbei  und  verbreiten  sich  in  der  Schleimhaut  des  vorderen  Teiles 
der  Seitenwand  der  Nasenhöhle.     Fig.  285. 

■/.  Ramus  nasalis  externus;  er  läuft  in  einer  Rinne  des  Os  nasale  abwärts, 
dringt  darauf  durch  ein  Loch  des  Nasenbeins,  oder  zwischen  Os  nasale  und  Cartilago 
nasi  lat.  zur  äußeren  Haut  der  Nase  und  erstreckt  sich  bis  zur  Nasenspitze,  um  die 
Haut  dieser  Gegend  zu  versorgen.     Fig.  286,  295. 

II.  N.  maxillaris.     Fig.  280-283,  285,  286. 

Der  zweite  Ast  des  Trigeminus  tritt  durch  das  Foramen  rotundum  in  die 
Fossa  pterygopalatina,  von  hier  aus  durch  die  Fissura  orbitalis  inferior  zum  Boden 
der  Augenhöhle  und  in  den  Infraorbitalkanal  des  Oberkiefers. 

Noch  innerhalb  der  Schädel  höhle  sendet  er  einen  oder  zwei  feine  Fäden, 
N.  meningeus  (medius),  rückläufig  zur  Dura,   die  sich   im  Gebiet  des  vorderen 


Hirnnerven. 


303 


Astes  der  A.  meningea   media  verbreiten  und  mit  dem  N.  spinosus  des  III.  Astes 
verbinden. 

Die   äußeren    Äste   des   Ramus  II    sind    folgende   drei:    N.  zygomaticus, 
N.  infraorbitalis,  Nu.  sphenopalatini. 

1.  N.  zygomaticus.  Fig.  281,  286. 
Er  entspringt  vom  Stamme  in  der  Fossa  pterygopalatina  und  betritt  durch 
die  Fissura  orbitalis  inferior  die  Orbita.  Dort  ist  er  durch  den  Ramus  anastomoti- 
cus  cum  nervo  zygomatico  verbunden  mit  dem  N.  ophthalmicus.  An  deren  lateraler 
Wand  tritt  er  in  den  Canalis  zygomaticus  und  spaltet  sich  innerhalb  desselben  in 
zwei  Äste,  diese  sind: 


k.  anastomoticus  cum   nervo—  J:-    4 
zygomatico  /        ig- 

/.      -.~ 

R.  zygomaticofacialis 


Vordere  Endäste  des 
N.  infraorbitalis 


Ramus  zygomaticotemporalis 
N.  zygomaticus 

^:        N.  lacrimalis 

N.  maxillaris 

Ganglion  semilunare 


N.  facialis 

N.  petrosus  superficialis  major 

N.  petrosus  profundus 


1  X.  canalis  pterygoidei  (Vidii) 
Ganglion  sphenopalalinum 
Rami  alveolares  supp.  postt. 

Ein  R.  buccalis  des  N.  facialis 

Fig.  281. 

Verzweigung  des  N.  maxillaris.     (Von  Hirschfeld  und  Leveille.)    3:5. 
Die  äußere  Wand  der  linken  Augenhöhle  ist  entfernt  und  die  Weichteile  in  der  Umgebung  des  Oberkiefers  sind  größten- 
teils wegpräpariert. 

a)  Der  Ramus  zygomaticotemporalis,  welcher  aus  dem  Foramen  zygo- 
maticotemporale  in  die  Schläfengrube  tritt,  den  M.  temporalis  und  die  Fascia  tem- 
poralis  durchbohrt  und  die  Haut  der  vorderen  Schläfengegend  versorgt.    Fig.  286. 

b)  Der  Ramus  zygomaticofacialis  gelangt  durch  das  Foramen  zygo- 
maticofaciale  mit  einem  oder  zwei  Zweigen  zur  Gesichtsfläche  des  Jochbeines, 
durchbohrt  den  M.  orbicularis  oculi  und  versorgt  die  Haut  in  der  Wangengegend, 
wobei  er  mit  peripheren  Zweigen  des  N.  facialis  sich  verbindet.     Fig.  286. 

Häufig  tritt  die  Teilung  des  Nerven  schon  innerhalb  der  Orbita  ein  und  jeder  der  beiden  Äste 
geht  durch  einen  besonderen  Kanal  (siehe  Abt.  II,  S.  106). 

2.  N.  infraorbitalis.     Fig.  281,  282,  286,  294,  295. 

Er  bildet  die  Fortsetzung  des  Stammes  und  gelangt  durch  die  Fissura  orbi- 
talis inferior  zum  Boden  der  Augenhöhle  und  zum  Sulcus,  sowie  zum  Canalis  infra- 
orbitalis. Er  tritt  durch  das  Foramen  infraorbitale  zur  Gesichtsfläche  des  Ober- 
kiefers und  löst  sich  in  drei  Astgruppen  auf.  Von  der  Fossa  pterygopalatina  bis 
zum  Foramen  infraorbitala  gehen  aus  ihm  als  ventralwärts  ziehende  Äste  die  Nn. 
alveolares  superiores  hervor,  welche  3  Abteilungen  bilden. 

a)  Rami  alveolares  superiores  posteriores.    Fig.  281,  282. 

Es   sind   gewöhnlich  zwei.     Sie  entspringen  schon  vor  dem  Eintritt  des  N. 


304 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


infraorbitalis  in  die  Orbita  und  ziehen  neben  der  gleichnamigen  Arterie  am  Tuber 
maxillare  abwärts. 

Ein  hinterer  Zweig  bleibt  mit  einem  Teil  seiner  Fasern  an  der  Außenwand 
des  Oberkiefers  und  versorgt  das  Zahnfleisch  in  der  Gegend  der  Molaren  und  den 
benachbarten  Teil  der  Wangenschleimhaut.  Die  übrigen  Zweige  treten  durch  die 
Foramina  alveolaria  posteriora  des  Oberkiefers  zur  lateralen  hinteren  Wand 
der  Kieferhöhle.  Hier  ziehen  sie  in  unvollständigen  Kanälen  des  Knochens  nach 
vorn,  verbinden  sich  geflechtartig  mit  dem  R.  alveolaris  superior  medius  und  ent- 
senden feine  Fäden  zur  Schleimhaut  der  Kieferhöhle,  sowie  die  Nn.  dentales  für 
die  drei  iMolaren. 

Ramus  alveolaris  sup.  medius 

N.  infraorbitalis  Rami  alveolares  supp.  poslt. 

Ganglion  sphenopaiatinum 

N.  petrosus  superficialis  major 
N.  petrosus  superficialis  minor 
N.  facialis 
N.  tympanicus  (Jacobsoni) 


R.  :il\  eolaris  sup.  ant. 


Plexus  dentalis  sup 


us  (Jacobsoni) 


(Ast  zur  Fenestra  vestibuli) 
Z  Ramus  tubae 
(Ast  zur  Fenestra  Cochleae) 
N.  caroticotympanicus  inf. 
N.  tympanicus 


N.  glossopharyngeus 
Ganglion  cervicale  sup.  des  Sympathicus 


N.  canalis  pterygoidei  (Vidii)      N.  petrosus  prof. 

Fig.  282. 

Nervus  maxillaris  trigemini  und  Ganglion  sphenopalatlnum.    (Von  Hirschfeld  und  Leveille.)    2:3. 


b)  Ramus  alveolaris  superior  medius.     Fig.  282. 

Er  löst  sich  vom  N.  infraorbitalis  im  Sulcus  infraorbitalis  ab,  zieht  in  einem 
besonderen  Kanälchen,  teilweise  in  einer  Rinne  der  lateralen  Wand  der  Kieferhöhle 
herab,  sendet  Verbindungen  nach  hinten  zu  den  Rr.  alveolares  superiores  poste- 
riores, nach  vorn  zu  dem  R.  alveolaris  superior  anterior  und  endet  mit  feinen 
Zweigen  in  den  beiden  Praemolaren  und  in  dem  zugehörigen  Zahnfleischgebiet. 

c)  Ramus  alveolaris  superior  anterior.     Fig.  282. 

Er  löst  sich  vom  N.  infraorbitalis  in  der  Nähe  des  Foramen  infraorbitale  ab 
und  dringt  durch  ein  besonderes  Kanälchen  in  der  vorderen  Wand  der  Kieferhöhle 
zum  Alveolarrande  vor.  Hier  trennt  sich  von  ihm  ein  für  die  Nasenhöhle  be- 
stimmter Ramus  nasalis  ab;  der  Rest,  Rr.  dentales,  ist  für  die  Eck-  und  die 
Schneidezähne  des  Oberkiefers  bestimmt. 

Die  Rami  dentales  des  letzteren  verbinden  sich  mit  dem  mittleren  und 
den  hinteren  Alveolarnerven  zum  ausgedehnten  Plexus  dentalis  superior, 
dessen  Konvexität  alveolarwärts  gerichtet  ist.  Zum  Teil  dicht  unter  der  dünnen 
Schleimhaut  der  Kieferhöhle,  zum  Teil  im  Knochen  gelegen,  gibt  der  Plexus  die 
Nerven  für  die  Alveolen  und  die  Zähne  des  Oberkiefers  ab:  Rami  dentales 
superiores  und  Rami  gingivales  superiores. 

Der   genannte    Ramus   nasalis  zieht  durch  ein    besonderes  Kanälchen  zur 


Hirnnerven.  305 

Schleimhaut  des  vorderen  Teiles  des  Bodens  der  Nasenhöhle.  Er  geht  eine  Ver- 
bindung mit  dem  N.  nasopalatinus  (Scarpae)  ein.    Siehe  S.  306. 

d)  Die  Endäste  des  N.  infraorbitalis,  in  welche  er  sich  nach  dem  Austritt  aus 
dem  Canalis  infraorbitalis  teilt,  gehen  Verbindungen  mit  dem  Nervus  facialis  ein. 
Sie  heißen: 

k.  Rr.  palpebrales  inferiores;  meist  sind  ein  medialer  und  ein  lateraler 
Zweig  vorhanden;  sie  wenden  sich  um  den  unteren  Rand  des  M.  orbicularis  oculi 
zum  unteren  Augenlid. 

»'.  Rr.  nasales  externi  et  irlterni,  2 — 3;  sie  verteilen  sich  in  der  Haut 
der  Seitenwand  der  Nase,  des  Nasenflügels  und  Nasenloches. 

;-.  Rr.  labiales  superiores,  3 — 4;  sie  ziehen  unter  dem  M.  quadratus  labii 
superioris  abwärts,  verzweigen  sich  in  der  Haut  und  Schleimhaut  der  Oberlippe 
bis  zum  Mundwinkel. 

In  der  Medianebene  des  Gesichtes  gehen  die  Nn.  infraorbitales  beider  Seiten  Anastomosen 
ein  und  überkreuzen  sich  teilweise. 

Funke,  E.,  und  Zander,  R.,  Beiträge  zur  Anatomie  des  N.  maxillaris  n.  trigemini.    1896. 

Ein  Schema  der  Innervation  der  Ober-  und  Unterlippe,  an  welchem  u.  a.  die  mediane  Über- 
kreuzung der  beiden  Nn.  infraorbitales  deutlich  ist,  gibt  Fig.  14,  Abt.  IV. 

3.  Nn.  sphenopalatini.    Fig.  281—283. 
Die  Nn.  sphenopalatini  bestehen  aus  einem  oder  zwei  kurzen  Nerven,  welche 
zur  Flügelgaumengrube  ziehen  und  sich  vom  unteren  Rande  des  N.  maxillaris  alsbald 
in  ein  plattes  dreiseitiges  Ganglion,  Ganglion  sphenopalatinum,  einsenken. 

0 

Ganglion  sphenopalatinum.  Fig.  280 — 283,  285,  296. 
Das  in  der  Fossa  pterygopalatina  gelegene  sympathische  Ganglion  spheno- 
palatinum ist  2  —  3  mal  größer  als  das  Ganglion  ciliare  und  steht  mit  drei 
Wurzeln  in  Verbindung,  einer  sensiblen  (den  Nn.  sphenopalatini  des  II.  Trige- 
minusastes)  einer  motorischen  (dem  N.  petrosus  superficialis  major)  und  einer 
sympathischen  (dem  N.  petrosus  profundus);  die  beiden  letzteren  Wurzeln  treten 
als  N.  canalis  pterygoidei  (Vidii)  miteinander  vereint  zum  Ganglion.  Das- 
selbe besteht  aus  multipolaren  Nervenzellen.  Seine  Äste  sind  1.  die  Rr.  nasales 
posteriores  superiores  et  inff.,  2.  die  Nn.  palatini  und  3.  die  Rami 
orbitales. 

a)  Wurzeln  des  Ganglion  sphenopalatinum. 

«.  Die  sensiblen  Nn.  sphenopalatini. 

Ein  Teil  dieser  Fasern  zieht  an  dem  Ganglion  vorbei,  ein  anderer  durchsetzt 
dasselbe,  beide  nehmen  Fasern  aus  dem  Ganglion  mit  sich  und  ziehen  in  der 
Bahn  der  Nn.  palatini  und  der  Rr.  nasales  posteriores  superiores  zum  weichen  und 
harten  Gaumen  sowie  zur  Schleimhaut  eines  großen  Teiles  der  Nasenhöhle. 

ß.  Der  N.  petrosus  superficialis  major.     Fig.  281—283,  285,  296. 

Er  entspringt  am  Ganglion  geniculi  des  N.  facialis,  tritt  aus  dem  Hiatus 
canalis  facialis  hervor,  verläuft  im  Sulcus  n.  petrosi  superf.  majoris  zur  Synchon- 
drosis  sphenopetrosa  und  durchbohrt  dieselbe  lateral  vom  Porus  caroticus  internus, 
um  mit  dem  N.  petrosus  profundus  zusammen  durch  den  Canalis  pterygoideus 
(Vidii)  zum  Ganglion  zu  treten.  Er  enthält  motorische  Fasern  aus  dem  Facialis, 
wahrscheinlich  aber  auch  sensible  Fasern,  die  aus  dem  N.  sphenopalatinus  stammen 
und  in  die  periphere  Bahn  des  Facialis  übergehen  (siehe  N.  facialis  und  Leitungsbahnen). 


306 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


;■.  Der  N.  petrosus  profundus.     Fig.  281—283,  285. 

Er  geht  hervor  aus  dem  lateralen  Aste  des  N.  caroticus  internus  des 
Sympathicus,  durchbricht  die  Synchondrosis  sphenopetrosa,  begibt  sich  in  den 
Canalis  pterygoideus  und  vereinigt  sich  hier  mit  dem  vorigen.  Beide  zusammen 
bilden  den  N.  canalis  pterygoidei  (Vidii),  welcher  den  Canalis  pterygoideus 
durchläuft  und  in  den  hinteren  Rand  des  Ganglion  einmündet.  Der  Petrosus  pro- 
fundus ist  eine  Grenzstrangverbindung  zwischen  dem  Ganglion  cervicale  superius 
und  dem  Ganglion  sphenopalatinum  (siehe  Sympathicus). 

b)  Äste  des  Ganglion  sphenopalatinum. 

a.  Rr.  nasales  posteriores  superiores. 

Sie  treten  durch  das  Foramen  sphenopalatinum  aus  der  Flügelgaumengrube 
in  die  Nasenhöhle  und  sind  mediale,  sowie  laterale  Zweige. 


Fig.  284. 

Fig.  284.     Astfolge  des  R.  III  trlgemlnl. 

1  N.  mandibularis;    2  N.  spinosus ;    3  N.  temporalis  profundus 
anterior;  4  N.  temporalis  profundus  posterior;  5  N.  massetericus; 
Fip"    9?n  ^   ^'  auriculotemporalis;    7   Rami  articulares;    8  Rr.  parotidei; 

9  Ramus  anastomoticus  mit  dem  N.  facialis;  10  N.  meatus  audi- 
torii  externi ;  11  Rami  temporales  superficiales;  12  Ramus  auricularis  anterior ;  13  N.  alveolaris  inferior;  14  Chorda  tympani; 
15  N.  lingualis;    16  N.  buccinatorius;    17  N.  pterygoideus  internus  und  externus;    18  N.  tympanicus;    19  N.  tensoris  veli 

palatini;   20  N.  mylohyoideus. 

Fig.  283.     N.  canalis  pterygoidei  und  Chorda  tympani. 

1  N.  facialis;  2  N.  intermedius;  3  Ganglion  geniculi ;  4  N.  petrosus  superficialis  major;  5  N.  canalis  pterygoidei  (Vidii); 

6  Ganglion  sphenopalatinum;  7  Knie  des  N.  facialis;   8  Facialis  am  Foramen  stylomastoideum ;   9  Ramus  anastomoticus  c. 

plexu  tympanico ;    10  N.  stapedius;    11  Chorda  tympani;    12  N.  lingualis;   14  N.  petrosus  profundus. 


Die  Rami  nasales  postt.  supp.  mediales,  2 — 3  Fäden  verzweigen  sich 
teilweise  im  oberen  Abschnitt  des  Septum  nasi;  einer  von  ihnen  aber,  N.  naso- 
palatinus  (Scarpae)  (Fig.  272, 3)  hat  längeren  Verlauf,  zieht  zwischen  Periost 
und  Schleimhaut  mit  der  Arteria  nasalis  post.  septi  im  Septum  vorwärts  und  abwärts 
zum  Canalis  incisivus.  In  diesem  Kanäle  verbinden  sich  die  Nerven  beider 
Seiten  miteinander  und  schicken  feine  Zweige  zum  vorderen  Teil  der  Gaumenschleim- 
haut. Während  seines  Verlaufes  am  Septum  versorgt  der  Nerv  den  unteren  Teil 
der  Septum-Schleimhaut  mit  sensiblen  Zweigen  und  geht  vor  dem  Eintritt  in  den 
Canalis  incisivus  die  S.  305  erwähnte  Verbindung  mit  dem  Ramus  nasalis  des 
R.  aveolaris  superior  anterior  ein.  Die  Gaumenäste  des  Nerven  verbinden  sich  mit 
dem  N.  palatinus  anterior. 

Die  Rami  nasales  postt.  supp.  laterales  (Fig.  285),  6 — 10  zarte  Fäden, 
verzweigen  sich  zum  Teil,  indem  sie  durch  das  Foramen  sphenopalatinum,  sowie 
durch  Öffnungen  im  vorderen  Abschnitt  des  Canalis  pterygopalatinus  zur  Nasen- 
höhle dringen,  in  der  Schleimhaut  des  hinteren  Gebietes  beider  Siebbeinmuscheln, 


307 


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308 


Nm.  temporales  profunda 


N.  temporalis  superficialis 


Aste  des  Ramus 
zygomaticotemporalis 


N.  supraorbitalis 

Ramus  frontalis 
N.  supratrochlearis 
N".  infralrochleaiis 


Rainus  zygomatico- 

facialis 

A.  maxillaris  int. 

R.  nasalis  ext. 


Nu.  auriculares  antt. 

N.  auriculotemporalis 

N.  massetericus 

Rr.  anastomotici 
cum  n.  faciall 
[   unterer  Ast 
N.  facialis  { 

I     oberer  Ast 

N,  alveolaris  inf. 

N.  mylohyoideus 

N.  lingualis 


Rr.  nasales  et  labiales 
supp.  n.  infraorbitalis 


M.  zygomaticus 
M.  triangularis 


N.  buccinatorius 


Plexus  dentalis  inf 


N.  mentalis 


Fig.  286.     Verzweigung  des  Nervus  mandibularis  von  außen  dargestellt,  nebst  den  Gesichts- 
ästen  des  N.  ophthalmicus  und  des  N.  maxillaris  (8/o). 


Hirnnerven.  309 

des  oberen  Nasenganges  und  der  hinteren  Siebbeinzellen;  zum  Teil  gelangen  sie, 
indem  sie  nach  hinten  verlaufen,  zum  Schlundgewölbe  und  verbreiten  sich  in  der 
Schleimhaut  des  oberen  Umfanges  der  Choanen,  des  Ostium  pharyngeum  tubae 
auditivae  und  der  Keilbeinhöhle. 

ß.  Die  Nn.  palatini.     Fig.  285. 

Es  sind  3  Zweige,  welche  den  Canalis  pterygopalatinus  und  seine  beiden 
Seitenkanäle  durchziehen. 

Der  N.  palatinus  anterior  (Fig.  285),  der  stärkste  der  drei  Zweige,  zieht 
durch  den  Canalis  pterygopalatinus  und  das  Foramen  palatinum  majus  zum  harten 
Gaumen,  teilt  sich  in  3 — 4  Zweige,  die  in  den  Sulci  palatini  nach  vom  verlaufen, 
und  versorgt  die  Schleimhaut  des  harten  Gaumens,  ihre  Drüsen  und  das  Zahn- 
fleisch. Er  anastomosiert  am  Foramen  incisivum  mit  dem  N.  nasopalatinus.  Während 
seiner  Bahn  im  Canalis  pterygopalatinus  schickt  er  die  Rr.  nasales  posteriores 
inferiores  (laterales)  zur  Schleimhaut  der  unteren  Muschel,  sowie  des  mittleren 
und  unteren  Nasenganges.     Fig.  285. 

Der  N.  palatinus  posterior  (Fig.  285)  durchzieht  den  Canalis  palatinus 
posterior,  sowie  das  hintere  der  Foramina  palatina  minora  und  gelangt  zum  weichen 
Gaumen;  er  versorgt  dessen  untere  Schleimhautfläche  mit  sensiblen  Zweigen. 

Der  motorische  Nerv  des  M.  levator  veli  palatini,  welcher  nach  älterer  Anschauung  vom  N.  pala- 
tinus post.  stammen  sollte,  kommt  aus  dem  Plexus  pharyngeus,  siehe  S.  327. 

Der  N.  palatinus  medius  (Fig.  285),  der  schwächste  der  drei  Nn.  palatini, 
gelangt  durch  das  laterale  der  Foramina  palatina  minora  zur  Gegend  der  Tonsillen 
und  zur  benachbarten  Schleimhaut. 

;-.  Rami  orbitales. 

2 — 3  feine  Fäden.  Sie  gelangen  durch  die  Fissura  orbitalis  inferior  zur  Orbita, 
von  da  zum  Foramen  ethmoidale  posterius  und  durch  kleine  Öffnungen  in  der 
hinteren  Naht  der  Lamina  papyracea  zur  Schleimhaut  der  hinteren  Siebbeinzellen 
und  der  Keilbeinhöhle.  Einige  Fädchen  gelangen  auch  zur  Opticusscheide  (Hirzel, 
Arnold). 

Bau  des  Ganglion  sphenopalatinum. 

Das  Ganglion  sphenopalatinum  führt  multipolare  Nervenzellen,  deren  Neurit 
nach  bestimmten  Angaben  von  M.  v.  Lenhossek  (1895)  in  die  Nasen-  und 
Gaumenschleimhaut  eintritt,  wo  er  sich  im  Epithel  frei  aufzweigt.  Ein  Teil  der 
Fasern  der  Nn.  sphenopalatini  aus  dem  Trigeminus  durchsetzt  einfach  das  Ganglion; 
ein  anderer  bildet  um  die  Zellen  des  Ganglion  Endbäumchen  und  perizellulare 
Faserkörbe. 

III.  Nervus  mandibularis.     Fig.  274,  284—289. 

Der  dritte  Ast  des  Trigeminus,  der  stärkste  der  drei  Äste,  enthält  außer  dem 
starken  Rest  an  sensiblen  Fasern  auch  die  ganze  Portio  minor,  d.  h.  die  moto- 
rische Wurzel  des  Trigeminus.  Eine  innige  Mischung  wie  bei  den  Spinalnerven 
findet  nicht  statt;  vielmehr  wendet  sich  der  größere  Teil  der  motorischen  Fasern 
nach  dem  Durchtritt  des  Ramus  tertius  durch  das  Foramen  ovale  des  Keilbeines, 
mit  einem  Anteil  sensibler  Fasern  als  N.  masticatorius  vor  allem  zur  Versorgung 
der  Kaumuskeln  und  der  Wangenschleimhaut  von  dem  Stamme  ab.  Der 
stärkere  Rest  enthält  überwiegend  sensible  Fasern.  Wie  der  I.  und  II.  Ast  des 
Trigeminus    je    ein    sympathisches   Ganglion    besitzen,    so   ist   auch   der   III.  mit 


310  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

solchen  ausgestattet,  und  zwar  mit  zwei,  dem  Ganglion  oticum  und  dem 
G.  submaxillare. 

Der  erste  Zweig  des  Ramus  tertius  ist  der  N.  spinosus.  Darauf  entsendet 
der  Nerv  den  erwähnten  N.  masticatorius. 

Der  N.  spinosus  tritt  durch  das  Foramen  spinosum  mit  der  A.  meningea 
media  in  die  Schädelhöhle  zurück  und  begleitet  den  vorderen  und  hinteren  Zweig 
der  A.  meningea  media.  Ein  vorderer  Zweig  dringt  alsbald  in  die  Substanz  des 
großen  Keilbeinflügels  ein;  ein  hinterer  Zweig  gelangt  durch  die  Sutura  petrosqua- 
mosa  zur  Schleimhaut  der  Cellulae  mastoideae. 

1.  N.  masticatorius. 

Er  gibt  folgenden  Nerven  den  Ursprung,  die  sich  übrigens  auch  einzeln 
vom  Stamme  ablösen  können: 

a)  N.  massetericus.  Er  geht  über  den  M.  pterygoideus  externus  hinweg 
durch  die  Incisura  semilunaris  mandibulae  zum  M.  masseter,  sendet  auch  feine  Fäden 
zum  Kiefergelenk.     Fig.  274,  286. 

b)  N.  temporalis  profundus  posterior  (Fig.  274,  286).  Er  zieht  über 
dem  M.  pterygoideus  externus  zum  hinteren  Abschnitt  des  M.  temporalis  und  sendet 
ebenfalls  Fäden  zum  Kiefergelenk  (Rüdinger). 

c)  N.  temporalis  profundus  anterior  (Fig.  274,  286).  Er  wendet  sich 
über  oder  durch  den  M.  pterygoideus  externus  hindurch  zum  vorderen  Abschnitte 
des  M.  temporalis. 

d)  N.  pterygoideus  externus  (Fig.  286).  Er  läuft  gewöhnlich  in  der  Bahn 
des  N.  buccinatorius  und  löst  sich  von  diesem  während  seines  Durchtrittes  durch 
den  M.  pterygoideus  externus  ab. 

e)  N.  buccinatorius  (Fig.  286)  wendet  sich  vorwärts  und  lateralwärts, 
durchbohrt  den  M.  pterygoideus  externus  oder  kommt  unter  ihm  hervor,  zieht  an 
der  Außenfläche  des  M.  buccinator  bis  zum  Mundwinkel  und  teilt  sich  unterdessen 
in  seine  Endzweige.  Eine  Anzahl  von  diesen  durchbohrt  den  Muskel  und  begibt 
sich  zur  Schleimhaut  der  Backe,  andere  Zweige  treten  zur  Haut  der  Backe  und 
verbinden  sich  mit  Ästen  des  N.  facialis. 

f)  N.  pterygoideus  internus  (Fig.  285,  287).  Er  entspringt  von  der  medialen 
Fläche  des  III.  Astes,  durchbohrt  entweder  das  Ganglion  oticum  oder  zieht  an  ihm 
vorüber  und  senkt  sich  darauf  in  den  M.  pterygoideus  internus  ein.  Aus  dem 
N.  pterygoideus  internus  lösen  sich  in  der  Nähe  des  Ohrknotens  der  N.  tensoris 
veli  palatini  und  der  N.  tensoris  tympani  ab. 

Übrige  Astfolge. 

Sie  ist  vorzugsweise  sensibel  und  enthält  den  N.  lingualis  und  N.  alveolaris 
inferior,  aber  auch  den  N.  auriculotemporalis.  Das  Ganglion  oticum  und  sub- 
maxillare treten  mit  seinen  Zweigen  in  enge  Verbindung. 

2.  N.  auriculotemporalis.     Fig.  286,  287,  294,  295. 

Er  entspringt  am  hinteren  Rande  des  Stammes  gewöhnlich  mit  zwei  Wurzeln, 
welche  die  A.  meningea  media  zwischen  sich  fassen  (Fig.  287).  Darauf  schlingt 
er  sich  hinter  dem  Gelenkfortsatz  des  Unterkiefers  bogenförmig  lateralwärts  und 
aufwärts,  tritt  unter  die  Parotis  und  läßt  schließlich,  hinter  der  A.  temporalis  super- 
ficialis gelegen,  seine  Endäste  zum  Ohr  und  zur  Schläfenhaut  ausstrahlen.  Der 
Nerv  geht  während  seines  Verlaufes  zweierlei  Verbindungen  ein: 


Hirnnerven.  31 1 

a)  er  empfängt  Zweige  aus  dem  Ganglion  oticum  (Fig.  288,2);  sie 
führen  ihm  durch  Vermittlung  des  N.  petrosus  superficialis  minor  aus  dem  N. 
glossopharyngeus  sekretorische  Fasern  für  die  Parotis  zu  (Rami  communi- 
cantes  c.  ganglio  otico); 

b)  er  verbindet  sich  mit  dem  N.  facialis.  Gewöhnlich  sind  es  zwei  Zweige, 
Rami  anastomotici  cum  n.  faciali  (Fig.  286,  287),  welche  an  der  Umbiegungs- 
stelle  des  Auriculotemporalis  nach  oben  sich  mit  dem  oberen  Aste  des  Facialis 
vereinigen  und  demselben  sensible  Fasern  zuführen.     Fig.  295. 

Die  Äste  des  N.  auriculotemporalis  sind: 

Rami  articulares:  1 — 2  Fäden  für  das  Kiefergelenk. 

Rami  parotidei,  Fädchen  wechselnder  Zahl  für  die  Substanz  der  Parotis. 

Nn.  meatus  auditorii  externi;  gewöhnlich  zwei,  ein  oberer  und  ein 
unterer,  welche  an  der  Grenze  des  knöchernen  und  des  knorpeligen  äußeren  Ge- 
hörganges in  die  Wand  des  letzteren  eindringen.  Der  untere  geht  zur  unteren, 
der  obere  zur  oberen  Wand  des  Gehörganges,  dessen  Haut  sie  versorgen  helfen. 
Ein  feiner  Zweig  des  oberen,  R.  membranae  tympani,  gelangt  zum 
Trommelfell. 

Nn.  auriculares  anteriores  (Fig.  286).  Sie  ziehen  hinter  der  A.  tempo- 
ralis  superficialis  vorbei  und  versorgen  die  Haut  der  konkaven  Fläche  der  Ohr- 
muschel. 

Rr.  temporales  superficiales  (Fig.  286),  die  Endzweige  des  N.  auriculo- 
temporalis. Sie  verbreiten  sich  nach  Überschreitung  des  Jochbogens  in  der  Haut 
der  Schläfe  vor  und  über  dem  Ohr.  Die  letzten  Ausstrahlungen  anastomosieren 
mit  Ästen  der  Nn.  frontalis,  facialis  und  occipitalis. 

3.  N.  alveolaris  inferior.     Fig.  286,  287,  295. 

Er  ist  der  stärkste  Zweig  des  III.  Astes,  zieht  zwischen  dem  M.  pterygoideus 
externus  und  internus  abwärts,  liegt  dabei  hinter  und  lateral  vom  N.  lingualis  und 
gelangt  zwischen  dem  Unterkiefer  und  dem  Lig.  sphenomandibulare  zum  Foramen 
mandibulare  (Fig.  286).  Zusammen  mit  der  A.  alveolaris  inferior  verläuft  der  Nerv 
im  Unterkieferkanal  nunmehr  nach  unten  und  vorn,  versorgt  auf  diesem  Wege  die 
Molar-  und  Prämolarzähne  und  tritt  mit  dem  größeren  Rest  seiner  Fasern  durch 
das  Foramen  mentale  auf  die  Gesichtsfläche  des  Unterkiefers,  um  sich  in  der  Haut 
der  Unterlippe  und  des  Kinnes  zu  verästeln  (Fig.  286,  295);  der  schwächere  Rest 
des  Nerven  verläuft  im  Unterkieferkanal  weiter  und  versorgt  den  Eckzahn  und  die 
Schneidezähne  der  zugehörigen  Unterkieferhälfte. 

Schon  vor  dem  Eintritt  in  das  Foramen  mandibulare  entläßt  der  Nerv  die 
ihm  beigemischten  motorischen  Fasern  in  die  Bahn  des  N.  mylohyoideus. 

Der  N.  mylohyoideus  (Fig.  286,  287)  trennt  sich  vom  N.  alveolaris  inf.  am 
Foramen  mandibulare  und  verläuft  nun,  anfangs  vom  M.  pterygoideus  internus 
bedeckt,  im  Sulcus  mylohyoideus,  dann  auf  der  Unterfläche  des  M.  mylohyoideus 
nach  vorn,  um  den  M.  mylohyoideus  und  den  Venter  anterior  des  M.  digastricus 
mit  motorischen  Zweigen  zu  versorgen.  Dicht  hinter  dem  Kinn  sendet  der  Nerv 
gewöhnlich  einige  feine  Äste  zur  Haut  des  Kinnes  und  der  Unterkinngegend. 

Über  die  Hautäste  des  N.  mylohyoideus  liegen  neue  Untersuchungen  von  Schumacher 
(Sitzber.  Akad.  Wiss.  Wien,  Bd.  113,  Abt.  III,  1904)  vor.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  gibt  nur  der 
Nerv  einer  Seite  einen  Hautast  ab.  Die  Größe  des  versorgten  Hautgebietes  schwankt,  es  ist  un- 
gefähr 4 — 5  cm  breit,  3  cm  hoch  und  entspricht  dem  Kinnvorsprung. 


312 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Die  Nn.  alveolares  bilden  innerhalb  des  Canalis  mandibulae  den  Plexus 
dentalis  inferior;  dessen  Zweige  sind  die  Rami  dentales  inferiores  und 
die  Rami  gingivales  inferiores. 

Die  Nn.  alveolares  inferiores  posteriores  treten  vom  Stamme  im 
größeren  hinteren  Abschnitte  des  Canalis  mandibulae  ab;  versorgen  die  Molares 
und  Praemolares,  die  Alveolen  und  das  Zahnfleisch. 

Die  Nn.  alveolares  inferiores  anteriores  gehen  vom  Reste  des  N.  man- 
dibularis  in  dem  kleinen  vorderen  Abschnitte  des  Canalis  mandibulae  aus  und 
versorgen  den  Eckzahn  und  die  Schneidezähne.  Der  in  der  vorderen  Strecke  des 
Kanales  enthaltene  Nerv  heißt  darum  auch  Ramus  incisivus. 


Portio  minor  nervi  V  -.- 

N.  petrosus  superf.  minor  _ 

N.  tensoris  tympani  ~.. 

Ganglion  oticum  — 

N.  tensoris  veli  palatini  — 

Chorda  tympani  — 


N.  pterygoideus  int. 


N.  lingualis 


R.  anastomoticus  c.  n.  auriculo- 
.,  ,  ,.  temporali 

N.  auriculotemporalis 

Sympathischer  Zweig  zum  Ggl.  oticum 
N,  mylohyoideus 
N.  alveolaris  inf. 


Fig.  287. 

Das  Ganglion  oticum  und  seine  Verbindungen  (von  der  medialen  Seite).    (Von  Fr.  Arnold.)    3:5. 
Die  rechte  Schädelabteilung  ist  so  durchtrennt,   daß  das  Keilbein  in  der  Gegend  des  Foramen  ovale,  das  Felsenbein  durch 
das  Mittelohr  hindurch  durchsägt  sind;  das  Unterkiefergelenk  ist  von  innen  her  freigelegt,  der  Musculus  pterygoideus  int. 

ist  zum  Teil  entfernt. 

Der  N.  mentalis,    oft   schon    innerhalb    des  Kanales  abgezweigt,  teilt  sich 

beim  Austritt  aus  den  Foramen  mentale,  bedeckt  vom  M.  triangularis,  in  die  Rami 

mentales   und   die    Rami    labiales   inferiores;  die  ersten  versorgen  die  Haut 

der  Kinngegend,  die  letzteren  ziehen  zur  Haut  und  Schleimhaut  der  Unterlippe. 

4.  N.  lingualis.     Fig.  286—289. 

Er  zieht  wie  der  N.  alveolaris  inf.  zwischen  dem  M.  pterygoideus  externus  und 
internus  an  der  medialen  Seite  der  A.  maxillaris  interna  herab  und  liegt  dabei  vor 
und  medial  von  ersterem  Nerven  (Fig.  286,  287).  Vom  vorderen  Rande  des  M. 
pterygoideus  internus  wendet  er  sich  in  sanftem,  vorn-oben  konkavem  Bogen  erst 
über  die  Glandula  submaxillaris,  dann  über  dem  M.  mylohyoideus  zum  Seiten- 
rande der  Zunge,  und  zwar  auf  die  Außenfläche  des  M.  hyoglossus.  Sodann 
läßt  er  seine  Zweige  zwischen  den  Mm.  hyoglossus  und  genioglossus  in  die  Zunge 
einstrahlen.  Am  Seitenrande  der  Zunge  liegt  er  dicht  unter  der  Schleimhaut  und 
kreuzt  sich  mit  dem  Ductus  submaxillaris,  der  lateral  über  ihn  hinwegzieht. 
Verbindungen. 

a)  Während  seines  Verlaufes  verbindet  sich  der  N.  lingualis  mit  dem  N. 
alveolaris  inf.  durch  einen  von  letzterem  zu  ersterem  schräg  herabziehenden  Faden. 


Hirnnerven.  313 

b)  Bald  unter  seinem  Ursprünge  nimmt  er  ferner  die  Chorda  tympani 
(Fig.  287,  296)  auf.  Letztere  tritt  aus  der  Fissura  petrotympanica  (Glaseri)  hervor 
und  vereinigt  sich  mit  dem  N.  lingualis,  schräg  nach  unten  und  vorn  verlaufend, 
in  spitzem  Winkel.  Sie  führt  dem  N.  lingualis  Fasern  zu,  welche  mit  letzterem 
Nerven  zu  den  vorderen  Abschnitten  der  Zunge,  sowie  zu  dem  Ganglion  sub- 
maxillare  und  zur  Glandula  submaxillaris  gelangen.  In  physiologischer  Hinsicht 
enthält  die  Chorda  tympani  teils  zentripetale,  dem  Geschmackssinne  dienende 
Fasern,  welche  in  den  N.  intermedius  des  Facialis  gelangen,  teils  zentrifugale 
Fasern:  Sekretionsfasern  für  die  Glandulae  submaxillaris  und  subungualis. 

c)  Während  der  N.  lingualis  über  die  Glandula  submaxillaris  wegzieht,  ver- 
bindet er  sich  durch  kurze  Zweige  mit  dem  Ganglion  submaxillare  (Fig.  289). 
Das  hintere  Bündel  geht  vom  Lingualis  zum  Ganglion,  das  vordere  vom  Ganglion 
zum  Lingualis. 

d)  Auf  der  Außenseite  des  M.  hyoglossus  verbindet  sich  der  N.  lingualis  durch 
einen  einfachen  oder  doppelten  Faden,  Rami  anastomotici  cum  nervo  hypo- 
glosso,  bogenförmig  mit  einem  der  Endäste  des  N.  hypoglossus  (Fig.  301). 
Der  letztere  empfängt  hierdurch  sensible  Fasern  für  seine  Endausbreitung  in 
der  Zunge  (nach  E.  Bischoff),  oder  die  sensiblen  Fasern  laufen  im  Hypoglossus 
zentralwärts  weiter  und  bedingen  die  Sensibilität  dieses  Nerven  bei  seinem 
Austritt  aus  der  Schädelhöhle  (Luschka). 

Äste. 

1.  Noch  bedeckt  vom  M.  pterygoideus  internus  entläßt  der  N.  lingualis  einige 
feine  Zweige  zum  hinteren  Teil  der  Schleimhaut  des  Bodens  der  Mundhöhle,  Rr. 
isthmi  faucium  (Arnold). 

2.  Am  hinteren  Rande  der  Glandula  subungualis  geht  aus  dem  N.  lingualis 
der  N.  subungualis  hervor.  Er  zieht  an  der  lateralen  Fläche  der  Drüse  nach 
vorn  und  versorgt  teils  letztere,  teils  die  Schleimhaut  des  Bodens  der  Mundhöhle, 
teils  den  vorderen  Abschnitt  des  Zahnfleisches  mit  feinen  Zweigen.  Die  in  die 
Drüse  dringenden  Fasern  stammen  aus  dem  Ganglion  submaxillare,  sowie  aus 
besonderen  Gruppen  von  Ganglienzellen,  welche  in  die  Zweige  eingestreut  sind 
und  zur  Bildung  eines  besonderen  Ganglion,  des  Ganglion  sublinguale  Ver- 
anlassung geben  können.     Fig.  289. 

3.  Rami  linguales  (Fig.  301).  Dies  sind  die  zahlreichen  Endäste  des  N. 
lingualis  für  die  vordere  Hälfte  der  Zunge.  Sie  erstrecken  sich  auf  die  Schleim- 
haut des  Rückens,  der  Seitenränder  und  der  Spitze  der  Zunge  und  endigen  be- 
sonders in  den  Papulae  fungiformes  und  filiformes.  Die  Rami  linguales 
führen  teils  einfache  sensible  Fasern  aus  dem  Trigeminus,  teils  Geschmacksfasern 
aus  der  Chorda  tympani.  In  die  feinere  Verästelung  der  Rami  linguales  sind 
viele  mikroskopische  Ganglien  eingestreut  (s.  unten:  R.  lingualis  n.  glosso- 
pharyngei).     Siehe  ferner  Abt.  IV,  Fig.  94. 

Die  Ganglien  des  III.  Astes  des  Trigeminus. 

Abgesehen  von  den  kleinen  peripheren  Ganglien  in  der  Peripherie  des  N. 
lingualis  kommen  im  Gebiete  des  III.  Astes  des  Trigeminus  zwei  größere  sym- 
pathische Ganglien  vor,  das  Ganglion  oticum  und  das  Ganglion  sub- 
maxillare. 


314 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


A.  Ganglion  oticum.  Fig.  287,  288. 
Der  Ohrknoten  ist  ein  abgeplatteter,  länglichrunder  Körper  von  3 — 4  mm 
größtem  Durchmesser,  welcher  dicht  unter  dem  Foramen  ovale  an  der  medialen 
Seite  des  III.  Astes  des  Trigeminus  und  an  der  lateralen  Fläche  des  M.  tensor 
tympani  gelegen  ist.  Seine  Nervenzellen  sind  multipolar.  Er  steht  mit  mehreren 
Nerven  in  Verbindung,  die  als  seine  Wurzeln  bezeichnet  werden;  andererseits  ent- 
sendet er  eine  Reihe  von  Ästen. 


Fig.  289. 

289.  Ganglion  submaxlllare  und  sublinguale 
eines  Neugeborenen.  4:1. 
/  N.  lingualis,  zentraler  Teil;  sm  Ggl.  submaxillare  mil 
Zweigen,  die  vom  N.  lingualis  kommen,  mit  anderen, 
die  in  ihn  übergehen.  Selbst  innerhalb  und  auf  dem 
Lingualisstamme  befinden  sich  kleine,  langgestreckte 
Ganglienzellenanhäufungen.  Ein  anderer  Teil  der  Fasern 
hängt  mit  dem  keulenförmigen  Ganglion  sublinguale 
{st)  zusammen,  welches  besonders  vorwärts  starke 
Zweige  aussendet.  Das  Ganglion  submaxillare  sendet 
viele   Zweige  (g)   abwärts  zur   Glandula   submaxillaris. 


Fig.  288. 

Fig.  288.     Wurzeln  und  Äste  des  Ganglion  oticum.    3  :  1. 
G  Ganglion  oticum;  1  N.  petrosus  superficialis  minor;  2  Verbindungszweig  zum  N.  auriculotemporalis ;  3  Chorda  tympani; 
4  N.  lingualis;  5  Verbindungszweig  des  Ganglion  zu  der  Chorda  tympani;  6  N.  pterygoideus  internus;  7  N.  tensoris  veli 
palatini;  8,  8'  Nn.  sphenoidales;  9  N.  tensoris  tympani;  10  N.  spinosus ;  11  N.  canalis  pterygoidei ;  12  N.  petrosus  super- 
ficialis major;    13  N.  caroticotympanicus  superior. 

Wurzeln  des  G.  oticum. 

1.  Verbindungszweige  mit  dem  III.  Aste  des  Trigeminus,  welche,  wenn  nicht  alle,  so  doch 
größtenteils  in  die  Bahn  des  N.  pterygoideus  internus  und  seiner  Aste  übergehen.  Sie  stellen  die 
Radix  motoria  von  Fr.  Arnold  dar. 

2.  Verbindungszweige  mit  dem  die  A.  meningea  media  umspinnenden  sympathischen  Geflechte, 
Ramus  a  nastomo  ticus   cum  n.  spinoso;  sie  bilden  die   Radix  sympathica  von  Arnold. 

3.  Der  N.  petrosus  superficialis  minor  (Fig.  287).  Er  ist  ein  Verbindungsstrang  des 
Ganglion  oticum  mit  dem  Ganglion  petrosum  n.  glossopharyngei,  zugleich  des  Ganglion  geniculi 
n.  facialis,  und  tritt  an  das  hintere  Ende  des  Ganglion  oticum  heran.  Seine  Fasern  stammen 
größtenteils  aus  dem  N.  tympanicus  des  Glossopharyngeus.  Das  obere  Endstück  des  N.  tympanicus 
nämlich,  eines  Astes  des  Ganglion  petrosum,  tritt  aus  der  Paukenhöhle  in  die  Schädelhöhle  durch 
die  Apertura  superior  canaliculi  tympanici,  nimmt  hier  einen  Faden  vom  Knie  des  N.  facialis  auf, 
verläuft  im  Sulcus  petrosus  superficialis  minor,  tritt  darauf  durch  die  Fissura  sphenopetrosa  an  die 
untere  Fläche  der  Schädelbasis  und  senkt  sich  in  das  Ganglion  oticum  ein.  Arnold  beschrieb 
den  N.  petrosus  superficialis  minor  als  Radix  sensitiva. 

4.  Eine  vierte  zentrale  Verbindung  besitzt  das  Ganglion  oticum  durch  den  Nervulus  sphe- 
noidalis  internus  mit  dem  Ganglion  sphenopalatinum ,  indem  der  genannte  feine  Nerv  vom 
Ganglion  ausgeht  und  zum  N.  canalis  pterygoidei  gelangt. 


Hirnnerven.  315 

5.  Ein  fünfter  Verbindungszweig  ist  der  Nervulus  sphenoidalis  cxternus,  welcher  sich 
nach  C.  Krause  zum  Ganglion  semilunare  n.  trigemini  begibt. 

Die  in  periphere  Bahnen  laufenden  Äste  des  Ganglion  oticum  sind: 

1.  Starke  blasse  Zweige  zum  N.  auriculotcmporalis,  Ramus  anastomoticus  cum  n.  auri- 
culotemporali; 

2.  Zweige  zur  Chorda  tympani,  Ramus  anastomoticus  cum  chorda  tympani; 

3.  Ein  Faden  zum  N.  tensoris  tympani; 

4.  Ein  Zweig  zum  N.  pterygoideus  internus; 

5.  Ein  Zweig  zum  N.  tensoris  veli  palatini; 

6.  Ein  Zweig  zum  N.  buccinatorius,  sowie  einige  andere  Zweige  von  unbekanntem  Verlauf. 

B.  Ganglion  submaxillare.     Fig.  289  und  Abt.  IV,  Fig.  72. 

Der  Zungen-  oder  Unterkieferknoten,  im  Jahre  1740  von  J.  Fr.  Meckel  zu- 
erst beschrieben,  ist  von  veränderlicher  Gestalt,  3 — 3,5  mm  größtem  Durchmesser, 
liegt  über  der  Glandula  submaxillaris  und  ist  mit  dem  N.  lingualis  durch  ein 
hinteres  und  ein  vorderes  Bündel  verbunden. 

Ersteres  führt  dem  Ganglion  Lingualis-  und  Chorda-Fasern  zu ;  das  vordere  führt  Ganglion- 
fasern in  den  Lingualis.  Das  hintere  Bündel  enthält  nach  dem  Schema  von  Arnold  die  Radix 
motoria  und  sensitiva  des  Ganglion;  als  Radix  sympathica  werden  mehrere  feine  Fäden 
betrachtet,  welche  vom  Plexus  arteriae  maxillaris  externae  ausgehen  und  zum  Ganglion 
gelangen. 

Das  Ganglion  gibt  5 — 6  zarte  Zweige  zur  Unterkieferdrüse,  Rami  submaxillares,  ab,  welche 
von  seinem  unteren  Rande  ausgehen.  Die  meisten  dringen  mit  dem  Ductus  submaxillaris  in  den  Hilus 
der  Drüse  ein  und  stellen  deren  Sekretionsnerven  dar.  Einige  feine  Fäden  folgen  dem  Ausführungs- 
gange bis  zur  Caruncula  subungualis. 

Vom  vorderen  Rande  des  Ganglion  gehen  jene  Fäden,  Rami  communicantes  cum  n. 
linguali,  aus,  welche  sich  zum  N.  lingualis  und  mit  ihm  zur  Zunge  begeben.  Zuweilen  gelangen 
einige  Fädchen  aus  dem  Ganglion  zum  N.  hy  poglossus,  um  sich  mit  ihm  peripherisch  zu  verbreiten. 

Das  Ganglion  submaxillare  und  sublinguale  enthalten  multipolare  Nervenzellen. 

Verbreitungsgebiet  des  Trigeminus  und  seiner  Ganglien.    Fig.  290. 

Das  Gesamtgebiet,  in  welchem  die  beiden  Wurzeln  des  Trigeminus  und  die 
an  diesen  Nerven  sich  anschließenden  Ganglien  sich  verbreiten,  ist  sehr  ausge- 
dehnt und  gibt,  wie  der  Ursprung  des  Nerven,  zu  einer  Menge  schwieriger  Fragen 
Veranlassung. 

Der  am  höchsten  gelegene  erste  Ast  versorgt  mit  sensiblen  Fasern  den 
Augapfel  und  die  Augenmuskeln,  die  Tränendrüse,  einen  Teil  der  Nasenschleim- 
haut, die  Haut  des  Kopfes  von  der  Augenlidspalte  bis  zum  Scheitel. 

Der  zweite  Ast,  ebenfalls  sensibel,  nimmt  seine  Ausbreitung  vorzugsweise 
im  Gesicht  zwischen  Lid-  und  Mundspalte,  in  den  Zähnen  des  Oberkiefers,  am 
Gaumen,  in  der  Nasenhöhle  und  der  Kieferhöhle. 

Der  dritte  Ast  sendet  in  absteigender  Richtung  sensible  Zweige  zur  Zunge, 
zu  den  Zähnen  und  der  Haut  des  Unterkiefers;  in  aufsteigender  Richtung  führt 
er  dem  äußeren  Ohr  und  der  Haut  der  Schläfe  Fasern  zu.  Mit  motorischen  Fasern 
versorgt  er  die  Kaumuskeln,  den  M.  mylohyoideus  und  den  Venter  anterior  des 
M.  digastricus. 

Jeder  der  Äste  entläßt  ferner  einen  Ramus  meningeus  und  versorgt  das  diesem 
Nerven  zukommende  Gebiet  der  Wände  der  Schädelhöhle. 

Raüber-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  17 


316 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


VI.  N.  abducens.     Fig.  273,  275,  291. 

Im  Nucleus  n.  abducentis  der  Brücke  entsprungen,  tritt  der  Abducens  am 
kaudalen  Rande  der  Brücke,  zwischen  dieser  und  der  Pyramide  zur  Oberfläche. 
Er  ist  rein  motorisch,  enthält  etwa  2600  Nervenfasern  und  ist  gleich  dem  N.  troch- 
learis  für  einen  Muskel  bestimmt,  den  M.  rectus  oculi  lateralis. 

Gegen  den  Clivus  verlaufend  tritt  er  lateral  hinter  dem  Dorsum  sellae  durch  den  Porus  ab- 
ducentis in  den  Sinus  cavernosus  ein.  In  letzterem  hat  er,  von  einer  Durascheide  umgeben,  an  der 
lateralen  Seite  der  Carotis  interna  seine  Lage,  verläßt  den  Sinus,  gelangt  zur  Fissura  orbitalis  supe- 
rior  und  betritt  unterhalb  des  Oculomotorius  die  Orbita.  Zwischen  beiden  Küpfen  des  M.  rectus 
lateralis  durchtretend  senkt  er  sich  endlich  in  diesen  Muske!  an  dessen  innerer  Fläche  ein. 


N.  supraorbital 
N.  supratrochlear 


N.  infratrochlea 

N.  zygomat: 

temporalis 


N.  auriculotemporalis 


Verbindung  von  Facialis 
und  Auriculotemporalis 


N.  occipitalis  major 


N.  occipitalis  minor 


N.  infraorbitalis 


N.  mentalis 


Verbindg.  zwischen  Facialis 
und  auricularis  magnus 


N.  cervicalis  III 


N.  auricularis  magnus 


N.  subcutaneus  colli 
medius 


h 


Na. 

upraclaviculares 


Fig.  290.  Fig.  291. 

Fig.  290.     Hautnervenfelder  des  Kopfes  und  Halses.    (Aus  Corning,  topogr.  Anat.) 

Gelb:  N.  trigeminus  (Ast  I  punktiert,  Ast  II  glatt,  Ast  III  schraffiert).     Rot:  Cervicalnerven. 

L.  N.  lacrimalis;   z.f.  N.  zygomaticofacialis;  F.  N.  facialis. 

Fig.  291.     Schema  des  N.  abducens  und  des  M.  rectus  oculi  lateralis. 

1  M.  rectus  lateralis;  2  Stamm  des  N.  abducens;   3  zwei  Verbindungszweige  mit  dem  N.  sympathicus;  4  Verbindung  mit 

dem  R.  I  n.  trigemini. 

Im  Sinus  cavernosus  empfängt  er  einige  Fäden  vom  Plexus  caroticus  internus,  welche 
in  die  periphere  Bahn  des  Abducens  übergehen. 

An  der  Eintrittsstelle  in  die  Orbita  nimmt  er  einen  Faden  vom  I.  Aste  des  Trigeminus  auf, 
der  ihn  mit  sensiblen  Fasern  ausstattet. 


VII.  N.  facialis.     Fig.  282,  283,  285,  287,  292—297. 
Der  N.  facialis  entspringt  im  Nucleus  n.  facialis  und  tritt  am  hinteren  Rande 
des  Brückenarmes  zur  Oberfläche.     Zwischen  seiner  Austrittsstelle  und  derjenigen 
des  N.  acusticus  kommt  der  N.  intermedius  zum  Vorschein,  welcher  sich  dem 
Facialis  zugesellt. 


Hirnnerven. 


317 


Facialis,  Intermedius  und  Acusticus  wenden  sich  darauf  vorwärts  und  lateral- 
wärts  und  treten,  von  Fortsetzungen  der  Hirnhäute  umgeben,  in  den  Meatus 
acusticus  internus  ein  (Fig.  273,  297).  Der  Facialis  liegt  dabei  mit  dem  Intermedius 
in  einer  Rinne  an  der  vorderen,  medialen  Seite  des  Acusticus.  Im  Grunde  des 
inneren  Gehörganges  tritt  der  Facialis  in  den  Canalis  facialis  ein,  durchläuft  die 
erste  Strecke  desselben  bis  zum  Hiatus  canalis  facialis  in  der  Richtung  nach  vorn 
und  lateral,  biegt  hier,  indem  er  das  Geniculum  nervi  facialis  bildet,  fast 
rechtwinkelig  um  und  zieht  nach  lateral  und  hinten,  indem  er  zwischen  der  Pro- 
minentia  canalis  semicircularis  lat.  und  der  Fenestra  vestibuli  liegt  (Fig.  282);  darauf 
wendet  er  sich  im  Bogen  abwärts,  verläuft  1 — 2  mm  hinter  dem  Paries  mastoideus 


N.  facialis 


N.  glossopharyngeus 


\      °*B> 


Ramus  auricularis  n.  vagi 


Fig.  292.  Fig.  293. 

Fig.  292.     Schema  der  Nervenbahnen  im  Knie  des  Facialis.     (Rechts.)    (R.  Pen zo,  1893.) 
Gv  Ganglion  vestibuläre;    i  innerer,  h  hinterer,  v  vorderer  Winkel  des  Ganglion  geniculi;    in  ausgezogenen  schwarzen 

Linien  sind  der  N.  intermedius  und  seine  Fasern  dargestellt; sind  Fasern,   welche  aus  dem  II.  Ast  des  N.  trige- 

minus  stammen  und  vom  Ganglion  sphenopalatinum  kommen. 

Fig.  293.     Ganglion  geniculi  einer  neugeborenen  Maus.    (Lenhossek.) 

Pseudounipolare  Nervenzellen  und  die  aus  der  Teilung  ihres  Fortsatzes  hervorgehenden  Intermediusfasern. 

a  Teilungsstellen;  *  isoliert  imprägnierte  Faser  des  N.  petrosus  superf.  major. 

des  Mittelohres  und  tritt  durch  das  Foramen  stylomastoideum  aus  dem  Schädel 
heraus.  Dann  gelangt  er  sofort  in  die  Parotis  und  verläuft  unterhalb  des  äußeren 
Gehörganges,  lateral  vom  Venter  posterior  des  Digastricus  und  von  der  A.  carotis 
externa.  Innerhalb  der  Parotis  teilt  er  sich  in  zwei  Hauptäste.  Diese  beiden  gehen 
wieder  Teilungen  und  Verbindungen  ihrer  Zweige  ein,  so  daß  hierdurch  ein  Ge- 
flecht, Plexus  parotideus,  entsteht  (Fig.  295).  Vom  vorderen  Rande  der  Parotis 
strahlen  darauf  die  Endäste  fächerförmig  aus,  um  die  Gesichtsmuskeln  zu  versorgen. 
Da  auch  noch  hintere  absteigende  und  hintere  aufsteigende  Äste  vorhanden  sind, 
so  ist  es  fast  ein  kreisförmig  gestaltetes  Endgebiet,  zu  welchem  der  Facialis 
jenseits  des  Foramen  stylomastoideum  radiale  Zweige  sendet. 

Am  Geniculum  nervi  facialis  befindet  sich  ein  Ganglion,  das  Ganglion 
geniculi  (Fig.  297),  in  welches  sich,  wie  in  ein  Spinalganglion,  der  N.  intermedius 
gleich  einer  hinteren  Wurzel  einsenkt. 

17* 


318  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Abgesehen  vom  Intermedius,  welcher  Geschmacksfasern  führt,  ist  der  Facialis 
ein  motorischer  Nerv  und  versorgt  alle  Muskeln  des  Schädeldaches,  des  äußeren 
Ohres,  des  Gesichtes  (nicht  aber  die  Kaumuskeln),  den  M.  buccinator,  den  M. 
stapedius,  M.  stylohyoideus,  Venter  posterior  des  M.  digastricus.  Eine  besondere 
Art  seiner  motorischen  Fasern  bilden  die  in  ihm  enthaltenen  sekretorischen  Fasern 
für  die  Speicheldrüsen  (ohne  Parotis),  welche  durch  die  Vermittlung  des  Trigeminus 
(siehe  diesen)  zu  ihrem  Ziele  gelangen.  Schon  im  Canalis  facialis  werden  dem 
Facialis  sensible  Fasern  zugeführt,  und  zwar  aus  dem  Trigeminus  durch  den 
N.  petrosus  superficialis  major.  Viel  ausgedehnter  ist  die  Beimischung  sensibler 
Fasern  zu  den  Endästen  im  Gesicht. 

a)  Vom  Porus  acusticus  internus  bis  zum  Austritt  aus  dem  Foramen 
stylomastoideum  sind  am  Facialis  folgende  Äste  und  Verbindungen  vorhanden: 

1.  N.  petrosus  superficialis  major  (Fig.  282,  283,  296).  Er  zieht  vom 
Ganglion  geniculi  zum  Ganglion  sphenopalatinum,  ist  aber  mehr  als  eine  Verbin- 
dung beider  Ganglien;  siehe  S.  305  und  unten. 

2.  Ramus  anastomoticus  cum  plexu  tympanico.  Er  geht  vom  Ganglion 
geniculi  oder  dem  Anfang  des  N.  petrosus  superficialis  major  zum  Plexus  tym- 
panicus.     Fig.  282. 

3.  N.  stapedius.  Er  entspringt  vom  absteigenden  Teil  des  Facialis  und 
dringt  durch  eine  Öffnung  am  Grunde  der  Eminentia  pyramidalis  in  den  von  dieser 
beherbergten  M.  stapedius  ein. 

4.  Chorda  tympani  (Fig.  296).  Die  Paukensaite  tritt  vom  Facialisstamm 
im  unteren  Teil  des  Canalis  facialis  unter  einem  dorsalwärts  offenen  spitzen 
Winkel  ab,  dringt  durch  den  Canaliculus  chordae  in  die  Paukenhöhle,  zieht  von 
deren  Schleimhaut  bekleidet,  zwischen  dem  Crus  longum  incudis  und  Manubrium 
mallei  zur  Fissura  petrotympanica  (Glaseri),  gelangt  durch  diese  aus  der  Schädel- 
basis und  verbindet  sich,  vorwärts  und  abwärts  laufend,  spitzwinkelig  mit  dem 
N.  lingualis.  Während  sie  in  der  Nähe  des  Ganglion  oticum  vorbeizieht,  tritt  sie 
durch  ein,  auch  Ganglienzellen  enthaltendes  Geflecht  mit  dem  Ganglion  oticum 
in  Verbindung  (Fig.  288).  Der  größte  Teil  der  Fasern  der  Paukensaite  geht,  zentral- 
wärts  verfolgt,  in  den  zentralen  Teil  des  Facialis  über;  in  vielen  Fällen  läuft 
jedoch  ein  kleiner  Teil  von  Chordafasern  peripher  im  Facialis  weiter. 

5.  R.  anastomoticus  c.  ramo  auriculari  n.  vagi.  Der  im  Canaliculus 
mastoideus  verlaufende  R.  auricularis  n.  vagi  kreuzt  sich  mit  dem  Facialis  und 
tritt  mit  ihm  durch  ein  bis  zwei  Fädchen  in  Verbindung,  welche  im  Facialis  teils 
zentralwärts,  teils  peripher  verlaufen. 

b)  Vom  Austritt  des  N.  facialis  aus  dem  Foramen  stylomastoideum 
bis  zum  Eintritt  in  die  Glandula  parotis  sind  folgende  Äste  und  Verbindungen  vor- 
handen: 

1.  N.  auricularis  posterior  (Fig.  295).  Er  tritt  dicht  am  Foramen  stylo- 
mastoideum vom  Stamme  ab  und  wendet  sich  nach  hinten-oben,  indem  er  auf  der 
vorderen  Fläche  des  Processus  mastoideus  aufsteigt.  Hier  teilt  er  sich  in  einen 
vorderen  und  einen  hinteren  Zweig.  Der  Ramus  auricularis  versorgt  den 
M.  auricularis  posterior,  den  hinteren  Teil  des  M.  auricularis  superior,  den  M.  trans- 
versus  und  M.  obliquus  auriculae,  sowie  den  M.  antitragicus  mit  motorischen  Fasern; 
der  Ramus  occipitalis  zieht  zum  M.  occipitalis.  Auf  dem  Wege  zu  den  ge- 
nannten Muskeln  verbindet   sich  der  N.  auricularis  posterior  mit  Fäden  sensibler 


319 


Ramus  frontalis 


Ramus  parietalis 


N.  supraorbital 

N.  supratrochlearis 
N.  auriculotemporalis  ... 
Rami  temporales 
Rami  zygomatici  _ 
N.  infratrochlearis  .. 


Rami  buccales 
Rami  labiales  supp. 


V.  facialis  ant 


A.  maxillaris  ex 


Ductus  parotideus -Vrt. ' 


Rami  buccales      "tt.'qüääratUS  \ 
labii  ffif^-Tfi 

''vi  Jl     . 

J 


Ramus  marginalis  mandibulae  ^ 
Äste  des  R.  colli 


.Spieniui 


JSv    cf~"''  N.  occipitalis  minor 
/ 
l^/J——  N.  auricularis  magnus 

Itrapezius 


V.  jugularis  ext. 


Fig.  294.    Oberflächliche  Nerven  des  Kopfes  I  (7 .,„). 


320 


N.  supraorbitalis 

N.  supratrochlearis 

X.  auriculotemporalis 

Rami  temporales-. 

Rami  zygomatici 

R.  nasalis  ext.  d 
N.  ethmoidalis  ant. 


Rr.  nasales 
extt. 
Rami  buccales  — 
Rr.  labiales 
supp. 

Ductus 
parotideus 


Rami  buccales 


Rami  labiales 
inff. 

M.  mentalis 


anastomoticus 
N  auriculo- 

oralis 
astricus 


occipitalis  major 


M.  digastricus 
N.  occipitalis  minor 

R.  marginalis  mandibulae 


R.  colli 


M 
trapezius 


Rami  mentales 

Glandula  submaxillaris 


Fig.  295.    Oberflächliche  Nerven  des  Kopfes  11  (   ,,). 

Das  Präparat  der  Fig.  294  nach  Wegnahme  der  Parotis,  eines  Teils  des  M.  quadratus  labii  sup.,  des 

M.  quadratus  labii  inf.  und  des  Platysma. 


Hirnnerven. 


321 


Zweige  der  Halsnerven  (nämlich  des  N.  auricularis  magnus  und  occipitalis  minor), 
sowie  mit  dem  R.  auricularis  n.  vagi. 

2.  Der  R.  digastricus  (Fig.  295,  296)  entspringt  dicht  unter  dem  vorher- 
gehenden und  zieht  zum  hinteren  Bauch  des  M.  digastricus.  Er  entsendet  einen 
Zweig  zum  M.  stylohyoideus,  Ramus  stylohyoideus.  Vom  R.  digastricus  geht 
der  Ramus  anastomoticus  cum  n.  glossopharyngeo  ab.     Fig.  296, 13. 

c)  Innerhalb  der  Parotis  teilt  sich  der  Facialis  in  zwei  Hauptäste,  einen  oberen 
und  einen  unteren.  Diese  teilen  sich  wiederum  in  zahlreiche  Äste,  welche  vielfach 
miteinander  in  Verbindung  stehen  und  so  den  Plexus  parotideus  innerhalb  der 
Parotis  bilden.  Am  Rande  der  Drüse  strahlen  radiär  die  Gesichtsäste  des  Facialis 
aus,  während  die  Rami  anastomotici  cum  n.  faciali  des  N.  auriculotemporalis  von 
der  Tiefe  her  zum  Plexus  parotideus  gelangen.     Fig.  295. 


Ganglion  geniculi 
Schräg   nach  hinten  verlaufender  Teil  des  Facialis         N-  petrosus  superficialis  minor 

N.  petrosus  superficialis  major 


zf/V^A 


Abwärts  verlaufender  Teil  des  Facialis  — 
N.  auricularis  post. 
Extrakranieller  Teil  des  Facialis 


Ganglion  sphenopalatinum 


fAASJbS*! 


^Ub^j^ik^ 


Ramus  digastricus 
Ramus  stylohyoideus 


KvWaaAj!?  Aa&\s&C  JM  .  *\S^C**~oJIlo  ■ 


Fig.  296. 

Der  Facialis  im  Fallopischen  Kanal  samt  seinen  Verbindungen  von  außen  her  freigelegt. 

(Nach  Hirschfeld  und  Leveille.)  3:5. 
Die  äußeren  Abteilungen  des  Warzen-  und  Felsenteiles   des  Schläfenbeines  sind  durch  einen   nahezu   senkrechten  Schnitt 
entfernt;  der  Canalis  facialis  ist  in  seiner  ganzen  Länge  eröffnet;  der  Anulus  tympanicus  samt  Trommelfell  sind  zum  Teil 
erhalten,  ebenso  die  mediale  Wand  des  Canalis  pterygoideus. 
1  Facialis  während  seines  anfänglich  horizontalen  Verlaufes;  9  Chorda  tympani;  13.  R.  anastomoticus  cum  n.  glosso- 
pharyngeo ;  14  N.  glossopharyngeus ;  15.  R.  stylopharyngeus. 


Die  Gesichtsäste  des  Facialis  (Fig.  294,  295)  sind: 

1.  Rami  temporales,  meist  drei  Zweige,  die  über  den  Jochbogen  aufwärts 
und  nach  vorn  ziehen.  Der  hintere  Zweig  versorgt  den  vorderen  Teil  des  M. 
auricularis  superior,  den  M.  auricularis  anterior,  M.  helicis  minor  und  M.  tragicus; 
der  mittlere  den  M.  frontalis;  der  vordere  den  oberen  Teil  des  M.  orbicularis 
oculi  und  den  M.  corrugator  supercilii. 

2.  Rami  zygomatici  (3 — 4).  Sie  ziehen  gegen  das  Jochbein,  versorgen  den 
lateralen  unteren  Teil  des  M.  orbicularis  oculi,  sowie  den  M.  zygomaticus. 

3.  Rami  buccales  (3 — 4).  Sie  ziehen  über  die  Mitte  des  Masseter  und 
versorgen  den  M.  quadratus  labii  superioris  und  Caninus,  ferner  alle  Muskeln  der 
Nase,  den  M.  buccinator  und  den  M.  orbicularis  oris. 

4.  Ramus  marginalis  mandibulae.  Er  zieht  einfach  oder  gespalten  längs 
des  Unterkieferrandes  zum  Kinn  und  versorgt  die  Mm.  risorius,  triangularis,  quadratus 


322 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


labii   inferioris,   mentalis.     Er  geht   mit  dem  vorigen  und   den   (olgenden  Nerven 
Verbindungen  ein. 

5.  Ramus  colli.  Er  verläuft,  vom  Platysma  bedeckt,  hinter  dem  Unter- 
kieferwinkel abwärts  und  vorwärts,  verbindet  sich  mit  dem  aus  dem  III.  Halsnerven 
stammenden  sensiblen  N.  cutaneus  colli  und  versorgt  für  sich  allein  das  Pla- 
tysma (v.  Bardeleben). 

Von  Verbindungen  der  Gesichtszweige  des  Facialis  mit  sensiblen  Nerven  ist  hervor- 
zuheben, daß  folgende  makroskopisch  dargestellt  werden  können: 
Die  Verbindungen  mit  dem  N.  auriculotemporalis. 
Verbindungen  der  Rami  zygomatici  mit  dem  R.  zygomaticofacialis  des  N.  zygomaticus. 


Radix  cochlearis 


Crista  transversa  fundus  meatus 
acustici  int. 


*r-  N.  utricularis 


Chorda  tympani 
Ganglion  geniculi 
N.  facialis 


.  N.  ampullaris 
sup.  et  lat. 


Ganglion  vestibuläre 
Radix  vestibularis 

Fig.  298. 


Fig.  298.     Rechter  N.  acusticus  im  inneren  Gehör- 
gange, nach  Entfernung  des  N.  facialis  und  inter- 
medius  von  oben  her  gesehen.    2  :  1. 

5  N.  saccularis;   6  N.  ampullaris  inf. 


Fig.  297 


Fig.  297.     Verlauf  und  Verbindungen  des  Facialis 
und  Acusticus  Innerhalb  des  Felsenbeines. 

(Hirschfeld  und  Leveille.)    3:5. 


Verbindungen  der  Rami  buccales  mit  dem  N.infraorbitalis  und  dem  N.  buccinatorius; 
das  mit  dem  ersteren  Nerven  gebildete  Geflecht  führt  den  Namen  Plexus  inf raorbitalis. 

Verbindungen  des  N.  margin  aus  mandibulae  mit  dem  N.  mentalis. 

Frohse,  Fr.,  Die  oberflächlichen  Nerven  des  Kopfes.  Berlin-Prag,  Fischer,  1895.  —  Penzo, 
Über  das  Ganglion  geniculi  und  die  mit  ihm  zusammenhängenden  Nerven.  Anat.  Anz.  VIII,  1893.  — 
Popowsky,  J.,  Zur  Entwicklungsgeschichte  des  N.  facialis  beim  Menschen.    Morphol.  Jahrb.  XXIII. 

Ganglion  geniculi.    Fig.  292,  293. 

Der  Verlauf  der  Fasern  im  Gebiete  des  mit  pseudounipolaren  Zellen  ausgestatteten,  spinalartigen 
Ganglion  geniculi  ist  verwickelt,  wie  Fig.  292  andeutet. 

Daß  das  Ganglion  geniculi  zu  dem  N.  intermedius  gehört  und  daß  der  periphere  Fortsatz 
seiner  pseudounipolaren  Zellen  zumeist  in  die  Peripherie  des  N.  facialis  gelangt,  ist  durch  M.  v.  Len- 
hossek  festgestellt  worden  (1895).  Doch  liegen  bezüglich  der  verschiedenen  Bahnen  der  hier 
zusammenkommenden  Nerven  noch  weitere  Verwicklungen  vor. 


VIII.  N.  acusticus.     Fig.  273,  297,  298. 
Die  Wurzelbündel  des  N.  acusticus  nehmen  beide  Portionen  des  N.  facialis 
in   einer   medialen  Rinne   auf,   sind   mit  ihnen  durch  feine  Fäden,  Fila  anasto- 


Hirnnerven.  323 

motica  verbunden,  und  betreten  zusammen  mit  diesem  Nerven  den  Meatus 
.acusticus  internus.  Am  Grunde  des  letzteren  trennt  sich  der  N.  facialis  vom 
N.  acusticus.  Dieser  aber,  der  gar  keinen  Stamm  besitzt,  sondern  nur  Wurzeln 
und  Zweige,  besteht  aus  einer  Radix  vestibularis  und  einer  Radix  cochlearis. 
Beiden  Wurzeln  kommt  je  ein  spinalartiges  Ganglion  zu,  das  Ganglion  vesti- 
buläre und  das  Ganglion  spirale.  Letzteres  hat  in  der  Schnecke,  ersteres  der 
Hauptmasse  nach  im  Grunde  des  Meatus  acusticus  internus  seine  Lage.  Die 
Ganglien  stellen  die  Ursprungsganglien  des  N.  acusticus,  das  Ganglion 
acusticum  dar.  Erst  vom  Ganglion  an  kann  man  vom  Nervus  vestibuli  und 
vom  N.  Cochleae  sprechen. 

Der  N.  vestibuli  teilt  sich  (Streeter)  in  eine  Pars  sup.  und  eine  Pars  inf. 
Erstere  gibt  ab  den  N.  ampullaris  sup.,  N.  ampullaris  lat.,  N.  utricularis, 
letztere  den  N.  saecularis  und  den  N.  ampullaris  post. 

Der  N.  Cochleae  versorgt  mit  seinen  Ramuli  spirales  ausschließlich  die 
Schnecke. 

Die  Namen  bezeichnen  das  Endgebiet  (siehe  Sinnesorgane). 

Der  N.  vestibuli  besitzt  ein  Ganglion,  welches  infolge  seiner  Größe  und 
leicht  gelblichen  Farbe  schon  mit  freiem  Auge  erkennbar  ist,  das  im  Grunde  des 
inneren  Gehörganges  gelegene  Ganglion  vestibuläre  (Scarpae).  Es  enthält 
bipolare  oppositopole  Ganglienzellen  gleich  den  Spinalganglien  der  Fische  und 
unterbricht  die  einzelnen  Fasern.  Das  entsprechende  Ganglion  des  Schnecken- 
nerven hat  seine  Lage  in  der  Schnecke  selbst  und  ist  gemäß  der  spiraligen  Auf- 
blätterung des  Schneckennerven  ein  langer  spiraliger  Streifen,  Ganglion  spirale 
(siehe  Sinnesorgane).  v 

Streeter,  G.  L,  On  the  development  of  the  membranous  labyrinth  and  the  acustic  and 
facial  nerves  in  the  human  embryo.    Amer.  Journ.  Anat.  Bd.  VI,  1906/07. 

IX.  N.  glossopharyngeus.     Fig.  282,  296,  299—301. 

Über  die  Ursprungskerne  dieses  Nerven  siehe  S.  231.  Darnach  ist  der 
Nerv  von  Anfang  an  gemischt,  d.  h.  aus  einem  sensiblen  und  einem  motorischen 
Teil  zusammengesetzt.  Seine  Wurzelbündel  verlassen  das  Gehirn  im  rostralen  Teil 
des  Sulcus  lateralis  posterior  medullae  oblongatae.  Sie  senden  (nach  Bochdalek) 
feine  Fäden  zur  Pia  und  sammeln  sich  alsbald  zu  einem  vorderen  kleineren  und 
hinteren  größeren  Strange,  die  sich  dicht  aneinanderlegen  und  vereinigt  zur  vor- 
deren Abteilung  des  Foramen  jugulare  ziehen,  wo  der  Nerv  eine  besondere  Dura- 
scheide erhält. 

Hier  lagert  sich  dem  sensiblen  Bündel  ein  an  Größe  wechselndes  Ganglion 
ein,  das  Ganglion  superius  (Fig.  299).  Unmittelbar  nach  seinem  Austritt  aus 
dem  Foramen  jugulare  schwillt  der  Nerv  zum  größeren  Ganglion  petrosum  an, 
welches  in  der  Fossula  petrosa  liegt.  Die  Zellenform  ist  in  beiden  Ganglien  die 
pseudounipolare,  wie  in  den  Spinalganglien. 

Vom  Ganglion  petrosum  an  zieht  der  Nerv  zuerst  zwischen  der  V.  jugularis 
interna  und  der  A.  carotis  interna,  sodann  zwischen  der  letzteren  und  dem  M. 
stylopharyngeus  herab,  wendet  sich  um  den  hinteren  Rand  dieses  Leitmuskels 
des  Nerven  auf  dessen  laterale  Fläche  (Fig.  296)  und  gelangt  in  einem  nach  unten 
und  hinten  konvexen  Bogen  zwischen  dem  M.  stylopharyngeus  und  dem  M.  stylo- 
glossus  zur  Zungenwurzel. 


324  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

Außer  motorischen  und  einfach  sensiblen  Fasern  enthält  der  Nerv  vor  allem 
Geschmacksfasern,  die  ihn  zum  Hauptgeschmacksnerven  stempeln. 

a)  Vom  Ganglion  petrosum  gehen  folgende  Äste  aus: 

1.  Der  N.  tympanicus  (Fig.  282).  Er  dringt  durch  die  Apertura  inferior 
canaliculi  tympanici  in  die  Paukenhöhle,  durchzieht  letztere  im  Sulcus  tympanicus, 
gelangt  durch  die  im  Tegmen  tympani  enthaltene  Apertura  superior  canaliculi 
tympanici  auf  die  obere  Fläche  der  Schläfenbeinpyramide  und  heißt  dann  N.  petrosus 
superficialis  minor,  der  sich  wie  oben  (S.  314)  gesagt  wurde,  in  das  Ganglion 
oticum  einsenkt.  Dadurch  entsteht  die  Jacobsonsche  Anastomose,  welche  das 
Ganglion  petrosum  mit  dem  Ganglion  oticum  verbindet.  Durch  Verbindungen  der 
Anastomose  mit  Ästen  des  N.  facialis  und  N.  sympathicus  entsteht  ein  Plexus, 
Plexus  tympanicus  (Jacobsoni),  der  (nach  Vitali)  auch  (gefensterte)  Nerven- 
zellen (siehe   S.  49)  führt.      Vitali,  Intern.  Monatschr.  Anat.  u.  Phys.  Bd.  XXVI,  1909. 

Der  Verbindungszweig  des  Facialis,  Ramus  anastomoticus  cum  plexu 
tympanico,  geht  in  der  Gegend  des  Knies  des  Facialis  vom  letzteren  oder  vom 
N.  petrosus  superficialis  major  aus. 

Die  Verbindung  des  N.  tympanicus  mit  dem  Sympathicus  ist  meist  einfach, 
seltener  doppelt.  Der  untere  Verbindungsast,  N.  caroticotympanicus  inferior, 
entspringt  aus  dem  Plexus  caroticus  in  der  Gegend  der  unteren  Mündung  des 
Canalis  caroticus  und  gelangt  durch  den  Canaliculus  caroticotympanicus  inferior  in 
die  Paukenhöhle  und  zum  N.  tympanicus.  Der  obere  Verbindungsast,  N.  carotico- 
tympanicus superior,  geht  vom  N.  tympanicus  zum  Plexus  caroticus  durch  den 
Canaliculus  caroticotympanicus  superior. 

Als  periphere  Zweige  des  N.  tympanicus  sind  zu  nennen: 

«.  Ramuli  tympanici,  für  die  Schleimhaut  der  Paukenhöhle  und  der  Zellen 

des  Processus  mastoideus; 
ß.  Ramus  tubae  (Fig.  282);  er  zieht  an  der  medialen  Tubenwand  vorwärts 

bis  zum  Ostium  pharyngeum  tubae. 

2.  R.  anastomoticus  cum  nervo  vago:  1 — 2  Fäden,  welche  das  Ganglion  petrosum  n. 
glossopharyngei  mit  dem  Vagus  dicht  unterhalb  seines  Jugularknoten  verbinden;  ferner  ein  Faden, 
welcher  vom  Ganglion  petrosum  zum  Ramus  auricularis  n.  vagi  zieht:  Ramus  anastomoticus 
cum  ramo  auriculari  n.  vagi. 

3.  Ramus  anastomoticus  cum  n.  sympathico;  er  verbindet  das  Ganglion  petrosum 
mit  dem  Ganglion  cervicale  superius  des  Sympathicus. 

4.  Ramus  anastomoticus  cum  n.  faciali.  Er  geht  dicht  unter  dem  Ganglion  petrosum 
vom  Stamme  ab  und  verbindet  sich  mit  einem  Faden  vom  Ramus  digastricus  des  N.  facialis  zu 
einer  unten  konvexen  Schlinge.  Vielleicht  gelangen  so  motorische  Facialisfasern  in  den  Glosso- 
pharyngeus,  die  ihn  später  wieder  verlassen. 

b)  Die  peripheren  Äste  des  N.  glossopharyngeus  sind  die  folgenden: 

1.  Rami  pharyngei  (2 — 3).  Sie  gehen  in  verschiedener  Höhe  vom  Stamme 
ab,  verbinden  sich  mit  den  Schlundästen  des  Vagus  und  Sympathicus  und  bilden 
mit  diesen  den  an  der  Seitenwand  des  Schlundes  gelegenen  gemischten  Plexus 
pharyngeus.     Fig.  301  (vgl.  S.  327). 

2.  N.  stylopharyngeus;  für  den  gleichnamigen  Muskel  und  benachbarte 
Schleimhautteile. 

3.  Rami  tonsillares;  für  die  Schleimhaut  der  Mandel  und  der  Gaumenbögen. 

4.  Rami  linguales;  sie  sind  die  Endausbreitung  des  Nerven  in  der  Zunge. 
Fig.  301. 


Hirnnerven.  325 

Die  submuküsen  Verzweigungen  der  Rami  linguales  in  der  Zunge  gehen  zahlreiche  Verbin- 
dungen untereinander  ein  und  sind  durch  die  Einlagerung  zahlreicher  klein  er  Ganglien  aus- 
gezeichnet. Auch  der  Plexus  pharyngeus  besitzt  zahlreiche  kleine  Ganglien.  Über  die  Mikro- 
ganglien  des  N.  lingualis  siehe  S.  313. 

X.  N.   vagus   (pneumo-gastricus).     Fig.  299—305,  und  Abt.  IV,  Fig.  110,  275. 

Über  die  Ursprungskerne  des  von  Anfang  an  gemischten  Vagus  siehe 
oben  S.  232.  Er  tritt  im  Sulcus  lateralis  posterior  der  Oblongata  mit  10 — 15 
Wurzelbündeln  zur  Oberfläche.  Der  durch  sie  gebildete  platte  Nervenstamm  wendet 
sich  unter  der  Flocke  zur  vorderen  oder  Nervenabteilung  des  Foramen  jugulare 
und  wird  hier  mit  dem  N.  accessorius  in  einer  gemeinsamen  Durascheide  aufge- 
nommen, welche  ihn  von  dem  N.  glossopharyngeus  trennt. 

Im  Anfange  des  Foramen  jugulare  treten  die  Wurzelbündel  in  ein  ansehn- 
liches Ganglion,  Ganglion  jugulare  (Fig.  299,  300),  welches  einem  Spinal- 
ganglion entspricht  und  einem  großen  Teil  der  sensiblen  Fasern  des  Vagus  als 
Ursprungskern  dient. 

Nach  dem  Austritt  aus  dem  Foramen  jugulare  nimmt  der  Vagus  den  R.  int. 
n.  accessorii  in  seinen  Stamm  auf  und  schwillt  darauf  zu  dem  langgestreckten 
Ganglion  nodosum  an,  welches  gleichfalls  pseudounipolare  Nervenzellen  führt. 
Am  letzteren  Ganglion  streichen  manche  Vagusäste,  wie  der  N.  laryngeus  superior, 
die  Rami  pharyngei  u.  a.,  einfach  vorbei. 

Unterhalb  des  Foramen  jugulare  liegt  der  Vagus  vor  der  Vena  jugularis 
interna  und  lateral  vom  N.  hypoglossus.  Der  letztere  zieht  darauf  an  der  hinteren 
Fläche  des  Ganglion  nodosum  vorüber  an  die  laterale  Seite  des  Vagus.  Dieser 
liegt  hier  in  der  Furche  zwischen  der  A.  carotis  interna  (später  der  A.  carotis 
communis)  und  der  V.  jugularis  interna  und  verläuft  vor  dem  Grenzstrange  des 
Sympathicus,  der  rechte  vor  der  A.  subclavia  dextra,  der  linke  vor  dem  Arcus 
aortae  zur  Brusthöhle.  (Die  Erklärung  dieses  anscheinend  verschiedenen  Verlaufes 
beider  Vagi  gibt  die  Entwicklung  der  großen  Gefäßstämme.     Abt.  III,  S.  482.) 

Hier  tritt  jeder  Vagus  an  die  hintere  Wand  des  Bronchus  seiner  Seite, 
darauf  an  den  Oesophagus  und  begleitet  diesen,  durch  starke  Astabgabe  verjüngt, 
in  die  Bauchhöhle.  Der  linke  Vagus  liegt  dabei  auf  der  vorderen,  der  rechte  auf 
der  hinteren  Seite  des  Oesophagus.   (Die  Erklärung  hierfür  siehe  Abt.  IV,  S.  407). 

Der  Vagus  verbreitet  sich,  wie  der  Glossopharyngeus,  vorwiegend  an  Ein- 
geweiden und  wurde  daher  von  manchen  Autoren  nicht  mit  Unrecht  als  kleiner 
Sympathicus  bezeichnet.   Er  enthält  im  ganzen  folgende  physiologische  Faserarten: 

1.  motorische  Fasern  für  Larynx,  Pharynx,  Oesophagus  und  Magen; 

2.  sekretorische  Fasern  für  Magendrüsen; 

3.  Hemmungsnervenfasern  für  das  Herz; 

4.  Gefäßnerven; 

5.  sensible  Fasern. 

Seinem  ausgedehnten  Verbreitungsgebiet  entsprechend  teilt  man  den 
Vagus  und  seine  Astfolge  in  einen  Kopf-,  Hals-,  Brust-  und  Bauchteil  ein. 

a)  Kopf  teil  des  Vagus:  Vom  Austritt  aus  der  Oblongata  bis  zum  Beginn  des 

Ganglion  nodosum.     In  diesem  Abschnitt  finden  sich  vor: 
1.  Ramus  meningeus;  er  läuft  vom  Ganglion  jugulare  zur  Schädelhöhle 
zurück  und  verbreitet  sich  am  Sinus  transversus  und  Sinus  occipitalis. 


326 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


2.  Ramus  auricularis.  Er  entspringt  vom  Ganglion  jugulare  oder  dicht 
unterhalb,  nimmt  meist  einen  Faden  aus  dem  Ganglion  petrosum  n.  glossopharyngei 
auf  und  verläuft  an  der  vorderen  lateralen  Wand  des  Bulbus  sup.  venae  jugularis 
zur  medialen  Mündung  des  Canaliculus  mastoideus.  Letzteren  durchziehend  kreuzt 
er  den   N.  facialis,  verbindet  sich  mit  ihm  und  gelangt  in  der  Fissura  tympano- 


Fig.  299. 

Fig.  299.      Schematische    Skizze    der    Wurzeln    des    neunten, 
zehnten  und  elften  Hirnnerven  und  ihrer  Verbindungen. 

(Nach  Bendz.) 
A  Reste  des  Kleinhirnes;   B  Medulla  oblongata;    C  Rückenmark; 
1  Wurzeln  des  Glossopharyngeus;  2  Wurzeln  des  Vagus;  3  Wurzel- 
faden des  Accessorius  vagi ;  3'  Wurzeln  des  Accessorius  spinalis; 
4  Ganglion  superius  des  Glossopharyngeus;  5  Ganglion  petrosum 

desselben;  6  N.  tympanicus;  7  Ganglion  jugulare  n.  vagi;  8  Ramus  6"   "^U"- 

auricularis  n.  vagi ;  9  Ganglion  nodosum  n.  vagi ;  10  Verbindungszweig  zwischen  Ganglion  petrosum  und  Vagus;  11  Ramus 
internus  des  Accessorius  =  Accessorius   n.  vagi;    12  Ramus  externus  des  Accessorius  -     Accessorius   spinalis;    13  Ramus 
pharyngeus  n.  vagi;  14  N.  laryngeus  superior  ;  15  Verbindungszweige  vom  Ganglion  nodosum  zum  Sympathicus. 

Fig.  300.    Schematische  Darstellung  der  Wurzeln  und  Verbindungen  des  Glossopharyngeus,  Vagus  und  Accessorius. 

(Hirschfeld  und  Leveille.) 

1  Facialis,  während  seines  Verlaufes  im  Canalis  facialis;  2  Glossopharyngeus  mit  Ganglion  petrosum;  2'  Verbindung  des 
Glossopharyngeus  mit  dem  für  den  M.  digastricus  bestimmten  Zweige  des  Facialis;  3  Vagus  mit  Ganglion  jugulare 
und  Ganglion  nodosum;  4  R.  ext.  n.  accessorii;  die  oberen  unter  3  befindlichen  Fädchen  gehören  dem  R.  int.  n.  accessorii 
an;  5  Hypoglossus;  6  oberes  Halsganglion  des  Sympathicus;  7,7  Verbindungsschlinge  der  zwei  ersten  Haisnerven;  8  N. 
caroticus  internus;  9  N.  tympanicus  aus  dem  Ganglion  petrosum  ;  10  sein  Nervus  caroticotympanicus  inferior;  11  N.  lubae ; 
12  Zweig  zur  Fenestra  vestibuli;  13  Zweig  zur  Fenestra  Cochleae;  14  Übergang  des  N.  tympanicus  in  den  nach  links  zum 
Ganglion  oticum  (16)  ziehenden  N.  petrosus  superficialis  minor,  während  der  Faden  rechts  von  14  eine  Verbindung  mit 
dem  Facialis  herstellt;  15  Verbindung  des  N.  petrosus  superficialis  major  mit  dem  aus  dem  N.  tympanicus  stammenden 
N.  caroticotympanicus  superior;  16  Ganglion  oticum;  17  R.  auricularis  n.  vagi;  18  Trennung  des  R.  int.  n.  accessorii,  der 
in  die  Vagusbahn  einlenkt,  vom  R.  ext.  n.  accessorii;  19  Verbindung  des  Hypoglossus  mit  dem  ersten  Halsnerven;  20  Ver- 
bindung zwischen  Accessorius  und  erstem  Halsnerven;  21  Plexus  pharyngeus;  22  N.  laryngeus  superior;  23  dessen  Ramus 

externus;  24  mittleres  Halsganglion  des  Sympathicus. 


mastoidea  aus  der  Endmündung  des  Canaliculus  mastoideus  hervor,  um  sich  als- 
bald in  zwei  Ästchen  zu  teilen.  Das  eine  verbindet  sich  mit  dem  N.  auricularis 
posterior  des  Facialis,  das  andere  stärkere  verbreitet  sich  an  der  hinteren  Fläche 
der  Ohrmuschel  und  in  der  hinteren  unteren  Wand  des  äußeren  Gehörganges. 

3.  Ramus  anastomoticus  cum  n.  glossopharyngeo;  1 — 2  Fädchen  aus 
dem  Ganglion  petrosum  zum  Vagus. 


Hirnnerven.  327 

■i.  Ramus  anastom oticus  superior  cumganglio  cervicali  superiore;  ein  Verbin- 
dungsfaden des  N.  jugularis  des  oberen  Halsganglion  des  Sympathicus  zum  Ganglion  jugulare  n.  vagi. 

5.  Ramus  anas tomoticus  cum  nervo  accessorio.  Der  R.  int.  n.  accessorii  tritt  dicht 
unterhalb  des  Ganglion  jugulare  in  die  Bahn  des  Vagus  über.  Einige  Fäden  des  Vagus  gelangen 
andererseits  in  die  Bahn  des  Acccssorius  spinalis  (E.  Bischoff). 

b)  Halsteil  des  Vagus:  Vom  Ganglion  nodosum  bis  zur  Abgabe  des  N.  la- 
ryngeus  inferior. 

Das  Ganglion  nodosum  entsendet  Fäden  «.  zum  Ganglion  ccrvicale  superius  n.  sympathici, 
R.  anastomoticus  inferior  cum  ganglio  cervicali  superiore  genannt;  ß.  zum  Hypo- 
glossus,  Rami  anastomotici  c.  nervo  hypoglosso. 

Größere  Äste  sind: 

1.  Rami  pharyngei.     Fig.  301. 

Meist  sind  ein  oberer  und  ein  unterer  Schlundast  des  Vagus  vorhanden. 
Sie  ziehen  zur  Seitenwand  des  Schlundes  und  verbinden  sich  mit  den  Schlund- 
ästen des  Glossopharyngeus  und  Sympathicus  zum  Plexus  pharyngeus.  Dieser 
liegt  mit  seinen  gröberen  Netzen  auf  der  Außenseite  des  M.  constrictor  pharyngis 
medius  und  enthält  meist  ein  oder  mehrere  Ganglien.  Aus  dem  Geflecht  treten 
zahlreiche  Ästchen  hervor,  welche  teils  zur  Muskulatur,  teils  zur  Schleimhaut  ge- 
langen. Innerhalb  der  Ringmuskulatur  bilden  die  eingedrungenen  Fäden  ein  feines 
Geflecht,  in  dessen  Knotenpunkten  Ganglienzellen  liegen.  Ein  gleiches  Geflecht 
befindet  sich  in  der  Submucosa  und  ist  reichlich  mit  Ganglienzellen  ausgestattet. 
Beide  Geflechte  sind  Analoga  des  Plexus  myentericus  und  submueosus  im 
übrigen  Darmkanal. 

Zweige  des  N.  pharyngeus  superior  gelangen  zu  dem  M.  levator  veli  pala- 
tini  und  zum  M.  uvulae. 

Aus  einem  Ramus  pharyngeus  n.  vagi  entstehtauch  der  Ramuslingualisn.  vagi  (Luschka). 
Dieser  nimmt  einen  Faden  eines  Ramus  pharyngeus  n.  glossopharyngei  auf,  begibt  sich  zum  Anfang 
des  Arcus  hypoglossi  und  teilt  sich  in  zwei  Ästchen:  eines  geht  mit  dem  Hypoglossus  zur 
Peripherie,  das  andere  in  das  sympathische  Geflecht  der  Carotis  externa.  Über  die  Ver- 
breitung des  Vagus  in  der  Zungenschleimhaut  siehe  auch  Abt.  IV,  Fig.  94. 

2.  Nervus  laryngeus  superior.     Fig.  301,  302. 

Er  verläßt  den  Vagus  im  unteren  Abschnitt  des  Ganglion  nodosum,  erhält 
feine  Fäden  aus  dem  oberen  Halsganglion  des  Sympathicus  und  aus  dem 
Plexus  pharyngeus  und  teilt  sich  in  zwei  Zweige:  Ramus  externus  und 
Ramus  internus.  Vor  dieser  Teilung  entsendet  er  den  feinen  R.  caroticus 
zum  Plexus  caroticus  communis. 

Aus  dem  oberen  Kehlkopfnerven  und  dem  Vagusstamme  entspringt  mit  zwei 
kurzen  Wurzeln  nahe  dem  Ursprünge  des  N.  laryngeus  der  N.  depressor,  einer 
der  Herznerven;  Reizung  seines  zentralen  Teiles  bewirkt  beträchtliches  Sinken 
des  Blutdruckes. 

Der  Ramus  externus  (Fig.  301)  nimmt  einen  Faden  vom  oberen  Halsganglion 
des  Sympathicus  auf,  versorgt  den  M.  constrictor  pharyngis  inferior  und  den  M.  crico- 
thyrepideus.    Von  ihm  gelangen  ferner  feine  Fäden  zur  Schilddrüse  (Henle). 

Der  Ramus  internus  (Fig.  302),  weit  stärker  als  jener,  durchbohrt  die 
Membrana  hyothyreoidea  und  teilt  sich  in  Rami  epiglottici,  welche  zur  Schleim- 
haut der  Epiglottis  ziehen;  Rami  inferiores,  welche  die  Schleimhaut  des  Kehl- 
kopfes bis  zur  Stimmritze  versorgen;  Rami  pharyngei,  welche  den  die  hintere 
Wand  des  Kehlkopfes  deckenden  Teil  der  Schleimhaut  versorgen.  Ein  Ramus 
anastomoticus  cum   nervo  laryngeo  inf.  läuft  auf  der  hinteren  Fläche  des 


328 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


M.  cricoarytaenoideus  posterior  abwärts  und  verbindet  sich  mit  dem  N.  laryngeus 
inferior. 

In  die  feineren  Verzweigungen  der  Nerven  in  der  Kehlkopfschleimhaut  sind 
kleine  Ganglien  eingestreut  (Remak). 

3.  N.  recurrens.     Fig.  301,  302,  304  (siehe  auch  Abt.  IV,  Fig.  110,  275). 

Er  entspringt  aus  dem  Vagus  vor  dem  Anfangsteil  der  A.  subclavia  (rechts) 

und  vor  dem  Ende  des  Arcus  aortae  (links).     Der  rechte  Recurrens  schlingt  sich 


R.  pharyngeus  n.  vagi     , 
N.lingualisn.trigemini  -^^^j 


N.  laryngeus  sup 
N.  hypoglossus"-^ 


Ramus  ext.  n.  laryngei  sup. 
Plexus  pharyngeus 


N.  glossopharyngeus 
r  Ramus  exi.i 

„  .   ,  \  n.  accessorn 

Ramus  int.l 

Verbindung  vom  Vagus  zum 


N.  cervicalis  II 


Hypoglossus 


t—  Ggl.  cervicale  sup.  n.  sympathici 
Ganglion  nodosum  n.  vagi 


N .  vagus 

N.  cervicalis  IV 
N.  phrenicus 

N.  cervicalis  V 

Ganglion  cervicale  medium 
n.  sympathici 


Plexus  brachialis 

Ganglion  cervicale  inf.  et 
thoracale  I   n.  sympathici 


Ganglion  thoracale  II 

—  Ganglion  thoracale  III 
N.  laryngeus  inf. 

Ganglion  thoracale  IV 


]  Plexus  pulmonalis 


Ganglion  thoracale  V 


Fig.  301. 
Glossopharyngeus,   Vagus  und  ihre   Verbindungen.     (Hirschfeld  und  Leveille.)    2:5. 


um  die  A.  subclavia,  der  linke  um  den  Arcus  aortae.  Jeder  steigt  nun  in  der 
Furche  zwischen  Luftröhre  und  Speiseröhre  aufwärts  zum  Kehlkopf  und  heißt 
dann  N.  laryngeus  inf.  Hinter  dem  Cornu  inferius  des  Schildknorpels  durch- 
bohrt er  den  unteren  Schlundschnürer  oder  tritt  unter  dessen  unterem  Rande  ins 
Innere  des  Kehlkopfes  und  teilt  sich  in  seine  Endzweige.  Auf  seinem  langen  Wege 
gibt  er  zahlreiche  Äste  ab: 

«.  einige  Rami  cardiaci  inferiores  zum  Plexus  cardiacus; 
).  Verbindungszweige  zum  Ganglion  cervicale  inferius  n.  sympathici; 
sie  entspringen  wie  die  vorigen  aus  dem  Anfangsteil  des  Nerven. 


Hirnnerven. 


329 


;•.  Rami  tracheales  et  oesophagei  superiores;  sie  werden  während  des 
Verlaufes  des  Nerven  im  Sulcus  oesophago-trachealis  abgegeben. 

d.  Ramus  anterior.  Er  ist  der  eine  Endast  des  Nerven,  nachdem  dieser 
in  den  Kehlkopf  gelangt  ist,  und  versorgt  den  M.  cricoarytaenoideus 
lateralis,  den  M.  thyreoarytaenoideus  und  den  M.  vocalis,  die  Mm.  thyreo- 
epiglotticus  und  aryepiglotticus. 

e.  Ramus  posterior.     Er  nimmt  den   R.  anastomoticus  des  oberen  Kehl- 


Lig.  hyothyreoldeum  lat. 

Cornu  sup.  cart.  thyreoideae 

Membrana  hyothyreoidea 


Ast  zum  M. 

arytaenoideus  transversus 

R.  anastomoticus 

M.  cricoarytaenoideus  post.~ 

Aste  d.  N.  laryngeus  inf.  zum 

M.  cricoarytaenoideus  post. 


Oesophagus 


IX   x 


m,XI 


N.  laryngeus  sup. 
(R.  internus) 


Cartilago  thyreoidea 
I.Ast  zum  M.  thyreoarytaenoideus 
M.  thyreoarytaenoideus 
M.  cricoarytaenoideus  lat. 
Ast  zum  M.  cricoarytaen.  lat. 


Trachea 


N.  recurrens 


pe 


Fig.  302. 

Fig.  302.     Verzweigung  der  Nervi  laryngei.     (Hirschfeld  und  Leveille.) 

Fig.  303.    Vagusschema  zur  Obersicht  der  gesamten  Astfolge  und  der  Ausdehnung  des 

Vagussystems. 

IX  Glossopharyngeus ;  X  Vagus;  A7  Accessorius ;  XI 1  Hypoglossus.  Am  Glossopharyngeus 
und  Vagus  sind  je  zwei  Ganglien  sichtbar:  das  Ganglion  superius  und  petrosum  des  Glosso- 
pharyngeus, das  Ganglion  jugulare  und  Ganglion   nodosum  des  Vagus.    S  oberes  Ende  des 

Ganglion  cervicale  superius  n.  sympathici ,  in  den  N.  caroticus   internus  auslaufend;   vorher  q    ^np 

gibt  das  Ganglion  den  (punktierten)  N.  "jugularis  für  das  Ganglion  petrosum  glossopharyngei  * 

und  jugulare  Vagi   ab;    /  N.  tympanicus  des   Glossopharyngeus;    m  Ramus   meningeus   des  p.       qr»o 

Vagus;  a  Ramus  auricularis  n.  vagi;  ph  Rami  pharyngei  des  Vagus;  Is  N.  laryngeus  superior  °' 

(R.  externus  und  internus);  g  N.  depressor;  c  Rami  cardiaci  des  Vagus;  Ir  N.  recurrens  mit  einem  Ramus  cardiacus  (c); 
oe  Rami  tracheales  et  oesophagei  superiores ;  ci  ein  Verbindungsast  zum  Ggl.  cervicale  inferius ;  tr  Rami  tracheales ;  br  Zweige 
zur  Bildung  des  Plexus  bronchialis  anterior  (die  oberen)  und  Plexus  bronchialis  posterior  (die  stärkeren  unteren);  pe  Rami 
pericardiaci;  oe  Rami  oesophagei  inferiores;  g  Bündel  zur  Bildung  des  Plexus  gastricus  anterior;  coe  Bündel  zum  Plexus 

gastricus  posterior  und  zum  Ganglion  coeliacum. 

kopfnerven  auf  und  versorgt  den  M.  cricoarytaenoideus  posterior  sowie 
den  M.  arytaenoideus.  Einige  Fäden  gelangen  zu  dem  unterhalb  der  Stimm- 
ritze gelegenen  Teil  der  Kehlkopfschleimhaut.  Der  N.  laryngeus  inferior 
versorgt  hiernach  den  größten  Teil  der  Kehlkopfmuskeln,  der  N.  laryngeus 
superior  nur  einen  einzigen;  der  Ramus  anastomoticus  führt  sensible 
Fasern  in  den  unteren  Kehlkopfnerven  über. 

4.  Rami  cardiaci. 

u.  Rami  cardiaci  superiores  (Fig.  301);  2 — 3,  entspringen  aus  dem 
zwischen  beiden  Kehlkopfnerven  gelegenen  Halsteil  des  Vagus  und  ziehen 


330  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

längs  der  A.  carotis  communis  abwärts.  Rechts  folgen  sie  der  A.  anonyma 
zum  tiefen  Teil  des  Plexus  cardiacus:  links  ziehen  sie  zu  dem  am 
Aortenbogen  gelegenen  oberflächlichen  Teil  des  Plexus  cardiacus. 
Der  oberste  dieser  Rami  cardiaci  ist  der  erwähnte  N.  depressor. 
ß.  Rami  cardiaci  inferiores  (Fig.  301).  Sie  entspringen  zum  Teil  aus 
dem  N.  recurrens,  zum  Teil  aus  dem  Vagusstamme.  Sie  verbinden  sich 
untereinander  und  mit  den  oberen,  aber  auch  mit  den  Herzästen  des 
Sympathicus  und  gehen  in  das  tiefe  Herznervengeflecht  ein.  Einige 
Fäden  gelangen  auch  zum  Plexus  trachealis  und  oesophageus.  Siehe 
Sympathicus. 

c)  Brustteil  des  Vagus:  Vom  Abgange  des  N.  recurrens  bis  zum  Hiatus 
oesophageus  des  Zwerchfelles. 

1.  Rami  tracheales  inferiores. 

Sie  gehen  unmittelbar  unterhalb  des  N.  recurrens  vom  Stamme  ab  und  bilden 
den  mit  den  Nachbargeflechten  sich  verbindenden  Plexus  trachealis. 

2.  Rami  bronchiales. 

Man  unterscheidet  Rr.  bronchiales  anteriores  und  posteriores,  von 
welchen  die  letzteren  die  stärkeren  sind.  Sie  bilden,  mit  dem  Plexus  trachealis 
Verbindungen  eingehend,  den  Plexus  pulmonalis  anterior  und  posterior 
(Fig.  301).  An  der  Bildung  des  letzteren  sind  Fäden  aus  den  vier  oberen  Brust- 
ganglien des  Sympathicus  beteiligt.  Die  Rr.  bronchiales  posteriores  beider 
Seiten  gehen  bei  der  Bildung  des  Plexus  pulmonalis  einen  Faseraustausch  ein; 
ebenso  sind  das  vordere  und  das  hintere  Geflecht  miteinander  verbunden  und 
gehen  mit  den  Bronchien  in  die  Lungen  ein.  Die  Lungennerven  sind  mit  mikro- 
skopischen Ganglien,  Mikroganglien,  reich  versehen. 

3.  Rami  oesophagei. 

Der  rechte  Vagus  legt  sich  der  hinteren,  der  linke  der  vorderen  Fläche  des 
Oesophagus  an.  Sie  bilden  im  Herabsteigen  die  Chordae  oesophageae  der 
Alten.  Durch  vordere  und  hintere  Fäden  stehen  beide  miteinander  in  Verbindung 
und  lösen  sich  teilweise  sogar  netzförmig  auf;  so  entstehen  die  Plexus  oeso- 
phagei ant.  et  post.,  welche  die  Muskulatur  und  die  Schleimhaut  der  unteren 
Oesophagushälfte  versorgen. 

4.  Rami  pericardiaci. 

Zur  vorderen  Wand  des  Herzbeutels  geben  sowohl  der  rechte  als  der  linke 
Vagus  einen  Zweig  ab;  zur  hinteren  Wand  desselben  gelangen  Zweige  vom 
Vagusstamme,  vom  Plexus  oesophageus  und  Plexus  pulmonalis  posterior. 

d)  Bauchteil  des  Vagus:  Die  beiden  Nn.  vagi  treten,  der  linke  an  der  vor- 
deren, der  rechte  an  der  hinteren  Fläche  der  Speiseröhre  liegend,  in  die 
Bauchhöhle1). 

1.  Vagus  sinister. 

Er  gelangt  auf  der  vorderen  Fläche  des  Oesophagus  zur  Cardia  und  zur 
kleinen  Kurvatur.  Hier  bildet  er  vor  der  Teilung  in  seine  Endäste  den  an  der 
vorderen  Fläche  der  kleinen  Kurvatur  liegenden  Plexus  gastricus  anterior. 
Aus  diesem  Geflecht  ziehen  die  Endäste  zum  Massen  und  zur  Leber. 


')  Über  die  Ursache  dieser  Lagevcrschiedenheit  siehe  Eingeweidelehre,  Abt.  IV,  S.  -407. 


Hirnnerven. 


331 


X.  pelrosus  superficialis  major 
N.  facialis 


Radix  sympathica  ganglii  clllarls 

ii.iiiyln.il  ciliare 


N.  tympanicus 

N.  accessorius 

N.  cervicalis  I 

N.  hypoglossus 

Äsle  des  N.  cerv.  I  zum  Ggl.  cerv.  sup. 


sag 

m: 

i.irvnppns  i l    ■    >^/_  L>i  -AL*fJ-f-J 


Ganglion  cervicale  sup.  !5 — 7j.7-j 

1  I 


N.  larynge 

Plexus  pharyngeus  — 

N/ vagus _/        A/^i   ''^MJ}Mr;i^T< 

N.  sympathicus        /.        //  ^  >'^/  .//Jf  ifL\^< 
N.  cervicalis  IV  .""X.  /-J-^f,-1  7/ '/Ml. 
Ramus  cardiacus  sup  — 


Ganglion  cervicale  medium 
n.  sympathici 

R.  cardiacus  inf. „ 

Plexus  brachialis 


Ast  zum 
Ast   zu 

Plex 
Ga 


m  Plexus  subclavius yf~     "  Zr'-^-^'tr^TViOi'll'r'v- 

:m  N.  intercostalis  1  -"V' ~^ /P'^J-^^  AW f  ■ 

xus  arteriae  axillaris7f."jfclV"-~^^VC-r""V//i  ^ajl'  "^  1?  '"^''//If 
nglion  cervicale  M--L-~^Jhfl^^^^^ll  l 

i j#Ji 


Glandula  lacrimalis 

Nn.  ciliares 

R.  inf.  n.  oculomotorii 

NL  maxillaris  n.  trigemiui 
"Ganglion  sphenopalatinum 
"Ganglion  oücum 

N.  mandibulare  n.  trigcmini 


N.  glossopharyngeus 

Glandula  subungualis 
Ganglion  sublinguale 
Ganglion  submaxillare 

Glandula  submaxillaris 
A.  carotis  externa 


Ganglion  thoracal 
n.  sympathii  ' 


Plexus  brachia 


Vena  intercostalis  >- 
N.  intercostalis  ' — l 


A.  intercostalis 


Ast  vom  Sympathicus  zum  N.  laryngeus  inf. 
A.  thyreoidea  inf. 
N.  laryngeus  inf. 
Glandula  thyreoidea 


-,  A.  anonyma 
—  Trachea 


-  Arcus  aortae 
..  Plexus  cardiacus 


£--  A.  pulmonalis 
V.  cava  sup. 


Oesophagus 
N.  vagus  dexter 
Aorta  thoracalis 


A.,  N.  intercostalis   <  - 

Ggl,  thor.  XII  des  Sympathicus  '~. 
Diaphragma 
Plexus  hepaticus  ". 
N.  splanchnicus  major 


Ganglion  lumbale  I 

Ganglion  coeliacum  ~ 

N.  splanchnicus  minor" 

N.  lumbalis" 

Plexus  renalis - 


Plexus  coronarius  cordis 
post. 

Plexus  coronarius  cordis 
ant. 


Cor 


—  N.  vagus  sinister 

— i  Ventriculus 

'""'  >  Plexus  gastrici 

—  Plexus  diaphragmaticus 
— i  Colon  transversum 

—  Plexus  arteriae  lienalis 
-—«Plexus  coeliacus 

Plexus  mesentericus  sup. 


Fig.  304. 

Verzweigungen  des  Vagus  und  des  Sympathicus  der  rechten  Seite,    am  Halse,    in    der  Brusthöhle    und    in  [der 
oberen  Abteilung  der  Bauchhöhle.    (Hirschfeld  und  Leveille.)    2:5. 


332  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

a)  Rami  gastrici. 

Sie  strahlen  über  die  vordere  Fläche  des  Magens  bis  zum  Pylorus  aus  und 
verbinden  sich  dabei  mit  den  die  A.  gastrica  sinistra  und  dextra  umspinnenden 
sympathischen  Zweigen  zum  Plexus  gastricus  ant.  (J.  Kollmann).  Öfters 
zieht  auch  ein  Zweig  des  linken  Ganglion  coeliacum  n.  sympathici  in  der  Cardia- 
gegend  zur  vorderen  Magenfläche. 

b)  Rami  hepatici. 

Sie  gelangen  durch  Vermittlung  des  Omentum  minus  zur  Leberpforte. 
2.  Vagus  dexter. 

Der  stärkere  Vagus  dexter  teilt  sich,  indem  er  auf  der  hinteren  Wand  der 
Speiseröhre  die  Bauchhöhle  erreicht,  in  zwei  ungleiche  Abschnitte: 

a)  Rami  gastrici. 

Sie  bilden  den  kleineren  Teil  (etwa  ein  Drittel  der  Fasern  umfassend)  und 
begeben  sich  zur  hinteren  Magenwand,  wo  sie  an  der  hinteren  Seite  der  kleinen 
Kurvatur  den  Plexus  gastricus  posterior  bilden.  Auch  hier  fehlen  Verbin- 
dungen mit  den  sympathischen  Geflechten  der  A.  gastrica  sinistra  nicht. 

b)  Rami  coeliaci. 

Zwei  Drittel  der  Fasermasse  bildend,  gelangen  diese  Zweige  längs  der  A. 
gastrica  sinistra  zum  Plexus  coeliacus  und  in  Begleitung  der  betreffenden  Gefäße 
zu  Leber,  Milz,  (Rr.  lienales),  Bauchspeicheldrüse,  Dünndarm,  Niere, 
(Rr.  renales)  und  Nebenniere.  Ein  Teil  der  Zweige  senkt  sich  in  die  Ganglia 
coeliaca  ein,  ein  anderer  läßt  sich  unmittelbar  zu  den  genannten  Organen  verfolgen. 
Die  für  die  Bauchspeicheldrüse,  die  rechte  Niere  und  Nebenniere  bestimmten 
Zweige  treten  zwar  in  das  rechte  Ganglion  coeliacum  ein,  lassen  sich  aber  als 
durchtretende  Nerven  nachweisen. 

XI.  N.  accessorius.    Fig.  304,  305. 

Der  N.  accessorius,  aus  den  Accessoriuskernen  entsprungen,  läßt  sich  mit 
Rücksicht  auf  seinen  peripheren  Verbreitungsbezirk  in  einen  Accessorius  vagi  und 
spinalis  zerlegen. 

Accessorius  vagi  und  Accessorius  spinalis  treten  zum  Accessorius  communis 
zusammen.  Dieser  wird  mit  dem  Vagus  in  eine  gemeinsame  Durascheide  ein- 
geschlossen, nachdem  er  zur  Nervenabteilung  des  Foramen  jugulare  gelangt  ist. 
Zwischen  dem  Ganglion  jugulare  und  nodosum  n.  vagi  geht  der  Accessorius 
vagi  in  die  Vagusbahn  über  und  wird  Ramus  internus  genannt.  Der  Ramus 
externus,  der  Accessorius  spinalis,  dagegen  begibt  sich  in  den  M.  sternocleido- 
mastoideus  und  den  M.  trapezius,  um  diese  beiden  Muskeln,  welche  zugleich  Äste 
aus  dem  Plexus  cervicalis  erhalten,  zu  innervieren. 

Der  im  Wirbelkanal  aufsteigende  N.  accessorius  geht  sehr  häufig  Verbin- 
dungen mit  hinteren  Wurzeln  der  Spinalnerven  ein.  Meist  ist  die  hintere  Wurzel 
des  I.,  selten  die  des  II.  oder  III.  Cervikalnerven  an  dieser  Verbindung  beteiligt, 
die  zurzeit  noch  verschieden  beurteilt  wird  und  wahrscheinlich  ohne  Faserüber- 
gang vonstatten  geht. 

Bei  seiner  Trennung  vom  Ramus  internus  erhält  der  Ramus  externus 
einige  Fäden  vom  Ganglion  jugulare  n.  vagi  oder  vom  Vagus  selbst,  die  peripher 
in  ihm  weiter  ziehen.    Sodann  begibt  sich  der  Ramus  externus  nach  außen,  unten 


Hirnnerven. 


333 


und  hinten,  um  zur  inneren  Fläche  des  M.  sternocleidomastoideus  zu  gelangen, 
diesen  zu  durchbohren  oder  auf  seiner  medialen  Fläche  weiterzudringen.  Nach- 
dem er  am  hinteren  Rande  des  Muskels  zum  Vorschein  gekommen  ist,  durchzieht 
er  die  Regio  lateralis  colli  und  gelangt  zum  vorderen  Rande  des  Trapezius,  begibt 
sich  zu  dessen  Innenfläche  und  versieht  ihn  mit  motorischen  Zweigen. 

Während   der   R.  externus  den   Sternocleidomastoideus   kreuzt  oder  an   ihm 
vorbeizieht,  sendet  er  diesem  Muskel  motorische  Zweige,  deren  einer  zwischen  den 


N.  accessorius  ty 
N.  cervicalis  I 


N.  lingualis 

A.  profunda  linguae 

|  N.  hypoglossus 

VV  N.  vagus 

N.  laryngeus  sup. 
M.  thyreohyoideus 

thyreoidea  sup. 

R.  descendens  n.  hypoglossi 

Muskeläste  des  R.  descendens 
Ansa  hypoglossi 


M.  sternothyreoideus 
jj    vaglis 


Fig.  305. 

Die  Nerven  des  Halses.    {Nach  Sappey.)     1:2. 
Der  M.  sternocleidomastoideus,  das  Platysma,  ein  Teil  des  Brustbeines  und  des  rechten  Schlüsselbeines  sind  entfernt. 


Muskelbündeln  sich  konstant  mit  einem  Aste  des  III.  Cervikalnerven  verbindet; 
die  Fasern  dieses  Astes  gehen  in  die  Peripherie  des  Accessorius  über;  andere 
Fasern  von  unbekannter  Bahn  schließen  sich  an  den  Accessoriusstamm  in  zentraler 
Richtung  an  (E.  Bischoff). 

In  der  Regio  lateralis  colli  verbinden  sich  abermals  Fäden  aus  dem  III.  und 
IV.  Cervikalnerven  mit  dem  Accessorius. 

Der  Beinerv  ist  ein  ursprünglich  rein  motorischer  Nerv,  dem  sich  an  ver- 
schiedenen Stellen,  vielleicht  schon  von  den  hinteren  Wurzeln  der  oberen  Halsnerven, 
vom  Vagus  in  der  Gegend  des  Ganglion  jugulare,  von  den  vorderen  Ästen  des 
III.  und  IV.  N.  cervicalis  sensible  Fasern  beimischen  können. 

Die  Fasern  des  Accessorius  vagi,  des  Ramus  internus  also,  gehen  in 
die  Bahn  der  Rami  pharyngei  und  laryngei,  sowie  in  die  Rami  cardiaci  des 
Vagus  über. 

Raubee-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  ]g 


334  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Lubosch,  W.,  Vergleichend-anatomische  Untersuchungen  über  den  Ursprung  und  die  Phylo- 
genese der  N.  accessorius  Willisii.  Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  54,  1899.  Alle  Amniotcn  haben  einen 
im  Rückenmark  gelegenen  Accessoriuskern.  der  entweder  von  der  Oblongata  herabgewachsen  ist 
oder  durch  Abspaltung  von  der  Vordersäule  des  Rückenmarks  entstand.  Bei  den  Sauropsiden 
treten  2—3,  bei  den  Säugetieren  5 — 7  Marksegmente  zu  dem  Kerne  in  Beziehung.  Die  Wurzeln 
treten  unter  Leitung  der  sensiblen  Wurzeln  nach  außen  und  stellen  viscero-motorische  Fasern  der 
dorsalen  Wurzeln  dar.  Der  Rückenmarkteil  des  Nerven  geht  aus  verschiedenen  Gründen  Verände- 
rungen ein.  Doch  ist  die  Scheidung  in  einen  N.  accessorius  vagi  und  spinalis  vom  vergleichenden 
Standpunkte  aus  nicht  zu  halten.  —  Derselbe  schlägt  auf  Grund  vergleichender  Untersuchungen 
vor,  als  Accessorius  schlechtweg  nur  den  aus  dem  Rückenmark  stammenden  Teil  des  Säugetier- 
nerven zu  bezeichnen.  Den  cerebralen  Teil  des  Säugetiernerven  hingegen  rechnet  er  zum  Vagus. 
Bei  den  Sauropsiden  ist  an  Stelle  des  Accessorius  die  Bezeichnung  Pars  spinalis  n.  vagi  zu  setzen. 
Doch  ist  zu  beachten,  daß  die  Pars  spinalis  n.  vagi  der  Sauropsiden  den  rostralen  Segmenten  des 
Accessorius  der  Säuger  homolog  erscheint.  (Anat.  Anz.  XIX,  1901).  ■ —  Weigner,  K.,  Beziehungen 
des  N.  accessorius  zu  den  oberen  Spinalnerven.     Anat.  Hefte  Nr.  56/57,  1901. 

XH.  N.  hypoglossus.     Fig.  301,  304—307. 

Er  entspringt  aus  dem  Hypoglossuskern  und  gelangt  mit  10 — 15  Wurzelfäden 
im  Sulcus  lateralis  anterior  der  Oblongata  an  die  Oberfläche.  Die  Wurzelfasern 
treten  gewöhnlich  zu  zwei  größeren  Bündeln  zusammen,  welche  getrennt  oder 
vereinigt  durch  den  Canalis  hypoglossi  ossis  occipitalis  den  Durasack  verlassen 
und  eine  Durascheide  erhalten. 

Am  Eingang  in  den  Canalis  hypoglossi  ist  der  Nerv  von  einem  mit  den 
Venen  des  Sinus  occipitalis  in  Verbindung  stehenden  Venenkranze  umgeben, 
dem  Rete  canalis  hypoglossi.  Außerhalb  der  Schädelbasis  liegt  der  Nerv 
anfangs  medial  und  hinter  dem  Vagus,  schlägt  sich  aber  in  der  Gegend  des 
Ganglion  nodosum,  an  welches  ihn  Bindegewebe  befestigt,  auf  die  laterale  Fläche 
des  Vagus  hinüber,  zieht  abwärts  an  der  medialen  Fläche  des  M.  stylohyoideus  und 
des  Venter  post.  vom  M.  digastricus,  wendet  sich  darauf  in  sanftem,  unten  konvexem 
Bogen  (Arcus  hypoglossi)  nach  vorn  und  strahlt,  bedeckt  vom  M.  mylohyoideus 
auf  der  Außenfläche  des  M.  hyoglossus  dahinziehend,  in  die  Zunge  ein. 

Zur  V.  jugularis  interna  und  Carotis  interna  verhält  sich  der  Nerv  im  Herabsteigen  so,  daß 
er  entweder  zwischen  beiden  durchdringt  oder  von  hinten  her  auf  die  Außenseite  beider  Gefäße 
gelangt.  Er  kreuzt  hierauf  die  äußere  Fläche  der  Carotis  externa  und  die  innere  der  V.  facialis 
communis,  zwischen  welchen  er  nach  vorn  hindurchtritt. 

Der  absteigende  Teil  des  Nerven  geht  mit  dem  Vagus,  den  vorderen  Ästen 
der  drei  ersten  Halsnerven  und  dem  oberen  Halsknoten  des  Sympathicus  Ver- 
bindungen ein,  so  daß  der  ursprünglich  motorische  Hypoglossus  Fasern  anderer 
physiologischer  Art  erhält. 

Interessant  ist  in  bezug  auf  die  Entwicklung  des  Hypoglossus  die  Tatsache,  daß  er  nicht 
allein  mehreren  Spinalnerven  homolog  ist,  sondern  daß  er  auch  ursprünglich  eine  kleine  dorsale, 
mit  einem  kleinen  Spinalganglion  ausgestattete  Wurzel  besitzt,  welche  beide  wieder  untergehen 
(Froriep);  doch  können  Teile  eines  solchen  Ganglion  vielleicht  dauernd  erhalten  bleiben  (Hyrtl); 
siehe  oben  S.  233  und  unten:  Vergleichung  der  Hirn-  und  Rückenmarksnerven. 

a)  Verbindungen  des  Hypoglossus  mit  anderen  Nerven. 

1.  Ramus  anastomoticus  cum  ganglio  cervicali  superiore. 

Der  Faden  geht  vom  Hypoglossus  gleich  unterhalb  des  Canalis  hypoglossi  ab  und  gelangt 
zum  Ganglion. 

2.  Ramus  anastomoticus  cum  ganglio  nodoso  n.  vagi. 

Bei  dieser  Verbindung  gelangen  auch  Vagusfasern  in  den  Hypoglossus. 

3.  Ramus  anastomoticus  cum  ansa  cervicali  prima. 


Hirnnerven. 


335 


Ein  ansehnlicher  Faden,  welcher  aus  Fasern  der  vorderen  Äste  der  beiden  ersten  Halsnerven 
gebildet  wird.  Ein  Teil  dieser  Fasern  geht  im  Hypoglossus  zentralwärts,  um  ihn  größtenteils 
wieder  zu  verlassen  und  dem  M.  rectus  capitis  anterior  und  dem  M.  longus  capitis  motorische 
Zweige  abzugeben;  ein  kleiner  Teil  bleibt  bei  dem  Hypoglossus.  Der  größere  Teil  der  Fasern 
des  Verbindungszweiges  schließt  sich  dem  Hypoglossus  in  peripherer  Richtung  an,  beteiligt  sich 


2ff         St-th,       4>  >/n 


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Oh, 


St-th. 


I; 


-Phr. 


Fig.  307. 

Fig.307.   Der  Faserverlauf  im  Plexus  hypoglossus.  (Louis  Bolk.) 

Die  Pfeile  bezeichnen  den  Verlauf  der  Nervenfasern. 

/,  //,  ///,  IV  N.  cervicales  I— IV;    Ge-h  M.  geniohyoideus ;    O-h  M. 

omohyoideus;  Phr.  N.  phrenicus;  Sl-h  M.  sternothyreoideus;  Th-hM. 

thyreohyoideus. 

Fig.  306.  Verbindungen  des  N.  hypoglossus  mit  den  Cervikalnerven. 

(M.  Holl.) 
XII  N.  hypoglossus;  /  vorderer  Ast  des  ersten,  //  zweiten,  ///dritten 
Cervikalnerven;  D  N.  cervicalis  descendens  superior;  D1  N.  cervicalis 
descendens  inferior;  a  Ast  des  ersten  Cervikalnerven,  der  mit  dem 
Bündel  c  zentralwärts  verläuft,  die  Fäden  r.mi  und  r.ma  für  die  Mm. 
rectus  capitis  anterior  und  longus  capitis  entsendet,  endlich  d  und  ä1 
in  absteigender  Richtung  in  den  N.  cervicalis  descendens  übertreten  läßt;  b  Verbindung  zwischen  erstem  und  zweitem 
Cervicalis;  d-  Ast  vom  zweiten  Cervikalnerven;  e  Verbindung  zwischen  zweitem  und  drittem  Halsnerven;  /, /  Ansa  cervi- 
calis profunda,  gebildet  vom  N.  cervicalis  descendens  superior  (£>)  und  inferior  (D1);  x,  x,  x  Zweige  für  die  Unterzungen- 
beinmuskeln; g  in  die  periphere  Bahn  des  Hypoglossus  gelangendes  Bündel  des  zweiten  Cervikalnerven;  /— f1  ebenso 
des  dritten;   ih  Nerv  für  den  M.  thyreohyoideus;  ge  Nerv  für  den  M.  geniohyoideus. 


an  der  Bildung  des  Ramus  descendens  hypoglossi  und  entsendet  über  diesen  hinaus  seine 
Fasern  bis  zum  M.  geniohyoideus  (Holl). 

4.  Verbindung  mit  dem  Ramus  lingualis  n.  vagi  (siehe  S.  327). 

5.  Rami  anastomotici  cum  ansa  cervicali  seeunda.    Fig.  306. 

Äste  des  II.  und  III.  Halsnerven  steigen  von  unten  auf,  erreichen  den  Arcus  hypoglossi, 
schließen  sich  zum  Teil  den  unter  3.  erwähnten  Zweigen  an  und  bilden  dadurch  den  Ramus  de- 
scendens n.  hypoglossi.    Dieser  Zweig  enthält  hiernach  keine  Hypoglossusfasern,  verbindet  sich 

18* 


336  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

mit  dem  N.  cervicalis  desccndens  inferior  zu  einer  auf  der  Außenfläche  der  großen  Hals- 
gefäße gelegenen  Schlinge,  Ansa  hypoglossi,  welche  unten  konvex  ist  und  häufig  geflechtartige 
Anordnung  zeigt.  Aus  der  Konvexität  der  Ansa  entspringen  die  motorischen  Nerven  für  die  Mm. 
sternohyoideus,  sternothyreoideus  und  den  unteren  Bauch  des  Omohyoideus;  der  obere  Bauch  des 
letzteren  erhält  seine  Nerven  aus  dem  Ramus  desccndens  selbst.  Der  Ramus  descendens  enthält  aber 
auch  aufsteigende  Fasern,  welche  in  peripherer  Richtung  in  den  Hypoglossus  übertreten,  um  ihn  als 
Aste  für  die  Mm.  thyreohyoideus  und  geniohyoideus  wieder  zu  verlassen  und  zum  Teil  sogar  in 
Zungenäste  zu  gelangen.  Der  Ramus  descendens  besteht  hiernach  aus  einem  aufsteigenden  und 
einem   absteigenden  Faserbündel   (Ho  11).     Vergl.  hiermit  die  Darstellung  von  L.  Bolk  (Fig.  307). 

Ein  der  Ansa  hypoglossi  entstammender  N.  cardiacus  ist  selten  und  wahrscheinlich  als 
ein  in  die  Hvpoglossusbahn  gelangter  R.  cardiacus  vagi  oder  sympathici  zu  deuten. 

6.  Ramus  communicans  cum  nervo  linguali  trigemini  (siehe  S.  313). 

b)  Äste  des  Hypoglossus. 

1.  Ramus  meningeus. 

Er  entspringt  vom  Hypoglossus  innerhalb  des  Canalis  hypoglossi,  dringt  teils  durch  feine 
Poren  in  den  Knochen,  teils  zur  Wand  des  Sinus  occipitalis.  Ob  diese  und  die  unter  2.  erwähnten 
Zweige  aus  der  Lingualisverbindung  oder  aus  einer  anderen  Quelle  stammen,  ist  ungewiß. 

2.  Rami  vasculares. 

Ein  oder  einige  Fäden,  welche  unterhalb  des  Canalis  hypoglossi  vom  Stamme  abgehen  und 
mit  Fäden  aus  dem  oberen  Halsganglion  des  Sympathicus  verbunden  zur  Vena  jugularis  interna 
ziehen. 

3.  Ramus    thyreohyoideus;    stammt    von    aufsteigenden    Halsnerven- 
fasern ab. 

4.  Ramus  geniohyoideus;  hat  nach  Holl  dieselbe  Abstammung  wie  3. 

5.  Rami  linguales. 

Sie  bilden  die  Fortsetzung  des  Hypoglossusstammes  und  gelangen  von  der 
Außenfläche  des  M.  hyoglossus  zu  den  Mm.  styloglossus,  genioglossus  usw. 
Durch  die  Verbindung  mit  dem  N.  lingualis  werden  den  motorischen  Zungenästen 
des  Hypoglossus  wahrscheinlich  sensible  Fasern  zugeführt. 

IV.  Die  Rückenmarksnerven,  Nervi  spinales. 
Allgemeines. 

Aus  dem  Rückenmark  nehmen  jederseits  31  Nervenpaare,  Nn.  spinales, 
ihren  Austritt. 

Sie  verteilen  sich  auf  die  Rumpfgegenden  in  der  Weise,  daß  mit  Ausnahme  des  Hals-  und 
Schwanzteiles  der  Wirbelsäule  ebenso  viele  Spinalnervenpaare  gezählt  werden,  als  Wirbel  vorhanden 
sind.  Man  zählt  demnach  jederseits  12  Brust-,  5  Lenden-  und  5  Kreuznerven,  dagegen  8  Hais- 
und 1  (oder  2 — 3)  Steißnerven.  Das  1.  Spinalnervenpaar  verläßt  den  Wirbelkanal  zwischen  dem 
Hinterhauptbein  und  dem  Atlas,  das  8.  zwischen  dem  siebenten  Hals-  und  ersten  Brustwirbel. 
Die  Nervenpaare  erhalten  demnach  am  Halsteil  ihre  Benennung  nach  dem  unteren  Wirbel,  mit 
Ausnahme  des  achten,  welcher  nicht  nach  der  Wirbelzahl  benannt  werden  kann.  Bei  den  übrigen 
Spinalnerven  wird  das  jedesmalige  Paar  bezeichnet  nach  dem  oberen  Wirbel. 

Als  l.Thorakalnerven  bezeichnet  man  folglich  denjenigen,  welcher  zwischen  dem  1.  und  2.  Brust- 
wirbel austritt;  als  1.  Lumbalnerven  jenen,  welcher  zwischen  dem  1.  und  2.  Lendenwirbel  austritt. 
Der  dem  Intervertebralraum  zwischen  dem  5.  Kreuz-  und  1.  Steißwirbel  entsprechende  Spinalnerv 
ist  der  5.  Sakralnerv.     Sämtliche  Nerven  treten  hiernach  intervertebral  aus  dem  Wirbelkanal. 

Alle  Spinalnerven  gehen  aus  dem  Rückenmark  in  zwei  Wurzeln  hervor, 
einer  dorsalen,  reeeptorischen  (sensiblen),  Radix  posterior,  und  einer 
ventralen,  effectorischen  (motorischen),  Radix  anterior.  Beide  Wurzeln 
streben  schon  innerhalb  des  Durasackes  einander  zu  und  verlassen  ihn,  von  einer 


Rückenmarksnerven. 


337 


xu 


Rr 


/ 


, 


DSU 


mLV 


m 


SSi 


a: 


Sv 


M 


SC 


Fig.  309. 

Fig.  309.     Unterer  Teil  des  Rückenmarkes  mit  der  Cauda  equina  und  der 

beide  umgebenden  Dura  mater  von  hinten.  1:3. 
Der  Sack  der  Dura  mater  ist  von  hinten  her  aufgeschnitten  und  auseinander- 
gezogen ;  links  sind  alle  Nervenwurzeln  erhalten,  rechts  sind  die  unteren  Nerven- 
wurzeln bis  zu  ihrer  Durchtrittstelle  durch  die  Dura  abgeschnitten.  Das 
Steißbein  ist  an  seiner  natürlichen  Lagerungsstelle  angebracht,  um  das  Ver- 
hältnis des  Filum  terminale  und  der  Steißbeinnerven  zu  demselben  zu  zeigen. 
a  Sulcus  medianus  posterior;  b,  b  Filum  terminale,  ein  wenig  nach  der  rechten 
Seite  herübergezogen;  b'  Filum  terminale  externum,  außerhalb  des  Sackes  der 
Dura  mater  (c,  c,  c,  c);  dtd  Öffnungen  in  derselben  für  den  Durchtritt  der  Nerven- 
wurzeln; e  Lig.  denticulatum ;  DX,DXff  zehnter  und  zwölfter  Brustnerv; 
LI  u.  LV  erster  und  fünfter  Lumbainerv;  SIu.  SV  erster  und  fünfter  Sakralnerv; 
CI  Nervus  coccygeus. 


Fig.  30S.     Rückenmark  mit  Nn.  spinales  und  Grenzstrang  des  N.  sympathicus. 

V  fünfter,  XU  zwölfter  Hirnnerv;  Cl  erster  Halsnerv;  C2 — 8  zweiter  bis  achter  Halsnerv;  Dl — 12  erster  bis  zwölfter  Brust- 
nerv ;  L  1—5  erster  bis  fünfter  Lumbainerv ;  S  1 — 5  erster  bis  fünfter  Sakralnerv ;  6  Steißbeinnerv ;  x,  x  Filum  terminale  des 
Rückenmarkes.  Von  den  Wurzeln  LI  bis  x  Cauda  equina ;  Rr  Plexus  brachialis ;  Cr  Nervus  femoralis ;  Sc  Nervus  ischiadicus  ; 
O  Nervus  obturatorius.  Die  Anschwellungen,  an  denen  die  Zahlen  Z.3,  4,  5  stehen,  sind  durch  Spinalganglien  bedingt.  — 
In  der  linken  Seite  der  Figur  ist  der  Grenzstrang  des  Sympathicus  dargestellt,  a  bis  ss  seine  Ganglien  ;  a  oberes  Halsganglion  ; 
b  u.c  mittleres  und  unteres  Halsganglion;  ä  erstes,  d'  letztes  Brustganglion  ;  e  erstes  Lumbaiganglion  ;  ss  oberstes  Sakralganglion. 


. 


338 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


einfachen  oder  doppelten  Durascheide  umgeben.  Die  sensible  Wurzel  schwillt 
dann  durch  Aufnahme  zahlreicher  Nervenzellen  zu  einem  Ganglion  an,  dem 
Ganglion  spinale,  welches  den  Ursprungskern  der  sensiblen  Wurzel,  sowie 
ihrer  zentralen  und  peripheren  Ausbreitung  darstellt  (siehe  oben  S.  4,  48,  54). 

Die  motorische  Wurzel  hat  dagegen  ihren  Ursprungskern  in  der  Vordersäulc  des  Rückenmarkes. 
Sie  bleibt  am  Aufbau  des  Ganglion  ganz  unbeteiligt  und  zieht,  durch  Bindegewebe  an  dasselbe 
geheftet  und  einen  Eindruck  an  ihm  bewirkend,  an  seiner  medialen  Seite  vorüber.  Jenseits 
des  Ganglion  tritt  eine  Mischung  der  Bestandteile  beider  Wurzeln  ein.  Sie  wird  dadurch  bedingt, 
daß  Faserbündel  der  motorischen  Wurzel  dorsalwärts  ziehen  müssen,  um  die  eigentliche  Rücken- 
muskulatur zu  erreichen;  ein  Teil  der  receptorischen  Fasern  hat  andererseits  einen  medialen 
Weg  einzuschlagen,   um   in   den   Ramus  communicans  und   meningeus  zu  gelangen.     Siehe  S.  24. 


P 


|ij^~Ä    *^      |V'f|' 


Fig.  310. 

Fig.  310.    Schema  des  Spinalnerventypus. 

5  Radix  posterior  und  m  Radix  anterior;  g  Ganglion  spinale ;  p  Ramus  posterior 
des  N.  spinalis ;  /  Ramus  anterior  desselben ;  v  Ramus  communicans ;  gs  Ganglion 
des  Grenzstranges  des  Sympathicus;  rs  Ramus  intergangliaris  superior;  ri  Ra-  p.       ~.  . 

mus  intergangliaris  inferior;   sv  Ramus  meningeus  zum  Wirbelkanal.  ^' 

Fig.  311.    Bahnen  der  vorderen  und  hinteren  Wurzeln  zu  den  vier  Ästen  des  gemeinsamen  Spinalnervenstammes. 
1  Radix  posterior;   2  Radix  anterior;   3  Ganglion  spinale;   4  Ramus  posterior;    5   Ramus  anterior;    6   Ramus  meningeus; 
7  Ramus  communicans;  8  Ganglion  sympathicum.     (Siehe  auch  Sympathicus.) 


Jenseits  des  Ganglion  bilden  demgemäß  die  Wurzeln  einen  gemeinsamen, 
gemischten  Stamm,  N.  spinalis,  welcher  alsbald  seine  Verästelung  beginnt 
(siehe  S.  3,  Fig.  2). 

Der  gemeinsame  Stamm  teilt  sich  typisch  in  vier  Zweige: 

1.  Ramus  posterior,  2.  Ramus  anterior,  3.  Ramus  meningeus,  4.  Ramus 
communicans.     Fig.  310,  311. 

Die  Stärke  und  Richtung  der  Wurzeln,  die  Stärke  der  Rami  posteriores  und  anteriores,  die 
Länge  des  gemeinsamen  Stammes,  die  Größe  und  Lage  des  Spinalganglion  unterliegen  in  den  ein- 
zelnen Rumpfgebieten  manchen  Verschiedenheiten,  von  welchen  das  Folgende  an  dieser  Stelle  her- 
vorzuheben ist. 

Jede  Wurzel  hat,  je  tiefer  sie  entspringt,  infolge  des  Descensus  columnae  vertebralis  einen  um 
so  längeren  und  steileren  Weg  im  Wirbelkanal  und  zunächst  im  Durasack  zurückzulegen.  Der  Aus- 
trittsstelle des  1.  Halsnerven  aus  dem  Rückenmark  liegt  der  zugehörige  Porus  durae  und  das  zu- 
gehörige Intervertebralloch  gerade  gegenüber;  nach  dieser  Stelle  konvergieren  je  die  beiden  Wurzeln. 
Allmählich  aber  wird  der  Winkel,  welchen  die  aus  dem  Rückenmark  tretenden  und  absteigenden 
Wurzeln  mit  dem  Rückenmarke  bilden,  immer  kleiner,  bis  zuletzt  an  der  Cauda  equina  alle 
Wurzeln  gerade  abwärts  zu  verlaufen  scheinen  (Fig.  309  von  den  Wurzeln  L  1  an  abwärts). 

Nach  Nuhns  Bestimmungen  tritt  der  1.  Halsnerv  in  gleicher  Höhe  mit  dem  Rande  des  Hintcr- 
hauptloches  aus  dem  Mark,  der  8.  Halsnerv  gegenüber  dem  Dorn  des  sechsten  Halswirbels, 
der  6.  Brustnerv  zwischen   dem   Dorn   des  vierten  und   fünften  Brustwirbels,  der  12.  Brustnerv 


Riickenmarksncrven. 


339 


gegenüber  dem  Dorn  des  zehnten  Brustwirbels,  der  5.  Lendennerv  gegenüber  der  unteren  Hälfte 
des  Domes  des  zwölften  Brustwirbels,  der  5.  Kreuznerv  in  der  Hohe  der  oberen  Hälfte  des 
Domes  des  ersten  Lendenwirbels. 

Die  dorsalen  Wurzeln  sind  im  allgemeinen  stärker  als  die  ventralen.  Eine 
Ausnahme  macht  der  1.  Halsnerv,  dessen  hintere  Wurzel  nur  etwa  das  halbe  Kaliber 
der  vorderen  hat. 

Am  stärksten  sind  im  Gebiet  der  Halsanschwellung  die  Wurzeln  des 
6.  Halsnerven,  an  der  Lendenanschwellung  die  Wurzeln  des  2.  Kreuznerven. 

Varietäten  im  Austritt  von  Wurzelbündeln  aus  dem  Rückenmark  undjn  ihrem  Verlauf  sind 
nicht  allzu  selten.  So  kommen  Asymmetrien  vor,  welche  entweder  eine  Ausgleichung  durch 
andere  Wurzeln  erfahren  oder  nicht.  Ein  Wurzelbündel  kann  zwischen  zwei  Wurzelbezirken  aus- 
treten und  sich  dem  oberen  oder  unteren  oder  unter  Teilung  beiden  ansehließen.  Besonders  eigen- 
tümlich sind  Wurzelfäden,  welche  aus  einer  oberen  Wurzel  sich  ablösen,  in  eine  untere  eintreten 
und  in  ihr  zentralwärts  ziehen  (Ansa  zentripetalis  von 
Hubert);  oder  Wurzelfädcn,  welche  von  einer  oberen 
Wurzel  in  zentripetaler  Richtung  abtreten  und  in  zentri- 
fugaler Richtung  in  eine  untere  umbiegen  (Ansa  centrifugalis 
von  Hubert).  Die  Ansa  centrifugalis,  anscheinend  die 
sonderbarste  Anomalie,  ist  indessen  gegenwärtig  leicht  er- 
klärlich, wie  Fig.  312  erläutert.  Anders  mit  der  Ansa  centri- 
petalis,  falls  nicht  dennoch,  sei  es  in  der  oberen  oder 
unteren  (motorischen)  Wurzel  eine  schließliche  Umkehr  in 
der  Peripherie  stattfindet;  man  würde  sonst  an  ein  weit 
lateralwärts  ausgebogenes  Längsfaserbündel  des  Rücken- 
markes denken  müssen. 

Die  Größe  der  Spinalganglien  ist  im 
allgemeinen  proportional  der  Stärke  der  beteiligten 
Wurzel,  so  daß  den  stärksten  hinteren  Wurzeln 
die  größten  Ganglien,  den  schwächsten  die 
schwächsten  Ganglien  entsprechen  (Fig.  30,  308, 
309).  Sind  doch  die  Ganglien  für  die  über- 
wiegende Fasermenge  der  hinteren  Wurzeln  die 
Ursprungskerne! 

Das  Ganglion  des  N.  coecygeus  I  ist  0,5 — 2  mm  lang 
und  hat  seine  Lage  beständig  innerhalb  des  Durasackes,  bald  näher  dem  oberen,  bald  näher 
dem  unteren  Ende  der  Nervenwurzel,  oder  in  deren  Längsmitte.  Auch  der  letzte  Sakralnerv  trägt 
sein  Ganglion  zuweilen  im  Durasack,  während  alle  höher  gelegenen  Nervenknoten  außerhalb  des 
Durasackes  liegen.  Hier  nehmen  sie  die  Foramina  intervertebralia,  in  den  beiden  obersten  Räumen 
die  seitliche  Ecke  derFissura  intervertebralis  ein.  Am  Kreuzbein  liegen  die  Ganglien  natürlich  lateral 
vom  Canalis  sacralis,  in  dem  Gange,  welcher  ventral  zu  den  Foramina  sacralia  anteriora,  dorsal  zu 
den  Foramina  sacralia  posteriora  führt.    Fig.  32. 

Wenn  der  gemischte  Stamm  der  Spinalnerven  aus  den  Intervertebrallöchern  hervortritt, 
ist  er  meist  schon  in  den  Ramus  anterior  und  posterior  gespalten.  Am  Kreuzbein  findet  die  Teilung 
noch  innerhalb  der  Canales  intersacrales,  der  Austritt  durch  die  Foramina  sacralia  anteriora  und 
posteriora  statt.  Die  zwei  letzten  Spinalnervenpaare  verlassen  den  Wirbelkanal  durch  die  von 
lockerem  Fettgewebe  eingenommene  Spalte,  welche  der  seitliche  Rand  des  Lig.  sacrococcygeum 
posterius  mit  den  Steißwirbelkörpern  einschließt.     Fig.  309. 

Während  mit  Ausnahme  des  ersten  Nervenpaares  die  hinteren  Wurzeln 
stärker  sind,  als  die  vorderen,  ist  es  umgekehrt  mit  der  Stärke  des  Ramus 
anterior  und  posterior.  Dies  ist  leicht  einzusehen,  da  der  Ramus  anterior  ein 
weit   größeres   Gebiet   zu   versorgen    hat,   als   der   Ramus   posterior.     Der  Ramus 


Fig.  312. 

Bahn   in  der  ungewöhnlichen  Ansa  centri- 
fugalis der  Spinalnervenwurzeln. 

1  und  3  zwei  sensible  Wurzeln  mit  ihren  Fila 
radicularia ;  2  und  4  zwei  spinale  Ganglien; 
5  eine  Spinalganglienzelle  mit  ihren  beiden 
Ausläufern,  dem  zentripetalen  und  dem  zentrifu- 
galen ;  /Ansa  centrifugalis ;  p  Ansa  centripetalis. 


340  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

anterior  ist  also  der  stärkere;  nur  am   1.  Halsnerven  sind  beide  Äste  etwa  gleich; 
der  Ramus  posterior  des  2.  Halsnerven  ist  aber  stärker. 

1.  Die  Rami  posteriores  sind  wesentlich  für  die  Rückenhaut  und  für  die  eigentlichen 
Rückenmuskcln  bestimmt. 

2.  Die  Rami  anteriores  versorgen  Haut  und  Muskeln  des  ventralen  Teiles  der  Rumpf- 
wand, zu  welchem  auch  beide  Extremitäten  gehören. 

3.  Die  Rami  meningei  versorgen  den  Wirbelkanal  und  die  Rückenmarkshäute. 

4.  Die  Rami  communicantes  gelangen  zu  den  Eingeweiden  und  zu  den  Gefäßen,  unter 
Vermittlung  und  Beteiligung  eines  besonderen  nervösen  Apparates,  des  N.  sympathicus;  sie  führen 
aber  auch  sympathische  Fasern  spinalwärts.    Fig.  311. 

Bei  der  Beschreibung  des  gemeinsamen  Stammes  der  Spinalnerven  ist  ferner  einer  Tat- 
sache zu  gedenken,  welche  mit  der  Astbildung  dieses  Stammes  in  Zusammenhang  steht.  Von 
Magendie  wurde  beobachtet  und  von  der  Folgezeit  bestätigt,  daß  der  periphere  Stumpf 
einer  durchschnittenen  vorderen,  motorischen  Wurzel  empfindlich  ist.  Durchschneidung  der 
gleichnamigen  hinteren,  sensiblen  Wurzel  hebt  diese  »rückläufige  Empfindlichkeit"  auf.  Die  sen- 
siblen Fasern  der  motorischen  Wurzel  stammen  hiernach  aus  der  gegenüberliegenden  hinteren  Wurzel. 
Von  hier  aus  verlaufen  die  Fasern  wahrscheinlich  bis  in  den  vorderen  gemischten  Ast  des  be- 
treffenden Nerven,  um  hier,  im  Gebiet  des  Plexus  desselben,  in  die  motorische  Wurzel  umzubiegen 
und  in  die  Pia  zu  gelangen  (Schiff). 

Etwas  Ähnliches  findet  in  der  Peripherie  der  Nerven  statt.  Der  periphere  Stumpf 
besonders  motorischer  Nerven,  wie  des  Facialis,  zeigt  sich  empfindlich,  und  zwar  um  so 
deutlicher,  je  mehr  peripher  die  Durchschneidung  vorgenommen  wurde.  Hieraus  ist  zu  schließen, 
daß  im  Gebiete  der  peripheren  Verbreitung  der  motorischen  Nerven  sensible  Fasern  auch  in 
zentraler  Richtung  sich  der  Bahn  des  motorischen  Nerven  anschließen,  um  ihn  später  wieder 
zu  verlassen.    Man  nennt  diese  Form  die  „periphere  rückläufige  Empfindlichkeit". 

Jeder  gemeinsame  Nervenstamm  hält  sich  mit  seinem  ganzen  Astgebiet  in 
der  Regel  in  den  Grenzen  des  ihm  zukommenden  Körpersegmentes  und  jeder 
der  vier  primären  Äste  wiederum  in  dem  ihm  zukommenden  Gebiet.  Doch  gibt 
es  Ausnahmen.  Eine  solche  findet  sich  z.  B.  im  oberen  Halsteil.  Der  Hautast  des 
Ramus  posterior  des  2.  Halsnerven,  N.  occipitalis  major  genannt,  verbreitet  sich 
als  sensibler  Nerv  über  den  Hinterkopf  bis  in  die  Scheitelgegend.    Fig.  290,  315. 

Der  linke  und  rechte  Stamm  je  eines  Spinalnervenpaares  versorgt  das  zugehörige  Körpersegment 
im  allgemeinen  in  symmetrischer  Weise.  Die  Medianebene  bildet  dabei  im  allgemeinen  die 
Grenzscheide  der  beiderseitigen  Versorgung.  So  verhält  es  sich  auch  bei  den  Gehirnnerven.  Dies 
hindert  jedoch  nicht,  daß  in  der  ventralen  und  dorsalen  Mittellinie  auf  kurze  Strecken  eine 
von  beiden  Seiten  ausgehende  Gebietsüberschreitung  von  Seiten  der  Hautnerven  stattfindet,  an- 
scheinend in  alternierender  Weise.  Man  kann  sich  das  Verhältnis  in  Form  einer  sägeförmigen  Linie 
vorstellen.  Dies  erinnert  unwillkürlich  an  die  sagittalen  Knochen  nähte  des  Schädeldaches:  hier 
tritt  der  Knochen  der  einen  Körperhälfte  in  Form  einer  verwickelten  Sägelinie  je  in  die  andere  Körper- 
hälfte hinüber.    Vermutlich  ist  es  auch  so  mit  den  Gefäßen;  deutlich  ist  es  bei  manchen  Muskeln. 

Die  Überkreuzung  der  Hautnerven  ist  von  Zander  festgestellt  worden. 

Wenn  auch  die  einzelnen  spinalen  Nervenpaare  sich  in  ihrer  kranialen  und 
kaudalen  Verbreitung  im  allgemeinen  an  das  zugehörige  Körpersegment 
halten,  so  schließen  sich  doch  die  Äste  keineswegs  streng  gegeneinander  ab;  viel- 
mehr bilden  gegenseitige  Verbindungen  von  Ästen  benachbarter  segmentaler 
Nerven  eine  sehr  häufige,  in  gewissen  Gegenden  durchaus  typische  Erscheinung. 

So  gehören  Verbindungen  der  Rami  posteriores  im  Hals-  und  Kreuzgebiete 
zu  den  regelmäßigen  Vorkommnissen. 

Eine  viel  größere  Rolle  aber  spielen  die  Verbindungen  und  Geflechtbildungen 
bei  den  Rami  anteriores.  Im  ganzen  können  beim  Menschen  jederseits  zwei 
große  ventrale  Plexus  unterschieden  werden,  ein  oberer  und  ein  unterer 
Rumpf plexus,  welche  durch  den  plexuslosen  Brustteil  voneinander  getrennt  sind. 


Rückenmarksnerven.  341 

Der  obere  Rumpfplexus,  Plexus  cervico-brachialis,  besteht  aus  der  Verbindung  der 
R.imi  anteriores  aller  Hals-  und  des  1.  Brustnerven,  nebst  einem  häufigen  Anteil  des  2.  Brustnerven. 
Oben  steht  er  mit  Hirnnerven  in  Verbindung. 

Der  untere  Rumpfplexus,  Plexus  lumbo-sacralis,  schließt  die  Rami  anteriores  sämtlicher 
Lumbal-,  Sakralnerven  und  des  N.  coecygeus  I  ein;  er  steht  oben  mit  dem  12.  Brustnerven  in  Ver- 
bindung. 

Doch  bilden  nicht  nur  Rami  posteriores  und  anteriores  je  dorsale  und 
ventrale  Geflechte,  sondern  auch  die  Rami  meningei  und  Rami  communi- 
cantes  zeigen  außerordentlich  reich  entwickelte  Geflechte;  der  Plexus  meningeus 
gelit  jederseits  durch  den  ganzen  Wirbelkanal  hindurch;  ebenso  verhält  es  sich  mit 
dem  Plexus  intestinalis,  mit  welchem  Namen  die  Gesamtheit  aller  Geflechte 
des  Eingeweidenervensystems  gemeint  ist;  dieser  ist  dadurch  noch  besonders  aus- 
gezeichnet, daß  in  den  Knotenpunkten  Haufen  von  Nervenzellen  sich  sammeln; 
so  kommt  der  N.  sympathicus  zur  Erscheinung. 

Man  kann  bezüglich  der  Ausbildung  der  Plexus  dorsales,  ventrales,  meningei  und 
intestinales  annehmen,  daß  eine  Verwandtschaft  der  Segmente  sie  bedinge,  ebenso,  wie 
die  Kommissuren,  Dekussationen  und  medianen  Überkreuzungen  des  Nervensystems  auf  einer  Ver- 
wandtschaft beider  Körperhälften  beruhen.  Da  aber  Plexusbildungen  innerhalb  der  Astfolge 
eines  und  desselben  segmentalen  Nerven  im  peripheren  Gebiet  eine  äußerst  verbreitete  Ein- 
richtung darstellen,  und  Plexusbildung  sogar  in  den  Nervenzentren  und  im  Innern  aller  peri- 
pheren Stämme  und  Zweige  überall  vorkommt,  so  wird  man  daran  denken  müssen,  in  der  Geflecht- 
bildung eine  Erscheinung  zu  erblicken,  die  das  Nervensystem  als  Ganzes  auszeichnet  und  welche 
ihre  Grundlage  hat  in  jenen  Nervensystemen  der  niederen  Tierwelt,  die  aus  einem  nervenzellen- 
haltigen  Geflecht  bestehen. 

Siehe  auch  unten:  Neurales  Segment  und  Muskelsegment;  Skierozonen.  —  Bolk,  L.,  Die 
Segmentaldifferenzierung  des  menschlichen  Rumpfes  und  seiner  Extremitäten.  Morph.  Jahrb.  XXV, 
1897.  —  Derselbe,  Beiträge  zur  Affenanatomie:  Der  Plexus  cervico-brachialis  der  Primaten;  mit 
39  Figuren  im  Text.  In  Petrus  Camper,  I,  1902.  —  Eisler,  P.,  Die  Ursache  der  Geflechtbildung 
an  den  peripheren  Nerven.  Veihandl.  anat.  Ges.  1902.  —  Ottendorf,  G,  Die  Plexusbildung  der 
Nerven  in  der  Mittellinie  der  Rückenhaut  einheimischer  Frösche.    Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  53,  1899. 

Die  fünf  Abteilungen  der  Spinalnerven. 

1.  Die  Halsnerven,  Nn.  cervicales,  bestehen  aus  acht  Paaren. 

Das  erste  Halsnervenpaar  verläßt  den  Wirbelkanal  zwischen  dem  Hinterhauptbein  und  dem 
Atlas,  die  folgenden  zwischen  je  zwei  Halswirbeln,  das  achte  zwischen  dem  letzten  Hals-  und  dem 
ersten  Brustwirbel.  Die  Halsnerven  nehmen  an  Stärke  bis  zum  sechsten  einschließlich  zu,  welcher 
der  mächtigste  ist;  von  hier  an  nehmen  sie  ab;  die  Abnahme  setzt  sich  auf  den  größten  Teil  der 
Brustnerven  fort. 

2.  Die  Brustnerven,  Nn.  thoracales,  bilden  zwölf  Paare,  welche  mit  Aus- 
nahme des  ersten  Paares,  gegenüber  der  unteren  Hälfte  der  Halsnerven  eine  sehr 
geringe  Stärke  besitzen.  Die  unteren  Brustnerven  nehmen  indessen  an  Stärke 
wieder  etwas  zu. 

Die  Schwäche  der  Brustnerven  ist  nicht  unverständlich,  wenn  beachtet  wird,  welchen  Bedin- 
gungen die  unteren  Halsnerven  ihre  ausnehmende  Stärke  verdanken.  Die  Muskellager  des  Schulter- 
gürtels und  der  freien  Extremität,  die  sehr  bedeutende  Entfaltung  der  Haut,  welche  durch  die  Gegen- 
wart der  Extremität  veranlaßt  wird,  diese  beiden  Ursachen  sind  es  vorzugsweise,  welche  die  Stärke  der 
unteren  Halsnerven  und  des  ersten  Brustnerven  notwendig  machen  und  erklären.  Werden  jene  Muskel- 
lager und  die  Hauthülle  der  Extremität  weggelassen,  so  liegen  ähnliche  Verhältnisse  vor  wie  am 
Rumpfe.  Es  kommt  aber  noch  ein  Umstand  hinzu,  welcher  dazu  beiträgt,  den  Unterschied  zwischen 
der  Stärke  der  unteren  Halsnerven  und  der  Brustnerven  zu  vergrößern.  Der  Brustkorb  wird  zum 
Teil  von  einer  Muskulatur  überlagert,  welche  ihre  Nerven  gar  nicht  von  Brustnerven,  sondern  von 
Hals-  und  Kopfnerven  erhält.    Die  zur  oberen  Extremität  gehörigen  Brust-  und  breiten  Rücken- 


31_'  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

muskeln  sind  von  einer  Versorgung  durch  Brustnerven  ausgeschlossen;  um  so  schwächer  werden 
die  Brust-,  um  so  stärker  die  Halsnerven  sein.  Der  erste  Brustnerv  tritt  zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Brustwirbel,  der  letzte  zwischen  dem  letzten  Brust-  und  ersten  Lendenwirbel  aus. 

3.  Die  Lendennerven,  Nn.  lumbales,  aus  fünf  Paaren  bestehend,  setzen 
die  Zunahme  an  Stärke,  welche  bereits  an  den  unteren  Brustnerven  zutage  trat, 
in  steigendem  Grade  fort. 

Sie  kommt  jedoch  ausschließlich  dem  Ramus  anterior  zugute,  denn  die  Rami  posteriores  der 
Lendennerven  sind  von  geringer  Stärke  und  nehmen  nach  unten  zu  sogar  ab.  Der  erste  Lenden- 
nerv nimmt  seinen  Austritt  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Lendenwirbel,  der  letzte  zwischen 
dem  letzten  Lenden-  und  ersten  Kreuzwirbel. 

4.  Die  fünf  Sakralnerven,  Nn.  sacrales,  und  die  sich  anschließenden 
Steißnerven  nehmen  an  Stärke  allmählich  ab;  der  erste  Sakralnerv  aber  ist 
der  mächtigste  aller  segmentalen  Nerven. 

Die  vier  oberen  Sakralnerven  treten  durch  die  Canales  intersacrales  aus  dem  Wirbelkanal 
aus;  ihre  Rami  posteriores  gelangen  durch  die  Foramina  sacralia  posteriora  nach  hinten,  die  Rami 
anteriores  durch  die  Foramina  sacralia  anteriora  nach  vorn.  Der  fünfte  Sakralnerv  nimmt  zwischen 
dem  letzten  Kreuz-  und  dem  ersten  Steißwirbel,  der  erste  Steißnerv  zwischen  dem  ersten  und  dem 
zweiten  Steißwirbel  seinen  Austritt  aus  dem  Wirbelkanal   (siehe  Fig.  309). 

5.  Die  Kaudalnerven,  Nn.  coecygei. 

Von  Kaudalnerven  ist  in  der  Regel  nur  einer  makroskopisch  darstellbar,  der  erste;  die  Ele- 
mente eines  zweiten  und  dritten  sind  in  feinen,  in  der  Regel  mikroskopischen  Bündeln  enthalten, 
welche  im  Filum  terminale  herabziehen  und  auch  noch  kleine  Gruppen  wohlausgebildeter  Spinal- 
ganglienzellen enthalten  (Raub er).  Zuweilen  ist  der  zweite  N.  coecygeus  stärker  als  gewöhnlich 
entwickelt,  löst  sich  vom  Filum  terminale  ab  und  gleicht  alsdann  in  allem  einem  gewöhnlichen 
Spinalnerven.  Die  Zahl  der  im  Filum  terminale  des  Menschen  enthaltenen  Nervenfasern  beträgt 
durchschnittlich  über  100. 

Im  folgenden  sind  nun  zuerst  die  Rami  posteriores,  darauf  die  Rami  meningei,  sodann 
die  Rami  anteriores  der  Spinalnerven  zu  untersuchen;  endlich  folgen  die  Rami  communi- 
cantes,  welche  schon  in  das  Gebiet  des  N.  sympathicus  hinüberführen,  indem  sie  das  spinale 
Nervensystem  mit  dem  Sympathicus  verbinden,  in  letzteren  spinale  Elemente,  aber  auch  sym- 
pathische Fasern  in  das  spinale  System  gelangen  lassen. 

A.  Rami  posteriores  der  Spinalnerven.    Fig.  314,  315. 
Die  Rami  posteriores  der  Spinalnerven  versorgen: 

1.  Die  Rückenhaut,  vom  Scheitel  bis  zur  Steißbeinspitze. 

Die  laterale  Grenze  dieses  großen  Hautnervenfeldes  des  Rückens  ist  jederseits  durch  eine 
Linie  bestimmt,  welche  vom  Scheitel  über  die  Mitte  der  Linea  nuchae  superior  zum  Seitenrande 
des  M.  trapezius  herabläuft  und  diesem  bis  zum  Akromion  folgt.  Von  hier  neigt  sich  die  Grenz- 
linie zuerst  medianwärts,  indem  sie  den  unteren  Winkel  der  Skapula  kreuzt,  beginnt  aber  von  der 
Mitte  des  Rückens  an  lateralwärts  vorzudringen,  schneidet  die  Mitte  der  Crista  iliaca  und  erreicht 
die  Haut  über  dem  großen  Trochanter.  Von  diesem  Orte  aus  zieht  die  Grenzlinie  in  einem  leicht 
aufwärts  konvexen  Bogen  zur  Steißbeinspitze. 

2.  Die  Rückenmuskulatur  im  engeren  Sinne  (siehe  Abt.  III,  S.  28). 

Wie  sich  bei  einer  Vergleichung  dieser  Grenzlinie  mit  der  lateralen  Grenze 
der  eigentlichen  Rückenmuskulatur  ergibt,  greift  das  dorsale  Hautnervenfeld 
an  zwei  Stellen  über  das  dorsale  Muskelfeld  ziemlich  beträchtlich  hinaus;  in 
der  Akromial-  und  in  der  Trochantergegend. 

Innerhalb  dieses  langen  symmetrischen  Haut-  und  Muskelnervenfeldes  verteilen  sich  die 
Nerven  nicht  überall  genau  entsprechend  den  Wirbelsegmenten;  letztere  sind  nicht  der  genaue 
Ausdruck  für  die  verschiedenartigen  übrigen  Bestandteile  eines  Körpersegmentes,  wie  für  das 
Darmsegment,  Hautsegment;  doch  ist  es  ungewiß,  wie  weit  ein  Hautsegment  sich  erstreckt,  wenn 


343 


Fig.  313.    Innervierung  der  Haut  nach  den  Rückenmarksegmenten.    Vorderseite. 

C.  VIII  ist  in  dem  mit  Th.  I  bezeichneten  Felde  enthalten;    L.  V.  ist  in  dem  mit  L.  IV  bezeichneten  Felde  enthalten. 


344 


Fig.  314.     Innervierung  der  Haut  nach  den  Rückenmarksegmenten.     Rückseite. 

C.  VIII  ist  in  dem  mit  Th.  I  bezeichneten  Felde  enthalten;  L.  V.  ist  in  dem  mit  L  IV  bezeichneten  Felde  enthalten. 


Rückenmarksnerven.  345 

man  nicht  gerade  die  Nervenverteilung  zur  Abgrenzung  benutzen  kann.  Daher  ist  sachlich  nur 
festzuhalten,  daß  die  Hautzweige  des  dorsalen  Astes  des  2.  Halsnerven  bis  zur  Scheitelgegend 
des  Kopfes  vordringen.  Auch  die  Hautzweige  der  Rami  posteriores  der  mittleren  Halsnerven  zeigen 
noch  eine  etwas  aufsteigende  Hahn,  wahrend  die  der  unteren  Halsnerven  und  Brustnerven  eine 
leicht  absteigende  Richtung  verfolgen.  Einen  steil  abfallenden  Weg  schlagen  die  zur  Hüft-  und 
oberen  Gesäßgegend  ziehenden  Hautnerven  ein. 

Was  die  von  den  Rami  posteriores  innervierten  Muskeln  betrifft,  so  halten  die  zugehörigen 
motorischen  Nerven  sich  ganz  in  den  segmentalen  Grenzen. 

Da  das  dorsale  Haut-  und  Muskelnervenfeld  eine  ansehnliche  Breite 
besitzt,  ist  zur  Innervierung  beider  die  typische  Einrichtung  getroffen,  daß  jeder 
Ranius  posterior  sich  je  in  einen  Ramus  medialis  und  lateralis  teilt.  Am 
deutlichsten  ist  diese  Eigentümlichkeit  im  Brustnervengebiet  ausgeprägt.  Medialer 
und  lateraler  Ast  können  beide  sowohl  sensible  als  motorische  Fasern  ent- 
halten.    Siehe  Fig.  315. 

/.  Rami  posteriores  der  8  Halsnerven. 

Wie  schon  oben  erwähnt,  erfolgt  die  Teilung  des  Nervus  spinalis  in  den 
Ramus  posterior  und  anterior  meist  schon  innerhalb  des  Foramen  intervertebrale. 
Von  der  Teilungsstelle  aus  gelangen  die  Rami  posteriores  der  Halsnerven,  ab- 
gesehen von  dem  besonders  zu  betrachtenden  1.  und  2.  Halsnerven,  um  die  Außen- 
fläche der  Gelenkfortsätze  herum  nach  hinten.  An  der  lateralen  Seite  des  M. 
semispinalis  cervicis  teilt  sich  jeder  Ramus  posterior  in  die  beiden  typischen 
Zweige,  den  Ramus  medialis  und  den  Ramus  lateralis. 

a.  Die  Rami  laterales  sind  rein  motorisch  und  dienen  der  Versorgung  der 
Mm.  splenius,  longissimus  cervicis  et  capitis,  iliocostalis  cervicis. 

ß.  Die  Rami  mediales  enthalten  sowohl  sensible  als  motorische  Fasern. 

Die  Hautzweige  gelangen  unter  Durchbohrung  der  deckenden  Muskeln  neben  den  Wirbel- 
dornen unter  die  Haut.  Der  Hautnerv  des  Ramus  posterior  III  entwickelt  einen  aufsteigenden 
Zweig,  welcher  sich  entweder  noch  in  der  Tiefe  der  Nackenmuskulatur  mit  dem  Hautaste  des 
Ramus  posterior  II  (N.  occipitalis  major)  verbindet,  oder  dicht  neben  dem  Nackenbande 
selbständig  die  Trapeziussehne  durchbohrt,  um  in  der  Haut  oberhalb  der  Protuberantia  occipitalis 
externa  sich  auszubreiten  und  mit  Zweigen  des  N.  occipitalis  major  Verbindungen  einzugehen.  Der 
selbständig  aufsteigende  Hautzweig  des  Ramus  posterior  III  führt  den  Namen  N.  occipitalis  tertius. 

Die  motorischen  Zweige  sind  kurze  Fäden,  welche  zu  den  Mm.  multifidus,  semispinalis 
cervicis,  semispinalis  capitis,  interspinales  gelangen. 

Die  erwähnte  Verbindung  des  Ramus  posterior  II  und  III  stellt  eine  Ansa  cervicalis  posterior 
dar.  Ähnliche  Verbindungen  kommen  auch  zwischen  den  medialen  Zweigen  der  Rami  posteriores 
der  übrigen  Halsnerven  vor.  Sie  haben  ihre  Lage  unter  dem  Semispinalis  cervicis  und  stellen 
den  Plexus  cervicalis  posterior  dar. 

Die  Rami  posteriores  des  1.  und  2.  Halsnerven  verhalten  sich  folgender- 
maßen, Fig.  315: 

Der  N.  cervicalis  primus  s.  suboccipitalis  liegt  nach  dem  Austritt  aus 
dem  Wirbelkanal  im  Sulcus  arteriae  vertebralis  des  Atlas,  unter  der  A.  vertebralis. 
In  diesem  Sulcus  teilt  er  sich  in  zwei  nahezu  gleichstarke  Äste,  die  fast  recht- 
winklig auseinanderweichen.  Der  Ramus  posterior  I  verzweigt  sich  im  Gegen- 
satze zu  den  Rami  posteriores  der  folgenden  Spinalnerven  ausschließlich  in 
Muskeln,  und  zwar  im  Rectus  capitis  posterior  major  und  minor,  im  Obliquus 
superior  und  inferior.  Durch  einen  den  Obliquus  inferior  durchsetzenden  Ast 
anastomosiert  er  zuweilen  mit  dem  hinteren  Aste  des  Cervicalis  II. 


346 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Der  N.  cervicalis  seeundus  teilt  sich  nach  seinem  Austritt  aus  dem 
Wirbelkanal  am  unteren  Rande  des  M.  obliquus  capitis  inf.  in  den  Ramus  an- 
terior und  posterior.     Der  letztere,  weitaus  stärkere,  schlingt  sich  um  den 


WfP 


Fig.  315. 

Übersicht  über  die  Verbreitung  der  dorsalen  Äste  sämtlicher  Rückenmarknerven.    (Hirschfeld  und  Leveille.) 

1  :  5.  Links  sind  die  Hautäste,  rechls  die  Muskelaste  dargestellt. 
a  N.  occipitalis  minor  aus  dem  Plexus  cervicalis;  1  hinterer  Ast  des  ersten  Halsnerven;  2  N.  occipitalis  major;  2'  seine 
Ausbreitung  am  Hinterhaupt;  3  lateraler  Zweig  des  hinteren  Astes  vom  dritten  Cervikalnerven;  3'  dessen  medialer  Zweig 
(N.  occipitalis  tertius) ;  4',  5'.  6',  7',  8'  mediale  Zweige  der  dorsalen  Äste  der  gleichzifferigen  Halsnerven;  auf  der  rechten 
Seite  ihre  lateralen  (Muskel  )  Zweige;  dl.  d6,  rfl2  laterale  Zweige  der  dorsalen  Aste  der  Brustnerven  (rechts);  dl',  d6\ 
dT,  dl2'  Hautzweige  (mediale)  der  dorsalen  Aste  der  Brustnerven  (links);  /,  /.  /'.  /'  laterale  Zweige  der  dorsalen  Äste  der 
I.umbalnerven  (der  drei  oberen) ;  s,  s  dorsale  Äste  der  Sakralnerven,  durch  Schlingen  untereinander  verbunden;  s'.  s'  einige 

Hautzweige  derselben  auf  der  linken  Seite. 


Rückenmarksncrvcn.  347 

Rand  des  genannten  Muskels  nach  hinten  und  gelangt  zwischen  die  kurzen  occi- 
pito-vertebralen  Muskeln  und  den  Semispinalis  capitis.  Er  teilt  sich  in  drei  Zweige, 
einen  aufsteigenden,  einen  absteigenden  und  einen  in  aufwärts  konkavem 
Bogen  die  Fortsetzung  des  Stammes  bildenden  Zweig.  Der  aufsteigende 
versorgt  den  Longissimus  capitis  und  sendet  am  medialen  Rande  des  Splenius 
einen  nicht  ganz  beständigen  Hautast  zur  Hinterhauptgegend.  Der^absteigende 
Zweig  dringt  in  die  Zacken  des  Semispinalis  capitis  und  anastomosiert  mit  dem 
Ramus  posterior  III.  Der  dritte  Ast,  N.  occipitalis  major,  durchbohrt  den 
Semispinalis  capitis  und  die  Trapeziussehne,  gelangt  dadurch,  2 — 3  cm  von  der 
Medianlinie  entfernt,  in  der  Gegend  der  Linea  nuchae  superior  unter  die  Haut.  Hier 
plattet  er  sich  ab,  teilt  sich  wiederholt  und  verzweigt  sich  bis  zum  Scheitel,  manchmal 
sogar  bis  zur  Sutura  coronalis.  Der  Verlauf  der  Zweige  folgt  zum  Teil  den  Ästen 
der  A.  occipitalis.  Seine  Durchtrittsstelle  durch  die  Trapeziussehne  fällt  bald  mit 
derjenigen  der  A.  occipitalis  zusammen,  bald  schlägt  ein  abgetrenntes  Bündel  einen 
selbständigen  Weg  ein. 

Die  Abweichungen  der  Rami  posteriores  I  und  II  von  den  übrigen  finden  ihre  Erklärung  in 
der  Berücksichtigung  ihrer  Lage.  Die  Nachbarschaft  des  Kopfes  hat  mit  der  Entfaltung  der  Hinter- 
hauptgegend Modifikationen  an  beiden  Nerven  hervorgerufen. 

Was  die  Stärke  der  Rami  posteriores  der  Halsnerven  betrifft,  so  ist  der  zweite  der  stärkste; 
von  III  bis  VIII  nehmen  sie  allmählich  an  Stärke  ab. 

2.  Rami  posteriores  der  12  Brustnerven.    Fig.  315. 

Sie  gelangen  zwischen  je  zwei  Querfortsätzen  zu  ihrem  Verbreitungsgebiete 
und  teilen  sich  in  die  beiden  typischen  Zweige,  Ramus  medialis  und  Ramus 
lateralis. 

Während  bei  den  Rami  posteriores  der  Halsnerven  der  laterale  Zweig  rein  motorischer,  der 
mediale  gemischter  Art  ist,  unterscheiden  sich  die  Rami  posteriores  der  Brustnerven  dadurch,  daß 
beide  außer  den  stets  vorhandenen  Muskelnerven  auch  Hautnerven  liefern  können.  Am  häufigsten 
kommt  es  vor,  daß  die  Rami  posteriores  der  acht  oberen  Thorakalnerven  starke  mediale,  die 
vier  unteren  starke  laterale  Hautzweige  entsenden.  Die  medialen  Hautzweige  durchbohren 
neben  den  Wirbeldornen  den  M.  trapezius,  weiter  unten  diesen  und  den  Latissimus  dorsi.  Die 
vier  unteren  lateralen  haben  ihre  Austrittsstelle  etwa  an  der  Sehnen-Fleischlinie  des  Latissimus  dorsi. 

Die  Rami  cutanei  laterales  wenden  sich  gleich  nach  ihrer  Entstehung  unter  dem  M.  lon- 
gissimus dorsi  Iateralwärts,  treten  in  dem  Zwischenräume  zwischen  diesem  Muskel  und  dem  M.  ilio- 
costalis  hervor  und  versorgen  die  beiden  genannten  Muskeln  in  ihrer  ganzen  thorakalen  Ausdehnung. 

Die  Rami  cutanei  mediales  dringen  zwischen  dem  M.  multifidus  und  M.  semispinalis 
dorsi  hervor,  entsenden  von  hier  aus  die  erwähnten,  neben  den  Dornfortsätzen  erscheinenden  Haut- 
äste und  versorgen  die  Mm.  rotatores,  den  M.  multifidus,  semispinalis  und  Spinalis  dorsi. 

Nur  in  sehr  seltenen  Fällen  gibt  der  R.  posterior  des  ersten  Brustnerven  einen  Hautast  ab 
(Frohse  1895). 

3.  Rami  posteriores  der  5  Lendennerven.    Fig.  314,  315. 

Die  Rami  posteriores  der  Lendennerven  teilen  sich  gleichfalls  je  in  einen 
medialen  und  einen  lateralen  Zweig. 

Die  schwachen  medialen  Zweige  sind  Muskelnerven  für  den  M.  multifidus  und  die  Inter- 
spinales lumbales;  nur  die  unteren  Lendcnnerven  haben  feine  mediale  Hautäste. 

Die  lateralen  Zweige  nehmen  kaudal  an  Stärke  ab,  versorgen  die  Mm.  intertransversarii  lum- 
bales und  den  Lendenteil  des  M.  sacrospinalis.  Die  lateralen  Zweige  der  zwei  unteren  Lendennerven 
erschöpfen  sich  ganz  in  der  Muskulatur;  die  der  drei  oberen  entsenden  durch  den  Iliocostalis  hindurch 
ansehnliche  Hautnerven,  welche  über  die  Crista  iliaca  hinweg  zur  oberen  Gesäßgegend  absteigen  und 
lateral  die  Gegend  des  großen  Trochantcr  erreichen;  sie  werden  Nn.  clunium  superiores  genannt. 


348 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


4.  Rami  posteriores  der  5  Kreuz-  und  des  einen  Steißnerven.     Fig.  314,  315. 

Die  Rami  posteriores  der  vier  oberen  Sakralnerven  treten  durch  die  großen 
Foramina  sacralia  posteriora,  die  des  Sacralis  V  und  Coccygeus  I  durch  den  Seiten- 
teil des  Lig.  sacrococcygeum  posterius  superficiale  nach  hinten.  Durch  auf-  und 
absteigende  Zweige  miteinander  in  Verbindung  tretend,  bilden  sie  ein  Geflecht, 
den  Plexus  sacralis  posterior,  welcher  auf  der  hinteren  Fläche  der  Articulatio 
sacroiliaca  und  dem  Ursprünge  des  Lig.  sacrotuberosum  gelegen  ist  und  folgende 
Zweige  entwickelt: 

1.  Mediale  Zweige.  Sie  innervieren  das  untere  Ende  des  M.  multifidus  und  die  Haut 
über  der  hinteren  Fläche  des  Kreuz-  und  Steißbeines. 


/  Lig. 

samer 


Fig.  317. 

Fig.  317.    Schema  über  den  Verlauf  der  Rr.  meningei  der  Spinalnerven 

in  horizontaler  Projektion.     (Nach  Rüdinger.) 

a   Rückenmark;    b   Dura    mater  spinalis.      1  Stamm   des   R.  meningeus; 

2  Ramus  anterior;    3  vordere  Anastomose;    4  Ramus  posterior;   5  hintere 

Anastomose;   6  Ramus  medius ;   7  Fäden  zur  Dura;  8  Fäden  zur  Pia. 

Fig.  316.     Verlauf  der  vorderen  Zweige  der  Rr.  meningei  der  Spinal- 
nerven.    (Nach  Rüdinger.) 

Fig.   316.  Hintere  Fläche  der  Wirbelkörper  der  Pars  lumbalis. 

longitudinale  posterius,  oberflächliche  Schicht;    //  tiefe  Schicht.     1  Spinalganglion  und  vordere  Wurzel;  2  gemein- 
Spinalnervenstamm;  3  und  4  auf-  und  absteigende  Aste  der  Nn.  meningei  spinales;  5  und  6  Anastomosen;  a  und  b 
auf-  und  absteigende  Aste  der  Ramuli  spinalis;   c  und  d  Anastomosen. 


2.  Laterale  Zweige.  Sie  kommen  nur  den  drei  oberen  Sakralnerven  zu,  durchbohren  den 
Ursprung  des  Glutaeus  maximus  und  gelangen  als  Nn.  clunium  medii  zur  Haut  der  hinteren 
oberen  Gesäßgegend. 

Gelenknerven  für  die  Articulatio  sacroiliaca  werden  nur  von  den  drei  oberen  Sakral- 
nerven abgegeben  (Rüdinger). 

B.  Rami  meningei  der  Spinalnerven.    Fig.  316,  317. 

Von  jedem  N.  spinalis  geht  ein  Ramus  meningeus  ab,  welcher  alsbald  einen  feinen  Zuwachs 
von  Seiten  eines  aus  dem  Nervus  sympathicus  abgegebenen  Fädchens  erhält. 

Er  setzt  sich  demnach  aus  einer  spinalen  (50  Nervenfasern)  und  einer  sympathischen  Wurzel 
(etwa  100  Nervenfasern)  zusammen ;  der  spinale  Anteil  ist  nach  Rüdinger  aus  der  sensiblen  Wurzel 
abzuleiten.  Jeder  Ramus  meningeus  läuft  sogleich  nach  seiner  Entstehung  durch  das  Foramen  oder 
die  Fissura  intervertebralis  zurück  in  den  Wirbelkanal. 

Dort  teilt  er  sich  alsbald  in  zwei  ungleiche  Zweige.  Der  stärkere  Zweig  zieht  im  Wirbelkanal, 
und  zwar  an  der  vorderen  Wand  desselben,  aufwärts,  der  schwächere  abwärts.  Jeder  von  ihnen 
verbindet  sich  mit  dem  ihm  entgegenkommenden  Aste  des  benachbarten  N.  meningeus,  so  daß  hier- 


Rückenmarksnerven.  349 

durch  jederseits  eine  vordere  Längskette  von  zierlichen,  langgestreckten  Ansäe  meningeac  ent- 
steht, welche  in  ihrer  Aufeinanderfolge  die  ganze  Ausdehnung  der  Wirbelsäule  einnehmen,  kranial 
in  das  Kopfgebiet  sich  fortsetzen  und  in  ihrer  Gesamtheit  als  Plexus  meningeus  anterior  be- 
zeichnet werden  können. 

Die  konvexen  Ränder  der  Schlingen  der  rechten  und  linken  Seite  sehen  einander  entgegen 
und  sind  demnach  medianwärts  gerichtet.  Sie  liegen  dabei  in  der  Nachbarschaft  des  Lig.  Iongitu- 
dinale  posterius.  Von  besonderem  Interesse  ist  es  ferner,  daß  die  Schlingen  beider  Seiten  auch  in 
gegenseitige  Verbindung  treten  durch  feine  in  querer  Richtung  ziehende  Fäden  (Ramuli 
transversi),  welche  zwischen  der  oberflächlichen  und  tiefen  Schicht  des  hinteren  Längsbandes 
durchtreten.     Fig.  316. 

Auch  an  der  hinteren  Wand  des  Wirbelkanals  verbreiten  sich  feine  Nerven,  welche  entweder 
von  den  genannten  Rami  meningei  sich  abzweigen  oder  auch  vom  Ramus  communicans  entspringen, 
in  auf-  und  absteigende  Zweige  zerfallen,  Verbindungen  mit  den  Nerven  der  gegenüberliegenden 
Seite  eingehen  können  und  so  einen  Plexus  meningeus  posterior  darstellen.  Über  den  R. 
communicans  siehe  Fig.  310. 

Von  dem  Eintritt  der  Nervenzweige  in  das  Foramen  intervertebrale  bis  zu  ihrem  Ende  findet 
eine  nach  allen  Richtungen  verlaufende  reiche  Verzweigung  statt,  welche  die  Knochen,  den  Band- 
apparat, die  Gefäße,  aber  auch  die  Rückenmarkshäute  versorgt.  Zu  den  letzteren  gelangen  die  Fäden 
in  Begleitung  der  bezüglichen  Gefäße,  nämlich  desRamulus  mediusdes  Ramus  spinalis.  S.Abt. III,  S.343. 

Am  Brust-,  Lenden-,  Kreuzteil  der  Wirbelsäule  sind  die  Verhältnisse  der  Nn.  meningei  in  allen 
wesentlichen  Stücken  übereinstimmend.  Im  Halsteil  bewirkt  der  die  A.  vertebralis  begleitende 
Plexus  vertebralis  eine  gewisse  Abänderung.  Es  entsenden  auch  hier  die  Spinalnerven  und 
Rami  communicantes  die  Nn.  meningei,  doch  beteiligt  sich  der  Plexus  vertebralis  selbst  an  der 
Versorgung  des  Wirbelkanals. 

An  allen  Orten  sind  die  betreffenden  Nerven  mehr  oder  weniger  eng  von  Arterien  (Rami 
spinales)  und  ihren  Verzweigungen  begleitet. 

Es  wurde  schon  erwähnt,  daß  die  Nervenverbreitung  an  den  Wänden  der  Schädelhöhle 
wesentlich  denselben  Regeln  folgt;  die  hierher  gehörigen  Nerven  sind  bereits  bei  den  Gehirnnerven 
als  Rami  meningei  der  drei  Äste  des  Trigeminus,  des  Vagus  und  Hypoglossus  beschrieben  worden ; 
auch  diesen  gesellen  sich  sympathische  Fäden  zu. 

Vergleicht  man  das  Verbreitungsgebiet  der  Rami  meningei  und  ihren  Ursprung  mit  den  Ver- 
hältnissen des  Ramus  anterior,  posterior  und  communicans,  so  stellen  jene  eine  so  eigenartige  Gruppe 
dar,  daß  sie  nicht  als  Anhang  eines  der  drei  anderen  Astsysteme,  sondern  als  ein  besonderes,  den 
übrigen  gleichwertiges  Astsystem  sich  geltend  machen. 

C.  Rami  anteriores  der  Spinalnerven.     Fig.  2,  310. 

Allgemeines.  Das  Versorgungsgebiet  der  vorderen  Äste  der  Spinalnerven  umfaßt  die  Haut 
und  Muskulatur  des  vorderen  Abschnittes  der  Leibeswand,  daher  auch  die  Haut  und  Muskulatur  der 
Extremitäten;  denn  letztere  stellen  besonders  gestaltete  Auswüchse  der  ventralen  Leibes- 
wand dar.  Da  ein  Teil  der  ventralen  Leibeshaut  bei  der  Ausbildung  der  äußeren  Genitalien  Ver- 
wendung findet,  so  gehören  auch  letztere  zum  ausgedehnten  Versorgungsgebiet  der  ventralen 
Äste  der  Rückenmarksnerven. 

Die  Rr.  antt.  benachbarter  Spinalnerven  treten  häufig  miteinander  in  Verbindung,  indem  ein 
Nerv  in  den  benachbarten  ganz  oder  zum  Teil  übergeht.  Dadurch  entstehen  spitzwinkelige,  selten 
bogenförmige  Schlingen,  welche  Ansäe  genannt  werden.  Sie  sind  unbeständig  im  Bereich  der 
Brustnerven,  an  allen  anderen  Spinalnerven  aber  stets  vorhanden  und  bilden  den  Anfang  der  sechs 
verschiedenen  Plexus.  Zu  diesen  treten  die  vorderen  Äste  von  meist  vier  Spinalnerven  zusammen; 
wobei  jedoch  auch  hier  schon  zu  bemerken  ist,  daß  die  Verteilung  nicht  so  genau  erfolgt,  wie  in 
der  folgenden  Übersicht,  sondern  daß  größere  oder  geringere  Teile  einzelner  vorderer  Äste  zu  dem 
angrenzenden  Plexus  ziehen.  (Genaueres  darüber  wird  bei  den  einzelnen  Plexus  gesagt  werden). 
Es  enthält: 

1.  Der  Plexus  cervicalis  die  vorderen  Äste  der  vier  oberen  Cervikalnerven. 

2.  Der  Plexus  brachialis  die  vorderen  Äste  der  vier  unteren  Cervikal-  und  des  ersten 
Thorakalnerven. 

3.  Der  Plexus  lumbalis  die  vorderen  Äste  der  vier  oberen  Lumbalnerven. 


350  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

4.  Der  Plexus  sacralis  die  vorderen  Äste  des  fünften  Lumbal-  und  der  drei  oberen 
Sakralnerven. 

5.  Der  Plexus  pudendus  den  vorderen  Ast  des  vierten  Sakralnerven  und  einen  Teil 
des  dritten. 

6.  Der  Plexus  coecygeus  den  vorderen  Ast  des  fünften  Sakralnerven,  den  N.  coccy- 
geus  und  einen  Teil  des  dritten  Sakralnerven. 

/.  Das  Halsgeflecht,  Plexus  cervicalls.     O— OV.     Fig.  318—325. 

Der  Plexus  cervicalis  besteht  aus  den  durch  anastomotische  Äste  zu  einem 
Geflechte  verbundenen  Rami  anteriores  der  vier  oberen  Halsnerven,  in 
kurzer  Bezeichnung  aus  Ci— IV1).  Die  Schlingen  selbst  heißen  Ansäe  cervicales, 
deren  somit  drei  am  Plexus  cervicalis  vorhanden  sind:  Ansa  cervicalis  prima, 
seeunda  und  tertia.  Die  Ansa  quarta,  nicht  beständig  vorhanden,  verbindet  den 
Plexus  cervicalis  mit  dem  Plexus  brachialis;  die  erste  Schlinge,  zwischen  Ci  und 
Cll  gelegen,  heißt  auch  Ansa  atlantis;  sie  läuft  über  die  vordere  Fläche  des 
Querfortsatzes  des  Atlas. 

Der  Ramus  anterior  des  ersten  Halsnerven  hat  bei  seiner  Trennung  vom  Ramus  posterior  im 
Sulcus  arteriae  vertebralis  des  Atlas  seine  Lage  und  wird  von  der  A.  vertebralis  bedeckt;  an  der  vor- 
deren Seite  der  Halswirbelsäule  kommt  er  zwischen  dem  Rectus  capitis  anterior  und  dem  Rectus 
capitis  lateralis  zum  Vorschein.  Gl  tritt  zwischen  der  A.  vertebralis  und  dem  M.  intertransversarius 
posterior  I  hervor;  Cm— Cvin  betreten  das  vordere  Halsgebiet  durch  die  Lücke  zwischen  dem 
Intertransversarius  posterior  und  anterior.  Medial  und  vorn  befinden  sich  die  Insertionszacken 
der  Mm.  longus  capitis,  longus  colli,  scalenus  anterior;  lateral  und  hinten  liegen  die  Insertions- 
zacken des  Scalenus  medius,  Levator  scapulae  und  Splenius  colli. 

Der  Plexus  cervicalis  liegt  zur  Seite  der  betreffenden  Halswirbel  vor  den 
Muskeln,  welche  an  den  hinteren  Höckern  der  Querfortsätze  inserieren,  und  wird 
vom  oberen  Teil  des  M.  sternocleidomastoideus  bedeckt. 

a)  Verbindungszweige  des  Plexus  cervicalis. 

1.  Verbindungszweige  von  Cm  mit  dem  Accessorius  vor  dessen  Eintritt  in  den  Sternoclei- 
domastoideus. 

2.  Verbindungszweige  von  Ci— w  mit  dem  Hypoglossus. 

3.  Rami  communicantes  mit  dem  Grenzstrange  des  Sympathicus. 

4.  Ein  Verbindungsfaden  von  Ci  zum  Plexus  vertebralis. 

5.  Ein  Verbindungsfaden  von  Civ  zu  Cv. 

b)  Hautäste  des  Plexus  cervicalis. 
1.  N.  occipitalis  minor.  Fig.  295,  318. 
Er  stammt  meist  aus  der  Ansa  seeunda  und  kommt  am  hinteren  Rande  des 
M.  sternocleidomastoideus,  oberhalb  der  Mitte  desselben  zum  Vorschein.  Auf  dem 
M.  splenius  capitis  steil  aufwärts  ziehend  und  die  Insertionssehne  des  M.  sternocleido- 
mastoideus kreuzend,  spaltet  er  sich  meist  in  zwei  Äste,  welche  die  laterale  Hinter- 
hauptgegend versorgen  und  mit  dem  N.  occipitalis  major  einerseits,  andererseits 
mit  dem  N.  auricularis  magnus  in  Verbindung  treten.  Bei  früherer  Teilung  heißt 
der  vordere,  meist  feinere  Zweig  N.  occipitalis  minor  seeundus. 

2.  N.  auricularis  magnus.    Fig.  295,  318. 
Er  ist  gewöhnlich  der  stärkste  Plexusast.     Er  stammt  aus  Cm,  kommt  nahe 
unterhalb  des  Occipitalis  minor  am  hinteren  Rande  des  M.  sternocleidomastoideus 

')  Im  Folgenden  bezeichnet,  um  nicht  den  schleppenden  Ausdruck  Ramus  anterior  eines  be- 
stimmten Segmentalnerven  wiederholen  zu  müssen,  C,  Th,  L,  S,  Co  immer  nur  den  vorderen  Ast, 
nicht  den  ganzen  segmentalen  Nerven.    In  romischer  Ziffer  ist  das  Segment  ausgedrückt. 


Rückcnmarksnerven.  351 

zum  Vorschein,  tritt  sofort  auf  die  Außenfläche  des  letzteren  und  zieht  hinter  der 
V.  jugularis  externa,  anfangs  noch  vom  Platysma  bedeckt,  aufwärts  in  der  Richtung 
zum  Ohrläppchen.  In  der  Höhe  des  Angulus  mandibulae  teilt  er  sich  in  einen 
hinteren  und  einen  vorderen  Endast.  Der  Ramus  posterior  verzweigt  sich  in 
der  hinter  dem  Ohr  gelegenen  Haut,  sowie  in  der  hinteren  Haut  der  Ohrmuschel  und 
verbindet  sich  hier  mit  Fäden  der  Nn.  occipitalis  minor  und  auricularis  posterior. 
Der  Ramus  anterior  gelangt  zur  Haut  der  Regio  parotideo-masseterica,  des 
Ohrläppchens,  der  konkaven  Fläche  der  Ohrmuschel. 

3.  N.  cutaneus  colli.    Fig.  318. 

Er  geht  meist  aus  Cm  hervor,  zieht  dicht  unterhalb  des  N.  auricularis  magnus, 
vom  Platysma  bedeckt,  fast  horizontal  über  die  äußere  Fläche  des  M.  sternocleido- 
mastoideus  nach  vorn  gegen  das  Zungenbein  und  teilt  sich  in  einen  oberen  und 
einen  unteren  Ast.  Der  obere  Ast  ist  die  Fortsetzung  des  Stammes,  gibt  auf- 
steigende Zweige,  Rami  superiores,  zur  Haut  der  Regio  suprahyoidea.  Einer 
dieser  Zweige  anastomosiert  mit  einem  absteigenden  Faden  des  Ramus  colli  n. 
facialis.  Dadurch  kommen  motorische  Fäden  des  Facialis  zum  unteren  Teil  des 
Platysma,  welches  allein  vom  Facialis  innerviert  wird  (Sappey,  v.  Bardeleben). 

Der  untere  Ast  ist  entweder  ein  einzelner  Nerv  oder  besteht  aus  mehreren 
Fäden,  Rami  inferiores,  welche  das  Platysma  durchbrechen  und  die  Haut  der 
Regio  infrahyoidea  versorgen. 

4.  Nn.  supraclaviculares.    Fig.  318,  326,  327. 

Das  an  Zahl  der  Äste  variable,  starke  Bündel  geht  aus  CIV  hervor  und  kommt 
am  hinteren  Rande  des  M.  sternocleidomastoideus,  dicht  unterhalb  des  N.  cutaneus 
colli,  in  einer  Reihe  von  Zweigen  zum  Vorschein.  Von  hier  strahlen  die  Zweige 
absteigend  teils  nach  vorn,  teils  nach  hinten,  teils  lateralwärts  aus  und  werden  vom 
Platysma  bedeckt,  das  sie  nur  als  feine  Zweige  durchbohren.  Den  weiten  Raum 
einnehmend,  welcher  sich  von  der  Incisura  jugularis  bis  zum  Akromion  erstreckt, 
verlassen  sie  die  untere  Halsgrenze  und  treten  in  drei  Gruppen  über  das 
Schlüsselbein  zur  Haut  der  Brust  und  der  Schulter. 

Die  vordere  Gruppe,  Nn.  supraclaviculares  anteriores,  wird  meist 
durch  einen  stärkeren  Nerven  dargestellt,  welcher  sich  in  6 — 8  Fäden  teilt.  Diese 
überschreiten  das  Sternalende  des  Schlüsselbeines  und  versorgen  die  Haut  vor  den 
oberen  medialen  Teilen  des  M.  pectoralis  major.  Einige  Fäden  treten  zum  Sterno- 
claviculargelenk  (Rüdinger). 

Die  mittlere  Gruppe,  Nn.  supraclaviculares  medii,  besteht  meist 
aus  drei  Zweigen,  welche  die  Mitte  des  Schlüsselbeines  übersteigen  und  sich  in 
der  Haut  der  lateralen  oberen  Brustgegend  bis  zur  vierten  Rippe  verzweigen. 
Fig.  326. 

Die  hintere  Gruppe,  Nn.  supraclaviculares  posteriores,  besteht  meist 
aus  einem  Nerven,  welcher  den  vorderen  Rand  des  M.  trapezius  überschreitet, 
sich  teilt  und  die  Haut  versorgt,  welche  den  vorderen  Teil  des  Deltoideus  bedeckt 
und  die  Akromialgegend  einnimmt  (Fig.  318,  327).  Aus  dieser  Gruppe  zweigt  sich 
ein,  öfters  auch  selbständig  entspringender  motorischer  Faden  ab,  welcher  sich 
mit  dem  N.  accessorius  verbindet  und  mit  ihm  zum  M.  trapezius  zieht.  -  -  Über 
die  sensiblen  Gebiete  des  Plexus  cervicalis  vergl.  Fig.  290,  319,  320. 

Raubek-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.Abt.  19 


352 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


c)  Muskeläste  des  Plexus  cervlcalis. 

1.  Segmental  geordnete  Zweige  für  die  tiefen  vorderen  Halsmuskeln. 

Longus  colli,  Longus  capitis,  Rectus  capitis  anterior,  Rectus  capitis  lateralis,  Intertransversarii, 
Scalenus  anterior  und  medius,  Levator  scapulae. 

2.  N.  cervicalis  descendens  inferior. 

Er  ist  bereits  unter  den  Verbindungen  mit  dem  Hypoglossus  erwähnt  worden;  entsteht  aus 
Fäden  von  Oi-Civ,  die  sich  unter  spitzen  Winkeln  zu  einem  Stämmchen  vereinigen.    Dieses  zieht 


N.  auricularis  post.  des  Facialis 
Äste  vom  N.  auricularis  magnus  < 

N.  occipitalis  major 
"N.  occipitalis  minor 

Ramus  post. des  N. auricularis  magnus 


N.  facialis 


N.  occipitalis  minor 
N.  auricularis  magnus  {Ramus  ant 

N.  occipitalis  minor 

N.  accessorius  — 

Hintere  Äste  des  N.  occipitalis  minor  II 

N.  c  utaneus  colli 

Ast  zum  M.  levator  scapulae 

Nn.  supraclaviculares  postt.   < 


R.  trapezius 


Nn.  supraclaviculares     , 
medii 


Anastomose  des 

N.  facialis  mit  dem 

N.  cutaneus  colli 


Fig.  318. 

Hautnerven  des  Plexus  cervlcalis.     (Nach  Hirschfeld  und  Leveille.)     1:3. 
Auf  der  linken  Seite  sind  die  Hautäste  des  Plexus  durch  gesperrten  Druck  hervorgehoben. 


vor  der  V.  jugularis  interna,  bedeckt  vom  M.  sternocleidomastoideus  medianwärts  und  abwärts,  um 
sich  oberhalb  der  Zwischensehne  des  M.  omohyoideus  mit  dem  N.  cervicalis  descendens  superior 
(Ramus  descendens  hypoglossi)  zur  Ansa  hypoglossi  (siehe  S.  336)  zu  verbinden.  Die  zu  inner- 
vierenden Muskeln  sind:  Sternohyoideus,  Sternothyreoideus,  Thyreohyoideus,  Geniohyoideus,  Omo- 
hyoideus. 

3.  R.  sternocleidomastoideus. 

Er  stammt  aus  Cm  und  geht  im  Muskelfleische  eine  Verbindung  mit  dem  Accessorius  ein. 

4.  Ramus  trapezius.     Fig.  318. 

Ein  ansehnlicher  Nerv,  welcher  besonders  aus  ClV,  teilweise  aus  Cm  entsteht 
und  häufig  als  Bestandteil  der  Nn.  supraclaviculares  erscheint.     Er  tritt  dicht  unter- 


Riickenmarksiicrven. 


353 


halb  des  N.  accessorius  an  die  Oberfläche,  zieht  parallel   neben  diesem  zum  M. 
trapezius  und  hilft  ihn  versorgen.    Beide  Nerven  können  plexusartige  Verkettungen 

miteinander  bilden. 

5.  N.  phrenicus.     Fig.  301,  328,  329. 

Geht  aus  Gv  hervor;  CHI  oder  Cv  senden  ihm  eine  feine  Wurzel  zu.  Über- 
wiegend motorisch,  enthält  er  auch  sensible  Fasern,  welche  für  Teile  des  Herz- 
beutels, des  Brust-  und  Bauchfelles  bestimmt  sind.  In  den  für  das  Pericardium 
und  die  Pleura  bestimmten  Zweigen  kommen  vereinzelt  Vater-Pacinische  Körper- 
chen vor  (Rauber). 

Der  N.  phrenicus  zieht  auf  der  vorderen  Fläche  des  M.  scalenus  anterior 
abwärts,  sowie  medianwärts  und  gelangt  so  vor  die  A.  subclavia.     Zwischen  ihr 


Fig.  320. 

Fig.  320.     Rekonstruktion  der  Hautnerven   des  Halses  in   einem   frühen 
Stadium  der  Entwicklung. 

//,  111  und  IV  zweites  bis  viertes  Dermatom ;  a  erste  Kiemenspalte;  b  Gehör- 
bläschen. Der  Verlauf  des  M.  sternocleidomastoideus  ist  durch  zwei  ausgezogene 
Linien  angedeutet.     Zur  Erklärung  der  Bahnen   der  Hautnerven  des  Halses. 
Fig.   319.  (L.  Bolk,  1898.) 

Fig.  319.     Die  sensiblen  Bezirke  des  2.,  3.  und  4.  Cervikalnerven.     (L.  Bolk.) 


und  der  V.  subclavia,  hinter  der  Articulatio  sternoclavicularis,  betritt  der  Nerv  die 
Brusthöhle  und  befindet  sich  beim  Eintritt  in  dieselbe  meist  an  der  medialen 
Seite  der  A.  mammaria  interna.  Hierauf  zieht  er  mit  den  Vasa  pericardiacophrenica 
über  die  vordere  Fläche  der  Pleurakuppel  hinweg  an  deren  mediale  Seite  und 
begibt  sich  von  hier  aus  vor  der  Lungenwurzel,  zwischen  dem  Pericardium  und 
der  Pleura  pericardiaca,  abwärts  und  rückwärts  zur  oberen  Fläche  des  Zwerch- 
felles. Daselbst  teilt  er  sich  in  seine  meist  rechtwinkelig  zum  Stamme  ausstrahlen- 
den Endäste. 

Die  Bahn  beider  Phrenici  ist  keine  ganz  gleiche.  Der  linke  zieht  in  einem 
vom  konkaven  Bogen  zum  Zwerchfell,  indem  er  sich  hinter  der  Herzspitze  herum- 
biegt; der  rechte  verläuft  an  der  lateralen  Seite  der  V.  anonyma  dextra  und  so- 
dann der  V.  cava  superior;  er  erreicht  das  Zwerchfell  etwas  vor  und  lateral  vom 
Foramen  venae  cavae.  Der  linke  hat  einen  größeren  Weg  zurückzulegen  und  ist 
um  V,  länger.  Der  Zwerchfelleintritt  liegt  für  den  rechten  Phrenicus  weiter  hinten 
und  medial,  für  den  linken  weiter  vorn  und  lateral. 

19* 


354 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


In  der  Brusthöhle  gibt  der  Phrenicus  den  feinen  Ramus  pericardiacus 
zur  Vorderfläche  des  Herzbeutels  ab.  Einzelne  feine  Fäden,  Rami  pleurales, 
treten  von  Strecke  zu  Strecke  zur  Pleura.  Die  starken  Endäste  des  Nerven, 
Rami  diaphragmatici,  sind  nicht  in  allen  ihren  Teilen  motorischer  Art.  Der 
Phrenicus  dexter  zerfällt  in  einen  vorderen  und  hinteren,  der  Phrenicus  sinister  in 
einen  vorderen,  hinteren  und  seitlichen  Endast.  —  Aufschluß  über  die  Bahn  des 
Phrenicus  gibt  Fig.  321. 

Die  von  Luschka  beschriebenen  feinen  Fäden  des  rechten  Phrenicus,  welche  durch  die  sterno- 
costale  Ursprungslücke  des  Zwerchfelles  zum  Peritonaeum  parietale  der  vorderen  Bauchwand, 

sowie  zum  Lig.  falciforme  der  Leberziehen  sollen,  existieren  nach  mikro- 
skopischen Untersuchungen  von  Ramström  nicht  (Anat.  Hefte  1906). 
Der  Ramus  posterior  entsendet  jederseits  einen 
Ramus  phrenicoabdominalis  (rechts  durch  das 
Foramen  venae  cavae,  links  durch  eine  Zacke  des  Lenden- 
teiles oder  durch  den  Hiatus  oesophageus)  an  die  untere 
Zwerchfellfläche.  An  beiden  Seiten  treten  sie  mit  Zweigen 
des  Sympathicus  zu  einem  gangliösen  Geflecht, 
Plexus  phrenicus,  zusammen.     Siehe  Sympathicus. 

Außer  der  soeben  erwähnten  unteren  Verbindung  mit  dem 
Sympathicus  kommt  auch  eine  obere  vor;  denn  schon  im  unteren 
Halsteile  schickt  das  Ganglion  cervicale  inferius  oder  thora- 
cale  primum,  zuweilen  auch  das  Ganglion  cervicale  medium  des 
Sympathicus  ihm  ein  Fädchen  zu. 

Die  oben  genannte  feine  Wurzel  des  Phrenicus  aus  Cm  kann 
eine  Strecke  weit  in  der  Ansa  hypoglossi  verlaufen  und  bei  ihrem 
Abgange  als  ein  Ast  des  Hypoglossus  erscheinen.  Häufig  gibt  endlich 
der  N.  subclavius  einen  Zweig  an  den  N.  phrenicus  ab. 


°t 


Fig.  321. 

Erklärung  der  Bahn  des 
N.  phrenicus. 
5.  Halswirbel.  D  Diaphragma;  St. 
Sh  M.  sternothyreoideus  und  sterno- 
hyoideus;  Sa,  Sm  Scalenus  anterior 
und  medius,  welche  einem  M.  inter- 
costalis  internus  und  externus  ent- 
sprechen ;  Sv  Mm.  subvertebrales 
(Longus-Gruppe);  der  gestrichelte 
Nerv  deutet  an,  wie  der  N.  phrenicus 
verlaufen  müßte,  wenn  das  Dia- 
phragma   von    der    Subvertebralis- 

Gruppe  abstammen  würde. 
(L.  Bolk,  1894.) 


2.  Das  Armgeflecht,  Plexus  brachialis. 
CV-CVIII,  Thl.    Fig.  322—341. 

In  die  Bildung  des  Plexus  brachialis  treten  CV— CVIII 
(ihre  Rami  anteriores)  vollständig,  ClV  mit  einem  Faden, 
Thl  zum  größten  Teil  ein.  Öfters  sendet  auch  Thll  eine 
feine  Wurzel  zum  Geflecht.  Dazu  kommt  in  der  Achsel- 
höhle eine  konstante  Verbindung  mit  dem  Ramus  cutaneus 
lateralis  von  Thll  (als  N.  intercostobrachialis). 

Der  erste  Brustnerv  sendet  ebenso  wie  die  folgenden  Brust- 
nerven, seinen  Ramus  posterior  durch  den  zugehörigen  Intercostalraum  zur  Seite  des  Wirbcl- 
körpers  dorsalwärts.  Sein  Ramus  anterior  aber  zerlegt  sich  sogleich  in  zwei  sehr  ungleiche 
Aste,  in  den  dünnen  Ramus  intercostalis  und  in  den  starken  Ramus  brachialis;  der  letztere 
stellt  eine  kaudale  Wurzel  des  Armgeflechtes  dar  und  zieht  sofort  über  die  erste  Rippe  aufwärts. 

Hiernach  hat  das  Armgeflecht  fünf  bis  sechs  Wurzeln  von  verschiedener 
Stärke.  Von  CV—  CVII  nimmt  die  Stärke  der  Wurzeln  zu,  darauf  wieder  ab. 
Fig.  324,  325. 

Die  Wurzeln  des  Geflechtes  treten  zwischen  den  Mm.  intertransversarii  anteriores  und  poste- 
riores durch  und  kommen  in  der  Scalenusspalte  zum  Vorschein,  indem  sie  bei  ihrem  Austritt  die 
Ursprünge  des  Scalenus  medius  hinter  sich,  diejenigen  des  Scalenus  anterior  vor  sich  haben 
(Fig.  328,  329).  Die  drei  oberen  Wurzeln  haben  absteigende,  die  vierte  horizontale,  die  fünfte 
(und  sechste)  aufsteigende  Richtung.  Sie  alle  aber  treten  unter  spitzen  Winkeln  in  Verbindung 
miteinander  und  bilden  dadurch  den  Anfang  des  Armgeflechtes,  welches  durch  mehrfache  weitere 
Umordnungen  der  Stränge  vervollständigt  wird.    Die  Geflechtbildung  nämlich  dehnt  sich  noch  bis 


Rückenmarksnerven. 


355 


unter  das  Schlüsselbein  aus  und  gelangt  erst  in  der  Achselhöhle  zum  Abschluß.  Im  ganzen  hat 
also  das  Armgeflecht  eine  große  Längsausdehnung,  welche  sich  von  der  Scalenusspalte  bis  zur 
Achselhöhle,  und  zwar  bis  zum  Humeruskopf  erstreckt  (ca.  15— 20  cm).  Die  Richtung  des  Geflechtes 
ist  schräg  absteigend;  zugleich  konvergieren  die  Bündel  gegen  die  Achselhöhle.  Da  das  Schlüssel- 
bein das  Geflecht  kreuzt,  unterscheidet  man  eine  in  der  Fossa  supraclavicularis  gelegene  Pars 
supracla  vicula  ris,  und  eine  in  der  Fossa  axillaris  gelegene  Pars  inf  raclavicula  ris. 

Die  Pars  supraclavicularis  liegt  lateral  und  hinter  dem  unteren  Teil  des  M.  sternocleido- 
mastoideus  und  wird  vom  unteren  Bauch  des  Omohyoideus  gekreuzt.  Die  drei  oberen  Wurzeln  des 
Plexus  liegen  oberhalb  der  A.  subclavia,  die  beiden  oder  drei  unteren  aber  dorsal  von  der  Arterie. 
Die  A.  transversa  colli  kommt  entweder  zwischen  den  Bündeln  des  Plexus  zum  Vorschein  oder 
zieht  vor  ihnen  hinweg. 

Die  Pars  inf  racla  vicula  ris  wird  von  den  Mm.  pectoralis  minor  und  major  bedeckt;  ihr  Ende 
liegt  zwischen  dem  M.  subscapularis  und  dem  M.  serratus  anterior  eingebettet.  Die  A.  axillaris  tritt 
von  der  vorderen  Fläche  des  Plexus  durch  den  von  den  beiden  Wurzeln  des  N.  medianus  gebildeten 
Schlitz  hindurch,  wird  von  der  Medianusschlinge  umfaßt  und  gelangt  dadurch  an  die  hintere  Seite 
dieses  Nerven. 

Art  der  Geflechtbildung.    Fig.  322—325. 

Sie  ist  eine  typische,  wenn  auch  in  den  Einzelheiten  der  Verbindungen  und  Teilungen  der 
Nervenstränge  viele  Variationen  vorkommen.  Aus  dem  Geflecht  sondern  sich  drei  mächtige  Längs- 
stämme für  den  freien  Teil  der  Extremität:  N.  radialis,  medianus,  ulnaris-  Um  diese  aus  dem 
Geflecht  hervorgehen  zu  lassen,  findet  folgende  typische  Vereinigung  und  Spaltung  der  Plexus- 
wurzeln  statt. 


Fig.  322. 
C5,  C",  C\  C5  fünfter. 


V 
VI 

VW 

I 


Fig.  323. 


Schema  des  Plexus  brachialis. 

sechster,   siebenter  und  achter  Halsnerv  (ven- 
traler Ast);  D1  ventraler  Ast-des  ersten  Brustnerven;  /,  //,  ///  erster, 
zweiter,  dritter  primärer  Stamm  des  Plexus;  ein  jeder  gibt  einen  vor- 
deren Ast  a1,  a-,  a:i  und  einen  hinteren  Ast  pl,  p2,  pz  ab;    al  und  a?  vereinigen   sich  zum  oberen  sekundären  Stamme  1; 
a3  bildet  den  unteren  sekundären  Stamm  ;  aus  der  Vereinigung  der  drei  hinteren  Aste  entsteht  2,  der  hinlere  sekundäre  Stamm . 

Fig.  323.    Zweites  Schema  des  Plexus  brachialis. 

V — /  Ramus  anterior  cervicalis  V — VIII  und  thoracalis  I.     Die  zur  Bildung  des  hinteren  Stammes  (/■)  zusammentretenden 

Faserteile  sind  punktiert;   r  N.  radialis;   mc  N.  musculocutaneus;  m  N.  medianus;   u  N.  ulnaris. 


Wie  das  Schema  Fig.  322  zeigt  und  auch  aus  den  Verhältnissen  der  Fig.  324  und  325  heraus- 
zufinden ist,  vereinigen  sich  zuerst  die  Plexuswurzeln  Thl  und  Cvm,  meist  noch  innerhalb  der  Scale- 
nusspalte. Etwas  außerhalb  der  letzteren  vereinigen  sich  die  beiden  oberen  Wurzeln  Cv  und  Cvi 
miteinander.  Die  mittlere  Wurzel  Cvii  bildet  zunächst  einen  mittleren  Stamm.  Mit  letzterem  sind 
nunmehr  drei  Stränge,  Fasciculi  primarii  (Schwalbe)  vorhanden.  Aus  ihnen  gehen  die 
sekundären  Stränge  in  folgender  Weise  hervor:  Jeder  der  drei  primären  Stränge  teilt  sich  in  einen 
vorderen  und  hinteren  Ast.  Die  hinteren  Äste  treten  zu  einem  einzigen  Strange  zusammen, 
Fasciculus  posterior  (2).  Der  zweite  sekundäre  Strang,  Fasciculus  lateralis  (superior)  (1), 
wird  durch  die  Vereinigung  der  Reststränge  a1  und  a-  gebildet.  Der  dritte  sekundäre  Strang, 
Fasciculus  medialis  (inferior)  (3),  besteht  aus  dem  Reststrange  a3. 

Der  Fasciculus  posterior  liefert  als  Hauptnerven  den  N.  radialis;  die  Fasciculi  lateralis  und 
medialis  gehen  eine  neue  Teilung  in  je  zwei  Äste  ein;  von  diesen  vier  Ästen  vereinigen  sich  die 
beiden  mittleren  spitzwinkelig  zum  N.  medianus;  die  ihn  zusammensetzenden  beiden  Aste  stellen 
den  Medianusschlitz  dar.  Der  übrig  bleibende  obere  Randnerv  ist  der  N.  musculocutaneus;  der 
stärkere  untere  Randnerv  läßt  den  N.  ulnaris  und  die  beiden  reinen  Hautnerven  des  Armes,  den 
N.  cutaneus  brachii  medialis  und  den  N.  cutaneus  antibrachii  medialis  hervorgehen. 

Fast  einfacher  noch  ist  es,  jede  der  fünf  Wurzeln,  wie  in  Fig.  323,  sich  in  einen  vorderen  und 


356 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


einen  hinteren  Ast  spalten  zu  lassen ;  die  hinteren  Aste  treten  zusammen  zur  Bildung  des  Nervus  radialis 
und  mehrerer  kleinerer  Nerven.  Von  den  vorderen  Ästen  treten  zunächst  I  und  VIII  zu  einem  Stamme 
zusammen,  darauf  VII,  VI  und  V.    Aus  letzterem,  dem  oberen  Stranggebiet,  entwickeln   sich   der 


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Cvni 

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„>"**"     ^fß^  Fig.  324.  Fig.  325. 

■  Lyo^r  Fig.  324.    Plexus  cervicalis  und  brachialis.    (P.  Eisler.)    Ventralansicht. 

h  X.  hypoglossus;  dft  kam.  descendens  n.  hypoglossi,  mit  de  X,  cervicalis  desc.  inf.  die  Ansa  hypoglossi  bildend;  om  N.  occi- 
pitalis  min.;  au  N.  auricular.  magn. ;  sec  N.  cutan.  colli;  a  Verstärkung  des  N.  accessorius ;  spe  Xn.  supraclaviculares; 
p  N.  phrenicus;  ds  X.  dorsalis  scapulae;  sps  X.  suprascapularis;  $s  Xn.  subscapulares;  sc  X.  subclavius;  ax  N.  axillaris; 
co  X.  coracobrachialis;  /?  X.  radialis;  mc  N.  musculocutaneus;  M  X.  medianus;  ta  Xn.  thoracales  anteriores;  tl  X.  thora- 
calis  longus;   U  N.  ulnaris ;  cm  X.  cut.  antibrachii  medialis ;   ci  N.  cut.  brachii  medialis;   ih  X.  intercostobrachialis. 

Fig.  325.  Schematische  Übersicht  über  die  Anordnung  der  Plexus  cervicalis  und  brachialis 
und  Ihrer  Verästelungen.  1:3. 
CI  bis  VIII  Wurzeln  der  Halsnerven;  DI  bis  III  Wurzeln  der  drei  ersten  Brustnerven;  p  dorsale  Äste,  p2  des  zweiten. 
ps  des  dritten  Halsnerven.  Plexus  cervicalis:  1  Ansa  cervicalis  prima  und  ihre  Zweige;  2  N.  occipitalis  minor,  aus- 
nahmsweise aus  dem  zweiten  Halsnerven;  3  X.  auricularis  magnus;  3'  X.  cutaneus  colli;  3n  Kommunikationszweig  mit 
dem  X.  accessorius;  35  X.  cervicalis  descendens  inferior;  4  Xn.  supraclaviculares ;  4' X.  phrenicus ;  V,  V/\  VII',  V11V,  D' 
die  fünf  Wurzeln  des  Plexus  brachialis;  5  X.  dorsalis  scapulae;  5'  X.  suprascapularis;  5"  X.  thoracalis  longus;  6  N.  sub- 
clavius; 7,  7'  Xn.  thoracales  anteriores;  8,  8',  8"  Xn.  subscapulares;  mc  X.  musculocutaneus;  rN.  radialis;  m  X.  medianus; 
ax  X.  axillaris;  u  X.  ulnaris;  cm  X.  cutaneus  antibrachii  medialis;  ci  X.  cutaneus  brachii  medialis;  ih  X.  intercosto- 
brachialis;  /,  i,  ;'  Interkostalnerven;    i'  äußerer  Ast  des  dritten  Interkostalnerven. 

N,  musculocutaneus  und  die  obere  Wurzel  des  N.  medianus;  aus  dem  unteren  Strange  entsteht  die 
untere  Wurzel  des  Medianus,  der  Ulnaris  und  der  beiden  reinen  Hautnerven  des  Armes. 

Eine  noch  weiter  durchgreifende,  auch  auf  die  kleineren  Plexusäste  eingehende  Sonderung 
läßt,  wie  Fig.  324  lehrt,  zwei  große  Gruppen  von  Nerven  unterscheiden,  die  für  die  Beugeseite 
und  die  für  die  Streckseite  der  Extremität  bestimmten.  So  erhält  man  eine  dorsale  und  eine 
ventrale  Abteilung  von  Plexuswurzeln  und  Plexusästen,  welche,  soweit  sie  motorischer  Art  sind, 


357 


N'n.  supraclaviculares  medii 


Clavicula 


M.  pectoralis  major 


Trigonum  dcltoideopectorale 


N.  cutaneus  brachii  lat.  und  i\l.  deltoideus 


M.  latissimus  dorsi 
Offnungen  in  der  Fascia  axillaris 
V.  cephalica  im  Sulcus  delloideopectoralis 

N.  cutaneus  brachii  medialis  und  N.  intercostobrachialis 
N.  cutaneus  antibrachii  medialis  und  V.  basilica 


N.  cutaneus  antibrachii  lat 


M.  serratus  ant. 


Sehne  des  M.  palmaris  longus  und  Ramus  palmaris  n.  mediani 
A.  ulnaris  und  Ramus  cutaneus  palmaris  n.  ulnaris 


Aponeurosis  palmaris 

Aa.  et  Nn.  digitales  volares  communes 


Zipfel  der  Aponeurosis  palmaris 


Fig.  326.     Hautnerven  der  Beugeseite  des  Armes  nebst  den  Hautvenen 

(aus  Corning,  topogr.  Anatomie). 


358 


Nn.  supraclaviculares  postl. 


M.  infraspinatus 


M.  lalissimus  dorsi 


V.  cephalica 


M.  triceps  brachii 


N.  cutaneus  brachii  post. 


N.  cutaneus  antibrachii  dors. 


N.  cutaneus  antibrachii  medialis 


R.  dorsalis  manus  n.  ulnari 


M.  trapezius 


Acromion 


M.  deltoideus 


Laterale  Extensoren 


Mediale  Extensoren 


Ramus  superficialis  n.  radialis 


Venen  des  Dorsum  manus 


Sehnen  des  M.  extensor  digitorum  communis 


Fig.  327.     Hautnerven  der  Streckseite  des  Armes  nebst  den  Hautvenen 

(aus  Corning,  topogr-  Anatomie). 


Rückenmarksnerven.  359 

die  dorsale  und  die  ventrale  Muskulatur  des  Schultcrgürtcls  und  der  Extremität  ZU  innervieren  Ilaben. 
Daß  es  sich  bei  diesen  .dorsalen  Nerven"  der  Extremität  nur  in  topographischer  Hinsicht  um 
dorsale  Gebilde  handeln  kann,  nicht  aber  um  dorsale  Nerven  im  morphologischen  Sinne,  daran  braucht 
nur  erinnert  zu  werden;  denn  wirkliche  dorsale  Nerven  kommen  an  den  Extremitäten  gar  nicht  vor. 

Der  ventralen  Plcxusschicht  entstammen  nach  Eisler:  die  Nn.  thoracales  anteriores,  die  Nn. 
musculocutaneus,  medianus,  ulnaris,  cutaneus  medius;  der  dorsalen  Plcxusschicht  gehören  dagegen 
an':  die  Nn.  dorsalis  scapulac,  thoracalis  longus,  suprascapularis,  axillaris  und  radialis. 

Aus  beiden  Schichten  bezieht  der  N.  cutaneus  antibrachii  medialis  seine  Fasern.  Nicht 
miteinbegriffen  in  den  Plexus  sind  die  kurzen  Nerven  für  den  Stamm. 

Geht  man  in  den  hiermit  angeregten  Betrachtungen  weiter,  so  läßt  sich  leicht  einsehen,  worin 
das  Ideal  der  Untersuchungen  über  den  Plexus  brachialis  gelegen  ist.  Von  jedem  einzelnen  Muskel 
ist  dessen  Ursprung  aus  den  embryonalen  Myotomen  nachzuweisen;  für  jeden  Muskel  aber  das 
zugehörige  neurale  Segment.  Der  Erfüllung  dieser  Aufgaben  ist  die  Forschung  durch  treffliche 
Untersuchungen,  z.  T.  aus  jüngster  Zeit,  schon  sehr  nahe  gerückt;  doch  genügt  es  für  den  Augen- 
blick, auf  diesen  Punkt  die  Aufmerksamkeit  gerichtet  zu  haben  (s.  unten  Neuromeren,  Myomeren  usw. 
und  Skierozonen). 

a)  Verbindungen  des  Plexus  brachialis. 

1.  Ein  Verbindungsfaden  aus  ClV  zu  Cv; 

2.  ein  Verbindungsfaden  aus  Thii  zu  Thi  (die  inkonstante,  an  Kaliber  wechselnde  unterste 
Wurzel  des  Armgeflechtes  bildend); 

3.  starke  Verbindungen  mit  dem  Sympathicus.  Sie  werden  von  den  Plexuswurzeln  abgegeben, 
bevor  sie  zum  Geflecht  zusammentreten. 

b)  Äste  des  Plexus  brachialis. 

In  der  Einteilung  der  zahlreichen  Äste  kann  man  verschiedene  Wege  einschlagen.  Die  beste 
Übersicht  gewährt  es,  zu  unterscheiden  1.  zwischen  Ästen  des  Plexus  brachialis  für  den  Stamm  des 
Körpers,  2.  für  den  Schultergü  rtel  und  3.  für  den  freien  Teil  der  Extremität. 

A.  Nerven  des  Plexus  brachialis  für  den  Stamm. 

Sie  gehen  sofort  nach  dem  Austritt  der  Wurzeln  des  Plexus  aus  den  Foramina 
intervertebralia  von  ersteren  hervor.  Es  sind  Muskelnerven,  welche  die  unteren 
Segmente  der  Mm.  scaleni  anterior  und  medius,  des  Longus  colli  und  den  Scalenus 
posterior  versorgen. 

B.  Nerven  des  Plexus  brachialis  für  den  Schultergürtel. 

1.  Nn.  thoracales  posteriores. 

Es  sind  zwei,  der  N.  dorsalis  scapulae  für  die  Mm.  rhomboidei  und  der 
N.  thoracalis  longus  für  den  M.  serratus  ant. 

a)  N.  dorsalis  scapulae.    Fig.  331. 

Gehört  der  dorsalen  Schicht  an,  zweigt  sich  von  Cv  ab,  durchbohrt  sogleich 
den  M.  scalenus  medius  und  zieht  zwischen  M.  scalenus  posterior  und  M.  levator 
scapulae  zu  den  Mm.  rhomboideus  minor  und  major,  die  er  innerviert;  auch  dem 
M.  levator  scapulae  sendet  er  einen  Zweig  zu.  Häufig  erhält  die  obere  Zacke  des 
M.  serratus  anterior  von  ihm  einen  Faden  (Rieländer).  Er  wird  in  einem  Teil 
seiner  Bahn  von  der  A.  dorsalis  scapulae  begleitet. 

Gaupp,  E.,  Über  die  Bewegungen  des  menschlichen  Schultergürtels  und  die  Aetiologie  der 
sog.  Narkosenlähmungen.    Zentralbl.  f.  Chir.  1894. 

b)  N.  thoracalis  longus.     Fig.  328,  329. 
Entsteht  gewöhnlich  zweiwurzelig  aus  CVund  CVI;  auch  CVII  kann  sich  durch 
einen  Faden  beteiligen.     Der  Nerv  folgt  in  seiner  Bahn  etwa  der  Richtung  der 


360 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Linea  axillaris  und  erschöpft  sich   in  der  Versorgung  der  Zacken  des  M.  serratus 
anterior. 

2.  N.  thoracales  anteriores.    Fig.  328,  329. 

Meist  zwei,  ein  primus  (externus)  und  secundus  (internus).  Der  erstere 
geht  aus  dem  oberen  sekundären  Stamme  hervor,  gelangt  vor  der  A.  und  V. 
subclavia  zur  Innenfläche  des  M.  pectoralis  major  und  verzweigt  sich  in  ihm.  Er 
sendet  einen  Faden  zum  Secundus. 

Der  Secundus  geht  vom  unteren  sekundären  Stamme  hervor,  nimmt  den 
Faden  vom  Primus  auf  und  versorgt  die  Mm.  pectoralis  minor  und  major. 


N.  subclavius 
N.  suprascapularis 


N.  radialis 


N.  thoracalis  ant.  I 

4 


N.  musculocutaneus 
N.  medianus 


N.  ulnaris 

Nn.  subscapularesf  1 
N.  thoracodorsalis  — 


Ansa  n.  hypoglossi 


R.  antt.  nn.  cerv.  V— VIII 


R.  ant.  n.  thor.  1 

M.  phrenicus 

N-  subclavius 

N.  thoracalis  ant.  II 

N.cutaneusantibrachiimed. 

N.  cutaneus  braclui  medialis 

N.  thoracalis  longus 

N.cutaneusbrachii  medialis 


||£t'"N.  intercostobrachialis 

! 


Fig.  328. 

Plexus  brachlalis  und  seine  Verbindungen.    (Hirschfeld  und  Levellle.) 

1    Anastomose  zwischen   dem  N.  thoracalis  ant.  I   und  dem  N.  thor.  ant.  II;    I    Anastomose   zwischen   dem   zweiten   und 

dritten  Interkostalnerven. 

3.  N.  subclavius.    Fig.  328. 
Er   entsteht   aus  dem   primären  oberen  Stamme  des  Plexus,  schickt  häufig 
dem  N.  phrenicus  einen  Faden  zu  und   läuft  lateral  vom  N.  phrenicus  über  den 
M.  scalenus  anterior,  um  hinter  der  Clavicula  in  den  M.  subclavius  einzudringen. 


4.  N.  suprascapularis.  Fig.  328,  331. 
Entspringt  aus  dem  oberen  primären  Stamme  des  Plexus,  gehört  der  dorsalen 
Schicht  an,  zieht  in  der  Fossa  supraclavicularis  längs  des  lateralen  Randes  des 
Plexus  abwärts,  seitwärts,  rückwärts  und  erreicht  längs  des  M.  omohyoideus  die 
Incisura  scnpulae,  um  durch  letztere  die  Fossa  supraspinata  zu  erreichen.  Be- 
deckt vom  M.  supraspinatus  wendet  er  sich  zum  Collum  scapulae  und  unter  dem 


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Rtickenmarksncrven. 


363 


Lig.  transversum  scapulae  inferius  zur  Fossa  infraspinata.     Die  Mm.  supra-  und 
infraspinatus  sowie  die  Schultergelenkkapsel  werden  von  seinen  Zweigen  versorgt. 

5.  Nn.  subscapulares.    Fig.  328,  329. 

Sie  bestehen  aus  2 — 3  von  verschiedenen  Teilen  des  Plexus  ausgehenden 
Nerven,  welche  den  M.  subscapularis  und  den  M.  latissimus  dorsi  versorgen.  Der 
längste  und  chirurgisch  wichtigste  ist  der  N.  thoracodorsalis,  der  am  Margo 
axillaris  der  Scapula  verläuft  und  den  M.  latissimus  dorsi  versorgt. 

Der  N.  subscapularis  superior  geht  aus  Cv  und  Cvi  hervor  und  dringt  in  den  M.  sub- 
scapularis ein. 

Der  N.  subscapularis  medius  entsteht  aus  dem  hinteren  sekundären  Stamme  und  ver- 
sorgt den  lateralen  unteren  Teil  des  M.  subscapularis  und  den  M.  teres  major.  Der  Zweig  für 
letzteren  kann  auch  selbständig  oder 
aus  dem  folgendenNcrven  entspringen. 

Der  N.  subscapularis  in- 
ferior s.  thoracodorsalis  ist  der 
stärkste  der  Gruppe,  entsteht  aus  dem 
hinteren  sekundären  Stamme,  oder 
aus  dem  N.  axillaris,  seltener  aus  dem 
N.  radialis  und  zieht  längs  des  late- 
ralen Skapularandes  zum  M. 
latissimus  dorsi. 


M.  levator  scapulae 
\ 


M.  scalenus  medius  et  post. 

brachialis 
suprascapularis 


Mm.  rhomboidei 

6.  N.  axillaris.     Fig.  329-331. 

Geht  aus  dem  hinteren 
sekundären  Strang  hervor,  zieht 
mit  der  A.  circumflexa  humeri 
posterior,  indem  er  den  Ober- 
armknochen umschlingt,  durch 
die  laterale  Achsellücke  zur 
Innenfläche  des  M.  deltoideus, 
breitet  sich  in  letzterem  aus 
und  gibt  auf  seinem  Wege  den 
Ramus  muscularis  für  den  M.  teres  minor,  sowie  einige  besondere  Äste  ab: 

Rami  articulares  für  das  Schultergelenk,  darunter  ein  Ramus  inter- 
tubercularis  (Rauber). 

N.  cutaneus  brachii  lateralis.  Er  dringt  zwischen  dem  Deltoideus  und 
Caput  longum  tricipitis  zur  Haut  und  strahlt  mit  aufsteigenden,  horizontalen  und 
absteigenden  Zweigen  in  die  über  der  hinteren  Deltoideushälfte  gelegene  Haut, 
sowie  in  die  Haut  der  hinteren  Hälfte  der  oberen  Oberarmhälfte  aus.    Fig.  327,  341. 


Fig.  331. 

Nerven  der  Schulterblattgegend.  (Hirschfeld  und  Leveille.)  1:5. 
/M.  teres  major;  g  M.  latissimus  dorsi;  3  Zweig  für  den  M.  supraspinatus  ; 
4  Zweig  für  den  M.  infraspinatus ;  5_I\L_axillariS4  6  sein  Ast  zum  M.  teres 
minor;  7,7  seine  Zweige  zum  M.  deltoideus;   8  Hautast  des  N.  axillaris. 


C.  Die  Nerven  des  Armes. 

Die  Armnerven  oder  langen  Nerven  des  Plexus  brachialis  werden  in  vordere 
und  hintere,  oder  in  Beuge-  und  Strecknerven  eingeteilt.  Die  vorderen,  fünf  an 
der  Zahl,  entspringen  vom  oberen  und  unteren  sekundären  Strange  des  Plexus; 
der  eine  hintere  ist  der  N.  radialis. 

Von  den  fünf  vorderen  sind  zwei,  der  N.  cutaneus  brachii  medialis  und  der  N.  cutaneus  anti- 
brachii  medialis,  reine  Hautnerven;  die  übrigen,  N.  musculocutaneus,  Medianus  und  Ulnaris,  sind 
gemischter  Art.  Musculocutaneus  und  Medianus  gehen  wesentlich  aus  dem  lateralen  sekundären 
Strange  hervor;   Ulnaris,   Cutaneus   brachii   medialis  und   Cutaneus  antibrachii  medialis  aus  dem 


364  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

medialen.    Jene  beiden  bilden  die  kraniale,  dem  Kopfe  nähere  Gruppe  der  vorderen  Armnerven; 
die  drei  letzteren  bilden  die  kaudale,   vom   Kopfe  entferntere  Gruppe  der  vorderen  Armnerven. 

1.  IM.  musculocutaneus.    Fig.  326,  329,  330,  332,  338—341. 
Aus   der  Art   seines  Ursprunges   ergibt   sich,   daß   er  auch  als  ein  Ast  des 
Medianus  betrachtet   werden   konnte  (Arnold).     Anfangs  an  der  lateralen  Seite 

des  Medianus  befindlich,  entfernt  er  sich  allmählich  von  ihm,  durchbricht  den  M. 
coracobrachialis,  zieht  nun  zwischen  Brachialis  und  Biceps  brachii  zur  lateralen 
Seite  der  Bicepssehne  und  durchbohrt  oberhalb  der  Fossa  cubiti  die  Fascia  brachii. 
Subkutan  geworden,  nimmt  er  den  Namen  A7.  cutaneus  antibrachii  lateralis  an 
und  teilt  sich  in  zwei  Endzweige,  einen  dorsalen  und  einen  volaren,  welche  von 
der  radialen  Seite  des  Vorderarmes  bis  zur  Gegend  des  Handgelenkes  und 
Daumenballens  verlaufen.  Fig.  326,  332,  340,  341. 
Seine  Oberarmzweige  sind  folgende: 

a)  der  Nerv  für  den  M.  coracobrachialis; 

b)  der  Nerv  für  die  beiden  Köpfe  des  Biceps  brachii; 

c)  der  Nerv  für  den  Brachialis,  der  auch  Fäden  für  das  Ellenbogengelenk  führt; 

d)  ein  nicht  konstanter,  in  manchen  Fällen  aber  mehrfach  vorhandener  variabler  Ve  rbindungs- 
:i  s  t  mit  dem  N.  medianus  im  unteren  Drittel  des  Oberarmes.  Der  Musculocutaneus  kann  von 
Hause  aus  zu  schwach  oder  zu  stark  sein;  die  genannte  Anastomose  führt  die  Ausgleichung 
herbei.  Ist  er  zu  schwach,  so  erscheint  der  Verbindungsfaden  gleich  einer  späten  Wurzel  des 
Nerven  aus  dem  Medianus; 

e)  ein  hoch  oben  entspringender,  die  A.  brachialis  bis  unterhalb  des  Ansatzes  des  M.  coraco- 
brachialis begleitender  feiner  Nervenfaden,  welcher  der  Arterie  feine  Zweige  gibt,  durch  den  Canalis 
nutricius  humeri  zum  Knochen  und  Knochenmark  zieht  und  kurz  Knochennerv  des  Humerus 
genannt  wird. 

Vom  N.  cutaneus  antibrachii  lateralis  gelangt  der  vordere  Endast  gewöhnlich 
vor  der  V.  cephalica  antibrachii  zu  seinem  Verbreitungsgebiet,  verästelt  sich  bis  zum  Handgelenk 
und  Daumenballen  und  geht  eine  fast  beständige  Anastomose  ein  mit  dem  R.  superficialis 
n.  radialis  Fig.  338. 

Der  hintere  Endast  zieht  nach  hinten  von  der  V  cephalica  antibrachii  zum  radialen  Rande 
des  Vorderarms  und  versorgt  die  Haut  der  Dorsalseite  dieses  Randes  bis  an  die  Nähe  des  Handgelenkes. 

2.  N.  medianus.  Fig.  326,  328—330,  332—334,  336,  338,  340. 
Er  kommt  aus  dem  oberen  (lateralen)  und  aus  dem  unteren  (medialen) 
Strange  des  Plexus.  Seine  beiden  Wurzeln  umgreifen  als  Medianusschlinge 
die  A.  axillaris  und  vereinigen  sich  vor  ihr  unter  spitzem  Winkel.  Von  der 
vorderen  Fläche  der  Arterie  wendet  sich  der  Nerv  im  oberen  Teil  des  Ober- 
armes bald  an  die  laterale  Seite  derselben  und  zieht  mit  ihr  im  Sulcus  bicipitalis 
medialis  herab.  Im  unteren  Drittel  begibt  sich  der  Nerv  über  die  vordere  (selten 
über  die  hintere)  Fläche  der  Arterie  allmählich  hinweg  an  ihre  mediale  Seite, 
so  daß  er  also  eine  langgezogene  Spirale  um  die  A.  brachialis  beschreibt.  In  der 
Ellenbeuge  verschwindet  er  an  der  medialen  Seite  der  Arterie  unter  dem  Pronator 
teres.  Zwischen  beiden  Köpfen  des  letzteren  hindurchtretend,  wendet  er  sich  zur 
Mittellinie  des  Vorderarmes,  um  zwischen  dem  M.  flexor  digitorum  sublimis  und 
profundus  zum  Handgelenk  herabzuziehen.  Proximal  von  diesem  liegt  er  sub- 
fascial,  und  zwar  meist  (53  von  88  Fällen,  Tan  dl  er)  zwischen  den  Sehnen  der 
Mm.  flexor  carpi  radialis  und  palmaris  longus,  weniger  häufig  (35  von  88  Fällen) 
zwischen  den  Sehnen  der  Mm.  palmaris  longus  und  flexor  digitorum  sublimis. 
Sodann  zieht  er,  auf  den  Sehnen  der  Fingerbeuger  liegend,  durch  den  Canalis 
carpi  zur  Hohlhand  und  teilt  sich  unter  der  Aponeurosis  palmaris  in  seine  Endäste. 


Riickeninarksnervcn. 


365 


Der  N.  mcdianus  gibt  am  Oberarm  keinen  anderen  Zweig  ab,  als  den  oben  bereits  erwähnten 
unbeständigen  Ramus  anastomoticus  cum  n.  musculocu  t  aneo. 
Seine  Unterarmzweige  sind  die  folgenden: 

a)  Rami  articulares  für  das  Ellenbogengelenk; 

b)  Rami  musculares,  Fig.  333,  334; 

für   alle   Muskeln    der   Beugeseite   des   Vorderarmes,   mit  Ausnahme  des 
Flexor  carpi  ulnaris  und  der  beiden  ulnaren  Köpfe  des  Flexor  digitorum 
profundus. 
Eine  obere  Gruppe  dieser  Nerven  versorgt  den  Pronator  teres,  Palmaris  longus,  Flexor  carpi 
radialis,  die  Epicondylusursprünge  des  Flexor  digitorum  sublimis. 


Ast  zum  M.  brachialis 


Verbindungsast  zum  N.  medianus 


N.  cutaneus  antibrachii  lat. 

N.  radialis 

N.  cutaneus  antibrachii  dors. 


N.  musc u locutaneus 
Zweig  zum  M.  coracobrachialis 

N.  cutaneus  antibrachii  medialis 


—   Zweig  zum  M.  bieeps  brachii 


N.  medianus 


R.  volaris  des  N.  cutaneus  antibrachii 
medialis 


Fig.  332. 

Vordere  Ansicht  der  tiefen  Nerven  des  Oberarmes.     (Nach  Hirschfeld  und  Leveille.)     1:5. 

Eine  mittlere  Gruppe,  zu  welcher  auch  der  besonders  zu  besprechende  N.  interosseus 
antibrachii  volaris  gehört,  versorgt  den  unbeständigen  Epicondylusursprung  des  langen  Beugers 
des  Daumens,  den  Radialursprung  des  oberflächlichen  Fingerbeugers. 

Eine  dritte,  untere  Gruppe  versorgt  nur  den  Zeigefingerkopf  des  Flexor  digitorum  sublimis. 

c)  der  N.  interosseus  (antibrachii)  volaris  (Fig.  333,  334)  verläuft  mit  der 
A.  interossea  volaris  auf  der  Membrana  interossea  zwischen  dem  M.  flexor 
pollicis  longus  und  M.  flexor  digitorum  profundus  bis  zum  M.  pronator 
quadratus  herab,  in  welchen  er  von  der  dorsalen  Seite  her  eindringt.  Er 
entsendet: 
«.    die  Rami  musculares  für  den  Flexor  pollicis  longus  und   den  radialen  Teil  des 

Flexor  digitorum  profundus; 
ß.    den  N.  membranae  interosseae  antibrachii  (Rauber).     Er  teilt  sich  in  einen 

radialen  und  einen  ulnaren  Zweig,  die  zum  Teil  zwischen  zwei  Lamellen  der  Membran 


366 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


längs  der  Cristae  beider  Knochen  bis  zum  Pronator  quadratus  herabziehen,  den  Vasa 
interossea,  dem  Periost  und  den  Knochen  Zweige  abgeben  und  mit  zahlreichen  kleineren 
Yater-Pacinischen  Körperchen  besetzt  sind; 

/.    den  Ramus  muscularis  für  den  Pronator  quadratus; 

8.    das  letzte  Ende  setzt  sich  bis  zur  dorsalen  Fläche  des  Handgelenkes  fort. 

d)  Ramus  palmaris  n.  mediani  (Fig.  333,  334,  338).  Als  feiner  Faden, 
welcher  in  verschiedener  Höhe  oberhalb  des  Handgelenkes  aus  dem  Medianus 
hervorgeht,  durchbohrt  er  zwischen  den  Sehnen  des  Flexor  carpi  radialis 


Ast  des  Radialis  zum  M.  extensor  carpi  radialis 
longus 
R.  profundus  n.  radialis 

Zwei^;  zum  M.  extensor  carpi  radialis  brevis 


Zweig  zum  M.  flexor  pollicis  longus 
R.  superficialis  n.  radialis 

N.  interosseus  (antibrachih  volaris 

R.  palmaris  n.  median: 

Verzweigung  des  radialen  Astes 
des  N.  medianus 

N.  digitaüs  volaris  proprius 
N.  digitalis  volaris  communis 


_  N    medianus 


R.  muscularis  n.  mediani 


N.  ulna  ris 

Ast  des  N.  medianus 

Ast  des  N.  ulnaris      \  7um  M    f,exor  digilorum 

Ast  des  N.  medianus  |  profundus 


cutaneus  palmaris  n.  ulnaris 
dorsalis  manus  n.  ulnaris 


R.  profundus     | 
R.  superficialis  J 


n.  ulnaris 


Äste  des  R.  volaris  manus  n.  ulnaris 

N.  digitalis  volaris  communis 
N.  digitalis  volaris  proprius 


Fig.  333. 

Vordere   Ansicht   der  tiefen   Nerven   des   Unterarmes   und    der   Hand.     (Nach  Hirschfcld   und   Leveille.)     1:5. 
;:   Ast  des  R.  volaris  profundus  n.  ulnaris  zum  M.  interosseus  dorsalis  1. 


und  Palmaris  longus  die  Fascia  antibrachii,  begibt  sich  subkutan  zur  Vola 
manus  und  teilt  sich   in  zwei  Zweige,  welche  in  der  Haut  des  Daumen- 
ballens und  der  Hohlhand  endigen. 
Innerhalb  des  Canalis  carpi  teilt  sich  der  N.  medianus  in  einen  radialen  und 
in  einen  ulnaren  Ast  (Fig.  336).   Von  letzterem  geht  der  R.  anastomoticus  cum  n. 
ulnari  aus,  welcher  parallel  dem  Arcus  volaris  sublimis  verläuft.   Beide  Äste  geben 
Muskelzweige  ab  für  die  Lumbricales  I,  II  und  sämtliche  Muskeln  des  Daumen- 
ballens   mit   Ausnahme    des   Adductor   pollicis,    und    spalten    sich    dann    in    drei 
Nn.  digitales  volares  communes,  welche  sich  wieder  teilen  in  die  Nn.  digitales 
volares  proprii,  zur  Versorgung  der  Ränder  von  31  .,  Finger.     Fig.  336. 


N.  radialis 


Ramus  profundus . 


Rami  musculares-- 


Raums  superficialis 


A.  radialis 


J^u-l-naris 
.  A.  ulnaris 


Rasmus  superficialis  n.  radialis 


Sehne  des  M.  brachioradialis  — 

Sehne  des  M.  abductor  pollicis  longus 

M.  extensor  pollicis  brevis 1 


Sehne  d,  M.  flexor  carpi  radialis 
Sehne  des  M.  palmaris  longus 


367 


A.  brachialis 

N.  median  us 

Septum  intermusculare  mediale 

..  N.  ulnaris 


Rami  musculares 


M.  pronator  teies 
-  A.  ulnaris 

N.  interosseus  (aniibrachii)  volaris 
-  A.  interossea  communis 

A.  interossea  dorsalis 
A.  interossea  volaris 


M.  flexor  digitorum  sublimis Htt-  I 

(caput  radiale) 


N.  interosseus  antibiachii  volaris 
A.  interossea  volaris 


N.  med  i  an  us 


-  Rr.  cutanei  palmares  n.  mediani 

„  N.  ulnaris 
..  A.  ulnaris 

-  Sehnen  des  M.  flexor  digitorum  sublimis 
R.  muscularis 

M.  palmaris  brevis 


Fig.  334.     Nerven  der  Beugeseite  des  rechten  Vorderarms  (73). 


368 


N.  rail  ia  1  j  s 


A^st^L 


Rami  musculares 


-./ Rain  us  profundus  n.  radialis 


H-7   -  Rani  us  superficialis  n.  radialis 


Rami  musculares 


\ N.  interosseus  (anlibrachii)  dorsalis 


--Sehne  des  M.  brach ioradialis 
Sehne  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus 


N.  interosseus  (anlibrachii)  dorsalis 


"i-n-ff*- 


Fig.  335.     Verästelung  des  N.  radialis  auf  der  Streckseite  des  (rechten)  Vorderarms  CA). 

Die  oberflächlichen  Streckmuskeln  des  Vorderarms  sind  durchschnitten  und  zur  Seite  gelegt. 


Rückenmarksnerven.  369 

Im  einzelnen  gestaltet  sich  die  Endverzweigung  des  N.  medianus  wie  folgt: 

1.  Ramus  terminalis  radialis;  er  teilt  sieh  alsbald  in  vier  Zweige. 

'<.  Der  erste  versorgt  den  Abductor  pollicis  brevis,  den  Opponens  pollicis  und  den  (radialen 
Kopf  des)  Flexor  pollicis  brevis. 

,.i.  N.  digitalis  volaris  pollicis  radialis;  versorgt  den  volaren  Radialrand  des  Daumens 
und  verbindet  sich  durch  feine  Fäden  mit  dem  an  der  Dorsalseite  des  Daumens  verlaufenden  Zweige 
des  N.  radialis. 

;•.  N.  digitalis  volaris  pollicis  u Ina ris;  er  versorgt  die  volare  Ulnarseite  des  Daumens. 

<?.  N.  digitalis  volaris  indicis  radialis;  er  verbreitet  sich  an  der  volaren  Radialseite 
des  Zeigefingers  und  gibt  den  N.  lumbricalis  I  ab. 

Wenn  die  beiden  letztgenannten  Nerven  mit  einem  gemeinsamen  Stämmchen  entspringen, 
so  wird  dasselbe  N.  digitalis  volaris  communis  I  genannt. 

2.  Ramus  terminalis  ulnaris;   er  teilt  sich  alsbald  in  den  N.  digitalis  volaris  com- 
munis II  und  III. 

it.  N.  digitalis  volaris  communis  II;  er  verläuft  vor  dem  II.  Spatium  interosseum  bis 
zum  distalen  Ende  des  Metacarpale,  gibt  den  N.  lumbricalis  II  ab  und  spaltet  sich  in  den  Ramus 
volaris  indicis  ulnaris  und  in  den  Ramus  volaris  digiti  medii  radialis. 

ß.  N.  digitalis  volaris  communis  III;  verhält  sich  im  Spatium  interosseum  III  wie  der 
vorhergehende  und  gibt  ab  den  Ramus  volaris  digiti  medii  ulnaris  und  den  Ramus  volaris 
digiti  quarti  radialis.  Zuweilen  entsendet  er  vor  seiner  Teilung  auch  den  N.  lumbricalis  III, 
der  häufig  aus  dem  tiefen  Volarast  des  N.  ulnaris  stammt. 

Derselbe  N.  digitalis  volaris  communis  III  nimmt  einen  Ramus  anastomoticus 
cum  nervo  ulnari  auf. 

i^N^jilnaris.    Fig.  326—330,  333,  334,  336—338,  340,  341. 

Er  kommt  aus  dem  medialen  (unteren)  Strange  des  Plexus,  gibt  während 
seiner  Bahn  am  Oberarm  keine  Zweige  ab,  entsendet  am  Vorderarm  einige  Gelenk-, 
Muskel-  und  Hautäste  und  zerfällt  in  der  Hand  in  seine  beiden  Endäste,  Ramus 
superficialis  und  profundus. 

In  der  Fossa  axillaris  und  im  oberen  Teil  des  Oberarmes  zieht  der  N.  ulnaris 
an  der  medialen  hinteren  Seite  der  A.  axillaris  und  brachialis  herab,  gelangt 
sodann  hinter  das  Septum  intermusculare  mediale  und  zieht  diesem  entlang 
auf  der  vorderen  Fläche  des  Caput  mediale  m.  trieipitis  zum  Sulcus  ulnaris  humeri. 
Von  hier  aus  begibt  er  sich  zwischen  den  beiden  Köpfen  des  Flexor  carpi  ulnaris 
zur  volaren  Fläche  des  Vorderarmes  und.  läuft  auf  dem  M.  flexor  digitorum  pro- 
fundus, angelehnt  an  den  M.  flexor  carpi  ulnaris,  der  den  Leitmuskel  des 
Nervus  und  der  A.  ulnaris  am  Vorderarm  darstellt,  zum  Handgelenk.  In  der 
Mitte  des  Vorderarmes  tritt  die  A.  ulnaris  an  die  radiale  Seite  des  Nerven  und 
begleitet  ihn  (Fig.  334).  Dort  gibt  er  auch  den  R.  dorsalis  manus  ab,  welcher 
die  Sehne  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  unterkreuzt,  zum  Handrücken  gelangt,  dort 
die  Ränder  von  21/2  Fingern  versorgt  und  Anastomosen  eingeht  mit  dem  R.  super- 
ficialis n.  radialis  (Fig.  337).  Zur  Hohlhand  gelangt  der  Nerv  durch  den  außer- 
halb des  Lig.  carpi  transversum  gelegenen  Canalis  carpeus  ulnaris,  dicht  an 
der  radialen  Seite  des  Os  pisiforme  (siehe  Abt.  III,  S.  149,  324).  Dort  teilt  er  sich 
in  seine  Endäste,  welche  die  volaren  Ränder  von  l1/,,  Finger  versorgen  und  Muskel- 
äste abgeben  für  die  Muskeln  des  Kleinfingerballens,  sämtliche  Mm.  interossei, 
die  Lumbricales  III,  IV  und  den  M.  adduetor  pollicis. 

Die  Zweige  des  N.  ulnaris  werden  eingeteilt  in  Vorderarm-  und  End- 
zweige. 

a)  Vorderarmzweige;  diese  sind:  Ramiarticulares,  musculares  und  cutanei. 


370  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

«.  Rami  articulares:  im  Sulcus  ulnaris  humeri  treten  mehrere  Zweige  zur 
Kapsel  des  Ellenbogengelenkes  (Rüdinger). 

ß.  Rami  musculares  (Fig.  333,  334):  sie  entspringen  während  des  Durch- 
ganges des  Nerven  zwischen  den  beiden  Köpfen  des  Flexor  carpi  ulnaris  und 
sind  für  diesen  Muskel  bestimmt,  sowie  für  die  beiden  ulnaren  Köpfe  des  Flexor 
digitorum  profundus. 

;.  Ramus  cutaneus  palmaris  (Fig.  336,  338):  ein  feiner  Faden,  welcher 
vom  N.  ulnaris  oberhalb  der  Mitte  des  Vorderarmes  entspringt,  die  A.  ulnaris  bis 
zum  Arcus  volaris  superficialis  begleitet,  ihr  währenddessen  zahlreiche  feine  Reiser 
zusendet  und  an  verschiedener  Stelle  Fädchen  durch  die  Haut  zum  unteren 
Drittel  des  Vorderarmes  und  zum  Kleinfingerballen  abgibt.  Eines  derselben  kann 
sich  mit  einem  Faden  des  N.  cutaneus  antibrachii  medialis  verbinden. 

().  Ramus  dorsalis  manus  (Fig.  327,  337):  der  stärkste  der  kollateralen 
Äste  des  N.  ulnaris.  An  der  Grenze  zwischen  mittlerem  und  distalem  Drittel  des 
Vorderarmes  wendet  er  sich  zur  dorsalen  Fläche  des  Vorderarmes  und  nimmt  dabei 
seinen  Weg  zwischen  der  Ulna  und  dem  M.  flexor  carpi  ulnaris.  Etwas  proximal 
vom  Handgelenk  tritt  er  aus  der  Fascie  hervor  und  zerfällt  über  dem  Capitulum 
ulnae  in  seine  drei  Endzweige,  Nn.  digitales  dorsales  n.  ulnaris.    Diese  sind: 

1.  ein  Zweig  für  die  dorsale  Ulnarseite  des  kleinen  Fingers; 

2.  ein  auf  der  Dorsalseite  des  Spatium  interosseum  IV  in  zwei  Teile  zerfallender  Zweig,  von 
welchen  der  eine  die  radiale  Seife  des  fünften,  der  andere  die  ulnare  Seite  des  vierten 
Fingers  im  Gebiete  der  Grundphalanx  versorgt: 

3.  ein  radialer  Zweig,  welcher  sich  mit  einem  Faden  aus  dem  R.  superficialis  n.  radialis 
verbindet,  im  Spatium  interosseum  III  distalwärts  zieht  und  in  zwei  Teile  zerfällt,  welche 
für  die  einander  zugewendeten  Seiten  des  dritten  und  vierten  Fingers  bestimmt  sind. 

Im  ganzen  also  entwickelt  der  dorsale  Ast  des  Ulnarnerven  5  dorsale  Fingernerven,  d.  h. 
die  Hälfte  der  erforderlichen  Anzahl;  die  zweite,  radiale  Hälfte  wird  vom  Ramus  superficialis  des 
N.  radialis  geliefert.  Die  Anzahl  der  vom  Ulnarnerven  gelieferten  Dorsalnerven  der  Finger  kann,  was 
bei  manchen  Tieren  konstant  der  Fall  ist,  kleiner  sein,  sogar  bis  auf  1  oder  0  herabsinken;  dafür 
tritt  der  Ramus  superficialis  n.  radialis  ergänzend  ein.    In  seltenen  Fällen  erhöht  sich  aber  die  Anzahl. 

b)  Die  beiden  Endäste  des  N.  ulnaris. 

Auf  dem  Lig.  carpi  transversum  teilt  sich  der  N.  ulnaris,  als  Ramus  volaris 
manus,  in  den  Ramus  superficialis  und  profundus.     Fig.  336. 

«.  Der  Ramus  superficialis  gibt  dem  M.  palmaris  brevis  und  der  Haut 
des  Kleinfingerballens  je  einen  Faden  ab,  zuweilen  auch  dem  Lumbricalis  IV,  und 
teilt  sich  in  zwei  Nn.  digitales  volares  communes. 

Der  eine  ist  für  die  ulnare  Seite  des  kleinen  Fingers  bestimmt,  N.  volaris  digiti  V  ulnaris, 
der  andere,  N.  digita  lis  volaris  communis  IV,  zieht  längs  des  Spatium  interosseum  IV  und  teilt 
sich  in  zwei  Zweige  für  die  einander  zugewendeten  Seiten  des  fünften  und  vierten  Fingers,  N. 
volaris  digiti  V  radialis  und  N.  volaris  digiti  IV  ulnaris.  Während  ihres  Verlaufes  senden 
sie  Zweige  zum  Rücken  der  zweiten  und  der  Endphalanx  empor. 

In  der  Hohlhand  liegen  die  Fingernerven  unter  der  Aponeurosis  palmaris  und  dem  Arcus 
volaris,  vor  den  Beugesehnen.  Der  im  Spatium  interosseum  IV  liegende  Nerv  entsendet  vor  seiner 
Teilung  einen  Verbindungszweig  zudem  benachbarten  Fingernerven  des  N.  medianus, 
Ramus  anastomoticus  cum  nervo  mediano;  aus  ihm  gehen  einige  feine  Haut-  und  Gefäß- 
nerven hervor. 

ß.  Ramus  profundus. 

Durch  einen  Faden,  welcher  das  Erbsenbein  umschlingt,  verbindet  er  sich 
mit  dem  Ramus  dorsalis  manus,  entläßt  einen  Zweig  für  die  subfascialen 


371 


Sehne  des  M.  ex 
Sehne  des  M.  abdu 

Ramus   p a 1 m a r i 


N .  u  I  n  a  r  i  s 


Sehne  des  M.  flcxor  carpi 
ulnaris 


Ramus  profundus 
n.  ulnaris 


Ramus  superficialis 
n.  ulnaris 


R.  muscularis 


Nn.   digitales 
volares 

c  o  m  m  u  n  e  s 


I  I 

N.  digitalis  volaris       / 
pollicis  radialis         ,' 

N.  digitalis  volaris  pollicis 
ulnaris 

N.  digitalis  volaris  indicis  radialis 
N.  digitalis  volaris  indicis  ulnaris 
N.  digitalis  volaris  digiti  III  radialis 
N.  digitalis  volaris  digiti  III  ulnaris 


N.  digitalis  volaris  digiti  IV  radialis 


Fig.  336.  Nerven  der  (rechten)  Hohlhand  (Vi). 

Nach  Wegnahme  der  Aponeurosis  palmaris  und  eines  Stückes  des  Lig.  carpi  transversum. 


372 


Sehne  des  M.  extensor  carpi  ulnaris 

Sehne  des  M.  extensor  digiti  V 4-  • 


M.  abductor  pollicis  longus 
"*M.  extensor  pollicis  brevis 


Rani us  dorsal is  manus  n.  ulnar is 


Sehnen  des  M.  extensor  digitorum 


Nn.  digitales 
dorsales 


Fte.  337.  Nerven  des  (rechten)  Handrückens  CA.) 


Rückenmarksnerven.  373 

Kleinfingerballenmuskeln  und  dringt  mit  dem  tiefen  Aste  der  A.  ulnaris 
zwischen  den  Mm.  ilexor  und  abduetor  digiti  quinti  in  die  Tiefe.  Hier  liegt  er  am 
proximalen  Rande  des  Arcus  volaris  profundus,  zwischen  den  Beugesehnen  und 
den  Mm.  interossei.     Von  diesem  Bogenstück  des  Nerven  gehen  viele  Äste  aus: 

1.  feine  Zweige  für  den  benachbarten  carpalen  Bandapparat  (Rami  a  rtieul  ares); 

2.  je  ein  Ramus  interosseus  für  sämtliche  Mm.  interossei  volares  und  dorsales; 

3.  Äste  für  die  Mm.  lumbricales  III  und  IV; 

4.  Zweige  für  den  M.  adduetor  pollicis;  (die  Zweige  2 — 4  stellen  die  Rami  musculares 
des  Bogenstückes  des  tiefen  Astes  des  Ulnarnerven  dar). 

5.  Rami  perforantes  zur  dorsalen  Oberfläche  der  Spatia  interossea,  welche  mit  Endzweigen 
des  N.  interosseus  antibrachii  dorsalis  in  Verbindung  treten  können  und  bis  zu  den  Köpf- 
chen der  Metacarpalia  verlaufen. 

4.  N.  cutaneus  antibrachii  medialis.  Fig.  326,  327,  329,  330,  332,  338,  340,  341. 
Er  kommtTaus  dem  medialen  (unteren)  Strange  des  Plexus,  begleitet  die  V. 
axillaris,  brachialis  und  den  N.  medianus,  gelangt  in  der  Mitte  des  Oberarmes  zum 
Hiatus  basilicus  der  Fascia  brachii  und  durch  den  Hiatus  zur  Haut.  Hier  oder 
kurz  vorher  zerfällt  er  in  seine  beiden  Endäste.  Der  eine,  Ramus  volaris,  zieht 
auf  der  volaren,  der  andere,  Ramus  ulnaris,  auf  der  ulnaren  Fläche  des  Vorder- 
armes bis  zur  Gegend  des  Handgelenkes. 

1.  Hoch  oben  entsendet  er  einen  oder  mehrere  Zweige,  Rami  cutanei  brachii,  zu  der 
den  Biceps  deckenden  Haut  des  Oberarmes. 

2.  Der  eine  Endast,  Ramus  volaris,  liegt  anfangs  an  der  lateralen  Seite  der  V.  basilica, 
kreuzt  dann,  meist  von  ihr  bedeckt,  die  V.  mediana  basilica  oder  V  mediana  cubiti  und  breitet  sich 
an  der  volaren  Vorderarmfläche  bis  zum  Handgelenk  aus.  Einer  dieser  Ausläufer  verbindet  sich  zu- 
weilen mit  einem  Ramus  perforans  des  Ramus  cutaneus  palmaris  nervi  ulnaris. 

3.  Der  andere  Endast,  Ramus  ulnaris,  ist  schwächer,  zieht  an  der  medialen  Seite  der 
V.  basilica  herab  und  sendet  seine  Endzweige  um  den  Ulnarrand  des  Vorderarmes  zum  ulnaren 
Teil  der  dorsalen  Fläche  derselben.  Der  oberste  dieser  Zweige  wird  schon  proximal  vom  Epi- 
condylus  medialis  abgegeben  und  verbindet  sich  zuweilen  mit  einem  Endfaden  des  N.  cutaneus 
brachii  medialis.  Nicht  selten  verbindet  sich  ein  Ästchen  mit  dem  Ramus  dorsalis  manus  des  N. 
ulnaris,  ein  anderes  mit  dem  Ramus  volaris  des  N.  cutaneus  antibrachii  medialis  selbst. 

5.  N.  cutaneus  brachii  medialis.  Fig.  326,  329,  341. 
Er  kommt  aus  dem  medialen  (unteren)  Strange  des  Plexus,  liegt  in  der  Fossa 
axillaris  anfangs  hinter  der  V.  axillaris,  darauf  an  ihrer  medialen  Seite,  und 
verbindet  sich  in  variabler  Weise  mit  dem  Ramus  cutaneus  lateralis  aus  Thll, 
welcher  den  besonderen  Namen  N.  intercostobrachialis  führt.  Beide  Nerven 
treten  entweder  zu  einem  Stämmchen  zusammen,  oder  setzen  gesondert  ihren 
Weg  fort,  oder  der  Intercostobrachialis  tritt  als  Hauptnerv  auf,  während  der 
Cutaneus  medialis  nur  durch  einen  dünnen,  gesonderten  oder  Verbindungszweig 
vertreten  ist. 

Der  Verbindungszweig  oder  der  N.  intercostobrachialis  sendet  von  der  Fossa  axillaris  aus: 

1.  Zweige  zur  Haut  der  letzteren, 

2.  zur  angrenzenden  Haut  des  Oberarmes. 

Die  Fortsetzung  des  Cutaneus  medialis  durchbricht  die  Fascia  brachii  an  der  medialen  Fläche 
der  Oberarmmitte  und  zieht  zur  Gegend  des  Epicondylus  medialis,  sowie  des  Olekranon  herab. 

6.  N.  radialis.     Fig.  326—330,  332—335,  337-341. 


Der  N.  radialis   ist  die  Fortsetzung  des  hinteren  Stranges  des  Plexus  und 
hat  fast  gleiche  Stärke  mit  dem   N.  medianus,  welcher  den  stärksten  Ast  des 


374  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Armgeflechtes  darstellt.  Er  trennt  sich  bald  von  den  im  Sulcus  bicipitalis  medialis 
verlaufenden  Nerven  und  Gefäßen  und  zieht  hinter  der  A.  brachialis,  vor  den 
Sehnen  des  M.  teres  major  und  M.  latissimus  dorsi  zusammen  mit  der  A.  profunda 
brachii  zur  hinteren  Seite  des  Oberarmes  und  verläuft,  bedeckt  vom  Caput  longum 
und  laterale  tricipitis,  im  Sulcus  nervi  radialis  (in  dem  von  diesem  Sulcus  und  den 
Tricepsköpfen  gebildeten  Canalis  spiralis)  zur  lateralen  Seite  des  Oberarmes. 
Er  durchbohrt  im  Beginn  des  distalen  Drittels  des  Oberarmes  den  Ursprung  des 
M.  brachioradialis  und  gelangt  in  die  Tiefe  des  Spaltes  zwischen  diesem  Muskel 
und  dem  M.  brachialis.  In  dieser  Rinne  bis  zum  Epicondylus  lateralis  herabziehend, 
teilt  er  sich  hier  in  seine  beiden  Endäste,  in  den  überwiegend  motorischen  Ramus 
profundus  und  in  den  überwiegend  sensiblen  Ramus  superficialis  (Fig.  335). 
Er  entsendet  schon  am  Oberarme  Zweige;  seine  beiden  Endäste  aber  sind  für  den 
Vorderarm  und  die  Hand  bestimmt. 

Er  gibt  an  die  ganze  Streckseite  von  Oberarm  und  Vorderarm  motorische 
und  sensible  Nerven,  abgesehen  von  der  ulnaren  Hälfte  des  Handrückens,  welche 
vom  R.  dorsalis  manus  n.  ulnaris  versorgt  wird. 

a)  Oberarmzweige  des  N.  radialis. 

Vor  dem  Eintritt  in  den  Spiralkanal  gibt  der  N.  radialis  rasch  nacheinander 
folgende  Zweige  ab: 

1.  N.  cutaneus  brachii  posterior:  entspringt  mit  dem  folgenden  oft  ge- 
meinsam und  verbreitet  sich  nach  Durchbohrung  der  Fascie  in  der  Haut  der  dor- 
salen Fläche  des  Oberarmes  über  dem  Caput  mediale  m.  tricipitis  bis  in  die  Nähe 
des  Ellenbogens.     Fig.  327,  340,  341. 

2.  Rami  musculares  für  sämtliche  Extensoren  des  Oberarmes  und  zwar: 

a)  die  Nerven  des  Caput  longum  tricipitis; 

b)  den  Nerven  des  Caput  mediale  tricipitis;  er  teilt  sich  meist  in  einen  oberen  und  einen  unteren 
Zweig.  Der  lange  untere  Zweig,  R.  collateralis  ulnaris  nervi  radialis,  zieht,  mit  dem  N. 
ulnaris  streckenweise  in  eine  Bindegewebsscheide  eingeschlossen,  hinter  dem  Septum  intermusculare 
mediale  herab  und  dringt  darauf  in  den  Muskel  ein.  Einige  Fädchen  gelangen  zur  Kapsel  des 
Ellenbogengelenkes ; 

c)  den  Nerven  des  Caput  laterale  tricipitis  und  des  M.  anconaeus;  er  teilt  sich  in  zwei  Zweige, 
deren  einer  das  Caput  laterale  versorgt;  der  andere  gibt  dem  Caput  mediale  tricipitis  Zweige  und 
gelangt  innerhalb  desselben  zum  M.  anconaeus. 

3.  N.  cutaneus  antibrachii  dorsalis.    Fig.  327,  341. 

Wird  als  einziger  Nerv  innerhalb  des  Spiralkanals  abgegeben.  Ist  stärker 
als  1.,  durchbohrt  die  Fascia  brachii  zwischen  dem  Caput  laterale  und  mediale 
tricipitis  oder  zwischen  diesem  und  dem  M.  brachioradialis  und  gelangt  zwischen 
Olekranon  und  Epicondylus  lateralis  zur  dorsalen  Fläche  des  Vorderarmes. 
Er  versorgt  die  Haut  der  Rückseite  des  distalen  Teiles  des  Oberarmes,  sowie  die 
dorsale  Fläche  des  Vorderarmes  zwischen  dem  Gebiete  des  N.  cutaneus  antibrachii 
lateralis  (Endast  des  Musculocutaneus)  und  des  dorsalen  Astes  des  N.  cutaneus 
antibrachii  medialis,  ohne  das  Handgelenk  zu  erreichen. 

In  der  Spalte  zwischen  dem  M.  brachialis  und  dem  M.  brachioradialis  verlassen  den  N.  radialis: 

a)  der  Nerv  des  M.  brachioradialis;  er  pflegt  einen  Ast  zum  Ellenbogengelenke  abzugeben 
(Rüdinger); 

b)  der  Nerv  für  den  M.  extensor  carpi  radialis  Iongus;  er  kann  auch  aus  dem  R.  profundus 
n.  radialis  entspringen; 

c)  ein  unbeständiger  Faden  zum  M.  brachialis. 


Rückenmarksnerven. 


375 


b)  Die  beiden  Endäste  des  N.  radialis: 

1.  /?.  profundus  n.  radialis.    Fig.  333—335,  339. 

Er  ist  der  stärkere  der  beiden  Endäste,  durchbohrt  den  M.  supinator  (Canalis 
supinatorius)  und  tritt  auf  der  dorsalen  Seite  des  Vorderarmes  aus  diesem  Muskel 
heraus;  dort  zerfällt  er  in  eine  größere  Anzahl  von  Ästen,  welche  zwischen  der 
oberflächlichen  und  der  tiefen  Schicht  der  Extensoren  liegen  und  sämtliche  Streck- 


N.  cutaneus  anti 
brachii  dorsalis 


Verästelung  des 

N-  cutaneus 
antibrachii  lat. 


R.  superficialis  / 
n.  radialis      \ 


R.  volaris  d.  N.  cutaneus 
antibrachii  medialis 


M.  brachioradialis 


Endäste  des  R.  volaris 
|  Jvom  N.  cutaneus  anti- 
brachii medialis 


M.  extensor  digi- 
torum  communis 


R.  cutaneus  palmaris 
n.  ulnaris 


R.  palmaris  n.  mediani 


Zweige  des  Ramus      J 
dorsalis  manus  n.  ulnaris 


R.  superficialis 
n.  radialis 


Fig.  338.  Fig.  339. 

Fig.  338.    Vordere  Hautnerven  des  Unterarmes  und  der  Hand.     (Hirschfeld  und  Leveille.)     1:4. 

19 — 23  Fingeräste  des  Medianus,  24,  25  Fingerzweige  des  N.  ulnaris. 

Fig.  339.     Endäste  des  N.  radialis.    (H  irsch  feld  und  Leveille.) 

1  N.  musculocutaneus;  1'  seine  Verbindung  mit  dem  R.  superficialis  n.  radialis;  2  Stamm  des  N.  radialis;  2'  seine  Zweige 

zum  J\l.  brachioradialis  und  M.  extensor  carpi  radialis  longus;  2"  R.  profundus  n.  radialis  bei  seinem  Durchtritt  durch  den 

M.  supinator;   3  R.  superficialis  n.  radialis;   8  obere,  9  untere  Muskelzweige  des  R.  profundus  n.  radialis. 


muskeln  des  Vorderarmes  versorgen.  Der  längste  dieser  Äste  ist  der  N.  inter- 
osseus  (antibrachii)  dorsalis;  er  zieht  zwischen  der  tiefen  und  der  oberfläch- 
lichen Schicht  der  Streckmuskeln,  gelangt  im  distalen  Drittel  des  Vorderarmes  auf 
die  dorsale  Fläche  der  Membrana  interossea,  liegt  anfangs  zwischen  dem  Extensor 
pollicis  brevis  und  longus,  wird  dann  von  letzterem,  endlich  vom  M.  extensor  in- 
dicis  proprius,  sowie  den  Sehnen  des  M.  extensor  digitorum  communis  bedeckt, 
betritt  den  Rücken  der  Handwurzel  und  findet  hier  seine  Endausbreitung.    Fig.  335. 

Seine  Zweige  sind  einzeln  aufgeführt  folgende  (Fig.  335): 

«.    Die  Nerven  für  den  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  und  den  M.  supinator;  sie  entstehen 
noch  vor  dem  Eintritt  in  den  Canalis  supinatorius. 
Raübee-Kopsch,  Anatomie.    10.  Aufl.    V.  Abt.  20 


376  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

i  Nach  dem  Austritt  aus  dem  Kanal  werden  abgegeben: 

•'.   der  Nerv  für  den  M.  extensor  carpi   ulnaris,  M.  extensor  digitorum  communis  und  M. 

extensor  digiti  minimi;  ein  zweiter  Faden  für  den  Fingerstrecker  folgt  weiter  unten; 
■/.    ein  Zweig  für  den  M.  abduetor  pollicis  longus  und  M.  extensor  pollicis  brevis: 
S.    der  Zweig  für  den  M.  extensor  pollicis  longus; 
i.    der  Zweig  für  den  M.  extensor  indicis  proprius; 
-".    Fäden  für  die  Membrana  interossea,  von  welchen   häufig  einer  sich  mit  einem  Fädchcn 

des  N.  interosseus  volaris  durch  die  Membran  hindurch  verbindet;  feine  Zweige  für 

das  Periost  des  Radius  und  der  Ulna; 
/,.    Fäden  zur  dorsalen  Seite  des  Handgelenkes  (Rüdinger); 
''*■.  Fäden  zur  dorsalen  Seite  der  Karpal-  und  Karpo-Metakarpalgclenkc,  deren  distale  Enden  mit 

den  Rami  perforantes  des  Ramus  profundus  n.  ulnaris  in  Verbindung  treten  können. 

2.  R.  superficialis  n.  radialis.    Fig.  333,  334,  337,  339—341. 

Er  ist  schwächer  als  der  tiefe  Endast,  bleibt  anfangs  auf  der  volaren  Fläche 
des  Vorderarmes  und  verläuft  längs  des  M.  brachioradialis  an  der  radialen  Seite 
der  A.  radialis  abwärts.  Er  unterkreuzt  im  distalen  Drittel  des  Vorderarmes  die 
Sehne  des  M.  brachioradialis  und  gelangt  auf  die  Dorsalseite  des  Vorderarmes, 
welche  er  etwas  proximal  vom  Handgelenk  erreicht.  Nach  der  Verbindung  mit 
einem  Zweige  des  N.  musculocutaneus  zerfällt  der  Nerv  in  mehrere  Äste,  welche 
die  radiale  Hälfte  des  Handrückens  und  die  dorsalen  Ränder  von  21  .,  Finger  mit 
sensiblen  Nerven  versorgen,  Nn.  digitales  dorsales.  Auf  dem  Handrücken  geht 
er  mehrere  Verbindungen,  R.  anastomoticus  ulnaris,  mit  Ästen  des  R.  dorsalis 
manus  n.  ulnaris  ein.     Fig.  337. 

Das  Verbreitungsgebiet  des  R.  dorsalis  manus  n.  ulnaris  und  des  R.  superf.  n.  radialis  am  Hand- 
rücken zeigt  gewisse  Variationen.  In  der  Regel  versorgt  jeder  der  beiden  Nerven  die  Hälfte  des 
Handrückens  und  der  Finger,  doch  kann  gelegentlich  der  R.  superficialis  n.  radialis  ein  größeres 
Gebiet  versorgen  (siehe  S.  370). 

Beurteilung  der  dorsalen  Fingernerven. 

Die  untereinander  sehr  abweichenden  Angaben  verschiedener  Autoren  über  die  Ausdehnung,  in 
welcher  die  einzelnen  Finger  von  den  dorsalen  Hautnerven  versorgt  werden,  gaben  R.Zander  Ver- 
anlassung, durch  sorgfältige  Präparation  der  Fingernerven  zunächst  den  tatsächlichen  Bestand  festzu- 
stellen. Es  zeigte  sich,  daß  am  Daumen  und  kleinen  Finger,  sowie  an  sämtlichen  Zehen,  die  dorsalen 
Nerven  bis  zum  Finger-  und  Zehenende  vordringen,  während  die  drei  mittleren  Finger  an  ihren  End- 
gliedern und  teilweise  auch  am  Mittelgliede  von  den  volaren  Fingernerven  versorgt  werden.  Die 
Erklärung  für  die  Versorgung  der  Dorsalhaut  der  distalen  Teile  der  mittleren  Finger  mit  volaren 
Nerven  suchte  er  durch  die  Annahme  zu  geben,  daß  der  Nagel  ein  terminales  Gebilde  sei,  welches 
erst  sekundär  auf  die  Dorsalfläche  gedrängt  werde  durch  übergroße  Entwicklung  der  Volarhaut. 
Hiergegen  hat  Gegenbaur  begründete  Einwendungen  erhoben,  indem  er  zeigte,  daß  der  Nagel  als 
ein  schon  ursprünglich  dorsales  Gebilde  der  Finger  aufgefaßt  werden  müsse;  nur  der  schmale 
Nagelsaum,  welcher  zwischen  dem  vorderen  Ende  des  Nagels  und  der  Fingerbeere  sichtbar  ist, 
das  reduzierte  Sohlenhorn  der  Tiere,  hat  ventrale  Abkunft  (Boas). 

Die  Erklärung  partieller  Versorgung  der  dorsalen  Fingerhaut  durch  volare  Nervenzweige  stand 
hiernach  noch  aus.  Die  Tatsache  erschien  als  etwas  Befremdliches,  als  ein  Verstoß  gegen  die  mor- 
phologische Gesetzmäßigkeit;  mit  der  Sicherstellung  des  Nagels  als  eines  schon  ursprünglich 
dorsalen  Gebildes  schien  das  Dunkel  nur  vermehrt,  statt  gemindert,  und  man  ließ  das  Rätsel  zu- 
nächst auf  sich  beruhen. 

Endlich  ergab  sich  die  Lösung,  und  es  zeigte  sich,  daß  keinerlei  morphologische  Regel  durch- 
brochen sei.  Es  stellte  sich  nämlich  heraus,  daß  man,  verleitet  durch  den  Namen  .dorsale  Finger- 
nerven", für  dorsale  Nerven  gehalten  hatte,  was  gar  nicht  dorsale  Nerven  im  morphologischen  Sinne 
sind.  Die  ganze  Extremität  wird,  worauf  bereits  oben  hingewiesen  wurde,  nur  von  ventralen  Nerven 
versorgt,  also  auch  die  dorsalen  Flächen  der  Finger;  der  Ramus  dorsalis  manus  des  Nervus 
ulnaris  ist,  wie  der  ganze  Ulnaris,  ein  ventraler  und  kein  dorsaler  Nerv;  der  ganze  N.  radialis  ist 
ein  ventraler  Nerv  im  morphologischen  Sinne,  der  allein  hier  maßgebend  ist.    Die  ganze  Extremität 


377 


Nn.  supraclaviculares 


N.  cutaneus  brachii  lat.  -- 


Nn.  cutanei  lalt. 
nn.  intercostalium  " 


N.  cutaneus  brachii  medialis 
et  N.  intercostobrachialis 


N.  cutaneus  brachii  post 


N.  cutaneus  antibrachii  medialis . 


N.  cutaneus  antibrachii  lateralis 


R.  cutaneus  palmaris  n.  ulnaris 
R.  cutaneus  palmaris  n.  mediani 
R.  superficialis  n.  radialis  . 

N.  medianus  -- 

N.  ulnaris 


Fig.  340. 


N.  cutaneus  brachii  post. 


Nn.  supraclaviculares 


N.  cutaneus  brachii  lat 


Nn.  cutanei  latt. 
nn.  intercostalium 


N.  cutaneus  brachii  medialis 
et  N.  intercostobrachialis 


N.  cutaneus  antibrachii 
medialis 


N.  cutaneus  antibrachii  dorsalis 


N.  cutaneus  antibrachii   lateralis 


R.  dorsalis  manus  n. 
ulnaris 

R.  superficialis  n. 
radialis 


-'  N.  medianus 


N.  ulnaris  pjg.  34]. 


Fig.  340,  341.     Hautnervengebiete  der  rechten  oberen  Extremität. 

Fig.  340  volare  Fläche;   Fig.  341  dorsale  Fläche. 


378 


Nn.  clunium  supp. 


N.  clunium  medii  • 


Nn.  clunium  inff. 


.: 


N.  cutaneus  femoris  lat. 


N.  iliohypogastricus 


N.  lumboinguinalis 


-N.  spermaticus  ext. 


N.  cutaneus  femoris  post. 


-N    cutaneus  femoris  lat. 


Nn.  cutanei  femoris  antt.-- 


N.  obturatorius. 


-Nu.  cutanei  femoris  anit. 


--N.  obturatorius 


N.  cutaneus  surae  medialis- 


N.  cutaneus  surae  lat. 


N.  suralis    - 

N.  plantaris  lat.  - 
N.  plantaris  medialis  - 


Fig.  342. 


.  N.  cutaneus  surae  lat. 


N.  saphenus 


-  N.  peronaeus  superficialis 

-  N.  suralis 

-■  N.  peronaeus  profundus 


Fig.  343. 


Fig.  342,  343.     Hautnervengebiete  der  rechten  unteren  Extremität. 
Fig.  342  hintere  Fläche;   Fig.  343  vordere  Räche. 


Rückenmarksnerven.  379 

hat  mit  den  echten  dorsalen  Nerven  also  nichts  zu  tun.  Warum  sollten  nun  nicht  auch  die  dorsalen 
Flächen  der  Nagel-  und  Mittelglieder  der  Finger  von  volaren  Nerven  versorgt  werden,  da  doch 
schon  die  dorsale  Haut  der  Grundglieder  der  Finger,  sowie  des  ganzen  Unter-  und  Oberarmes  von 
lauter  ventralen  Nerven  versorgt  wird?  Die  sogenannten  dorsalen  Nerven  der  Hand  und  der  Finger 
sind  also  nur  quasidorsale,  keine  echten  dorsalen  Nerven.  Hiermit  scheint  die  sonderbare  Ange- 
legenheit erledigt.  Von  Interesse  aber  ist  es,  hierbei  wahrzunehmen,  daß  auch  eine  falsche  Frage- 
stellung Untersuchungen  zu  fördern  vermag;  die  dorsalen  Fingernerven  wurden  zu  diesem  Zwecke 
sehr  gründlich  am  Menschen  und  an  vielen  Tieren  untersucht;  die  Morphologie  des  Nagels  hat 
ferner  die  reichste  Förderung  von  jener  Fragestellung  davongetragen1). 

Tonkoff,  W.,  Anomale  Anordnung  der  Hautnerven  auf  dem  Handrücken  des  Menschen,  ver- 
glichen   mit   dem    normalen  Verhalten   bei   den  Affen.    Internationale   Monatsschrift  XV,    1898.  - 
Waite,  F.  C,  Variations   in  the  Brachial   and  Lumbo-Sacral  Plexi   of  Necturus  maculosus.     Bull, 
of  the  Museum  of  Comp.  Zool.  at  Harvard  University. 

Die  Rami  anteriores  der  Brustnerven. 

Die  vorderen  Äste  der  Nn.  thoracales  heißen  auch  Nn.  intercostales.  Nur 
die  11  oberen  sind  (in  bezug  auf  thorakale  Rippen)  wirklich  interkostal;  der  12. 
liegt  unterhalb  der  12.  Rippe  und  wird  daher  auch  N.  subcostalis  genannt. 

Nur  die  6  oberen  Interkostalnerven  verlaufen  vollständig  in  Interkostalräumen  bis  zum  Sternal- 
rande;  die  6  unteren  Interkostalnerven  hören  natürlich  mit  den  Interkostalräumen  nicht  aussondern 
dringen  über  sie  hinaus  in  die  Bauchwandungen,  bis  in  die  Gegend  der  Linea  alba,  die  eine 
Art  Abdominalsternum  darstellt.  Um  auf  die  Bauchwand  überzutreten,  müssen  die  Interkostalnerven 
7  bis  9  die  hintere  Fläche  der  aufsteigenden  Rippenknorpel  kreuzen.  Die  oberen  Interkostalnerven 
haben  mehr  horizontale,  die  unteren  zunehmend  abschüssige  Bahnen,  wie  dies  der  fächerförmigen 
Ausstrahlung  der  Rippen  entspricht. 

Alle  Interkostalnerven,  der  12.  ausgenommen,  verlaufen  nach  ihrer  Trennung  vom  dorsalen  Aste 
in  den  zugehörigen  Interkostalraum  vor  dem  Lig.  costotransversarium  anterius  und  auf  der  inneren 
Fläche  der  Mm.  intercostales  externi.  Von  der  Wirbelsäule  bis  zu  den  Rippenwinkeln  fehlen  die 
Mm.  intercostales  interni;  innerhalb  dieser  Strecke  werden  daher  die  Interkostalnerven  nur  von  der 
Fascia  endothoracica  und  von  der  Pleura  costalis  bedeckt.  Mit  dem  Beginn  der  Mm.  intercostales 
interni  liegen  die  Nerven  zwischen  diesen  und  den  externi.  Anfangs  folgen  sie  dem  oberen  Rande 
und  nähern  sich  allmählich  mehr  der  Mitte  des  Interkostalraumes.  Sie  werden  begleitet  von  den  Vasa 
intercostalia,  doch  liegen  letztere  im  Sulcus  costalis,  die  Nerven  unterhalb  (kaudalwärts)  der 
Gefäße2).  Die  beiden  ersten  Interkostalnerven  haben  teilweise  ihre  Lager  sogar  auf  der  inneren 
Fläche  der  zugehörigen  Rippe.  Der  letzte  Interkostalnerv  zieht  vor  dem  M.  quadratus  lumborum 
hin.  Der  siebente  bis  elfte  dringen  zwischen  den  Kostalzacken  des  Zwerchfelles  hindurch  in  die 
Muskulatur  der  Bauchwand  ein  und  verlaufen  nunmehr,  wie  der  zwölfte,  zwischen  dem  M.  trans- 
versus  und  dem  M.  obliquus  internus  abdominis. 

Die  zu  versorgenden  Muskeln  sind:  Intercostales  externi  und  interni, 
Subcostales,  Transversus  thoracis,  Levatores  costarum,  Serratus  posterior  superior 
und  inferior,  die  drei  breiten  Bauchmuskeln,  Rectus  abdominis,  Pyramidalis. 

Das  zu  versorgende  große  Hautfeld  ist  hinten  abgegrenzt  durch  den 
Brustteil  der  dorso-ventralen  Grenzlinie  (siehe  oben  S.  342),  vorn  durch  die  Median- 
linie (siehe  S.  340).  Die  Haut  der  oberen  Brustgegend  wird  vom  Plexus  cer- 
vicalis  (den  Nn.  supraclaviculares)  versorgt;  ein  Hautstreifen  oberhalb  des  Ligamen- 
tum inguinale  und  das  Gebiet  des  Mons  pubis  gehören  den  Lendennerven  an. 

Zur  Versorgung  jenes  Hautgebietes  dienen  zwei  Reihen  von  Hautästen;  1.  eine  laterale  Reihe 
stärkerer  Äste,  Rami  cutanei  laterales  (pectorales  et  abdominales),  und  2.  eine  der  vorderen 

')  Vergl.  A.  Rauber,  Die  Fingernägel.    Dorpat  1888,  Schnakenburg. 

-)  Die  Lagerung  ist  typisch  und  greift  als  Lagerungsregel  der  Rami  anteriores  der  Spinal- 
nerven auch  auf  die  Extremitätennerven  über,  wo  nicht  Ablenkungsursachen  vorliegen.  So  erklärt 
sich  die  langgesuchte  kaudale  (ulnare)  Lage  des  N.  ulnaris  in  bezug  auf  die  A.  ulnaris;  ebenso  erklärt 
sich  die  kaudale  (fibulare)  Lage  des  N.  tibialis  in  bezug  auf  die  Vasa  tibialia  postt.  u.  a.  m.  (Raub er). 

20* 


380 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Mittellinie  nahe  vordere  Reihe  schwächerer  Aste,  Rami  cutanei  anteriores  (pectorales  et  ab- 
dominales). Jeder  Intcrkostalnerv  entsendet  hiernach  einen  seitlichen  und  einen  vorderen  Hautast. 
Nur  dem  Intercostalis  I  fehlt  in  der  Regel  der  seitliche  Hautast,  wenn  er  nicht  in  der  fünften  Wurzel 


Fig.  3-14. 

Verzweigung  der  ventralen  Äste  der  Nn.  thoracales.  (Hirschfeld  und  Leveille.)  1  :  4. 
M.  pectoralis  major  und  minor  sind  beiderseits  entfernt;  rechts  sind  der  M.  obliquus  internus  und  der  M.  rectus  abdominis 
freigelegt;  links  ist  der  M.  serratus  anterior,  sowie  ein  Teil  des  M.  rectus  abdominis  entfernt  und  der  M.  transversus  ab- 
dominis dargestellt.  —  1  Plexus  brachialis;  2  N.  cutaneus  brachii  medialis;  3  N.  intercostobrachialis;  4,  4  Nn.  intercostales; 
4',  4'  deren  Rami  cutanei  anteriores;  5,  5,  5  Rami  cut3nei  laterales;  6  der  entsprechende  zur  Hüfte  gelangende  Zweig  des 
zwölften  Interkostalnerven;   7  R.  cutaneus  lat.  des  N.  iliohypogastricus;    8  R.  cutaneus  ant.  desselben  Nerven;    9  N.  ilio- 

inguinalis;    10  R.  cutaneus  ant.  n.  femoralis. 


des  Plexus  brachialis  zu  suchen  ist,  welche  die  erste  Rippe  überschreitet.  Ein  Teil  des  N.  cutaneus 
lateralis  des  Intercostalis  II  ist  der  Seite  373  erwähnte  N.  intercostobrachialis.  Sogar  der  Inter- 
costalis III  kann  noch  eine  Verbindung  mit  dem  N.  cutaneus  brachii  medialis  eingehen.  Die  Rami 
cutanei  anteriores  sind  bei  sämtlichen  Interkostalnerven  vorhanden,  nur  dem  ersten  fehlt  er  bis- 


Rückcnmarksnerven. 


381 


weilen.    Die  vorderen  perforierenden  Aste  der  Bauchwand   sind   nicht  selten   mehrfach  und  in 
ihren  Austrittsstellen  häufig  unregelmäßiger.    Siehe  auch  Fig.  344. 

Über  die  Hautzweige  der  Interkostalnerven  berichtet  E.  Mertcns  folgendes:  Der  4.  Inter- 
kostalnerv versorgte  ein  Gebiet,  das  sich  über  drei  Intcrkostalräume  und  ebensovielc  Rippen  erstreckt, 
und  zwar  begann  es  mit  dem  3.  Intcrkostalraum  und  endet  auf  der  6.  Rippe.  Der  5.  Interkostalnerv 
verhielt  sich  ähnlich;  sein  Gebiet  beginnt  auf  der  4.  Rippe  und  endigt  an  der  7.  Rippe.  Hiernach 
wird  die  Haut  über  und  zwischen  der  4.  und  6.  Rippe  vom  4.  und  5.  Interkostalnerven  gemeinsam 
versorgt.  Das  Gesetz  von  der  mehr  als  einfachen  Innervation  der  Haut  gilt  also  auch  für  die 
Haut  der  Brust  in  vollem  Umfange.    Fig.  345. 

a)  Verbindungen  der  Interkostalnerven. 

1.  Verbindungen  mit  den  ventralen  Asten  der  benachbarten  Körpersegmente;  so  mit  Cvm  durch 
den  Verbindungsast  von  Thi;  mit  Li  durch  Thxu. 

2.  Abgesehen  von  der  Verbindung  zwischen  Thi  und  Thii  gehen  die  Interkostalnerven  nur 
selten  unter  sich  selbst  Verbindungen  ein.    Unter  den  übrigen  werden  dennoch,  was  in  systema- 


Fig.  345. 

Ineinandergreifen  der  Hautnervengebiete.    (E.  Mertens  und  R.  Zander.) 
III —  VII  Hautgegend  der  3.  bis  7.  Rippe;   3 — 6  Interkostalräume. 


tischer  Hinsicht  bemerkenswert  erscheint,  hier  und  da  Verbindungen  hergestellt  durch  feine  Fäden, 
welche  von  einem  oberen  Nerven  ausgehen  und  zu  einem  unteren  gelangen  (siehe  S.  340  über 
Plexusbildungen). 

b)  Zweige  der  Interkostalnerven. 
1.  Rami  musculares. 
Es  empfiehlt  sich,  die  7  oberen  von  den  5  unteren  zu  trennen,  da  letztere  größtenteils  zu 
den  Bauchmuskeln  ziehen. 

Die  sieben  oberen  Interkostalnerven  entsenden  folgende  Muskelzweige: 

a.   für  die  äußeren  und  inneren  Interkostalmuskeln  mit  den  Subcostales;  sie  sind  in  jedem 

Zwischenrippenraum  mehrfach  vorhanden,  der  hintere  ist  meist  der  stärkste; 
ß.   für  die  Mm.  levatores  costarum;  vom  Anfangsteile  der  Nerven; 

;•.    für  den  M.  serratus  posterior  superior.    Sie  stammen  von  Thi— IV,  dringen  durch  die  Mm. 
intercostales  externi  hindurch  zu  den  4  Zacken  (Rieländer);  die  oberste  Zacke  erhält 
oft  einen  Faden  vom  Armgeflecht; 
S.   für  den  M.  transversus  thoracis;  vom  Thm — Vi. 
£.    für  den  obersten  Teil  des  M.  rectus  abdominis;  von  Thv— vn. 
Die  fünf  unteren  Interkostalnerven  entsenden  folgende  Muskelzweige: 
a.    für  die  äußeren  und  inneren  Interkostalmuskeln  mit  den  Subcostales; 
ß.   für  die  unteren  Mm.  levatores  costarum; 


382  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

;.    für  den  M.  serratus  posterior  inferior;  von  Tliix— xi  (Rieländer); 

S.    für  die  Mm.  obliquus  externus,  internus  und  transversus  abdominis.    Sie  werden  versorgt, 

indem  die  5  unteren  Intcrkostalncrven  zwischen  dem  M.  obliquus  internus  und  dem  M. 

transversus  hinziehen; 
e.    für  den  M.  rectus  abdominis  unterhalb  der  Inscriptio  prima.    Die  vorderen  Enden  der  5 

unteren   Interkostalnerven  gelangen   nämlich   aus  dem  Zwischenraum  zwischen  dem  M. 

transversus  und  dem  M.  obliquus  internus  abdominis  in  die  Rectusscheide  und  dringen 

von  innen  in  das  Fleisch  vor; 
.'.    für  den  M.  pyramidalis. 

2.  Rami  cutanei.     Fig.  344. 
Sie  sind  stärker  als  die  Muskelzweige  und   sind  Rami   cutanei  laterales   (pectorales 
et  abdominales)  und  anteriores  (pectorales  et  abdominales). 

a)  Rami  cutanei  laterales.    Fig.  329,  344. 

Sie  treten  von  den  Interkostalnerven  etwa  in  der  Mitte  des  Interkostalraumes  ab  und  treten 
in  der  Mitte  zwischen  der  vertikalen  Linea  axillaris  und  der  vorderen  Medianlinie  durch  die  Mm. 
intercostales  cxterni,  die  untersten  durch  den  M.  obliquus  externus  abdominis  unter  die  Haut.  Die 
7  oberen  kommen  dabei  zwischen  den  Zacken  des  M.  serratus  anterior  zum  Vorschein,  die  unteren 
vor  den  Rippenzacken  des  M.  latissimus  dorsi.  Der  R.  cutaneus  lateralis  von  Thxn  durchbricht 
den  M.  obliquus  externus  abdominis. 

Alle  diese  Rami  cutanei  laterales  teilen  sich  im  Bereich  der  genannten  Muskelzacken  in  zwei 
Zweige,  die  unter  der  Haut  nach  entgegengesetzten  Richtungen  auseinanderfahren;  die  stärkeren  vor- 
deren, Rami  anteriores,  nach  vorn,  die  hinteren,  Rami  posteriores,  nach  hinten.  Der  hintere 
Ast  des  R.  cutaneus  lat.  von  Thil  ist  der  mehrfach  erwähnte  N.  intercostobrachialis.    Fig.  329. 

Die  Rami  cutanei  anteriores  von  Thil — Vi  begeben  sich  um  den  Rand  des  M.  pectoralis  major 
medianwärts  und  versorgen  die  Haut  bis  zur  Brustwarze.  Vom  vierten  bis  sechsten  gelangen  auch 
Zweige  in  die  Milchdrüse,  Rami  mammarii  laterales  (Eckhardt)  Diejenigen  von  Thvn— XI 
versorgen  die  Bauchhaut  bis  etwa  zum  lateralen  Rande  des  M.  rectus  abdominis.  Der  Ramus  cutaneus 
anterior  von  Thxii  schickt  außerdem  einen  Zweig  über  die  Crista  iliaca  zu  der  über  dem  M.  glutaeus 
medius  gelegenen  Haut;  er  läßt  sich  bisweilen  bis  zur  Gegend  des  Trochanter  major  verfolgen. 

Die  Rami  cutanei  laterales  von  Thil—  vi  werden  auch  Nn.  cutanei  pectoris  laterales 
genannt,  während  diejenigen  von  Thvn— XI  oder  XII  Nn.  cutanei  abdominales  laterales  heißen. 

b)  Rami  cutanei  anteriores.    Fig.  344. 

Die  vorderen  perforierenden  Äste  der  sechs  oberen  Interkostalnerven  werden  Nn.  cutanei 
pectoris  anteriores  genannt.  Sie  gelangen,  den  M.  pectoralis  major  durchbrechend,  am  Seiten- 
rande des  Sternum  zur  Haut,  um  sich  in  ihr  medianwärts  und  lateralwärts  auszubreiten.  Zweige 
des  zweiten  bis  vierten  vorderen  Hautnerven  gelangen  zur  Haut  der  Milchdrüse,  Rami  mammarii 
mediales. 

Die  vorderen  perforierenden  Aste  der  sechs  unteren  Interkostalnerven  werden  Nn.  cutanei 
abdominis  anteriores  genannt.  Sie  sind  die  sensiblen  Endzweige  der  in  der  Rektusscheide  ein- 
getretenen, den  Rectus  versorgenden  Nerven.  Sie  durchbrechen  den  Muskel  oder  gelangen  um  seinen 
medialen  Rand  zum  vorderen  Blatte  der  Rektusscheide  und  treten  durch  Lücken  desselben  zur 
Haut.  Der  betreffende  Ast  des  letzten  Interkostalnerven  liegt  etwas  unterhalb  der  Mitte  des  Abstandes 
zwischen  Nabel  und  Schambeinfuge. 

3.  Rami  pleurales  et  peritonaeales. 

Sie  versorgen  die  Pleura  der  Brustwand  und  das  Peritonaeum  der  lateralen  und  der  vorderen 
Bauchwand,  sowie  die  Pleura-  und  Peritonäalüberzüge  des  Ursprungsteiles  des  Zwerchfelles. 

Ramström:  Anat.  Hefte,  Bd.  29,  1905.  —  Derselbe,  Mitteil,  aus  d.  Grenzgebieten  d.  Med. 
u.  Chir.  1906.  —  Derselbe,  Anat.  Hefte,  Bd.  30,  1906. 
Rückblick. 

Dem  Geschilderten  zufolge  ist  das  große,  von  den  Rami  posteriores  und  Rami  anteriores  der 
Nn.  thoracales  versorgte  Hautgebiet  auf  jeder  Körperseite  in  sechs  verschieden  breite  Längs felder 
zerlegbar,  welche  von  entsprechenden  segmentalen  Hautnervenzweigen  versorgt  werden. 


Riickenmarksncrvcn.  .'ifvi 

Das  Beingeflecht,  Plexus  lumbosacralis. 
Das  Beingeflecht  besteht  aus  einem  kranialen,  zugleich  vorderen,  und  einem 
kaudalen,  zugleich  hinteren  Teil;  jener  stellt  den  Plexus  lumbalis,  dieser  den 
Plexus  sacralis  dar.     Fig.  346,  347. 

Das  Beingeflcclit  läßt  besonders  in  seinem  kaudalen  Abschnitt,  dem  Plexus  sacralis,  eine  schicht- 
weise Anordnung  der  Nerven  für  die  Streck-  und  Beugeseite  der  unteren  Extremität  erkennen  und 
schließt  sich  in  dieser  Hinsicht  an  das  Armgcflecht  an.  Was  aber  von  den  Schichten  des  Arm- 
geflechtes oben  erwähnt  worden  ist,  hat  auch  hier  Beachtung  zu  finden;  man  darf  sich  nicht  zu  der 
Meinung  verleiten  lassen,  daß  die  mehr  ventral  oder  dorsal  gelegenen  Schichten  des  Plexus  mit  einer 
Scheidung  in  ventrale  und  dorsale  Nerven  in  morphologischem  Sinne  zusammenfallen;  das  ventrale 
und  dorsale  Nervcnlager  der  unteren  Extremität  stammt  ausschließlich  von  ventralen  Ästen  (=Rami 
anteriores)  der  Spinalnerven  ab. 

Zum  ventralen  Lager  sind  nach  Eisler  zu  zählen  (in  Fig.  346  durch  verschiedene  Helligkeit 
angedeutet):  der  ventrale  Teil  des  lliohypogastricus,  N.  ilioinguinalis,  N.  spermaticus  externus,  R. 
medialis  des  N.  lumboinguinalis,  Nn.  cutanei  femoris  mediales  mit  pectineus,  saphenus,  tibialis.  Zum 
dorsalen  Lager  gehören:  die  Nerven  für  den  Quadratus  lumborum  und  Iliopsoas;  der  dorsale  Teil 
des  lliohypogastricus,  der  R.  lateralis  des  N.  lumboinguinalis,  der  N.  cutaneus  femoris  lateralis, 
die  Rami  cutanei  femoris  antt. ;  Sartoriuszweige,  die  Nerven  des  Quadriceps,  der  N.  peronaeus,  die 
Nn.  cutanei  clunium;  beiden  Schichten  entstammt  der  N.  cutaneus  femoris  posterior. 

Im  Beingeflecht  kommen  in  bedeutendem  Grade  Schwankungen  seiner  Zusammensetzung  vor. 
Der  ganze  Plexus  kann  um  einen  Wirbel  kaudal,  seltener  kranial  verschoben  sein.  Im  ersten  Falle 
befestigt  sich  das  Hüftbein  am  26.,  im  zweiten   am  24.  Wirbel,  statt,  wie  normal,   am  25.  Wirbel. 

Rüge,  G.,  Verschiebungen  in  den  Endgebieten  der  Nerven  des  Plexus  lumbalis  der  Primaten. 
Morph.  Jahrb.  XX,  1893.  —  Uzschneider,  A.,  Die  Lendennerven  der  Affen  und  des  Menschen. 
München,  J.  F.  Lehmann  1892. 

3.  Das  Lendengeflecht,  Plexus  lumbalis.     Fig.  346 — 349. 

Die  Stärke  der  Rami  anteriores  der  Lendennerven  nimmt  vom  ersten  bis 
fünften  bedeutend  zu;  LI  hat  etwa  2,5mm  Durchmesser,  LH  bereits  gegen  4,  LIII 
und  LlV  gegen  6,  LV  sogar  gegen  7  mm  Durchmesser. 

Die  Rami  anteriores  der  Lendennerven  werden  durch  Ansäe  miteinander 
verbunden.  Li— III  (d.  i.  ihre  Rami  anteriores)  und  die  obere  Hälfte  von  LlV  treten 
auf  diese  Weise  zu  einem  bedeutenden  Geflecht  zusammen,  dem  Lendengeflecht, 
Plexus  lumbalis. 

Die  untere  kleinere  Hälfte  von  LlV  verbindet  sich  mit  LV  zu  einem  dicken  Stamm,  Truncus 
lumbosacralis,  welcher  über  die  Linea  arcuata  ins  kleine  Becken  gelangt  und  sich  vor  dem  M. 
piriformis  mit  den  nächstfolgenden  Rami  anteriores  zum  Plexus  sacralis  vereinigt. 

Die  drei  Ansäe  lumbales  verhalten  sich  folgendermaßen:  Li  teilt  sich  in  zwei  Zweige,  von 
welchen  der  obere  sich  in  periphere  Äste  auflöst,  der  untere  sich  mit  LH  verbindet.  Dieser  verbindet 
sich  am  vierten  Lendenwirbel  mit  dem  größeren  Teile  von  Lm,  gleich  darauf  mit  der  größeren 
Hälfte  von  LlV.  Durch  spitzwinkelige  Vereinigung  dieser  drei  Wurzeln  entsteht  der  Hauptnerv  des 
Plexus,  der  N.  femoralis. 

Der  Plexus  lumbalis  tritt  nicht  frei  auf  der  hinteren  Bauchwand  zutage, 
sondern  ist  im  Fleische  des  M.  psoas  verborgen  (Fig.  349)  und  liegt  vor  den 
Processus  costotransversarii  der  Lendenwirbel.     Fig.  348. 

a)  Verbindungen  des  Plexus  lumbalis. 

1.  mit  ThXII; 

2.  mit  dem  Plexus  sacralis  durch  die  untere  Hälfte  von  LlV; 

3.  mit  dem  Lendenteil  des  Sympathicus  durch  2 — 3  lange  Rami  communi- 
cantes. 


384 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


b)  Aste  des  Plexus  lumbalis. 

Der  Übersichtlichkeit  wegen   kann   man   die  Äste  des  Plexus  in   kurze  und 
lange  einteilen. 


Thxu. 


Fig.  346. 
Fig.  346.  Plexus  lumbosacralis.  Ventralansicht. 
rl  R.  cutaneus  lat.  des  N.  subcostalis;  ih  N.  iliohypogastricus ; 
ri  dessen  R.  cutaneus  lat.;  ii  N.  ilioinguinalis;  ql  N.  für  Qua 
dratus  lumbomm;  se  N.  spermaticus  extrj~7i  N.  lumboingui- 
nalis;  p  N.  für  Psoas;  cl  N.  cutaneus  femoris  lat.;  i  N.  für 
M.  iliacus;  ip  N.  für  Iliopsoas;  Cr  N.  femoralis ;  oa  N.  obtu- 

ratorius  accessorius;  o  N.  obturatorius ;  gs  N.  glutaeus  sup.;  8' 

pi  Nn.  für  Piriformis;  Pe  N.  peronaeus;  gi  N.  glutaeus  inf. ;  77  N.  tibialis;  //  Nn.  für  Flexores  cruris;  q  N.  für  Quadratus 
femoris  und  Gemellus  inf. ;  oi  N.  für  Obturator  int.  und  Gemellus  sup. ;  cp  N.  cutaneus  femoris  post. ;  cm  N.  cutaneus  clunium 
inf.  medialis  (N.  perforans  lig.  sacrotuberosum) ;  pu  N.  pudendus;  h  N.  haemorrhoidalis  inf.;  /  N.  für  Levator  ani ; 
c  N.  für  Coccygeus;  a,  b  Nn.  anococcygei.  (P.  Eisler.) 
Fig.  347.  Plexus  lumbalis. 
/,  //,  ///,  IV  vorderer  Ast  des  ersten  bis  vierten  Lumbalnerven;  ih  N.  iliohypogastricus;  ii  N.  ilioinguinalis;  gcr  N.  genito- 
femoralis;  p,  p  Zweige  für  den  Psoas;  qu  Zweig  für  den  M.  quadratus  lumborum ;  o  N.  obturatorius  mit  drei  Wurzeln; 
er  N.  femoralis  mit  drei  Wurzeln;  il  Zweig  zu  dem  M.  iliacus;  cl  N.  cutaneus  femoris  lateralis;  is  Verbindungszweig  des 

Plexus  lumbalis  mit  dem  Plexus  sacralis. 

Kurze  Äste: 

Rami  musculares. 

1.  Der  Nerv  für  den  Quadratus  lumborum;  aus  dem  Anfange  von  Li; 

2.  die  Nerven  für  den  Psoas  major  und  minor;  von  der  Ansa  lumbalis  II  und  III; 


Rückenmarksnerven.  385 

Lange  Äste: 

1.  N.  iliohypogastricus.     Fig.  343,  348,  349. 

Er  gelangt  zur  vorderen  Fläche  des  M.  quadratus  lumborum,  zieht  parallel 
dem  letzten  Interkostalnerven  herab  und  tritt  über  der  Crista  iliaca  zwischen  die 
Mm.  transversus  und  obliquus  internus  abdominis.  Über  der  Mitte  der  Crista 
iliaca  gibt  er  seinen  Ramus  cutaneus  lateralis  ab.  Dieser  durchbricht  ober- 
halb der  Mitte  der  Crista  iliaca  die  Mm.  obliquus  internus  und  externus  abdominis, 
steigt  über  der  Crista  iliaca  abwärts  zur  Haut  über  dem  Glutaeus  medius,  wo  er 
mit  dem  R.  cutaneus  lateralis  des  Intercostalis  XII  Verbindungen  einzugehen  pflegt. 

Die  Fortsetzung  des  Stammes,  Ramus  cutaneus  ant.  (Bauchast)  genannt, 
setzt  zwischen  den  genannten  beiden  Muskeln  ihren  Weg  fort,  gibt  beiden  Muskeln 
und  dem  Obliquus  externus  Zweige,  Rr.  musculares,  durchbricht  oberhalb  des 
inneren  Leistenringes  den  Obliquus  internus  und  die  Sehne  des  Externus  und 
gelangt  an  der  oberen  medialen  Seite  des  äußeren  Leistenringes  unter  die  Haut. 
Über  der  Spina  iliaca  anterior  superior  verbindet  er  sich  mit  dem  folgenden  Nerven 
und  kann  ihn  ganz  in  seine  Bahn  herüberziehen. 

2.  N.  ilioinguinalis.    Fig.  343,  348,  349. 

Er  ist  dünner  als  der  vorige,  verläuft  dem  vorhergehenden  ähnlich  und  etwas 
unterhalb  desselben  über  den  M.  quadratus  lumborum,  zieht  dicht  über  der  Crista 
iliaca  zum  Transversus  abdominis,  durchbricht  ihn  etwas  weiter  vorn  als  jener, 
nimmt  zwischen  ihm  und  dem  M.  obliquus  internus  abdominis  seinen  Weg  nach 
vorn,  geht  die  genannte  Verbindung  mit  dem  vorigen  ein  und  gelangt  durch  den 
Leistenkanal  oder  unter  Durchbrechung  des  unteren  Schenkels  des  äußeren  Leisten- 
ringes zum  Samenstrang,  wo  er  in  seine  Endzweige  zerfällt. 

Die  drei  breiten  Bauchmuskeln  erhalten  feine  Fäden  von  ihm,  Rami  mus- 
culares.    Die  sensiblen  Endfäden  sind  laterale  und  mediale. 

Die  lateralen  Endfäden  verbreiten  sich  in  der  Haut  der  medialen  Leisten- 
gegend und  (unbeständig)  in  der  Haut  des  obersten  medialen  Teiles  des  Ober- 
schenkels. 

Die  medialen  Endfäden  dagegen  ziehen  zur  Haut  des  Mons  pubis  und 
zum  Scrotum  (Labia  majora),  Nn.  scrotales  (labiales)  antt. 

3.  N.  genitofemoralis.    Fig.  343,  348—350. 
Stammt  (mit  zwei  Wurzeln)  aus  der  Ansa  lumbalis  I  und  aus  LH.    Im  Psoas 
oder  außerhalb  teilt  er  sich  in  seine  beiden  Endäste,  N.  spermaticus  externus  und 
N.  lumboinguinalis,  die  auch  gesondert  entspringen  können. 

a)  N.  spermaticus  externus; 

enthält  die  aus  Li  stammenden  Fasern  des  N.  genitofemoralis,  läuft  in 
der  Nähe  des  medialen  Randes  des  M.  psoas  herab,  gibt  der  A.  iliaca 
externa  einen  Zweig,  kreuzt  die  Vasa  iliaca  externa  und  biegt  medial 
vom  inneren  Leistenringe  zur  hinteren  Wand  des  Leistenkanales  empor. 
So  gelangt  er  zur  anderen  Seite  des  Samenstranges  (oder  des  Lig.  teres 
uteri)  und  begleitet  ihn  durch  den  Leistenkanal  hindurch  in  den  Hoden- 
sack. Er  ist  besonders  für  den  M.  cremaster  und  die  Tunica  dartos 
bestimmt,  geht  auch  Verbindungen  mit  dem  sympathischen  Plexus  sper- 
maticus internus  ein,  der  die  A.  spermatica  interna  umstrickt. 


386 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Nach  seinem  Austritt  aus  dem  Leistenkanal  verbindet  er  sich  mit 
Fäden  des  N.  ilioinguinalis;  hieraus  wird  die  vollständige  oder  teilweise 
Vertretung  beider  Nerven  verständlich. 

b)  N.  lumboinguinalis; 

aus  LH  stammend,  zieht  lateral  vom  vorigen  auf  dem  M.  psoas  herab 
und  begibt  sich  lateral  von  den  Schenkelgefäßen  unter  dem  Lig.  ingui- 
nale zur  Haut  der  vorderen  Fläche  des  Oberschenkels.    Einige  seiner 


Ramus  ant.  n.  thoracal 


N.  lumbalis  I 

N.  iüohypogastricus 

N.  ilioinguinalis 

N.  lumbalis  II 

N.  genitofemoralis 

N.  cutaneus  femoris  lat. 

N.  lumbalis  III 


N.  lumbalis  IV 

N.  lumbalis  V 

N.  cutaneus  femoris  lat. 

Truncus  lumbosacralis 

N.  femoralis 

N.  obturatorius 

N.  spermaticus  ext. 
N.  ilioinguinalis 

N.  lumboinguinalis 


Aste  des  N.  cutaneus 
femoris  lat. 


j^*.       R.  ant.  n.  thoracaüs  XII 

hü 


N.  iüohypogastricus 
N-  ilioinguinalis 


N.  genitofemoralis 

N. cutaneus  femoris 
lat. 


N.  cutaneus  femoris  lat. 
N.  spermaticus  ext. 
—  N.  femoralis 
N.  lumboinguinalis 

N.  obturatorius 


Fig.  348. 

Äste  des  Lendengeflechtes  von  vorn.     (Hirschfeld  und  Leveille.)     1:4. 

Auf  der  rechten  Seite  ist  der  M.  psoas  wegpräpariert,   links   ist  die  vordere  Bauchwand  samt  den  Lig.  inguinale  entfernt. 

1  Grenzstrang  des  Sympathicus;  13  R.  cutaneus  ant.;  14  R.  cutaneus  lat.  des  N.  iüohypogastricus;  19  Hautäste  des  N.  ilio- 
inguinalis; 22  N.  ischiadicus;  23  Plexus  aorticus  abdominalis  des  Sympathicus. 


Zweige  treten  durch  die  Fossa  ovalis  aus,  andere  lateral  von  ihr.  Die 
letzten  Zweige  können  zuweilen  bis  zur  Mitte  des  Oberschenkels  ver- 
folgt werden.  Der  Lumboinguinalis  übernimmt  nicht  selten  Fasern  aus 
der  Bahn  des  Ilioinguinalis  und  kann  vollständig  dessen  Hautäste 
abgeben. 

4.  N.  cutaneus  femoris  lateralis.     Fig.  342,  343,  348—352. 

Er  entsteht  aus  der  Ansa  lumbalis  II,  gelangt  an  die  laterale  Seite  des  M. 
psoas,  sodann  auf  den  M.  iliacus  und  zieht,  von  der  Fascia  iliaca  bedeckt,  herab 
zur  Gegend  der  Spina  iliaca  anterior  superior.    Unter  dem  Lig.  inguinale  und  vor 


387 


JK 


Fig.  349.     Die  Äste  des  Plexus  lumbalis 

sowie  die  Bauchaorta  und  ihre  Äste  (7I1B). 


38S 


Spina  iliaca  ant.  stip. 

Lig.  inguinale  (Pouparti) 

Ramus  uiuscularis 
N.  cutaneus  femoris  lat. 


Ratni  cutanei  antt.  n.  feraoralis 


—-Ramus  ant.  n.  obturator 


Lig.  iliopectineum 
A.  femoralis 
""  V    femoralis 

N.  spermaticus  ext. 


Lig.  Suspensorium 
penis 


N.  obturatorius 


M.  adduetor  brevis 


—  M.  adduetor  niagnus 

Obere  Öffnung  des  Canalis  adduetorius 

Ramus  cutaneus  (obturatorius) 
Lamina  vastoadduetoria 


Anastomose  zwischen  dem  N.  femoralis 
und  dem  R.  cutaneus  obturalorius 


M.  semimembranosus 


JfW  j      -  R a  m  us  i n f  rapa tel la  r 


Fig.  350.     N.  femoralis  und  N.  obturatorius  (I)  des  (rechten).  Oberschenkels  (6 1S). 
Aus  dem  M.  sartorius  ist  ein  mittleres  Stück  herausgeschnitten. 


Rückenmnrksncrvcn.  389 

der  A.  circumflexa  ilium  profunda  hinwegziehend,  betritt  er  das  Oberschenkel- 
gebiet, liegt  hier  unter  dem  oberflächlichen  Blatte  der  Fascie  und  teilt  sich  in  einen 
stärkeren  absteigenden  und  schwächeren  hinteren  Ast,  welche  getrennt  die  Fascie 
durchsetzen.  Der  letztere  wendet  sich  über  dem  Tensor  fasciae  nach  hinten  und 
gelangt  bis  zur  Gesäßgegend.  Der  vordere  Zweig  gelangt  3 — 5  cm  unterhalb  des 
Lig.  inguinale  unter  die  Haut,  zieht  längs  der  Vorderfläche  des  Vastus  lateralis  bis 
zur  lateralen  Kniegegend  herab  und  sendet  besonders  laterale  Zweige  aus.  Hier 
und  da  verläuft  der  Nerv  streckenweise  in  der  Bahn  des  N.  femoralis. 

5.  N.  femoralis.     Fig.  348—352. 

Er  geht  mit  drei  Wurzeln  aus  LH,  III,  IV,  mit  einer  vierten  wahrscheinlich  aus 
Li  hervor  und  stellt  einen  starken,  abgeplatteten,  5 — 6mm  breiten  Stamm  dar, 
welcher  sich  zwischen  den  M.  psoas  und  M.  iliacus  legt  und  unter  dem  Lig. 
inguinale,  in  der  Lacuna  musculorum,  lateral  von  den  großen  Schenkelgefäßen 
zum  Oberschenkel  zieht.  Beim  Übergange  zum  Oberschenkel  gelangt  der  Nerv 
allmählich  auf  die  mediale  Fläche  des  M.  iliopsoas  und  zerfällt  hier  4 — 5  cm  unter- 
halb des  Lig.  inguinale  in  eine  Menge  von  Zweigen,  die  sich  auf  ein  vorderes, 
vorzugsweise  sensibles,  und  ein  hinteres,  vorzugsweise  motorisches  Bündel 
zurückführen  lassen. 

Die  sensiblen  Zweige  versorgen  die  ganze  vordere  Fläche  des  Oberschenkels, 
die  motorischen  gehen  zur  Streckmuskulatur  des  Oberschenkels,  sowie  zum  M.  psoas 
und  M.  pectineus. 

Bis  zur  Teilung  in  die  beiden  Endbündel  werden  von  ihm  abgegeben: 

Rr.  cutanea  antt.,  2 — 4  Zweige  für  den  Beckenteil  des  Iliacus,  einer  für  den  Psoas,  sowie  der 
N.  arteriae  femoralis  proprius.  Dieser  entsteht  schon  in  der  Beckenhöhle,  verläuft  mit  dem 
N.  femoralis  und  verläßt  ihn  unterhalb  des  Lig.  inguinale,  um  an  der  Scheide  der  großen  Gefäße 
herabzuziehen.  Von  den  die  A.  profunda  begleitenden  Fäden  dringt  einer  durch  das  Foramen  nutri- 
cium  in  das  Oberschenkelbein,  andere  in  das  Periost. 

Der  Nerv  für  den  M.  pectineus  gelangt  hinter  den  Schenkelgefäßen  zur  vorderen  Muskelfläche. 

Aus  dem  vorderen,  vorzugsweise  sensiblen  Endbündel  des  N.  femo- 
ralis entstehen: 

a)  Ratni  cutanei  anteriores.    Fig.  342,  343,  350,  351. 

Zahlreiche  Äste,  welche  an  verschiedenen  Stellen  die  Fascia  lata  durchbohren. 
Einige  von  ihnen  treten  durch  den  M.  sartorius  hindurch. 

Die  verschiedenen  Zweige  verlaufen  folgendermaßen: 

u.  Zwei  Äste  für  den  mittleren  Teil  der  vorderen  Fläche  des  Oberschenkels;  der  eine  gibt 
dem  Sartorius  einen  Zweig,  durchbohrt  meist  diesen  Muskel  im  oberen  Drittel,  darauf  die  Fascia 
lata  und  zieht  vor  dem  M.  rectus  femoris  bis  zum  Knie  herab. 

Der  andere  kann  mit  dem  vorigen  anfangs  vereinigt  sein,  durchbohrt  nur  selten  den  M.  sar- 
torius, sondern  gelangt  meist  an  dessen  medialer  Seite  zur  Haut  und  dringt  bis  zum  Knie  vor.  Beide 
Nerven  gehen  mit  dem  N.  lumboinguinalis  häufig  Verbindungen  ein. 

ß.  Äste  für  den  medialen  Teil  der  vorderen  Fläche  des  Oberschenkels,  meist  2—3  Nerven. 
Einer  derselben  durchbohrt  die  Fascie  unmittelbar  unter  der  Fossa  ovalis,  schließt  sich  der  V.  saphena 
magna  an  und  kann  bis  zum  Knie  verfolgt  werden.  Er  verbindet  sich  gewöhnlich  mit  dem  Hautast 
des  N.  obturatorius. 

Ein  zweiter,  stärkerer,  manchmal  doppelter  Nerv  läuft  am  medialen  Rande  des  Sartorius 
herab,  durchbohrt  oberhalb  der  Kniescheibe  die  Fascie,  um  in  der  Haut  der  medialen  Seite  des 
Knies  sich  zu  verbreiten. 

Aus  dem  hinteren,  vorzugsweise  motorischen  Endbündel  des  N.  femo- 
ralis gehen  hervor: 


390 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


b)  Rr.  musculares  für  die  Streckmuskulatur  des  Oberschenkels  und  zwar: 

«.  Der  Ast  für  den  M.  rectus  femoris.  Von  ihm  und  einigen  anderen  Muskelzweigen  werden 
feine  Fäden  zur  Hüftgelenkkapsel  abgegeben  (Rüdinger). 

ß.  Der  Ast  für  den  M.  vastus  lateralis. 

■/.  Einige  Äste  für  den  M.  vastus  intermedius.  Die  unteren  Zweige  von  ihnen  versorgen 
auch  den  M.  articularis  genus,  dringen  aber  mit  ansehnlichen  Zweigen  (untere  Epiphysen- 
nerven  über  die  Grenzen  des  Muskels  hinaus  zum  Periost  und  zur  Kniegelenkkapsel  (Rauber). 

■V  Der  Nerv  für  den  M.  vastus  media lis.  Dringt  ebenfalls  mit  einem  ansehnlichen  End- 
stück bis  zur  Kniegclenkkapsel  vor  (Rauber). 


N.  cutaneus  femoris  lat.  __i 


R  r.  c  utanei  antt. 


R.  muscularis  zum  M.  sartorius    — I 


R.  cutaneus  ant. 


Rr.  cutanei  antt. 


R.  cutaneus  ant. 


R.  infrapatellaris  n.  sapheni 
N.  saphenus 


Fig.  351. 

Hautnerven  an  der  vorderen  und  an  der  medialen  Fläche  des  Oberschenkels. 
(Hirschfeld  und  Leveille.)     1:5. 

Der  längste  Ast  des  N.  femoralis  ist: 

c)  Der  N.  saphenus  (Fig.  350,  351,  352).  Er  bildet  die  Fortsetzung  des 
hinteren  Endbündels,  liegt  am  Oberschenkel  anfangs  der  lateralen,  weiter  unten 
der  vorderen  Fläche  der  A.  femoralis  an,  tritt  mit  den  Vasa  femoralia  in  den 
Canalis  adduetorius,  durchbricht  dessen  vordere  Wand  und  zieht,  vom  Sartorius 
bedeckt,  in  der  Rinne  zwischen  dem  M.  vastus  medialis  und  M.  adduetor  magnus 
zur  medialen  Seite  des  Knies  herab.  Hier  gelangt  er  an  der  Sehne  des  M.  sar- 
torius unter  die  Haut  und  zur  V.  saphena  magna,  um  längs  derselben  am  Unter- 
schenkel subkutan  herabzuziehen  und  vor  dem  Malleolus  medialis  in  die  Haut 
des  medialen  Fußrandes  auszustrahlen.     Einer  seiner  Zweige  geht  hier  eine  Ver- 


N.  cutaneu;  femoris  lal. 

A.  circumflexa  ilium  prof. 

Spina  Miaca  ant.  sup. 


~Jrf~i~,""~'r   ~l N.  saphenus 

•-adductorlongif 


391 


Ureter 

A.  iliaca  communis 

A.  Iiypogastrica 
A    iliaca  ext. 
■  ■•■  A.  glutaea  sup. 

A.  glutaea  inf. 

A.  epigastrica  inf. 

A.  obturatoria 


m^"T^mM  — N-  obluratorius 

— -M.  obturator  ext. 

R.  superf.  1 

I   a.  circumflexae 
[  femoris  medialis 
j-*- R.  prof. 


R.  cutaneus  (obturatorius) 


Rami  articulares 


Rete  patellae 


Rami  musculares 

Lamina  vastoadduetoria 
(durchgeschnitten) 

-A.  genus  suprema 
N.  saphenus 

Sehne  des  M.  adduetor  magnus 
.# A.  genus  sup.  medialis 


Fig.  352.     N.  femoralis  und  N.  obturatorius  (II)  des  rechten  Oberschenkels  ('.:). 
Ein  Stück  der  A.  femoralis  ist  wegenommen;  die  Mm.  sartorius,  rectus  femoris,  pectineus,  adduetor  longus 

sind  durchgeschnitten  und  zum  Teil  entfernt. 


392 


Foramen  suprnpiriforme 


N.  glutaeus  &u-p-er4or 


N.  pudendus 


Lig.  sacrotuberosum 
Nn.  clunium  inferiores     . 


N.  cutaneus  femoris  post. 


Rr.  musculares 


R.  articularis 
Hiatus  adductorius 

A.  poplitea 

N.  tibialis 

N.  peronaeus  communis ... 

Rr.  musculares 
Caput  mediale  m.  gastrocnemii.„ 


N.  glutaeus  superior 


R.  muscularis  für  die 
Mm.  gemelli 


N.  ischiadicus 


musculares  für  den 
quadratus  femoris 


Rr.  musculares 


Caput  laterale  m.  gastrocnenm 


Fig.  353.    Tiefe  Nerven  des  Gesäßes  und  der  Beugeseite  des  rechten  Oberschenkels  (:  ,„). 


Rtickenmarksnerven.  393 

bindung  mit  dem  N.  peronaeus  superficialis  ein.  Meist  endigt  der  Nerv  im  Meta- 
tarsalgebiet,  ohne  zur  großen  Zehe  zu  gelangen.  In  seltenen  Fällen  endigt  er 
schon  am  Knie  und  wird  am  Unterschenkel  durch  einen  Zweig  des  N.  tibialis 
ersetzt  (H.  Meyer). 

Außer  einem  Zweige  zum  Kniegelenk  gibt  er  ab: 

a.  den  Ramus   infrapatellaris ,  zur  Haut  der  medialen  Seite  des  Knies 

bis  zur  vorderen  Fläche  der  Patella.     Fig.  351. 
;',.  Nn.  cutanei  cruris  mediales;  es  sind  mediale  vordere  und  mediale 
hintere  Zweige  vorhanden,  welche  die  Haut  über  der  medialen  Fläche 
der  Tibia  und  die  mediale  Wadenhaut  versorgen. 

6.  N.  obturatorius.    Fig.  342,  343,  350,  352. 

Wird  meist  aus  drei  Wurzeln  gebildet,  die  aus  der  Ansa  lumbalis  II,  sowie 
aus  LH  und  LIII  stammen  und  noch  innerhalb  des  M.  psoas  zusammentreten.  Der 
Stamm  läuft  am  medialen  Rande  des  M.  psoas  hinab,  gelangt  hinter  den  Vasa  iliaca 
communia  ins  kleine  Becken  und  zum  Canalis  obturatorius.  Innerhalb  desselben 
zerfällt  er  in  seine  beiden  Endäste,  den  Ramus  ant.  und  den  Ramus  post. 

Er  versorgt  sämtliche  Adduktoren  mit  motorischen  Zweigen  und  gibt  einen 
Hautast  zur  medialen  Fläche  des  Knies  ab. 

Vor  dem  Austritt  aus  dem  Canalis  obturatorius  entläßt  er  nur  einen  Nerven,  den  Ramus 
muscularis  für  den  M. obturator  externus;  er  durchläuft  den  Kanal  und  tritt  in  den  Muskel  ein. 

a)  Der  vordere  Endast,  Ramus  anterior,  gelangt  in  den  Zwischenraum 
zwischen  dem  M.  adductor  brevis  und  M.  adductor  longus  und  zerfällt  in  eine 
Reihe  von  Zweigen. 

Diese  sind: 

«.  der  Ast  für  den  M.  adductor  brevis; 

S.  der  Ast  für  den  M.  adductor  longus; 

;•.  der  Ast  für  den  M.  gracilis.    Mit  ihm  entspringt  gemeinsam 

ö,  der  Ramus  cutaneus  (obturatorius).  Er  begibt  sich  zwischen  dem  M. 
adductor  longus  und  Gracilis  zur  Haut  der  medialen  Seite  des  Oberschenkels  und 
verbindet  sich  mit  den  Nn.  cutanei  antt.  des  N.  femoralis. 

b)  Der  hintere  Endast,  Ramus  posterior,  durchbohrt  häufig  den  M.  ob- 
turator externus,  gelangt  zwischen  ihm  und  dem  M.  adductor  brevis  zur  vorderen 
Fläche  des  M.  adductor  magnus  und  entsendet: 

a.  1 — 2  Rami  articulares  für  das  Hüftgelenk; 

ß.  einen  Zweig  für  den  M.  adductor  niinimus; 

■/.  einen  Zweig  für  den  M.  adductor  magnus; 

£>'.  unbeständig  ist  ein  Zweig  für  den  M.  pectineus; 

f.  unbeständig  ist  ferner  ein  Zweig  für  die  hintere  Wand  der  Kniegelenkkapsel. 

Nicht  selten  kommt  ein  N.  obturatorius  accessorius  (Fig.  354)  vor,  er  entsteht  aus  Du 
und  Liv,  tritt  über  dem  Schambein  zum  Oberschenkel,  verbindet  sich  mit  dem  N.  obturatorius, 
gibt  Zweige  zum  M.  pectineus  und  zum  Hüftgelenk  (J.  A.  Schmidt). 

Bardeen,  Ch.  R.,  A.Statistical  Study  of  the  Abdominal  and  Border-Nerves  in  Man.  Americ. 
Journ.  of  Anatomy,  Bd.  I,  1902. 

4.  Kreuzbeingeflecht,  Plexus  sacralls. 
Der  Plexus  sacralis  stellt  die  größere  untere  Hälfte  des  Beingeflechtes  (Plexus 
cruralis)  dar.     Er  geht  aus  LlV/2,  Lv,  welche  zusammen  den  S.  383  erwähnten 
Truncus  lumbosacralis  ausmachen,  sowie  aus  Sl,  II  und  der  Hälfte  von  Sin 


394 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


nxn 


hervor.  Der  mächtige  Truncus  lumbosacralis  läuft  über  die  Linea  arcuata  hinab 
in  das  kleine  Becken  und  verbindet  sich  hier  mit  den  übrigen  Bestandteilen  des 
Plexus  sacralis.  Ein  großer  Teil  von  Sin  tritt  zum  Plexus  sacralis,  der  andere  Teil 
zum  Plexus  pudendus. 

Die  genannten  Nerven  konvergieren 
gegen  das  Foramen  ischiadicum  majus  und 
fließen  zu  einer  vielfach  verflochtenen  Platte 
zusammen,  aus  deren  Spitze  der  N.  ischia- 
dicus,  der  größte  Nerv  des  Körpers  hervor- 
geht.    Fig.  354. 

Die  Länge  der  einzelnen  Wurzeln  des 
Plexus  sacralis  ist  verschieden;  sie  nimmt  vom 
oberen  zum  unteren  Ende  des  Plexus  allmäh- 
lich ab.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Stärke 
der  einzelnen  Wurzeln;  sie  nimmt  vom  fünf- 
ten Lendennerven  an  allmählich,  vom  zweiten 
Sakralnerven  an  rasch  ab. 

Der  Plexus  sacralis  liegt  zum  Teil  auf  der 
vorderen  Fläche  des  M.  piriformis.  Sl  kommt 
über  dem  oberen  Rande  des  Muskels  aus  dem 
Foramen  sacrale  anterius  I,  Sin  unter  dem 
unteren  Muskelrande  hervor.  Zwischen  dem 
Truncus  lumbosacralis  und  Si  begibt  sich  die 
A.  glutaea  superior  nach  hinten;  zwischen 
Sil  und  Sin  zieht  die  A. glutaea  inferior  nach  unten. 

a)  Verbindungen  des  Plexus  sacralis: 

1.  Durch  den  Verbindungszweig 
von  Liv  hängt  er  mit  dem  Plexus  lum- 
balis  zusammen; 

2.  durch  die  untere  Hälfte  von 
SlII  mit  dem  Plexus  pudendus; 

3.  durch  Rami  communicantes  ist 
er  mit  den  angrenzenden  Teilen  des 
Sympathicus  verknüpft. 

b)  Äste  des  Plexus  sacralis: 

1.  Zweige  für  den  M.  piriformis, 
von  Sil  stammend; 

2.  N.  glutaeus  superior,  mit  zwei 
Wurzeln,  aus  LV  bis  Sil  hervorgehend. 

In  einen  oberen  und  unteren  Ast 
geteilt,  verläuft  der  Nerv  hart  am 
Knochen,  oberhalb  des  Piriformis,  durch 
den  oberen  Teil  des  Foramen  ischia- 
dicum majus  (For.  suprapiriforme). 
Fig.  353,  356. 

Der  obere,  schwächere  Ast 
tritt  unter  den  M.  glutaeus  medius,  zieht 


Fig.  354. 

Schematische  Darstellung  des  Plexus  lumbosacralis.  1  :  2. 

DXII  letzter  Brustnerv;  LI — V  erster  bis  fünfter  Lendennerv; 
S/—  V  erster  bis  fünfter  Sakralnerv;  CIN.  coecygeus;  p,p,/> 
dorsale  Äste  dieser  Nerven;  p,  p'  Plexus  sacralis  posterior; 
1.1—1  V  treten  zum  Plexus  lumbalis,  LI  V"  bis  SlII  zum  Plexus 
sacralis;  SlII  bis  SI  V  zum  Plexus  pudendus,  SV  und  CI 
zum  Plexus  coecygeus  zusammen;  d,  l  letzter  Interkostalnerv; 
1  N.  iliohypogastricus;  1'  N.  ilioinguinalis;  2  N.  genitofemo- 
ralis;  2*  N.  cutaneus  femoris  lateralis;  ps,  ps  Zweige  zum 
M.  psoas  major;  er  N.  femoralis;  il  Zweige  zum  M.  iliacus; 
ob  N.  obturatorius ;  ob1  N.  obturatorius  accessorius ;  IV,  V 
treten  zum  N.  lumbosacralis  zusammen  ;  .'IN.  glutaeus  superior ; 
4,  4'  N.  glutaeus  inferior;  5,  5*  N.  cutaneus  femoris  posterior; 
sc  N.  ischiadicus;  6,  6,  6',  6'  Zweige  zu  den  Rollmuskeln  und 
zum  Hüftgelenk;  7  Zweig  für  den  M.  piriformis;  8  N.  pu- 
dendus; 9,0  Rami  viscerales;  91  Zweig  zum  M.  levator  ani; 
10  Zweig  zum  M.  coecygeus;   11  N.  anocoecygeus. 


Rückenmarksnerven.  395 

längs  des  oberen  Randes  des  M.  glutaeus  minimus  nach  vorn   und  verästelt  sich 
im  M.  glutaeus  medius. 

Der  untere  Ast  zieht  zwischen  den  Mm.  glutaeus  medius  und  minimus  nach 
vorn,  gibt  dem  M.  glutaeus  medius  Zweige,  versorgt  den  M.  glutaeus  minimus  und 
sendet  sein  vorderstes  Bündel  in  den  M.  tensor  fasciae  latae. 

3.  N.  glutaeus  inferior,  entsteht  häufig  mit  dem  folgenden  vereinigt  von 
der  hinteren  Fläche  des  Plexus,  aus  Sl  und  II.  Er  verläßt  unterhalb  des  M.  piri- 
formis die  Beckenhöhle  und  tritt  mit  auseinanderweichenden  Bündeln  in  den  M. 
glutaeus  maximus  ein.     Er  gibt  auch  der  Hüftgelenkkapsel  Fäden.    Fig.  253,  356. 

4.  N.  cutaneus  femoris  posterior  (Fig.  353,  355),  verläßt  mit  dem  N.  glu- 
taeus inferior  am  unteren  Rande  des  M.  piriformis  die  Beckenhöhle,  zieht,  anfäng- 
lich dem  N.  ischiadicus  aufliegend,  zwischen  Tuber  ischiadicum  und  Trochanter 
major  zur  hinteren  Fläche  des  Oberschenkels  hinab  und  verbreitet  sich  an  ihm 
bis  zum  Knie.  Er  versorgt  die  Haut  des  Gesäßes  und  der  hinteren  Fläche  des 
Oberschenkels  mit  sensiblen  Zweigen  und  entsendet  folgende  Äste: 

a.  Nn.  clunium  inferiores  (Fig.  355),  2 — 3;  schlingen  sich  um  den  unteren 
Rand  des  M.  glutaeus  maximus  aufwärts  und  endigen  in  der  hier  befind- 
lichen Haut. 

ß.  Rami  perineales  (Fig.  355),  ziehen  unterhalb  des  Tuber  ischiadicum  in 
abwärts  konvexem  Bogen  zu  der  Furche  zwischen  Damm  und  Ober- 
schenkel, geben  an  die  Haut  beider  Teile  Zweige  und  enden  auf  der 
lateralen  Seite  des  Scrotum  (Labia  majora),  indem  sie  sich  mit  Zweigen 
des  N.  pudendus  verbinden. 

y.  Rami  cutanei  femoris  posteriores  (Fig.  355).  Sie  werden,  während  der 
N.  cutaneus  femoris  posterior  bis  zur  Mitte  des  Oberschenkels  subfascial, 
sodann  subkutan  verläuft,  nach  beiden  Seiten,  besonders  medianwärts 
abgegeben.  Die  Endzweige  dringen  bis  zur  Kniekehle  und  greifen  auch 
noch  auf  die  Wadenhaut  über,  wobei  sie  sich  einem  Zweig  der  V.  saphena 
parva  anlagern.     Fig.  360. 

5.  N.  ischiadicus  (Fig.  353 — 356),  entsteht  aus  allen  Wurzeln  des  Plexus 
sacralis  und  bildet  dessen  Hauptfortsetzung.  Die  Beckenhöhle  am  unteren  Rande 
des  M.  piriformis  verlassend,  zieht  er  zwischen  Tuber  ischiadicum  und  Trochanter 
major  hinter  den  kleinen  Rollmuskeln,  anfänglich  bedeckt  vom  M.  glutaeus  maximus, 
abwärts.  Weiter  unten  liegt  der  Nerv  auf  der  hinteren  Fläche  des  M.  adductor 
magnus,  wird  hier  durch  die  vom  Tuber  ischiadicum  entspringenden  Beugemuskeln 
gedeckt  und  gelangt  so  zur  Kniekehle.  Hier  nimmt  er  etwa  deren  Mitte  ein,  liegt 
etwas  lateral  und  über  der  V.  und  A.  poplitea  und  wird  von  der  starken  Fascia 
Poplitea  überlagert.  Meist  teilt  sich  der  Nerv  im  oberen  Winkel  der  Kniekehle 
in  den  stärkeren,  den  Stamm  fortsetzenden  N.  tibialis,  und  in  den  schwächeren, 
zum  lateralen  Winkel  der  Kniekehle  verlaufenden  N.  peronaeus  communis 
(Fig.  353,  355).  Häufig  geschieht  die  Teilung  schon  in  der  Mitte  des  Oberschenkels, 
ja  sie  kann  schon  am  Ursprünge  aus  dem  Plexus  gegeben  sein.  Künstlich  läßt 
sich  die  Trennung  beider  Stämme  immer  bis  zum  Hüftloche  ausführen.  Er  ver- 
sorgt mit  motorischen  Zweigen:  von  Hüftmuskeln  den  M.  obturator  int, 
Gemelli,  Quadratus  femoris,  ferner  sämtliche  Beugemuskeln  des  Oberschen- 
kels und  alle  Muskeln  von  Unterschenkel  und  Fuß.     Seine  sensiblen  Zweige 


396 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


versorgen  die  Haut  von  Unterschenkel  und  Fuß  mit  Ausnahme  der  vom  N.  saphenus 
versorgten  Abschnitte. 

Der  N.  ischiadicus,  und  zwar  der  tibiale  Teil  desselben,  gibt  in  der 
Hüft-  und  Oberschenkelgegend  folgende  Äste  ab: 

a)  den  Nerven  für  den  M.  obturator  internus.  Er  entspringt  bei  dem  Austritt  des  Stammes 
aus  dem  Foramen  ischiadicum  majus,  wendet  sich  sofort  durch  das  Foramen  ischiadicum  minus  zur 
medialen  Fläche  des  M.  obturator  internus  und  dringt  in  denselben  ein.  Im  Foramen  ischiadicum 
minus  nimmt  er  den  unteren,  der  N.  pudendus  dagegen  den  oberen  Winkel  ein;  die  Vasa 
pudenda  verlaufen  zwischen  den  beiden  Nerven; 


Fig.  355. 


Fig.  356. 

Fig.  356.     Nerven    des    Ple.xus    sacralis   und    N.  pudendus.     (Hirschfeld    und 

Levei  I  le.)  1:4. 
a  Trochanter  major;  b  M.  tensor  fasciae  latae;  c  Sehne  des  M.  obturator  internus; 
d  M.  vastus  lateralis;  e  Os  coecygis;  /  M.  gracilis;  1  N.  glutaeus  superior,  oberer 
Ast;  1'  unterer  Ast  desselben;  1"  Ast  zum  M.  tensor  fasciae  latae;  2  N.  ischiadicus; 
2'  Ast  zum  M.  piriformis;  2"  Zweig  zum  M.  obturator  internus;  3  N.  cutaneus  femoris 
posterior;  3'  N.  glutaeus  inferior;  3"  Nn.  clunium  inff. ;  4  Rami  cutanei  femoris; 
4'  Rami  perineales  des  N.  cutaneus  femoris  posterior;   5  N.  pudendus;  6,  6',  6"  seine 

Verzweigungen  am  Damme  Nn.  scrotales  posteriores;   7  N.  dorsalis  penis. 
Fig.  355.    Hintere  Hautnerven  der  Hüfte  und  des  Oberschenkels.    (Hirschfeld 

und  Levei  116.)  1:5. 
Die  Fascia  lata  ist  in  der  mittleren  Gegend  der  hinteren  Seite  des  Oberschenkels  zum 
Teil  entfernt;  aus  dem  M.  glutaeus  maximus  ist  vom  unteren  Rande  aus  ein  Stück  herausgeschnitten;  a  (J.  glutaeus 
maximus;  b  Fascia  lata;  c  M.  bieeps  femoris;  ä  Mm.  semitendinosus  et  semimembranosus;  e  M.  gastroenemius;  /  Os 
coecygis;  g,  g  Vena  saphena  magna;  1,  2  R.  cutaneus  lat.  des  N.  iliohypogastricus;  3  Aste  des  N.  cutaneus  femoris  lat. ; 
4.4'  N.  glutaeus  inferior;  4"  Nn.  clunium  inff.;  5  N.  cutaneus  femoris  post. ;  5',  5'  seine  Verzweigungen  am  Oberschenkel; 
6,  6  seine  Endäste  an  der  Wade;  7  Teilung  des  N.  ischiadicus  in  seine  Endäste;  8  untere  Hautäste  des  letzten  Sakral- 
und  des  Steißbeinnerven;   9  Rami  cutanei  perineales  von  5. 

b)  den  Nerven  für  die  beiden  Mm.  gemclli  und  den  M.  quadratus  femoris;  er  entsteht 
ebenfalls  beim  Austritt  des  Ischiadicus; 

c)  einen  Ramus  articularis  für  die  Hüftgelenkkapsel; 

d)  Rami  musculares  für  den  M.  semitendinosus,  M.  semimembranosus,  den  langen 
Kopf  des  M.  bieeps  femoris,  den  M.  adduetor  magnus. 

5  a.  N.  peronaeus  communis.    Fig.  353,  356,  359. 
Der  N.  peronaeus  communis  zieht  nach  seiner  Trennung  vom  N.  tibialis  längs 
des  medialen  Randes  des  M.  bieeps  femoris  über  das  Caput  lat.  m.  gastroenemii 


397 


Rami  musculares  des  N.  peronaeus  profundus  --- 


A.  tibialis  anterior 


N.  peronaeus  profundus  — I 


N.  peronaeus  superficialis 


A.  tibialis  ant 


N.  cutaneus  dorsalis  medialis 


N.  cutaneus  dorsalis  intermedius J 


M.  peronaeus  tertius 


Membrana  interossea  cruris 


Sehne  der  M.  tibialis  ant. 


A.  dorsalis  pedis 
N.  peronaeus  profundus 


M.  extensor  digitorum  brevis 

Fig.  357.    Tiefe  Nerven  der  Streckseite  des  (rechten)  Unterschenkels  (Vis)- 


398 


Sehne  des  M.  sartorius 

Sehne  des  M.  gracilis 

Sehne  des  M.  semimembranosus 

Sehne  des  M,  semitendinosus 


Ramus  musculari 


Sehne  des  M.  tibial 

Sehne  des  M.  flexor  digitorum 

A.  tibiali 

N.  plantaris  lateral i 

N.  plantaris  medialis ~ 


itea 

musculares  für  den  medialen  Kopf  des 

M.  gastrocnemius 
musculares  für  den  lateralen  Kopf  des 

M.  gastrocnemius 

Caput  mediale  in.  gastrocnemii 


M.  plantaris 
A.  tibialis  ant. 
A.  tibialis  post 


,  A.  peiouaea 


Ramus  muscularis  für  den  M.  flexor 

hallucis  longus 


Ramus  muscularis  für  den  M.  tibialis 
post. 


ne  des  M.  plantaris 


o  calcaneus 


mi  calcanei  mediales 


Fig.  358.     Tiefe  Nerven  der  Beugeseite  des  (rechten)  Unterschenkels  P/»). 


Rückenmarksnerven.  399 

zum  lateralen  Winkel  der  Kniekehle,  tritt  am  Collum  fibulae  auf  die  laterale  Fläche 
des  Knochens  und  teilt  sich  vor  seinem  Eintritt  in  den  hier  entspringenden  M. 
peronaeus  longus  in  den  überwiegend  sensiblen  N.  peronaeus  superficialis 
und  den  überwiegend  motorischen  N.  peronaeus  profundus.  Bis  zur 
Teilungsstelle  werden  au(3er  einem  Zweig  für  den  kurzen  Kopf  des  M.  biceps 
femoris  und  einem  Ramus  articularis  genus  superior  und  inferior  zum 
lateralen  und  hinteren  Teile  der  Gelenkkapsel  sowie  zum  Tibio-Fibulargelenke 
noch  abgegeben: 

Der  N.  cutaneus  surae  lateralis:  Er  entspringt  aus  dem  N.  peronaeus 
communis  innerhalb  der  Kniekehle  und  teilt  sich  am  Unterschenkel  in  einen 
vorderen  und  hinteren  Ast.     Fig.  360. 

Der  vordere  Ast  wird  alsbald  subkutan,  zieht  an  der  lateralen  Fläche  des 
Unterschenkels  bis  zum  Malleolus  lateralis  herab  und  schickt  Fäden,  welche  die 
laterale  untere  Seite  des  Knies  bogenförmig  umgreifen,  zur  Kniehaut. 

Der  hintere  Ast,  Ramus  anastomoticus  peronaeus,  wechselnd  stark,  ver- 
läuft subfascial,  hinter  dem  vorigen,  auf  dem  Caput  lat.  m.  gastrocnemii  abwärts, 
wird  in  der  Längsmitte  des  Unterschenkels  subkutan  und  vereinigt  sich  gewöhnlich 
mit  dem  N.  cutaneus  s^rae  medialis  aus  dem  N.  tibialis.  Seltener  bleibt  er  isoliert. 
Beide  stehen,  wie  so  viele  andere  nachbarliche  Nervenäste,  in  kompensatorischem 

Verhältnis. 

1.  N.  peronaeus  superficialis.     Fig.  357,  359,  361 — 363. 

Er  zieht  in  steil  ab-  und  vorwärts  gekehrter  Richtung  durch  den  M.  peronaeus 
longus,  gelangt  zwischen  M.  peronaeus  longus  und  brevis,  legt  sich  sodann  auf 
die  lateral-vordere  Fläche  des  M.  extensor  digitorum  longus  und  durchbricht  im 
distalen  Drittel  des  Unterschenkels  die  Fascia  cruris,  um  als  Hautnerv  zu  endigen. 
Subkutan  geworden  oder  noch  in  subfascialer  Lage,  teilt  er  sich  in  zwei  Zweige, 
den  stärkeren  N.  cutaneus  dorsalis  medialis  und  den  schwächeren  N.  cutaneus 
dorsalis  intermedius.    Bis  zu  seiner  Teilung  gehen  folgende  Äste  aus  ihm  hervor: 

Rami  musculares  für  den  M.  peronaeus  longus  (2)  und  für  den  M. 
peronaeus  brevis. 

/.  N.  cutaneus  dorsalis  medialis.    Fig.  359,  362,  363. 

Er  wendet  sich  medianwärts  zum  Fußrücken,  gibt  auf  diesem  Wege  feine 
Zweige  zur  benachbarten  Haut  und  teilt  sich  auf  dem  Fußrücken  in  einen  medialen 
und  einen  lateralen  Zweig,  welche  den  medialen  Rand  der  großen  Zehe  und  die 
einander  zugewendeten  Ränder  der  2.  und  3.  Zehe  versorgen. 

a)  Der  mediale  Zweig  wendet  sich  zum  medialen  Fußrande,  verbindet  sich  mit  Fäden  des 
Nervus  saphenus  und  versorgt  die  Rückenhaut  der  medialen  Seite  der  großen  Zehe  bis  zum 
Endgliede.  Ferner  schickt  er  zur  Haut  über  dem  Spatium  interosseum  I  einen  Verbindungs- 
zweig zum  N.  peronaeus  profundus. 

b)  Der  laterale  Zweig  zieht  zum  Spatium  interosseum  II  und  teilt  sich  in  zwei  Äste,  Nn. 
digitales  dorsales  pedis,  für  die  einander  zugewendeten  Seiten  der  zweiten  und 
dritten  Zehe.    Dieser  Zweig  kann  auch  vom  folgenden  abgegeben  werden. 

2.  N.  cutaneus  dorsalis  intermedius.    Fig.  363. 
Zieht  über  das  Fußgelenk  gerade  nach  vorn,  versorgt  die  benachbarte  Haut 
und  teilt  sich  in  einen  medialen  und  einen  lateralen  Zweig,  welche  die  einander 
zugewendeten  Ränder  der  3.  und  4.,  sowie  der  4.  und  5.  Zehe  versorgen. 

a)  Der  mediale  Zweig  spaltet  sich  in  die  Nerven  für  die  einander  zugewendeten  Seiten 
der  3.  und  4.  Zehe. 

RiUBER-KopscH,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  21 


400 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


b)  Der  laterale  Zweig  geht  mit  dem  N.  suralis  Verbindungen  ein  und  versorgt  die  ein- 
ander zugewendeten  Seiten  der  4.  und  5.  Zehe. 

Der  N.  cutaneus  dorsalis  intermedius  kann  auch  den  Nerven  für  die  einander  zugewendeten 
Seiten  der  2.  und  3.  Zehe  abgeben.  Er  endigt  andererseits  zuweilen  schon  auf  dem  Kußrücken  und 
wird  durch  den  N.suralis  ersetzt.  In  solchen  Fallen  ist  der  R.anastomoticus  peronaeus stark  entwickelt. 

2.  N.  peronaeus  profundus.     Fig.  357,  359,  362,  363. 
Er  durchbricht  die  Ursprünge  des  M.  peronaeus  longus  und  des  M.  extensor 
digitorum  longus  und  gelangt  zu  den  Vasa  tibialia  anteriora,  vor  welchen  er,  an- 


N.  cutaneus  surae  lat.  — 


N.  peronaeus  comm 
Rr.  musculares 
R.  anastomoticus  peronaeus 


N.  cutaneus  surae  medialis 


i—  N.  peronaeus  pro  f. 

—  N.  peronaeus  superf. 

—  N.  peronaeus  prof. 


N.  suralis 

Rr.  calcanei  latt. 
N.  digitalis  dorsalis  pedis  IV  -] 

N.  cutaneus  dorsalis  lat. 


N.  peronaeus  superf. 


N.  cutaneus  dorsalis  medialis 
N.  cutaneus  dorsalis  lat. 


Anastomosen  der  Nerven 
des  Fußrückens 


Nn.  digitales  dorsales  hallucis 
lat.  et  digiti  11  medialis 


Fig.  359. 

Hautnerven  an  der  lateralen  Seite  des  Unterschenkels  und  des  Fußes.    (Hirschfeld  und  I.eveille.)     1:5. 
Am   proximalen  Teil  des   Unterschenkels   ist  die  Fascia  cruris  entfernt,  das   proximale  Stück  des  M.  peronaeus  longus  ist 

herausgeschnitten. 

fänglich  zwischen  dem  M.  tibialis  anterior  und  dem  M.  extensor  digitorum  longus, 
sodann  zwischen  dem  ersteren  und  dem  Extensor  hallucis  longus,  herabzieht.  Am 
Sprunggelenk  durchzieht  er  mit  den  Gefäßen  jenes  Fach  des  Lig.  cruciatum  pedis, 
in  welchem  die  Sehne  des  M.  extensor  hallucis  longus  ihre  Lage  hat,  und  teilt 
sich  in  einen  medialen  und  einen  lateralen  Endzweig. 

Während  seines  Verlaufes  am  Unterschenkel  gehen  aus  ihm  folgende  Nerven  hervor: 

a)  ein  oberer  und  ein  unterer  Ramus  muscularis  für  den  M.  tibialis  anterior; 

b)  ein  Ramus  muscularis  für  den  M.  extensor  digitorum  longus; 

c)  zwei  Rami  musculares  für  den  M.  extensor  hallucis  longus; 

d)  ein  Ramus  articttlaris  für  die  vordere  Wand  des  Sprunggelenkes. 

Der  mediale  Endzweig  setzt  die  Richtung  des  Stammes  fort,  zieht  mit  der 


401 


N.  peronaeus  communi 


N.  cutancus  surae  lat. 


N.  cutaneus  surae  medialis 


R.  anastomoticus  peronaeus 


Malleolus  lat 


N.  cutaneus  femoris  post. 


V.  saphena  magna 


Endäste  des  N.  cutaneus  femoris  post. 


N.  cutaneus  surae  medialis 


V.  saphena  parva 


Verbindung  der  V.  saphena  parva  mit 
d.  V.  saphena  magna 


N.  suralis 


Ramus  calcaneus 


Malleolus  medialis 


Fig.  360.     Hautnerven  und  Hautvenen  des  linken  Unterschenkels  (Beugeseite) 
(aus  Corning,  topogr.  Anatomie). 


402 


N.  peninaeus  superficialis 


Venen  zur  V.  saphena  parva 


Tractus  iliotibialis 


I '.Hella 


■\st  des  N.  peronaeus  superficialis 


V.  saphena  parva 

N.  surali 


Rami  calcanei  laterales 


N.  cutaneus  dorsalis  lat 


N.  peronaeus  superficialis 


N'n.  digitales  dorsales  hallucis  lateralis 
et  digiti  II  medialis 


Nn.  cutanei  dorsales  pedis 


Fig.  361.  Hautnerven  und  Hautvenen  der  rechten  unteren  Extremität  (Streckseite) 

(ans  Corning,  topogr.  Anatomie). 


Rückenmarksnerven. 


403 


A.  dorsalis  pedis  zum  Spatium  interosseum  I  und  gelangt  unter  der  mit  ihm  sich 
kreuzenden  Sehne  des  M.  extensor  hallucis  brevis  zum  distalen  Ende  des  Zwischen- 
knochenraumes. Hier  verbindet  er  sich  konstant  mit  einem  Faden  des  N.  pero- 
naeus  superficialis  und  spaltet  sich  in  zwei  Hauptzweige,  Nn.  digitales  dorsales 
hallucis  lateralis  et  digiti  seeundi  medialis,  für  die  einander  zugewendeten 
Seiten  der  Rücken  der  ersten  und   zweiten  Zehe.     Auf  diesem   Wege  entsendet 

N.  peronaeus  comm. 
N.  peronaeus  superficialis 


M.  peronaeus  longus  ■  jmi 


M.  extensor  hallucis  longus 
N.  peronaeus  superficialis 


M.  tibialis  ant. 


N.  suralis 


N.  cutaneus  dorsalis  lat. 


N.  cutaneus  dorsalis  medialis 


Fig.  362. 

Verzweigung  des  N.  peronaeus.  (Hirschfeld  und  Leveille.)  1:5. 
Das  proximale  Stück  des  M.  peronaeus  longus  ist  entfernt;  die  Mm.  tibialis  anterior,  extensor  hallucis  longus  und  peronaeus 
longus  sind  auseinandergezogen.  1'  oberer  Zweig  für  den  M.  tibialis  anterior;  2\  2'  Zweige  des  N.  peronaeus  superficialis 
zu  den  Mm.  peronaei ;  3',  3'  Verzweigungen  des  N.  cutaneus  dorsalis  medialis;  4  N.  cutaneus  dorsalis  medius;  4',  4'  seine 
Verzweigungen  an  den  Zehen;  6,  6  N.  peronaeus  profundus,  6'  seine  Muskelzweige  am  Unterschenkel,  6"  seine  Endteilung, 
7,  7'  sein   medialer  Zweig  in  Verbindung  mit  dem   N.  peronaeus  superficialis,   8  sein  lateraler  Zweig  zum  M.  extensor 

digitorum  brevis. 

er  den  N.  interosseus  pedis  I  für  die  benachbarten  Gelenke;  zwei  Fäden  laufen 
längs  der  Metatarsalia  I  und  II  nach  vorn  und  endigen  an  den  Kapseln  der 
Köpfchengelenke. 

Der  laterale  Endzweig  wendet  sich  auf  der  Fußwurzel,  vom  M.  extensor 
digitorum  brevis  bedeckt,  lateralwärts,  versorgt  diesen  Muskel,  entsendet  drei  Nn. 
interossei  pedis  (Rüdinger),  welche  sich  wie  der  erste  verhalten.  Die  Nerven 
der  Mm.  interossei  dorsales  aber  sind  plantaren  Ursprunges,  obgleich  auch  der 
N.  peronaeus  profundus  als  ein  ventraler  Nerv  betrachtet  werden  muß  (siehe 
oben  S.  383). 

21* 


404  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

5  b.    N.  tlbialis.     Fig.  358,  360,  364,  365. 

Er  übertrifft  den  anderen  Endast  des  Ischiadicus,  nämlich  den  N.  peronaeus 
communis  an  Stärke  um  das  Doppelte,  zieht  durch  die  Mitte  der  Fossa  poplitea 
herab  und  liegt  nach  hinten  und  etwas  lateral  von  den  Vasa  poplitea.  Alsbald 
gelangt  er  zwischen  den  beiden  Köpfen  des  M.  gastroenemius  bis  zum  proximalen 
Rande  des  M.  soleus,  dringt  unter  der  Soleusarkade  in  den  Zwischenraum  zwischen 
M.  tibialis  posterior  und  M.  soleus,  zieht  mit  der  A.  tibialis  posterior  zwischen 
der  tiefen  und  der  oberflächlichen  Schicht  der  Wadenmuskeln  distalwärts,  gelangt  in 
der  Mitte  zwischen  dem  Malleolus  medialis  und  Calcaneus,  fibular  von  den 
großen  Gefäßen  (siehe  S.  379,  Anm.  2)  zur  medialen  Seite  des  Fußgelenkes  und 
spaltet  sich  hinter  dem  Malleolus  medialis  in  seine  beiden  Endzweige,  welche 
als  N.  plantaris  lateralis  und  medialis  unter  dem  Lig.  laciniatum  zur  Fuß- 
sohle ziehen.     Fig.  364. 

Jene  Äste  des  N.  tibialis,  welche  von  ihm  während  seiner  Verbindung  mit 
dem  N.  peronaeus  communis  im  N.  ischiadicus  abgegeben  werden,  sind  bereits 
genannt  worden;  es  sind  dies  die  Äste  für  den  M.  obturator  internus;  die  Mm. 
gemelli  und  den  M.  quadratus  femoris,  für  den  Semitendinosus,  Semimembranosus, 
Adductor  magnus,  Caput  longum  bieipitis  (siehe  oben  S.  396). 

In  der  Kniekehle  und  am  Unterschenkel  werden  von  dem  N.  tibialis 
abgegeben: 

a)  Der  N.  cutaneus  surae  medialis  (Fig.  360, 365);  er  entspringt  im  proximalen 
Teil  der  Kniekehle,  zieht  in  der  Rinne  zwischen  den  beiden  Köpfen  des  M.  gastro- 
enemius herab,  liegt  hier  subfascial  an  der  lateralen  Seite  der  V.  saphena  parva, 
durchbohrt  die  Fascie  gegenüber  dem  Anfange  der  Achillessehne,  vereinigt  sich 
darauf  mit  dem  R.  anastomoticus  peronaeus,  und  heißt  dann  N.  suralis. 
Dieser  begibt  sich  in  Begleitung  der  genannten  Vene  hinter  dem  Malleolus  lateralis 
und  verläuft  als  N.  cutaneus  dorsalis  lateralis  am  lateralen  Fußrande.  Hier 
sendet  er  einen  Verbindungszweig  zum  N.  cutaneus  dorsalis  intermedius  und 
endigt  als  N.  dorsalis  digiti  minimi  am  lateralen  Rande  des  Rückens  der  kleinen 
Zehe.  Während  seines  Vorbeizuges  hinter  dem  Malleolus  lateralis  sendet  er  Fäden 
zur  Haut  desselben  sowie  zur  Haut  der  Ferse,  Rami  calcanei  laterales 
(Fig.  361,  365).  Noch  oberhalb  des  Malleolus  entspringen  aus  ihm  Fäden  für 
die  laterale  Seite  des  Fußgelenkes,  weiter  unten  für  die  vordere  Kapselwand  und 
den  Sinus  tarsi  (Rüdinger). 

b)  Rami  arti ciliares  für  das  Kniegelenk,  gewöhnlich  ein  oberer  und  unterer  (Rüd  inger). 

c)  Rami  musculares  für  die  beiden  Köpfe  des  M.  gastroenemius,  den  M.  plantaris 
und  M.  soleus. 

d)  Rami  musculares  für  den  M.  tibialis  posterior,  M.  flexor  digitorum  longus 
und  M.  soleus. 

Der  erstere  dieser  Muskelnerven  schickt  in  den  für  die  Aufnahme  der  Vasa  peronaea  bestimmten 
Canalis  musculo-peronaeus  einen  langen,  reich  mit  Vater-Pacini  sehen  Körperchen  besetzten 
feinen  Nerven  ab,  Nervus  canalis  musculo-peronaei,  welcher  auf  dem  Knochen  herabzieht, 
vom  M.  flexor  hallucis  Iongus  gedeckt  wird,  den  Gefäßen,  dem  Periost  und  dem  Foramen  nutricium 
fibulae  Zweige  abgibt  und  in  der  Rinne  hinter  dem  Malleolus  lateralis  sich  verliert  (Rauber). 

e)  Rami  musculares  für  den  M.  flexor  hallucis  longus  und  den  M.  flexor  digitorum  longus. 
0  Ramus  popliteus.    Er  entspringt  im  unteren  Teil  der  Kniekehle,  zieht  über  die  hintere 

Fläche  des  M.  popliteus  herab  und  teilt  sich  in  mehrere  Zweige,  deren  stärkster  den  M.  popliteus 
selbst  versorgt.     Seine  übrigen  Zweige  sind: 

«.  der  Knochennerv  der  Tibia,  in  das  Foramen  nutricium  eindringend; 


Malleolus  lat. 

Sehne  des  M.  peronaeus  longus 

Sehne  des  M.  peronaeus  brevis 
Relinaculum  min.  peronaeorum  inf 

Lig.  cruciatum  cruris 


N.  culaneus  dorsal is  lat 


M.  extensor  digitorum  brevis 

N.  cutaneus  dorsalis 
intermedius 

Sehne  des  M.  peronaeus  brevis 


N.  digitalis  dorsalis 
communis  III 


Anastomose 


Nn.  digitales  dorsales 
proprii 


405 


Lig.  transversum  cruris 


Malleolus  medialis 


— N.  cutaneus  dorsalis 
m  e  d  i  a  1  i  s 


Sehne  des  M.  tibialis  ant. 


Sehnen  des  M.  extensor  digitorum 
longus 


M.  extensor  hallucis  brevis 


medialer  Zweig  \  , 

I    N.  cutaneus 

dorsalis 
i,      medialis 
lateraler  Zweig  > 


N.  peronaeus  profundus 


Sehne  des  M.  extensor  hallucis 
longus 


Nn.  digitales  dorsales 

hallucis  lateralis  et 

digiti  II  medialis 


Fig.  363.    Nerven  des  (rechten)  Fußrückens  (Vi). 


406 


N.  plantaris  lateralis— 


N    plantaris  medial 


M.  abductor  hallucis 


(medialer  Zweig- 
medialis 

[    lateraler  Zweig 


N.  plantaris  hallucis  medialis 
Sehne  des   M.  flexor  hallucis   longus f- 

N.  digitalis  plantaris  communis  I 

N.  digitalis  plantaris  communis  II -/-> 

N.  digitalis  plantaris  com 
munis  III 

A 

Nn.  digitales  plantares 
iproprii 


M.  quadratus  plantae 

Sehne  des  M.  peronaeus  longus 

N.  superficialis! 

des 

N.  plantaris 

lateralis 


profundus     ' 


M.  abductor  digiti  V 
M.  flexor  digiti  V  brevis 

.Mm.  interossei 

Anastomose 

N.  plantaris  lateralis  digiti  V 

Caput  transversum  des 
M.  adductor  hallucis 

N.  digitalis  plantaris  communis  IV 


Fig.  364.     Tiefe  Nerven  der  (rechten)  Fußsohle  ('  ,). 

Der  M.  flexor  digitorum  brevis  ist  zum  Teil  entfernt;  sein  Ursprungsteil  ist  zur  Seite  gelegt. 


Rückenmarksnerven. 


407 


,3.  N.  interosseus  cruris  (Fischer,  Halbertsma)  verläuft  anfangs  auf  der  Membrana 
interossea,  dringt  spater  zwischen  zwei  Lamellen  dieser  Membran  und  gelangt  so  bis 
in  die  Nähe  ihres  distalen  Endes.  Hier  wird  er  wieder  oberflächlich  und  versorgt  das 
benachbarte  Periost  der  Tibia  und  die  Syndesmosis  tibiofibularis.  Vom  Anfangsstiick 
des  Nerven  entstehen  feine  Zweige  für  die  A.  tibialis  posterior  und  anterior,*  sowie 
für  das  Tibiofibulargelenk. 

g)  Rami  articulares  (1 — 2)  für  das  Fußgelenk. 

h)  Gefäßnerven  für  die  A.  tibialis  posterior. 


N.  tibialis 

R.  muscularis  zum  Gastrocnemius 

N.  cutaneus  surae  medialis 

N.  saphenus 


Äste  des  N.  saphenus 


N.  cutaneus  surae  medialis  — 3|1 


Aste  des  N.  saphenus 


Rr.  calcanei  mediales 
Rr.  calcanei  latt. 


N.  peronaeus  communis 

N.  cutaneus  surae  lat. 

Rr.  musculares  zum  M.  gastrocnemius 

R.  muscularis  zum  M.  plantaris 


R.  anastomoticus  peronaeus 


N.  suralis 


Fig.  365. 

Hintere  Hautnerven  des  Unterschenkels.    (Hirschfeld  und  Leveille.)     1:5. 
In  der  proximalen  Hälfte  ist  die  Fascia  cruris  entfernt. 


i)  Rami  calcanei  mediales,  zur  Haut  an  der  medialen  Seite  der  Ferse  und 
am  hinteren  Teil  der  Fußsohle.     Fig.  365. 

Die  beiden  Endzweige  des  N.  tibialis  sind:  N.  plantaris  medialis 
und  lateralis. 

/.  N.  plantaris  medialis.    Fig.  364. 

Er  ist  der  stärkere  der  beiden  Endzweige  und  entspricht  dem  N.  medianus 
der  Hand.  In  einem  vom  Lig.  laciniatum  überbrückten  Kanal,  gedeckt  vom  M. 
abduetor  hallucis,  gelangt  er  zur  Fußsohle,  tritt  darauf  in  den  Zwischenraum  zwischen 
dem  M.  flexor  hallucis  brevis  und  M.  flexor  digitorum  brevis  und  teilt  sich  in 
einen  medialen  und  einen  lateralen  Endzweig. 

Bis  dahin  gehen  aus  ihm  hervor: 


408  Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 

Rami  musculares  für  den  M.  abductor  hallucis  und  für  den  M.  flexor 
digitorum  brevis. 

a)  Der  mediale  Endzweig  läuft  entlang  der  lateralen  Seite  des  M.  abductor 
hallucis  nach  vorn,  versorgt  die  Haut  des  medialen  Fußrandes,  gibt  dem  medialen 
Kopfe  des  M.  flexor  hallucis  brevis  einen  Ast  und  endigt  als  N.  plantaris 
hallucis  medialis  in  der  Haut  der  medialen  Seite  der  großen  Zehe. 

b)  Der  laterale  Endzweig,  etwas  stärker  als  der  vorige,  liegt  zwischen  dem 
vorderen  Teil  des  M.  flexor  digitorum  brevis  und  der  Aponeurosis  plantaris.  Aus 
ihm  gehen  drei  Nerven  hervor,  die  Nn.  digitales  plantares  communes  I—III. 
Am  distalen  Ende  jedes  Spatium  interosseum  spalten  sie  sich  in  zwei  Nn.  digi- 
tales plantares  proprii  für  die  einander  zugewendeten  Seiten  der  1.  bis  4.  Zehe. 
Der  N.  digitalis  communis  III  nimmt  häufig  einen  Verbindungsfaden  aus  dem 
N.  plantaris  lateralis  auf.  Die  beiden  ersten  gemeinsamen  Zehennerven  ent- 
senden die  Nn.  lumbricales  I  und  II. 

2.  N.  plantaris  lateralis.    Fig.  364. 

Er  entspricht  dem  N.  ulnaris  der  Hand,  zieht  zwischen  dem  M.  quadratus 
plantae  und  M.  flexor  digitorum  brevis  mit  der  A.  plantaris  lateralis  bogenförmig 
lateralwärts  und  vorwärts.  In  dem  Zwischenräume  zwischen  dem  M.  quadratus 
plantae  und  M.  abductor  digiti  minimi  zerfällt  er  in  einen  Ramus  superficialis 
und  profundus. 

Vor  dieser  Endteilung  gehen  aus  ihm  hervor: 

Rami  musculares  für  den  M.  abductor  digiti  minimi  und  für  den  M.  quadratus 
plantae. 

a)  Ramus  superficialis.    Fig.  364. 

Er  verbindet  sich  mit  dem  N.  plantaris  medialis  und  teilt  sich  in  den 
N.  plantaris  lateralis  digiti  quinti  für  die  laterale  Seite  der  fünften  Zehe  und 
in  den  N.  digitalis  plantaris  communis  IV,  der  sich  in  die  beiden  Nerven 
für  die  zugewendeten  Seiten  der  4.  und  5.  Zehe  teilt.  Der  laterale  Nerv  der  kleinen 
Zehe  versorgt  meist  auch  die  Mm.  flexor  und  opponens  digiti  quinti,  sowie 
die  Interossei  des  Spatium  IV;  in  anderen  Fällen  übernimmt  der  Ramus  profundus 
diese  Versorgung.  Der  N.  plantaris  digitalis  communis  IV  entsendet  auch  die  Nn. 
lumbricales  III  und  IV. 

b)  Ramus  profundus.    Fig.  364. 

Er  dringt  in  einem  vorwärts  und  lateralwärts  konvexen  Bogen  mit  dem  Arcus 
plantaris  in  den  Zwischenraum  zwischen  den  Mm.  interossei  und  dem  M.  adductor 
hallucis.  Vom  konvexen  Rande  gehen  die  Nerven  für  die  Mm.  interossei  der  drei 
ersten  Spatia  interossea  ab.  Außerdem  werden  die  beiden  Köpfe  des  M.  adductor 
hallucis  und  der  laterale  Kopf  des  M.  flexor  hallucis  brevis  von  ihm  versorgt. 
Von  seinem  Anfangsteil  geht  häufig  der  Nerv  für  die  Mm.  flexor  und  opponens 
digiti  quinti  und  für  die  beiden  Interossei  des  Spatium  IV  aus. 

Sämtliche  Variationen  im  Hautnervensystem  der  unteren  Extremität  der  Anthropoiden  und 
des  Menschen  zeigen  etwas  Gesetzmäßiges,  wie  L.  Bolk  nachwies;  es  sind  Äußerungen  eines  und 
desselben  Vorganges,  welcher  sich  nach  B.  folgendermaßen  formulieren  läßt:  „Die  Unterschiede  in  der 
Ausbreitungsweise  der  Hautnerven  der  unteren  Extremität  bei  den  Anthropoiden  und  dem  Menschen 
sind  die  Folge  davon,  daß  Nervenfasern  allmählich  den  ursprünglich  mehr  proximal  gelagerten  Nerven- 
bahnen entnommen  werden,  um  distalen  Bahnstrecken  (bei  dem  Menschen)  beigefügt  zu  werden." 

Bardeen,  Ch.  R.  and  El  ting,  A.  W.,  A  Statistical  Study  of  the  Variations  in  the  Formation 


Rückenmarksnerven. 


and  Position  of  the  Lumbo-sacral  Plexus  In  Man.  Anat.  Anz.  XIX,  1901.  —  Bolk,  L,  Beitrag  zur 
Neurologie  der  unteren  Extremität  der  Primaten.    iMorph.  Jahrb.,  Bd.  XXV,  1897. 

5.  Das  Schamgeflecht,  Plexus  pudendus.     Fig.  366,  367. 
Der  Plexus  pudendus   stammt   hauptsächlich    vom  Slll  und   SlV  ab  und  ist 
durch  deutliche  geflechtartige  Anordnung  seiner  Bestandteile  gekennzeichnet.     Er 
liegt   abwärts   vom    unteren    Rande   des   M.  piriformis,   auf  der  vorderen,   sehnig 
glänzenden  Fläche  des  M.  coecygeus. 


LIT 


L.7. 


Fig.  367. 

Fig.  367.     Innenseite   der  rechten  Hälfte  eines   männlichen 
Beckens,  mit  den  Nervenverzweigungen. 

(Hirschfeld  und  Leveille.)  1  : 4. 
Die  linke  Wand  ist  hinten  bis  zur  Kreuzdarmbeinverbindung  und 
vorn  bis  zur  Schambeinfuge  entfernt;  die  Eingeweide,  samt 
unterem  Teil  des  Levator  ani,  sind  weggenommen,  a  Bauch- 
aorta; a'  Aa.  iliacae  communes;  b  Vasa  iliaca  externa  dextra; 
c  Symphysis;  d  durchschnittener  M.  piriformis;  e  Bulbus  ure- 
thrae,  hinter  dem  durchschnittenen  Crus  penis;  1  N.  cutaneus 
femoris  lateralis;  2  N.  genitofemoralis  auf  dem  M.  psoas;  3  N. 
obturatorius ;  4,  4  Truncus  lumbosacralis  ;  4'  N.  glutaeus  superior ; 

5  Plexus  sacralis;    5'  N.  sacralis  quintus ;    5"  Rami  viscerales; 

6  N.  coecygeus;  7  N.  musculi  levatoris  ani;  8  N.  anocoecygeus ; 
9  N.  musculi  obturatoris  interni ;  10  N.  pudendus;  10'  Nn.  peri- 
neales; 10"  Nn.  scrotales;  11,  11'  Nn.  dorsales  penis  dexter  et 
sinister;  12  N.  cutaneus  femoris  posterior;  12'  dessen  Rr.  peri- 
neales; 13  unterer  Bauchknoten  des  Sympathicus;  14  oberer 
Sakralknoten  des  Grenzstranges;  die  übrigen  Beckenknoten 
sind  samt  ihren  Verbindungen  beiderseits  dargestellt;  sie  endigen 

zwischen  5'  und  6  mit  dem  Ganglion  coecygeum. 

Plexus  sacralis,  pudendus  und  coecygeus. 

Ls  Truncus  lumbosacralis;    S.  I—  V  die  fünf  Sakralnerven;    Co  N.  coecygeus; 
c'  seine  Verbindung  mit  dem  Grenzstrange;  a  Rand  des  Foramen  ischiadicum  majus;   gs  N.  glutaeus  superior;  py  Nerv 
für  den  M.  piriformis;  ph  N.  pudendus;  /  Nerv  für  den  M.  levator  ani;  v,  v,  v,  v  Rami  viscerales;  c  Nerv  des  M.  coecy- 
geus;  ac  N.  anocoecygeus. 

a)  Verbindungen.     Fig.  366. 
Durch   einen   vor  dem   M.  coecygeus  herabziehenden  Zweig  von  SlV  hängt 
er  mit  SV  und   dadurch   mit  dem   Plexus   coecygeus   zusammen.     Aufwärts   ist 
er  durch  den  oberen  Teil  von  SlV  mit  dem  Plexus  sacralis  verbunden.     Die 


Fig.  366. 

Fig.  366. 
L,  IV,  V  vierter  und  fünfter  Lendennerv; 


410  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

dritte  Art  von  Verbindung  wird  durch  Rami  communicantes  mit  dem  Sympathi- 
cus  hergestellt. 

b)  Äste.     Fig.  356,  366—369. 

Vom  Plexus  pudendus  gehen  parietale  und  viscerale  Nerven  aus.  Erstere 
sind  für  die  Wände  des  unteren  Rümpfendes,  letztere  für  Beckeneingeweide  bestimmt. 

1.  N.  pudendus.     Fig.  356,  366—369. 

Er  bezieht  seine  Fasern  größtenteils  aus  Sin,  zum  kleineren  Teil  aus  SlV; 
zuweilen  mischen  sich  Fasern  aus  Sil  bei.  Der  Nerv  ist  abgeplattet  und  besteht  aus 
stark  verflochtenen,  locker  vereinigten  Bündeln.  Er  verläßt  das  Becken  unterhalb 
des  M.  piriformis,  wendet  sich  aber  alsbald  um  die  Spina  ischiadica  und  gelangt 
durch  das  Foramen  ischiadicum  minus  an  die  laterale  Wand  der  Fossa  ischiorec- 
talis,  von  welcher  er  durch  die  Fascia  obturatoria  abgeschlossen  wird.  Hier  teilt 
sich  der  Nerv  in  seine  drei  Endäste. 

Schon  zuvor,  und  zwar  beim  Austritt  aus  der  Beckenhöhle  gibt  der  Stamm 
den  N.  perforans  ligamentum  sacrotuberosum  ab,  welcher  das  Ligamentum 
sacrotuberosum  zu  durchbohren  pflegt,  darauf  zur  Gegend  des  Tuber  ischiadicum 
herabzieht,  sich  um  den  M.  glutaeus  maximus  auf  dessen  Außenfläche  begibt  und 
sich  in  der  hier  befindlichen  Haut  ausbreitet. 

Die  drei  Endäste  des  N.  pudendus  sind: 

a)  N.  haemorrhoidalis  inferior.    Fig.  368,  369. 
Entspringt  öfters  schon  vor  dem  Eintritt  in  das  Foramen  ischiadicum  minus 
und   strahlt  mit  seinen   Fäden   median wärts  und  vorwärts  zur   Haut   der  Anal- 
gegend und  zum  Sphincter  ani  externus  aus. 

b)  N.  perinei.    Dammnerv.     Fig.  368,  369. 
Er  verläuft  lateralwärts  und  gibt  folgende  Zweige  ab: 

a.  N.  perinei  lateralis.  Er  wendet  sich  zum  Ursprünge  des  M.  ischio- 
cavernosus,  dem  er  zuweilen  einen  Ast  schickt,  und  versorgt  die  Haut 
der  lateralen  Dammgegend,  wobei  er  häufig  etwas  auf  die  mediale 
Schenkelfläche  übergreift. 

ß.  Nn.  perinei  mediales,  meist  zwei  Stämmchen,  welche  ihre  Haupt- 
ausbreitung in  der  Haut  des  Scrotum  (der  Labia  majora)  haben;  ihre  End- 
äste werden  daher  auch  Nn.  scrotales  (labiales)  posteriores  genannt. 

y.  Rami  musculares.  Sie  entspringen  häufig  aus  einem  gemeinsamen 
Stämmchen,  treten  über  und  durch  den  M.  transversus  perinei 
superficialis  auf  die  Oberfläche  des  Diaphragma  urogenitale,  ver- 
sorgen von  hier  aus  den  genannten  Muskel,  den  vorderen  Teil  des 
Sphincter  ani  externus,  die  Mm.  bulbo-  und  ischio-eavernosus. 
Ein  Faden  dringt  in  den  Bulbus  ein  (mit  der  A.  bulbi  urethrae)  und 
gelangt  zur  Schleimhaut  der  Urethra. 

c)  N.  dorsalis  penis  (clitoridis).  Fig.  368. 
Er  ist  der  am  tiefsten  gelegene  Endzweig  des  Stammes,  verläuft  mit  der 
A.  penis  längs  der  inneren  Seite  des  Ramus  inf.  ossis  ischii  und  des  Ramus  inf. 
ossis  pubis  durch  das  Diaphragma  urogenitale,  versorgt  von  hier  aus  den  M. 
transversus  perinei  profundus  und  Sphincter  urogenitalis,  durchbricht 
das  Diaphragma  urogenitale  und  betritt  lateral  vom  Lig.  Suspensorium  den  Penis- 


411 


V.dorsalispems 
N.dorsalis  penis 

.scrotales  postt- 


N.perinei— 


N. pudendus 
IH.haemorrhoidatis  infJ 


Fig.  368.     Nerven  und  Arterien  der  männlichen  Dammgegend  0  ,). 

Auf  der  linken  Seite  sind  nur  die  Arterien  dargestellt. 


412 


N.haemorrhoidalisiir 
N. pudendus 


-Aa.  labiales  postt. 

—  A. profunda  clitondis 

^\ 
>\faseia  lata 

\\         v 

--\-tvA.clitoridis 

-VA.bulbi  vestibuii 
(vaginae) 

"^^'A.perinei 

Tuber 

fhiadicum 

J-ffla.haemorrhoi- 
w/1    dales  inff. 

'y-A.pudenda  int. 


Fig.  369.     Nerven  und  Arterien  der  weiblichen  Dammgegend  ('  ,). 

Auf  der  linken  Seite  sind  nur  die  Arterien  dargestellt. 


Rückenmarksnervcn.  413 

rücken  (Dorsum  clitoridis).  Auf  dem  Rücken  des  Gliedes  nach  vorn  ziehend,  gibt 
er  8 — 10  seitliche  Äste  zur  Haut  desselben  ab,  einige  andere  in  das  Corpus  caver- 
nosum  penis,  und  endigt  mit  4 — 5  starken  Fäden,  welche  zur  Eichel  ziehen.  Letztere 
können  als  besonderer  Ast,  Ramus  glandis,  von  den  übrigen  getrennt  sein. 

2.  Rami  musculares. 

Für  den  Levator  ani  und  Coccygeus.    Sie  entspringen  bald  gemeinsam,  bald 

getrennt. 

3.  Nn.  haemorrhoidales  medii,  vesciales  inferiores  et  vaginales. 

4 — 5  an  Zahl,  gelangen  sie  teils  unmittelbar  zu  den  durch  ihren  Namen  be- 
zeichneten Organen  des  Beckens,  teils  verbinden  sie  sich  mit  dem  Sympathicus. 

6.  Steißbeingeflecht.    Plexus  coccygeus.     Fig.  366,  367. 

Der  kleine  Plexus  coccygeus  besteht  aus  einem  Teil  von  Sv  und  COl.  Oben 
hängt  er  mit  dem  Plexus  pudendus  zusammen.  Kurze  Fäden  verbinden  den  Plexus 
coccygeus  mit  dem  Endstücke  des  Sympathicus,  d.  h.  mit  dem  vierten  oder  fünften 
Ganglion  sacrale  und  dem  Ganglion  coccygeum. 

Aus  der  Ansa  sacrococcygea  oder  auch  aus  SV  selbst  entspringt  der  N. 
anococcygeus ,  welcher  an  der  vorderen  Fläche  des  M.  coccygeus  herabsteigt, 
hierauf  zwischen  ihm  und  dem  Levator  ani  zur  dorsalen  Seite  dringt  und  hinten 
lateral  von  der  Steißbeinspitze  unter  der  Haut  zutage  tritt.  Er  verbindet  sich  hier 
mit  einem  Faden  des  Ramus  posterior  nervi  coccygei  und  endigt  mit  einer  An- 
zahl von  Fäden  (Nn.  anococcygei)  in  der  zwischen  dem  Anus  und  dem  Steiß- 
bein gelegenen  Haut,  während  die  Äste  des  N.  coccygeus  dorsalwärts  verlaufen  und 
die  Haut  auf  der  dorsalen  Fläche  des  Steißbeines  selbst  versorgen  helfen  (He nie). 

Nach  C.  Krause  werden  von  den  Nn.  anococcygei  auch  an  den  M.  coccygeus  und  an  den 
hinteren  Teil  des  Levalor  ani  Fäden  abgegeben,  was  nach  Eisler  und  Schumacher  nicht  der  Fall  ist. 

Eisler,  Der  Plexus  lumbosacralis  d.  Menschen,  Abh.  naturf.  Ges.  Halle,  17.  Bd.,  1892.  —  S.  von 
Schumacher,  Über  die  Nerven  des  Schwanzes  usw.,  Sitzber.  Akad.Wiss.  Wien,  Bd.  114,  Abt.  III,  1905. 

D.  Rami  communicantes.     Fig.  370,  371. 

Das  einfachste  Verhalten  zeigen  die  Rami  communicantes  im  Gebiet  der  Brust- 
nerven. Der  Ramus  communicans  verläßt  den  N.  thoracalis  entweder  gegenüber 
dem  Abgange  des  Ramus  posterior,  oder  unmittelbar  ventral  neben  demselben,  wendet 
sich  darauf  unter  spitzem  Winkel  medianwärts,  abwärts  und  vorwärts  und  senkt 
sich  in  den  lateralen  Rand  des  benachbarten  Ganglion  des  sympathischen 
Grenzstranges  ein,  sehr  selten  in  den  Ramus  superior  oder  inferior  des  Ganglion. 

Der  R.  communicans  ist  entweder  einfach,  oder  in  zwei,  manchmal  drei  Fäden  geteilt,  welche 
parallel  nebeneinander  liegen  oder  am  spinalen  Stamme  in  Abständen  entspringen  und  gegen  das 
Grenzstrangganglion  konvergieren.  Ein  umgekehrtes  Auseinanderweichen  tritt  ein,  wenn  die  Fäden 
eines  Ramus  communicans  zu  zwei  verschiedenen  Grenzstrangganglien  sich  begeben. 

Die  Rami  communicantes  der  Halsnerven  sind  nach  Zahl  und  Verbindung  etwas  größerem 
Wechsel  unterworfen.  Dies  wird  wesentlich  hervorgebracht  durch  die  verschiedene  Länge  des  Ganglion 
cervicale  superius  n.  sympathici,  oder  durch  das  Fehlen  des  Ganglion  cervicale  medium.  Hiermit 
hängt  es  zusammen,  daß  die  Rami  communicantes  der  beiden  oberen  und  der  beiden  unteren 
Halsnerven  die  regelmäßigste  Anordnung  zeigen. 

Der  Ramus  communicans  des  ersten  Halsnerven  geht  unmittelbar  aus  dem  Ramus  anterior 
oder  aus  der  Ansa  cervicalis  prima,  oder  aus  der  Schlinge  seines  Ramus  anterior  zum  N.  hypo- 
glossus  hervor. 

Der  Ramus  communicans  des  zweitenHalsnerven  pflegt  aus  dessen  Ramus  anterior  zu  kommen. 
Die  Rami  communicantes  der  beiden  ersten  Halsnerven  begeben  sich  zum  Ganglion  cervicale  superius. 


414 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Die  Rami  communicantes  des  dritten  und  vierten  Halsnerven  entspringen  bald  unmittelbar 
aus  den  Rami  anteriores,  bald  aus  den  Ansäe.  Sie  gelangen  bald  auf,  bald  unter  den  tiefen  Hals- 
muskeln zum  Grenzstrange.    Der  dritte  Ramus  communicans  gesellt  sich   ebenfalls  zum  Ganglion 

cervicale  superius,  einem  Verschmelzungserzeugnisse  mehrerer, 
nämlich  von  mindestens  vier  Ganglien.  Ebenso  verhält  sich  der 
vierte;  oder  er  tritt,  wie  der  fünfte  und  sechste,  zum 
Ganglion  cervicale  medium,  wenn  ein  solches  vorhanden  ist; 
oder  der  vierte  legt  sich,  wie  der  fünfte  und  sechste,  wenn  das 
Ganglion  medium  fehlt,  an  den  zwischen  dem  oberen  und  unteren 
sympathischen  Halsganglion  befindlichen  Verbindungsstrang 
dieser  beiden  Ganglien  an. 

Der  siebente  und  achte  Ramus  communicans  treten 
zum  unteren  Halsganglion  des  Sympathicus.  Das  Gleiche  ist 
auch  schon  vom  sechsten  beobachtet  worden. 

Die  Rami  communicantes  der  Lendennerven  sind  lang; 
sie  haben  von  den  Foramina  intervcrtebralia  bis  zur  Vorderfläche 
der  Bauchwirbel  einen  langen  Weg  zurückzulegen.  Sie  nehmen 
diesen  Weg  in  querer  oder  sanft  aufsteigender  Richtung,  unter 
oder  zwischen  den  Bündeln  des  M.  psoas,  und  kommen  darauf 
in  den  vertikalen  Spalten  zum  Vorschein,  welche  zwischen  der 
Vorderfläche  der  Wirbelkörper  und  den  medialen  Sehnenbögen 
des  Psoas  sich  ausspannen.  Sie  sind  gewöhnlich  doppelt  und 
häufig  so  angeordnet,  daß  ein  und  dasselbe  Ganglion  sich  mit 
zwei  verschiedenen  Lendennerven  verbindet;  aber  auch  der  andere 
Fall  kommt  vor,  daß  ein  Ramus  communicans  seine  Fäden  auf 
zwei  benachbarte  Ganglien  verteilt. 

Das  letztere  gilt  auch  von  den  Rami  communicantes  der 
Kreuznerven.  Sie  sind  häufig  doppelt,  immer  aber  kurz,  ent- 
springen sofort  beim  Austritt  der  Rami  anteriores  aus  den  Fora- 
mina sacralia  anteriora  und  wenden  sich  medianwärts  zu  den 
benachbarten  Grenzganglien,  indem  sie  die  A.  sacralis  lateralis 
überschreiten. 

Was  das  innere  Wesen  der  Rami  betrifft,  so  ver- 
knüpfen dieselben  im  allgemeinen  Sinne  das  spinale 
oder  cerebrospinale  System  mit  dem  sympathischen. 
Auch  bei  den  Gehirnnerven  sind  Rami  communicantes 
reichlich  vorhanden.  Die  Rami  communicantes  werden 
gewöhnlich  als  Wurzeln  des  Sympathicus  bezeichnet, 
um  dadurch  die  Art  der  Verknüpfung  beider  Systeme 
genauer  zu  bestimmen.  Mit  dieser  Bezeichnung  soll 
vor  allem  ausgedrückt  werden,  daß  die  Rami  communi- 
cantes dem  Grenzstrange  cerebrospinale  Fasern 
zuführen.  So  verhält  es  sich  auch  tatsächlich;  es 
werden  dem  Grenzstrange  durch  die  Rami  communi- 


Nä 


Fig.  370. 


Rückenmark,  oben  in  Verbindung  mit  Medulla  oblongata 
und  Brücke. 


V  fünfter,  XII  zwölfter  Hirnnerv;  Cl  erster  llalsnerv;  C2    S  zweiter  bis  achter 

Halsnerv;  Dl  — 12  erster  bis  zwölfter  Brustnerv;  L\    5  erster  bis  fünfter  Lumbal- 

nerv;  51  —  5  erster  bis  fünfter  Sakralnerv;  6  Sleißbeinnerv;  .v,  .v  Filum  terminale 

Fig.   370.  des   Rückenmarkes.      Von  den   Wurzeln   L\   bis  x  Cauda    equina;    Rr  Plexus 

brachialis ;  Cr  Nervus  femoralis;  Sc  Nervus  ischiadicus;  O  Nervus  obturatorius. 

Die  Anschwellungen,  an  denen  die  Zahlen  L  3,  4,  5  stehen,  bedeuten  Spinalganglien.  —   In  der  linken  Seite  der  Figur  ist 

der  Grenzstrang  des  Sympathicus  dargestellt,    a  bis  ss  seine  Ganglien;    a  oberes  Halsganglion;    b  und  c  mittleres  und 

unteres  Halsganglion;  d  erstes,  d'  letztes  Brustganglion;   e  erstes  Lumbaiganglion;   ss  oberstes  Sakralganglion. 


Riickenmarksnerven. 


415 


cantes  sowohl  motorische  als  auch  sensible  Fasern  zugeführt.  Diese 
beiden  Faserarten  entstammen  nachgewiesener  Maßen  den  beiden  Wurzeln  der 
cerebrospinalen  Nerven.  Hiermit  ist  jedoch  die  Aufgabe  der  Rami  cömmunicantes 
noch  nicht  erschöpft.  Eine  zweite  Aufgabe  besteht  darin,  dem  cerebrospinalen 
System  sympathische  Fasern  zuzuführen.  Der  Ramus  communicans  ist  seiner 
doppelten  Aufgabe  entsprechend  teils  cerebrospinaler  Ast,  teils  Ast  des  Sympathicus 
und  sein  Zentrum  im  letzteren  Falle  das  Ganglion  sympathicum.  Die  Fasern 
dieses  Astes  werden  in  die  Peripherie  des  spinalen  Nerven  übergeführt,  haupt- 
sächlich in  die  Peripherie  des  Ramus  anterior,  welcher  der  mächtigste  der  vier 
Äste  des  spinalen  Nerven  ist  und  das  umfang- 
reichste Gebiet  beherrscht.  Aber  auch  in  den 
Ramus  posterior  und  in  den  Ramus  menin- 
geus  gelangen  sympathische  Fasern;  in  großen 
Massen  schließen  sich  letztere  endlich  der  ge- 
samten peripheren  Ausbreitung  des  Ramus  com- 
municans in  den  Eingeweiden  und  Gefäßen  an. 

Im  einfachsten  Falle  sind  beide  Faserarten,  Fibrae 
cerebrospinales  und  Fibrae  sympathicae,  in  einem  und 
demselben  Ramus  communicans  enthalten.  So  verhält  es 
sich  nach  Bidder  und  Volkmann  im  vorderen  Teil 
des  Sympathicus  des  Frosches.  Der  Ramus  communicans 
erscheint  dann  um  so  weißer,  je  mehr  markhaltige  spinale 
Fasern  er  enthält;  er  erscheint  um  so  grauer,  je  mehr 
graue  Fasern  er  einschließt. 

An  vielen  Stellen  des  Körpers  sind  aber,  wie  oben 
erwähnt,  für  jeden  Spinalnerven  zwei  oder  auch  drei  Rami 
cömmunicantes  vorhanden.  Von  jenen  zweien  pflegt  der 
eine  vorzugsweise  markhaltige  spinale,  der  andere  be- 
sonders graue  Fasern  aus  dem  Sympathicus  zu  enthalten.  Jener  erscheint  dann  weiß  von  Ansehen, 
R.  communicans  albus,  dieser  grau,  R.  communicans  griseus.  Meist  aber  sind  in  jedem 
der  beiden  Stränge  Fasern  beider  Arten  gemischt. 

Hasse,  C,  Handatlas  dersens.  und  mot.  Gebiete  der  Hirn-  und  Rückenmarknerven.  Wiesbaden. 
2.  Auflage. 

Bau  der  cerebrospinalen  Nerven  und  Ganglien. 

a)  Nervenstämme  und  Nervenwurzeln. 
Die  cerebrospinalen  Nerven  bestehen  in  überwiegender  Menge  aus  mark- 
haltigen,  mit  Schwannscher  Scheide  versehenen  Nervenfasern  und  erscheinen  in 
auffallendem  Lichte  weiß.  Den  markhaltigen  Nervenfasern  sind  teils  vereinzelte, 
teils  in  kleine  Bündel  zusammengefaßte  marklose  (Remaksche)  Fasern  beigemischt. 
Die  Bündel  der  cerebrospinalen  Nerven  werden  umhüllt  und  durchsetzt  von  reich- 
lichem Bindegewebe,  welches  in  besonderer  Weise  angeordnet  ist.  In  den  Nerven- 
wurzeln anfangs  noch  spärlich  und  eine  Fortsetzung  der  Pia  bildend,  wird  es  in 
den  austretenden  Nervenwurzeln  reichlicher,  indem  sich  denselben  die  Arachnoidea- 
und  Durascheide,  als  Fortsetzung  der  Arachnoidea  und  Dura,  umhüllend  anschließt. 
So  haben  die  Nerven  anfänglich  dieselben  Hüllen  wie  das  Rückenmark  und  Gehirn; 
vor  dem  Spinalganglion  aber  fließen  die  drei  Scheiden,  indem  sie  reichliche  Ver- 
bindungen miteinander  eingehen,  zusammen;  die  Dura  erfährt  eine  Auflockerung, 
nimmt  Fetträubchen  auf  und  es  verliert  sich  die  scharfe  Abgrenzung  sowohl  nach 
außen  als  nach  innen. 


Fig.  371. 

Schema  des  Spinalnerventypus. 

5  sensible  und  m  motorische  Wurzel ;  g  Ganglion 
spinale  ;  p  Ramus  posterior  des  gemeinschaftlichen 
Stammes ;  i  Ramus  anterior  desselben ;  v  Ramus 
communicans  zum  Sympathicus;  rs  Ramus  inier- 
gangliaris  superior;  ri  Ramus  intergangliaris  in- 
ferior;   sv  Nervus  meningeus  zum  Wirbelkanal. 


416 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Über  die  Anordnung  der  Nervenfasern  und  des  Bindegewebes  im  peripherischen 
Nerven  siehe  S.  12  unter  Organstruktur  der  peripherischen  Nerven. 
Hier  seien  nur  noch  folgende  Einzelheiten  nachgetragen: 
Die  Dicke  des  Epineurium  und  der  Perineuralscheiden  nimmt  nach  der  Peri- 
pherie hin  allmählich  ab,  indem  die  einzelnen  Bündel  früher  oder  später  aus  dem 
Verbände  ausscheiden.  Meist  haben  letztere  dann  nur  noch  eine  Perineural- 
scheide.  Die  aus  dem  Stämmchen  endlich  einzeln  sich  abzweigenden  Nerven- 
fasern werden  noch  von  einer  dünnen  endothelialen  Fortsetzung  der  Perineural- 


Fig.  372. 

Fig.  372.     Querschnitt  durch  ein  Spinalganglion  einer 
10  Tage   alten   Ratte.      Chromsilber- Imprägnation.      (Cajal.) 
In  der  Zeichnung  sind  die  typischsten   perizellularen  Verzwei- 
gungen    aus     verschiedenen     Präparaten     zusammengetragen.  «# 
F,  G,  H  perizellulare  Nervenfaserkörbe;    P,  J  Fasern,   die  im                                             p.       ~-n 
Ganglion  sich  verzweigen;  A  vordere  Wurzel;  B  Sympathicus-                                                 °° 

Wurzel  (Ramus  communicans) ;    C  vorderer  Spinalast;   D  hinterer  Spinalast;   E  Spinalganglienzellen. 

Fig.  373.    Schema  der  gegenseitigen  Beziehungen  der  Elemente,  aus  welchen  ein  Spinalganglion  besteht. 

A  und  B  vordere  und  hintere  Wurzel ;  C  Spinalnerv  ;  D  und  E  vorderer  und  hinterer  Ast  des  Spinalnerven  ;  F  Sympathicus- 

Wurzel  (Ramus  communicans);  a  und  b  Spinalganglienzellen  von  verschiedenem  Typus;  //  Hauplausläufer  der  Zellen  vom 

1.  Typus,  die  sich  in  periphere  und  zentrale  Fasern  teilen;  n  Nervenfortsätze  der  Zellen  vom  2.  Typus,  die  als  perizellulare 

Geflechte  um  die  Zellen  vom  1.  Typus  endigen.     (A.  S.  Dogiel,  1896.) 


lamelle  umhüllt.  Diese  Hülle  nannte  Ranvier  die  Henlesche  Scheide.  Der 
zwischen  ihr  und  der  Schwan nschen  Scheide  befindliche  enge  Raum  ist  ein 
injizierbarer  Lymphraum  und  hängt  mit  dem  übrigen  Lymphsystem  der  Nerven 
unmittelbar  zusammen. 

Die  Blutgefäße  der  peripheren  Nerven,  kleine  Arterien  und  Venen,  folgen 
der  Längsrichtung  des  Nerven  und  liegen  zunächst  im  Epineurium.  Weiterhin 
treten  zahlreiche  feine  Gefäße  durch  die  Perineuralscheiden  hindurch  in  das  Innere 
der  sekundären  Bündel,  wo  sie  in  ein  zierliches  Kapillarnetz  mit  langgestreckten 
Maschen  übergehen.  Die  kleinen  Arterien  werden  von  feinen  Gefäßnerven 
(Nervi  nervorum)  begleitet  (W.  Krause). 

Die  Nervenwurzeln  behalten   in  zentraler  Richtung  ihre  Schwannschen 


Rückenmarksnerven. 


417 


Scheiden  bis  zum  Eintritt  in  das  Rückenmark.     Hier  tritt  an  Stelle  der  Schwa mi- 
schen Scheide  die  Neuroglia  (Ranvier). 

b)  Spinalganglien.     Fig.  372 — 374. 

Die  Spinalganglien  bestehen  aus  Ganglienzellen  und  Nervenfasern,  als  wesent- 
lichen Gebilden;  hierzu  kommen  noch  Bindegewebe,  Blut-  und  Lymphgefäße. 
Die  Ganglienzellen  sind  zum  überwiegenden  Teil  pseudounipolar,  doch  sind  Fälle 
bekannt,  in  welchen  von  einer  umschriebenen  Stelle  der  Zelle  oder  von  verschie- 
denen Stellen  mehrere  Ausläufer  abgehen  (s.  oben  S.  48).  Wie  Ranvier  fand, 
zeichnet  sich  der  gewöhnlich  vorhandene  einfache  Fortsatz  dadurch  aus,  daß  er 
nach  erhaltener  Markscheide  sich  früher  oder  später  in  zwei  Fortsätze  teilt.  Der 
eine  dieser  Fortsätze  zieht  zur  Peripherie,  der  andere  zentralwärts.  Der  einfache 
Ausläufer  der  Spinalganglienzellen  vereinigt  sich 
nach  Gewinnung  der  Markscheide  scheinbar  mit 
einer  anderen  markhaltigen  Nervenfaser.  Diese 
Vereinigung  ergibt  sich  aber  bei  genauerer  Unter- 
suchung als  eine  Teilung  des  Zellenausläufers, 
indem  sein  Axenzylinder  sich  in  zwei  Arme  spaltet, 
von  welchen  je  einer  zum  Axenzylinder  der  beiden 
Teilungsfasern  wird.  Wichtig  ist  die  Erfahrung, 
daß  bei  Fischen  die  Spinalganglienzellen  gegen- 
ständig bipolar  sind;  beim  Neunauge  (Petromyzon) 
aber  kommen  bipolare  und  unipolare  Fortsätze 
jener  Art  vor,  die  sich  nachträglich  teilen.  So 
schlägt  Petromyzon  hierin  eine  Brücke  zwischen 
den  übrigen  Fischen  und  den  höheren  Wirbeltieren 
(Freud).  Übrigens  liegen  im  Ganglion  acusti- 
cum  der  höheren  Vertebraten  Verhältnisse  vor, 
welche  denjenigen  der  Fische  ganz  entsprechen 
und  hiernach  als  ursprüngliche  zu  deuten  sind; 
denn  die  Acusticusganglien  bestehen  aus  bipolaren 
Nervenzellen.  Beim  Embryo  der  höheren  Vertebraten  sind  alle  Spinalganglien- 
zellen des  späteren  pseudounipolaren  Typus  bipolar. 

Auf  dieses  eigentümliche  Verhältnis  hat  schon  vor  Jahren  W.  His  die  Aufmerk- 
samkeit gelenkt.  Man  beachte  in  dieser  Hinsicht  das  Ganglion  spinale  der  Fig.  75  (S.  49), 
die  ein  Beispiel  abgibt  für  alle  höheren  Wirbeltiere.  Durch  besondere  Wachstums- 
vorgänge wandeln  sich  die  Bipolarzellen  in  pseudounipolare  Form  um.  Der  peri- 
phere Ausläufer  wächst  weiter  in  die  Peripherie  hinaus,  der  zentrale  aber  in  das 
Rückenmark  oder  Gehirn,  seinem  Endkerne  (Nucleus  terminalis)  entgegen.  Fig.  79. 

Ober  „durchtretende  Fasern"  des  Ganglion  siehe  S.  50. 

Über  den  feineren  Bau  der  Spinalganglienzellen  siehe  oben  S.  48,  die 
Figg.  17,  76  sowie  Allg.  Teil,  Figg.  193—200. 

Mit  dem  Bisherigen  sind  die  Besonderheiten  der  spinalen  Ganglien  indessen 
noch  nicht  erschöpft.  Denn  die  Erfahrungen  der  letzten  Jahre  haben  gezeigt, 
daß  zwischen  dem  Zellprotoplasma  und  der  Endothelscheide  der  Ganglienzelle 
noch  eine  sehr  feine  perizellulare  Verzweigung  gelegen  ist,  die  mit  einer 
Fremdfaser  zusammenhängt  (Fig.  372 — 374).     Dies  weist  darauf  hin,  daß  jede 


Fig.  374. 

Splnalgangllenzelle  von  Rana. 

a  Faser,  die  in  Endscheiben  endigt;  b  Nerven- 
fortsatz; c  sekundäre  Zweige;   d  Spiralfaser. 
(C.  Hub  er,  1896.) 


418  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Zelle  eines  Ganglion  außer  durch  die  peripheren  Empfindungsreize  auch  noch  von 
anderen  Nervenzellen  her  beeinflußt  werden  kann.  Die  bisherigen  Erfahrungen 
scheinen  dafür  zu  sprechen,  daß  Zellen  des  sympathischen  Systemes  es  sind, 
welche  jene  Fremdfasern  liefern.  Es  dringen  nämlich,  wie  Cajäl  genauer  aus- 
führte, in  die  Spinalganglien  der  Wirbeltiere  Nervenfasern  ein,  welche  man  durch 
die  Rami  communicantes  unmittelbar  bis  zu  einem  sympathischen  Ganglion 
verfolgen  kann.  Es  sind  starke  Fasern,  die  im  Spinalganglion  drei  oder  mehr 
Zweige  abgeben;  letztere  scheinen  es  zu  sein,  die  mit  den  genannten  perizellularen 
Verzweigungen  zusammenhängen.  Einige  von  den  Zweigen  dringen  sogar  in  die 
vordere  Wurzel  ein  und  scheinen  frei  im  Rückenmark  zu  endigen.  Ebenso  wie 
Spinalganglien  verhalten  sich  in  dieser  Hinsicht  die  spinalartigen  Ganglien  des 
Vagus,  Glossopharyngeus,  Facialis,  Trigeminus  usw. 

Den  Beobachtungen  von  A.  S.  Dogiel  zufolge  liegen  die  Dinge  in  den 
Spinalganglien  noch  verwickelter,  indem  in  ihnen  außer  gewöhnlichen  pseudo- 
unipolaren Zellen  auch  Assoziationszellen  vorzukommen  scheinen,  Zellen  des 
sogen.  II.  Golgischen  Typus  (siehe  Fig.  373  b,  b).  Diese  würden  eingeschaltet 
sein  zwischen  den  Zellen  des  sympathischen  Ganglion  und  den  pseudounipolaren 
Zellen  des  Spinalganglion. 

Die  Spinalganglien,  ebenso  das  Ganglion  jugulare  n.  vagi  besitzen 
ferner,  wie  Dogiel  findet  (1898),  ihnen  eigentümliche  sensible  Nervenapparate. 
Es  sind  in  diesen  Ganglien  besondere  Nervenzellen  enthalten,  die  sich  von  den  ge- 
wöhnlichen Spinalganglienzellen  dadurch  unterscheiden,  daß  der  periphere  Fortsatz 
im  Ganglion  selbst  sich  verästelt  und  mit  Endbäumchen  in  dessen  Bindegewebe 
endet.  Ein  zweiter  wichtiger  Befund  ist  der,  daß  die  genannten  Ganglien  alle 
gemischter  Art  sind,  d.  h.  daß  in  ihnen  auch  vielverästelte  kleine  sympathische 
Nervenzellen  vorkommen.  Aber  auch  die  sympathischen  Ganglien  (unter  ihnen 
das  Ganglion  ciliare  [nach  Holtzmann])  sind  gemischter  Art;  es  kommen 
in  ihnen  Spinalganglienzellen  pseudounipolarer  Art  neben  den  regelrechten  multi- 
polaren sympathischen  Zellen  vor. 

Das  Bindegewebe  der  Spinalganglien  ist  wie  das  der  Nervenwurzeln  als 
eine  Fortsetzung  der  Meningen  zu  betrachten.  Jede  einzelne  Zelle  und  ihre  Faser 
erhält  eine  Fortsetzung  der  bindegewebigen  Scheide  (siehe  Fig.  17). 

Bikeles,  G.,  und  Jasinski,  A.  (1898)  leugnen  nach  experimentellen  Untersuchungen  an  den 
Spinalganglien  der  Katze  die  Gegenwart  der  trophischen  Nerven.  —  Dogiel,  A.  S.,  Zur  Frage  über 
den  feineren  Bau  der  Spinalganglien  und  deren  Zellen  bei  Säugetieren.  Internat.  Monatsschrift  Anat. 
u.  Phys.  XIV,  1897.  —  Martinotti,  C.  et  Tirelli,  V.,  La  mikrophotographie  appliquee  a  l'etude 
de  la  strueture  de  la  cellule  des  ganglions  spinaux  dans  l'inanition.  Arch.  ital.  de  Biologie  XXXV,  1901. 
—  Sjövall,  E.,  Die  Spinalganglienzellen  des  Igels.  Anat.  Hefte,  Nr.58,  1901.  —  Smirnow,  A.  E, 
Über  den  Bau  der  Spinalganglienzellen  bei  einem  4monatigen  menschl.  Embryo.  Arch.  mikr.  Anat., 
Bd.  59,  1902.  —  Timofeef,  D.,  Beobachtungen  über  den  Bau  der  Nervenzellen  der  Spinalganglien 
und  des  Sympathicus  beim  Vogel.    Internat.  Monatsschrift  Anat.  u.  Phys.  XV,  1898. 

Neuere  Literatur  siehe  Abt.  I,  S.  145. 

Blutgefäße  der  Nerven.    Fig.  375—377. 

Man  muß  nach  Tonkof  f  zwischen  Arteria  nutricia  nervo  mm  und  A.  comes  nerv  omni 
unterscheiden.  Letztere  stellen  Anastomosen  zwischen  Haut-  und  Muskelarterien  dar  und  können  bei 
der  Bildung  von  Kollateralbahnen  bedeutungsvoll  sein. 

Das  Ganglion  cervicale  I  erhält  seinen  Ramus  nutriens  unmittelbar  aus  der  A.  vertebralis  usw. 
Alle  Ganglien  erhalten  ihre  Arterien  aus  zwei  oder  mehreren  Quellen.    Die  wichtigste  Quelle  ist  der 


Rückenmarksnerven. 


419 


in  eine  A.  radicalis  medullac  spinalis  sich  fortsetzende  Ramulus  medius  des  Ramus  spinalis  der  segmen- 
talen  Arterien.  Genaue  Angaben  macht  T.  auch  für  alle  größeren  Nervenstamme.  (Internat.  Monats- 
schrift f.  Anat.  und  Phys.  1898,  XV.) 

Die  Beziehungen  der  Neuromeren,  Myomeren  und  Dermatomeren 

zueinander. 

Eine  Gliederung  in  Folgestücke  kommt  bekanntlich  nicht  allein  dem  Nerven- 
system und  den  Gefäßen  zu,  sondern  auch,  und  zwar  in  noch  ausgesprochenerem 


Fig.  376. 

Fig.  376.    Arterien  der  Ganglia  spinalia  lumbalia  et  sacralia  und  des  Plexus 

lumbalis  eines  Neugeborenen  von  vorn  gesehen.    (W.  Tonkoff.) 

Vergrößerung  3 :  2. 

//  Ganglion  lumbale  seeundum ;    /   Ganglion  sacrale  primum;    c  N.  femoralis; 

.?  Plexus  sacralis;  1  A.  iliaca  communis  dextra;  2,  3,  4  Aa.  lumbales  II,  III  u.  IV; 

5  A.  iliolumbalis;  6  A.  glutaea  superior;  7  A.  glutaea  inferior;  8  A.  sacralis  lat. 

sup. ;  6  A.  sacralis  lat.  inf. 

Fig.  375.    Arterien  der  Nerven  an  der  oberen  Extremität  eines 

Neugeborenen.     (W.  Tonkoff.)    3;  4. 

Mm.  coracobrachialis   und   bieeps  durchschnitten,   um  die  Gefäße  des  N.  mus- 

culocutaneus  zu  zeigen. 

cl  N.  musculocutaneus;  cm  N.  cutan.  antibrachii  medialis;  fr  Sehne  des  M.  flexor  carpi  radialis;  fu  Sehne  des  M.  flexor 
carpi  ulnaris;  lev  Lig.  carpi  transversum;  m  N.  medianus;  ü  N.  ulnaris ;  1  A.  axillaris;  2  Ramus  arteriae  axillaris  ad 
musculum  coracobrachialem ;  3  A.  bicipitalis;  4  A.  collater.  uln.  sup.;  5  A.  radialis;  6  A.  ulnaris;  7  A.  recurrens  ulnaris; 
8  A.  mediana  (die  A.  interossea  nicht  dargestellt);  9  R.  dorsalis  a.  ulnaris;  10  Arcus  volaris  superficialis;  11  R.  muscularis 
a.  radialis,  mit  den  Enden  Tier  A.  mediana  anastomosierend;  12  R.  nutriens  des  N.  medianus  aus  der  A.  carpea  volaris 
der  A.  radialis,  mit  dem  entsprechenden  R.  nutriens  aus  einem  Aste  der  Ulnaris  anastomosierend. 


Fig.  375. 


Grade,  der  Muskulatur  und  den  Knochen.  Infolge  der  Nerven-  und  Gefäß- 
versorgung nimmt  ferner  das  Integument  des  Gesamtkörpers,  die  äußere  Haut, 
an  der  Segmentierung  teil  und  kann  in  dermale  Segmente,  Dermatomeren, 
Aber  auch  der  Darm  kann  sich  der  allgemeinen  Gliederung  des 


zerlegt  werden. 


420  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

übrigen  Körpers  nicht  entziehen,  obgleich  bei  ihm  die  Grenzen  der  Segmente 
besonders  im  abdominalen  Gebiete  schon  frühzeitig,  infolge  des  großen  Längen- 
vvachstumes  des  Dünn-  und  Dickdarmes,  vollständig  verwischt  werden.  Aber  die 
Nerven-  und  Gefäßversorgung  des  gesamten  Darm-  und  Eingeweideapparates  weist 
ebenso  wie  die  Entwicklung  auf  das  Bestehen  von  Enteromeren  hin.  Das 
nächste  veranlassende  Moment  aller  dieser  Gliederungen  ist  vielleicht  gerade  in 
der  frühen  Gliederung  der  Muskulatur  zu  suchen. 


Fig.  377. 

Arterlen  der  Spinalganglien  des  Halses  und  des  Plexus  brachialls  von  vorn.     (W.  Tonkoff.) 

(Von  einem  l1/,  Monate  alten  Knaben.) 

Wirbelkanal  und  Zwischcnwirbellöcher  von  vorn  eröffnet,  die  Dura  spinalis  entfernt.  ///  —  VIII  vordere  Wurzeln  der  ent- 
sprechenden Halsnerven;  /  vordere  Wurzel  des  ersten  Brustnerven ;  a  N.  axillaris;  et  N.  musculocutaneus;  cm  N.  cu- 
taneus  antibrachii  medialis;  m  N.  medianus;  r  N.  radialis;  sec  N.  suprascapularis ;  ss  Nn.  subscapulares;  u  N.  ulnaris  ; 
1  A.  subclavia;  2  A.  vertebralis;  3  A.  thyreoidea  inf. ;  4  Ast  aus  dem  Anfangsteile  der  A.  thyreoidea  inf. ;  5  A.  cervicalis 
ascendens;  6  Truncus  costocervicalis;  7  Stämmchen,  aus  der  A.  subclavia  emporsteigend;  seine  Äste  anastomosieren  mit 
der  A.  vertebralis  an  den  Ganglien  VI  und  VII;  8  A.  transversa  colli;  9  A.  subscapularis  superior;  10  Truncus  nutriens  aus 
der  A.  axillaris,  in  dem  medialen  Bündel  des  Plexus  brachialis  sich  verästelnd  ;  11  Truncus  nutriens  aus  der  A.  axillaris, 
sendet  Äste  entlang  dem  N.  medianus,  N.  musculocutaneus  und  aufwärts  längs  den  Wurzeln  des  N.  medianus;  12  A.  sub- 
scapularis inferior,  aus  deren  Anfangsteil  entspringen;  1.  ein  R.  nutriens  zum  N.  radialis,  welcher  dem  hinteren  Bündel  des 
Plexus  entlang  mit  dem  Truncus  nutriens  aus  der  A.  axillaris  anastomosiert,  und  2.  ein  R.  nutriens  zum  N.  axillaris; 
13  A.  spinalis  ant.  —  Durch  punktierte  Linien  sind  die  innerhalb  oder  an  der  hinteren  Fläche  verlaufenden  Rr.  nutrientes 
dargestellt.  An  den  Ganglien  sind  nur  die  wichtigsten  Rr.  nutrientes  zu  sehen  ;  die  Verästelungen  und  Anastomosen  der- 
selben an  der  Oberfläche  der  Ganglien  dagegen  sind  nicht  abgebildet.    Vergrößerung  3:2. 

Zu  jedem  Neuromer  gehört  ein  entsprechendes  Myomer,  Dermatomer,  Ente- 
romer.  Bei  der  Entwicklung  verschieben  sich  die  zu  demselben  Körpersegment 
gehörigen  Nerven-,  Muskel-  usw.  Segmente  in  hohem  Maße,  so  daß  es  mühsamer 
Untersuchungen  bedarf,  die  zusammengehörigen  Stücke  zu  erkennen.  Namentlich 
ist  die  Beziehung  der  Dermatomeren  und  der  Myomeren  zum  entsprechenden  Neu- 
romer von  großer  praktisch  medizinischer  Bedeutung. 

Deshalb  sei  im  folgenden  eine  Tabelle  wiedergegeben,  welche  sich  auf  die 
Beziehungen  der  Nervensegmente  zu  den  zugehörigen  Muskel-  und  Haut- 
gebieten erstreckt;  auch  die  reflektorischen  Segmente  sind  beachtet. 


Riickenmarksnerven. 


421 


Lokalisation  der  Funktion  in  den  verschiedenen  Segmenten  des  Rückenmarkes. 

Nach    den    Zusammenstellungen    von    Starr   und    Edinger,    auf  Grund   von  Tierversuchen   und 
pathologischen  Beobachtungen.    Vergleiche  hiermit  die  in  geringem  Maße  verschiedenen  Angaben 

bei  den  einzelnen  Muskeln  (Abt.  III). 


Segmente 

Muskeln 

Reflexe 

Gef 

üh  Isi  n  nerv ation 
der  Haut 

2.-3.  Cervicalis 

Sterno-mastoideus 

Inspiration    bei    raschem 

Nacken  und  Hinterkopf 

Trapezius 

Druck  auf  den  Rippen- 

Scaleni  u.  Nackenmuskeln 

bogen 

Diaphragma 

4.  Cervicalis 

Diaphragma 

Erweiterung  d.  Pupille  auf 

Nacken 

Supra-  und  Infraspinatus 

Reizung   des   Nackens 

Obere  Schultergegend 

Deltoideus 

4.  bis  7.  Cervic. 

Außenseite  des  Armes 

Biceps  u.  Coracobrachialis 

Brachioradialis 

Rhomboidei 

5.  Cervicalis 

Deltoideus 

Scapularreflex.    5.   Cerv. 

Rückseite  der  Schulter  und 

bis  1.  Thor. 

des  Armes 

Biceps  und  Coraco- 

Sehnenreflexe der  entspr. 

brachialis 

Muskeln 

Brachioradialis    und   Supi- 

Äußere  Seite  des  Ober-  u. 

nator 

Vorderarmes 

Pectoralis,  pars  clavicularis 

Serratus  anterior 

Rhomboidei 

Brachialis 

Teres  minor 

6.  Cervicalis 

Biceps 

Reflexe  von  den  Sehnen 

Äußere  Seite   des  Vorder- 

Brachialis 

d.  Extensoren  des  Ober- 

armes 

Pectoralis,  pars  clavicularis 

und  Unterarmes 

Serratus  anterior 

Triceps 

Extensoren   der  Hand  und 

Handgelenksehnen.  6.  bis 

Rücken  der  Hand,  Radialis- 

der Finger 

8.  Cerv. 

gebiet 

Pronatoren 

7.  Cervicalis 

Caput  longum  trieipitis 

Schlag  auf  die  Vola   er- 

Radialisgebiet der  Hand 

Extensoren   der  Hand  und 

zeugt     Schließen     der 

der  Finger 

Finger 

Flexoren  der  Hand 

Pronatoren  der  Hand 

Pectoralis,  pars  costalis 

Subscapularis 

Palmarreflex 

Latissimus  dorsi 
Teres  major 

7.  Cerv.  bis  1.  Thor. 

Medianus  Verteilung 

8.  Cervicalis 

Flexoren    der    Hand    und 

der  Finger 

Kleine  Handmuskeln 

•  Pupillarreflex 

1.  Thoracalis 

Strecker  des  Daumens 
Kleine  Handmuskeln 
Daumen-  und   Kleinfinger- 
ballen 

Ulnarisgebiet 

2.— 12.Thoracalis 

Muskeln  des  Rückens  und 

Epigastr.  4. — 7.  Thor. 

Haut  d.  Brust,  d.  Rückens, 

des  Bauches 

des    Bauches    und    der 

Erectores  Spinae 

Abdomen  7. — 11.  Thor. 

oberen  Glutäalregion 

1.  Lumbalis 

Iliopsoas. 

Cremasterreflex 

Haut  der  Schamgegend 

Sartorius 

1.— 3.  Lumb. 

Vorderseite  des   Hoden- 

Bauchmuskeln 

sackes 

2.  Lumbalis 

Iliopsoas 

Patellarsehne 

Äußere  Seite  der  Hüfte 

Sartorius 

2.-4.  Lumb. 

Flexoren  des  Knies 

(Remak?) 

Quadriceps  femoris 

3.  Lumbalis 

Quadriceps  femoris 

Vorder-  und  Innenseite  der 

Einwärtsroller  d.  Schenkels 

Hüfte 

Adductores  femoris 

Raubeb-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt. 


22 


422 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Segmente 


Muskeln 


Reflexe 


4.  I.timbalis  Adductores  femoris 

Tibialis  anterior  (ilutäalreflex 

Flexoren  d.  Knies(Ferrier?)      4.-5.  Lumt). 

5.  Lumbalis  Auswärtsroller  der  Hüfte 
Beuger  des  Knies 

(Ferrier?) 
Beuger  des  Fußes 
Extensoren  der  Zehen 
Peronaei 
1.  und  2.  Sacralis     Flexoren  des  Fußes  und      Plantarreflex 
der  Zehen 
Peronaei 

Kleine  Fußmuskeln 
3.— 5.  Sacralis  Muskeln  des  Perineum 


Gefühlsinnervation 
der  Haut 


Innere  Seite  der  Hüfte  und 
d.  Beines  bis  z.  Knöchel. 
Innenseite  des  Fußes. 


Rückseite  der  Hüfte,  des 
Oberschenkels  u.  äußerer 
Teil  des  F'ußes 

Hinterseite  des  Oberschen- 
kels, äußere  Seite  des 
Beines  und  Fußes 


Achillessehne  Haut    über    dem     Sacrum, 

Blasen- und  Rektalzentren      Anus,    Perineum,    Geni- 
talien 

Fürbringer,  M.,  Über  die  spino-occipitalen  Nerven  derSelachier  und  Holocephalen  und  ihre 
vergl.  Morphologie.  Kapitel  „Nerv  und  Muskel".  Festschrift  für  Gegenbau  r.  Bd.  3,  S.  730 — 744. 
Neuere  Angaben  über  den  Segmentbezug  der  Muskeln  der  oberen  Extremität  sind  gegeben  von 
S.  von  Schumacher,  Sitzber.  Akad.  Wiss.  Wien.    Bd.  117,  Abt.  III,  1908. 


Sklerozonen  und  Dermatomeren. 

Über  das  Verhältnis  der  Neuromeren  und  Myomeren  zum  Stammskelete 
ist  bereits  an  früherer  Stelle  Auskunft  gegeben  worden  (siehe  die  Abschnitte: 
Genealogie  der  Muskeln,  Abt.  III,  S.  17;  Verhältnis  der  Muskel-  zu  den 
KnocKensegmenten,  Abt.  III,  S.  18,  19). 

Schwieriger  liegen  die  Dinge  am  Gli  edmaßenskelete.  Wenn  es  auch  bereits  bekannt  ist, 
daß  die  Extremitätenmuskeln  von  den  Myotomen  der  Urwirbcl  ihren  Ursprung  nehmen,  so  sind  doch 
die  Umbildungen  der  einzelnen  Teile  zu  den  verschiedenen  definitiven  Muskelformen  der  oberen 
und  unteren  Extremitäten  noch  nicht  bekannt.  Ebenso  wenig  bekannt  ist  die  Lagerung  der  aus  den 
einzelnen  Segmenten  je  hervorgegangenen  Muskelindividuen  an  den  zugehörigen  Knochen  der 
Extremitäten.  Selbst  die  Beziehungen  der  den  verschiedenen  Segmenten  entsprechenden  Muskeln 
zu  den  zugehörigen  neuralen  Segmenten  sind  keineswegs  schon  überall  auf  morphologischem 
Wege  in  helles  Licht  gesetzt,  am  wenigsten  bei  den  Extremitäten. 

Kennt  man  die  Beziehungen  der  Muskelindividuen  einer  Extremität  zu  ihren  neuralen  Seg- 
menten, so  ist  dadurch  der  Weg  eröffnet,  um  auch  beim  Erwachsenen  das  Verhältnis  der  Nerven- 
und  Muskelsegmente  zu  den  Haftstellen  an  den  Knochen  zu  bestimmen. 

Durch  eine  Reihe  schöner  Untersuchungen,  die  im  Laufe  der  beiden  letzten  Dezennien  an- 
gestellt worden  sind,  ist  ein  bedeutender  Schritt  vorwärts  auf  diesem  Felde  gemacht  worden.  Es 
ist  zu  erwarten,  daß  die  noch  fehlenden  Schritte  ebenfalls  gemacht  und  zugleich  auf  vergleichendes 
und  entwicklungsgeschichtliches  Gebiet  gelenkt  werden. 

Im  allgemeinen  haben  die  Untersuchungen  von  Bolk  ergeben,  daß  in  der  Tat  eine  Ge- 
setzmäßigkeit zwischen  der  segmentalen  Herkunft  und  der  Skeletanhcftung  besteht. 

Bolk,  L.,  Beziehungen  zwischen  Skelet,  Muskulatur  und  Nerven  der  Extremitäten  usw. 
Morpholog.  Jahrb.  XXI,  1894.  —  Derselbe,  Rekonstruktion  der  Segmentierung  der  Gliedmaßen- 
muskulatur, dargelegt  an  den  Muskeln  des  Oberschenkels  und  des  Schultergürtels.  Morpholog. 
Jahrb.  XXII,  1895.  —  Derselbe,   Die  Sklerozonie   des  Humerus.    Morpholog.  Jahrb.  XXIII,  1895. 

In  bezug  auf  Dermatome  (=  Dermatomeren)  ist  zu  erinnern  an  in  Fig.  320  über  die 
kutanen  Halsnervengebiete  Vorgebrachte;  und  bezüglich  der  oberen  Extremität  zeigt  ein 
Blick  auf  Fig.  378  und  379,  welche  Fülle  von  Verständnis  auch  hier  gewonnen  werden  kann. 

Das  fünfte  (spinale)  Dermatom  ist  ganz  der  oberen  Extremität  tributär  geworden.  Das  ganze 
Dermatomsystem  an  der  Dorsalfläche  der  oberen  Extremität  stellt  Fig.  378  vor  Augen ;  an  der  Ventral- 
fläche Fig.  379. 


Rnckenmarksnerven. 


423 


Hiermit  sind  die  Abbildungen  der  Hautnerven  fei  der  der  Extremität  Fig.  340,  341  zu 
vergleichen.    Siehe  auch  Sinnesorgane,  Haut. 


Fig.  378. 

Das  Dermatomsystem  an  der  Dorsalfläche  der  oberen  Extremität. 


Fig.  379. 

Das  Dermatomsystem  an  der  Ventralfläche  der  oberen  Extremität.    (L.  Bolk,  1898.) 


Eintritt  der  Nerven  in  die  Muskeln  und  Verästelung  in  ihnen. 

Neuere  Untersuchungen  von  Fr.  Frohse  sowie  von  Eisler  ergänzen  G.  Schwalbes  frühere 
Angaben  über  die  Eintrittsstellen  der  Nerven  in  die  Muskeln  und  berichtigen  sie  teilweise  auch. 
Fast  jeder  Muskel  hat  einen  charakteristischen  Aufbau;  es  darf  nicht  wunder  nehmen,  wenn  die 
Nervenverteilung  sich  darin  widerspiegelt. 

Aus  einer  von  Bardeleben  und  Frohse  gemeinsam  ausgeführten  Untersuchung  ist  folgendes 
hier  mitzuteilen: 

Nerveneintrittsstelle  und  Verästelung  der  Nerven  entsprechen  der  Form  des  Muskels  nicht 
allgemein.  Jeder  Nerv  teilt  sich  in  zwei  Äste  oder  der  Stamm  gibt  nach  und  nach  je  einen  Ast 
ab.  Jeder  Muskelnerv  gibt  Gefäßnerven  ab.  Der  Nerveneintritt  erfolgt  mit  den  Gefäßen  oder 
getrennt.    Jeder  Nerv  gibt  indessen  einen  rückläufigen  Ast  ab. 

Die  Eintrittsstellen  liegen  ander  tiefen  Fläche,  an  der  Oberfläche,  proximal,  zwischen  proximalem 
und  mittlerem  Drittel,  im  geometrischen  Mittelpunkt  (selten),  nie  ganz  distal!  Die  Verästelung  der 
Nerven  im  Muskel  ist  sehr  verschiedenartig:  vorwiegend  absteigende  Äste,  lange  absteigende  und 
kurze  aufsteigende  Äste,  gleichlange  auf-  und  absteigende  Äste,  fächerförmige  Ausstrahlungen  der 
Äste,  kegelförmige  Ausstrahlung,  Verästelung  in  Form  von  Endbäumchen  nach  einer  oder  nach 
zwei  Seiten.     (Siehe  auch  Abt.  III,  S.  4). 

Es  gibt  extra-  und  intramuskuläre  Schlingen,  extra-  und  intramuskuläre  Anastomosen,  intra- 
muskuläre Plexus,  diese  zeigen  nach  Eisler  für  jeden  Muskel  einen  ganz  bestimmten  Typus. 

Doppel-Innervierung  wurde  festgestellt  an  folgenden  Muskeln: 

Brachialis  (N.  musculocutaneus  und  Radialis). 

Flexor  digitorum  sublimis  (Varietät:  Medianus  und  Ulnaris). 

Flexor  digitorum  profundus  ^  Medianus  und 

Lumbricalis  III   und  Adductor  pollicis    /  Ulnaris. 

22* 


424 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Pectineus:  Femoralis,  Obturatorius  (Var.  ?). 
Adductor  magnus:  Obturatorius,  Ischiadicus. 
Flexor  dig.   pedis    brevis   i 

Lumbricalis  III  p.,  Addu-       Plantaris  medialis  und  lateralis, 
ctor  hallucis  ' 


Fig.  380. 

Fig.  380.  Nervenverzweigung  im  M.  obliquus  oculi  inferior. 

Fig.  381.     M.  obliquus  oculi  superior  mit  N.  trochlearls. 

(Frohse  und  Bardeleben.) 


Fig.  381. 


Bezüglich  der  Beurteilung  der  Befunde  hebt  v.  Kolli  k  er  hervor,  daß  die  Länge  der  Muskel- 
fasern die  Hauptrolle  spiele  bei  dem  Verhalten  des  Nerven.  Sind  in  einem  Muskel  die  Fasern  so 
lang  wie  der  Muskel,  so  ist  die  Verbreitung  der  Nerven  auf  eine  Stelle  beschränkt. 


Fig.  382. 

Fig.  382.     Intramuskuläres  Nervengeflecht  im  M.  occipitalis  (rechts).     (Nach  Eisler.)     1:1. 
/  Zweige  des  N.  facialis;   /'  Zweige  des  N.  occipitalis  minor;   a  Zweige  des  N.  occipitalis  major.     Sensible  Nerven  außer- 
halb des  Muskelfleisches  sind  punktiert. 


Jede  Muskelfaser  des  Sartorius  besitzt  3—4  Endplatten  (Sandmann). 
Endplatten  der  einzelnen  Muskelfasern  kommt  hiernach  in  Betracht. 


Auch  die  Zahl  der 


Rückenmarksnerven. 

Wichtig  für  die  Beurteilung  ist  endlich  die  Entwicklung  eines  Muskels,  sowohl  Ontogenie 
als  Phylogenie. 

Nußbaum,  AI.,  Nerv  und  Muskel.  Aren,  tnikr.  Anat.  Bd.  52,  1898.  —  Sihler,  Chr.,  Neue 
Untersuchungen  über  die  Nerven  der  Muskeln.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  68,  1900. 

Vergleichung  der  Hirn-  und  Rückenmarksnerven. 

In  früherer  Zeit  war  es  möglich,  die  Frage  des  Verhältnisses  der  Hirn-  zu 
den  Rückenmarksnerven  mit  wenigen  Worten  zu  beantworten.  Man  wußte  die 
Schwierigkeiten  noch  nicht  im  ganzen  Umfange  zu  würdigen,  welche  sich  einem 
solchen  Unternehmen  entgegenstellen.  Gegenwärtig  kennt  man  diese  Schwierig- 
keiten sehr  genau  und  die  zu  beschreitenden  Wege,  aber  auch  die  Gewißheit,  daß 
die  tatsächlichen  Grundlagen  zur  Gewinnung  eines  sicheren  Urteils  noch  nicht 
in  erschöpfender  Weise  gewonnen  worden  sind.  Es  bedarf  also  noch  vieler  Be- 
mühungen, bis  es  möglich  sein  wird,  die  Frage  des  Verhältnisses  beider  Nerven- 
gruppen ihrer  endgültigen  Lösung  entgegenzuführen. 

Um  die  Vergleichung  durchführen  zu  können,  ist  zunächst  notwendig  eine  vollständige  Kenntnis 
der  Ursprungs-  und  Endkerne,  der  zentralen  und  peripheren  Bahnen  der  beiderlei  Nerven,  mit 
voller  Berücksichtigung  der  Qualität  dieser  Bahnen. 

Eine  Vergleichung  der  Endformen  aller  dieser  Bestandteile  würde  aber  niemals  zum  Ziele 
führen  können,  weil  diese  Endformen  für  sich  allein  betrachtet,  voller  Dunkel  sind  und  ein  un- 
verständliches Chaos  bleiben  würden.  Vielmehr  hat  noch  nach  allen  Seiten  hin  die  Entwicklungs- 
geschichte dieser  Endformen  fördernd  in  das  Verständnis  einzugreifen. 

Aber  auch  die  individuelle  Entwicklungsgeschichte  würde  nicht  hinreichen,  auf  alle 
bezüglichen  Fragen  Antwort  zu  geben.  Sie  hellt  auf,  soweit  ihre  Tragweite  reicht;  aber  mit  zu- 
nehmender Helligkeit  tauchen  oft  unerwartet  in  der  Ferne  viele  neue  Rätselgebilde  auf,  für  den 
Gewinn  der  Lösung  eines  einzigen.  Im  vollen  Maße  hat  daher  auch  die  vergleichende  Anatomie 
und  vergleichende  Entwicklungsgeschichte  einzutreten,  um  ihrerseits  das  zu  überschauende 
ausgedehnte  Feld  zugänglicher  zu  machen.  Auf  allen  diesen  Wegen  ist  die  Untersuchung  zurzeit 
zwar  erfolgreich  aufgenommen,  aber,  wie  gesagt,  noch  nicht  zum  Ende  geführt. 

Die  im  folgenden  gegebene  Gruppierung  erhebt  der  angegebenen  Sachlage  entsprechend 
mehr  Fragen,  als  sie  abschließende  Antworten  enthält;  aber  auch  mit  dieser  Eigenschaft  wird  sie 
förderlich  sein. 

Die  Fila  olfactoria,  den  ersten  Hirnnerven  darstellend,  lassen  in  ihrer 
Entstehung  gewisse  Beziehungen  erkennen  zur  Entwicklung  der  sensiblen  Wurzeln 
der  Hirn-  und  Rückenmarksnerven  (S.  49  und  Sinnesorgane). 

Nach  van  Wijhe  wäre  der  Olfactorius  nicht  der  erste,  sondern  der  Reihe 
nach  der  zweite  Hirnnerv,  was  uns,  bei  aller  Anerkennung  scharfsinniger  Durch- 
führung doch  nicht  annehmbar  erscheint. 

Der  N.  opticus,  Pedunculus  opticus  v.  Wijhe,  ist  überhaupt  kein 
peripherer  Nerv,  der  zu  den  übrigen  Hirn-  und  Rückenmarksnerven  morphologische 
Beziehungen  hätte,  sondern  er  ist  ein  interzentraler  Verbindungsstrang  zwischen 
verschiedenen  Hirnteilen,  einerseits  der  Retina,  andererseits  dem  Vierhügel-, 
Zwischen-  und  Endhirn,  wobei  Kreuzungen  eine  große  Rolle  spielen. 

Der  dritte,  vierte  und  fünfte  Hirnnerv:  Oculomotorius,  Trochlearis 
und  Trigeminus   können    als   Trigeminus-Gruppe   zusammengefaßt  werden. 

In  der  Trigeminus-Gruppe  ist  der  Trigeminus  selbst  der  Nerv  des  ersten 
Kiemenbogens,  d.  i.  des  Kieferbogens,  wenn  das  Urteil  sich  durch  die 
Branchiomerie,  d.  i.  die  Gliederung  der  Darmwand  und  ventralen  Leibeswand, 
bestimmen  läßt  und  die  Nervenversorgung  der  aus  dem  Kieferbogen  hervorgehenden 
Gebilde  ins  Auge  faßt. 


426  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Sein  Ramus  primus  gehört  alsdann  einem  präbranchialen  Metamer  an.  Der  Oculomotorius 
und  Trochlearis  fallen  dem  Trigeminusgebiet  zu,  besonders  mit  Rücksicht  auf  ihre  Ursprungskerne; 
diese  stellen  das  mediale  Glied  der  motorischen  Ursprungskerne  dar,  wahrend  der  motorische  Kern 
des  Quintus  das  laterale  Glied  derselben  bildet. 

Der  Acustico-Facialis  ist  das  Nervenpaar  für  den  zweiten  Kiemen- 
bogen,  wobei  also  wiederum  die  Branchiomerie  als  Einteilungsgrund  zur  Ver- 
wendung gelangt.  Der  Akusticus  ist,  seinem  morphologischen  Wesen  nach,  ein 
in  den  Dienst  des  Gehörsinnes,  aber  auch  des  großen  Gleichgewichtsapparates 
getretener  sensibler  Hautnerv.  Zu  dieser  Gruppe  gehört  als  medialer  motorischer 
Nerv,  entsprechend  seinem  Ursprungskern,  der  N.  abducens. 

Der  neunte,  zehnte  und  elfte  Hirnnerv:  Glossopharyngeus,  Vagus 
und  Accessorius,  machen  die  Vagusgruppe  aus,  wobei,  wie  für  die  Trigeminus- 
gruppe,  nur  die  überwiegende  Stärke  des  betreffenden  Nerven  den  Namen  liefert. 

Der  Glossopharyngeus  ist  der  Nerv  des  dritten  Kiemenbogens. 

Der  Vagus  ist  dagegen  der  Nerv  der  noch  folgenden  Kiemenbögen,  deren 
Einzelbestandteile  zu  einem  mächtigen  Gesamtnerven  verbunden  worden  sind, 
Vagus  und  Glossopharyngeus  haben  je  zwei  Stammganglien,  alle,  soweit  man  es 
bis  jetzt  weiß,  von  übereinstimmender  definitiver  Textur. 

Der  Accessorius  ist  ein  Nerv,  welcher  als  gesondertes  Gebilde  erst  in  den 
höheren  Abteilungen  der  Wirbeltiere  zur  Erscheinung  gelangt;  er  gehört  in  eine 
und  dieselbe  Reihe  mit  dem  motorischen  Teil  der  Vaguswurzeln ,  jenem,  der  im 
Nucleus  ambiguus  seinen  Ursprung  nimmt. 

Der  zwölfte  Hirnnerv:  Hypoglossus,  Kiemenbogengebilde  versorgend, 
die  zum  Teil  weiter  rostral  gelegen  sind,  als  das  Versorgungsgebiet  des  Glosso- 
pharyngeus und  Vagus,  entspricht,  wie  schon  J.  Müller  vermutet  hat,  einigen 
Spinalnerven,  denen  meist  die  dorsale  (sensible)  Wurzel  fehlt,  welche  sich  zu  dem 
einzigen  Hypoglossus  zusammengeballt  und  durch  sekundäre  Aufnahme  in  das 
Kopfgebiet  zu  einem  Hirnnerven  umgebildet  haben. 

Sichergestellt  ist  diese  Auffassung  durch  Froriep,  welcher  zuerst  (bei 
Embryonen)  die  sensiblen  Ganglien  des  Hypoglossus  aufgefunden  hat. 

Wie  die  unter  Frorieps  Leitung  angestellten  vergleichenden  Untersuchungen  von  W.  Beck 
gezeigt  haben,  trägt  der  ventrale  Hypoglossusstamm  seine  Zusammensetzung  aus  mehreren  gleich- 
wertigen Spinalnerven  auch  im  erwachsenen  Zustande  noch  zur  Schau  dadurch,  daß  er  sich  aus 
mehreren  Gruppen  von  Wurzelfäden  bildet,  die  erst  beim  Austritt  durch  den  Schädel  zu  einem 
einheitlichen  Stamm  verschmelzen  (am  deutlichsten  bei  den  Ungulaten,  mit  in  der  Regel  drei 
Abteilungen).  Mit  den  dorsalen  Wurzeln  steht  es  eigentümlich.  Die  rostrale  ventrale  Wurzelgruppe 
des  Hypoglossus  hat  nie  eine  zugehörige  dorsale  Wurzel.  Die  mittlere  Wurzel  hat  nur  selten 
eine  dorsale  Wurzel.  Konstant  dagegen  findet  sich  bei  gewissen  Säugern  (z.  B.  beim  Schwein) 
eine  dorsale  Wurzel,  welche  dem  kaudalsten  Wurzelgebiet  angehört,  mit  einem  Ganglion,  dem 
Ganglion  hypoglossi  von  Froriep.  Die  dorsale  Wurzel  des  N.  cervicalis  I  scheint  bei  allen 
Säugetieren  zwar  embryonal  angelegt  zu  werden;  bei  den  einen  persistiert  sie  darauf,  bei  den 
anderen  wird  sie  rudimentär  oder  sie  schwindet  ganz. 

Wie  verhält  es  sich  beim  Menschen?  Die  ventralen  Wurzelfäden  sind  meist  in  zwei  Bündel 
geteilt;  manchmal  ist  sogar  der  Canalis  hypoglossi  des  Occipitale  anfänglich  noch  in  zwei  Ab- 
schnitte getrennt;  häufiger  sind  zwei  durale  Eingänge  da.  Eine  dorsale  Wurzel  war  in  keinem 
Falle  (von  32)  nachzuweisen;  doch  kann  sie  vorkommen  (Chiarugi,  Kazzander).  Die  dorsale 
Wurzel  des  N.  cervicalis  I  kann  beim  Menschen  ganz  fehlen;  in  den  meisten  Fällen  ist  aber  eine 
schwache  dorsale  Wurzel  vorhanden  und  immerhin  ein  rudimentäres  Gebilde  zu  nennen.  Durch 
die  ganze  Reihe  läßt  sich  der  Rückbildungsvorgang  der  ersten  dorsalen  Spinalnervenwurzel  auf 
allen  seinen  Stufen  nachweisen.  Bei  den  Ungulaten  und  Karnivoren  sehen  wir  die  Gruppe  der 
occipitalen  Spinalnerven  erst  auf  dem  Wege,  sich  umzugestalten  zu  dem  rein  ventralen  Hypo- 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystcm.  427 

glossus.  Von  den  Halbaffen  an,  durch  Nager,  Insektivoren  und  Affen,  schreitet  der  für  die  Occipital- 
region  hier  bereits  vollendete  Rückbildungsvorgang  auf  die  Halsgegend  weiter  fort  und  gestaltet 
auch  den  N.  cervicalis  1  zu  einem  rein  ventralen  Nerven. 

Die  Encephalomerie  bei  Ascalabotes  fascicularis,  einem  Saurier,  stimmt  nach  A.  N.  Sewertzof  f 
im  allgemeinen  mit  der  bei  Selacliicrn  überein.  Im  Nachhirn  sind  fünf  Encephalomeren  vorhanden,  von 
welchen  I  und  II  den  N.  trigeminus,  III  den  N.  facialis,  V  den  N.  glossopharyngeus  ausgehen  läßt. 

Yergl.  auch  S.  234  dieser  Abteilung. 

Literatur. 

Beck,  W. ,  Über  den  Austritt  des  N.  hypoglossus  und  N.  cervicalis  I  usw.  Anat.  Hefte 
Nr.  XVIII,  1895.  —  Dixon,  Fr.,  On  the  Development  of  the  Branches  of  the  Fifth  Cranial  nerve 
in  Man.  Scientif.  Transactions  of  the  Royal  Dublin  Soc,  May  1896.  —  Froriep,  A.,  Entwicklungs- 
geschichte des  Wirbeltierkopfes.  Verh.  anat.  Ges.  1902.  —  Derselbe,  Einige  Bemerkungen  zur 
Kopffrage.  Anat.  Anz.  XXI,  1902.  —  Hatschek,  B.,  Die  Metamcrie  des  Amphioxus  und  Ammo- 
coetes;  ebendaselbst.  —  Kupffer,  C.  v.,  Studien  zur  vergleichenden  Entwicklungsgeschichte  des 
Kopfes  der  Kranioten.  1.  und  2.  Heft,  München  und  Leipzig,  J.  F.  Lehmann,  1893.  —  Derselbe, 
Entwicklungsgeschichte  des  Kopfes.  In:  Ergebnisse  der  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte. 
Wiesbaden  1896.  —  Neal,  H.  V.,  A  Summary  on  the  Segmentation  of  the  Nervous  System  in 
Squalus  acanthias.  Anat.  Anz.  XII,  1896 ;  die  Schrift  enthält  auch  ein  Verzeichnis  der  betr.  Literatur.  — 
Pinkus,  F.,  Die  Hirnnerven  von  Protopterus  annectens.  Morphol.  Arbeiten  von  G.  Schwalbe,  IV, 
Jena  1894,  G.  Fischer.  Der  N.  hypoglossus  (u.  a.)  hat  zwei  dorsale  Wurzeln,  die  mit  Ganglien 
versehen  sind,  und  zwei  ventrale  Wurzeln,  er  hat  dieselben  Äste  wie  alle  Spinalnerven  und  führt 
außerdem  Zweige  zur  Zunge  und  zum  Plexus  brachialis.  —  Rabl,  C.,  Über  den  gegenwärtigen 
Stand  der  Frage  über  die  Metamerie  des  Wirbeltierkopfes.  Verhandlungen  der  Anatomischen  Ge- 
sellschaft, 1892,  Jena,  Fischer.  In  diesem  Bericht  ist  auch  die  frühere  Literatur  angegeben.  — 
Sewertzoff,  A.  N.,  Zur  Entwicklungsgeschichte  des  Ceratodus  Forsteri.  Anat.  Anz.  XXI,  1902. 
S.  stellt  u.  a.  das  Vorhandensein  eines  kleinen,  mit  Ganglion  versehenen  N.  praeopticus  bei 
Ceratodus  fest. 

V.  Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem. 
Systema  nervorum  sympathicum. 

Gleich  den  meisten  bisher  betrachteten  Teilen  des  Nervensystems  läßt  auch 
das  sympathische  System  eine  segmentale  Anordnung  seiner  Bestandteile  deutlich 
erkennen.     Fig.  383.     Denn  es  besteht: 

1.  Aus  einer  jederseits  längs  der  Wirbelsäule  gelagerten  großen  Anzahl 
(20 — 25)  Ganglien,  Ganglia  trunci  sympathici,  welche  miteinander  durch  kurze, 
längslaufende  Verbindungsstränge,  Zwischenstränge,  Rami  intergangliares, 
zu  je  einem  Längsstrang,  dem  sogen.  Grenzstrang  oder  Stammstrang  des 
Sympathicus,  Truncus  sympathicus,  verbunden  sind. 

2.  Aus  Rami  communicantes,  d.  h.  Nerven,  welche  den  Grenzstrang  mit 
dem  cerebrospinalen  Nervensystem-  in  Verbindung  setzen. 

3.  Aus  sehr  zahlreichen  peripheren  Zweigen,  welche  von  den  verschie- 
denste» Stellen  des  Grenzstranges  ausgehen,  in  die  Peripherie  ziehen,  hier  mit 
cerebrospinalen  Nerven  wieder  an  vielen  Orten  in  Verbindung  treten,  sowie  zur 
Geflechtbildung,  Plexus  sympathici,  und  zur  Aufnahme  kleiner  und  großer 
Ganglien  in  die  Geflechte,  Ganglia  plexuum  sympathicorum,  große  Neigung 
haben.  Letztere  führen  auch  den  Namen  periphere  Ganglien  des  Sympathicus, 
gegenüber  den  Ganglien  des  Grenzstranges. 

4.  Aus  variablen  queren  Verbindungszweigen,  Rami  transversi,  welche  die 
Grenzstränge  beider  Seiten  miteinander  in  Zusammenhang  bringen.    Sie  sind  nur 


428 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


an  einigen  Abteilungen  des  Sympathicus  eine  regelmäßigere  Erscheinung,  wie  im 
Lumbal-  und  Sakralteil  desselben. 

Da  das  sympathische  System  sich  über  alle  großen  Körperabteilungen  er- 
streckt, so  unterscheidet  man  einen  Kopf-,  Hals-,  Brust-,  Bauch-  und  Becken- 
teil desselben. 

I.  Der  Grenzstrang  und  seine  Ganglien. 

Der  Grenzstrang  des  Sympathicus  liegt  teils  neben  der  Wirbelsäule,  teils  an 
der  Schädelbasis  und  erstreckt  sich  vom  Kopf  bis  zum  Steißbein. 

A.  Halsteil.    Fig.  384. 

Am  Hals  kommen  jederseits  in  der  Regel 
drei  Grenzstrangganglien  vor,  ein  oberes, 
mittleres  und  unteres,  doch  sind  dieselben 
durch  Verschmelzung  aus  acht  segmentalen 
Ganglien  hervorgegangen. 

1.  Das  obere  Halsganglion,  Ganglion  cervicale 
superius.     Fig.  301 ,  304,  384. 

Es  ist  eine  platte  spindelförmige  Anschwel- 
lung von  25— 30  mm  Länge,  6— 8  mm  Breite 
und  3 — 5  mm  Dicke,  welche  vor  den  Querfort- 
sätzen des  2.  und  3.  Halswirbels,  vor  dem 
M.  longus  capitis  und  der  Fascia  praevertebralis, 
hinter  der  A.  carotis  interna,  medial  vom  Vagus- 
stamm gelegen  ist. 

Das  obere  Ende  des  Ganglion  hängt  mit 
dem  Kopfteil  des  Sympathicus  zusammen;  das 
untere  Ende  setzt  sich  in  der  Höhe  des  vierten, 
manchmal  erst  des  fünften  Halswirbels  in  einen 
Nervenstamm  fort,  welcher  in  seltenen  Fällen  auch  doppelt  gefunden  wird  und 
eine  Verbindung  mit  dem  mittleren  Ganglion  herstellt.  Letzteres  Ganglion  kann 
fehlen,  dann  geht  jener  Nervenstamm,  der  Ramus  intergangliaris  inferior  des 
Ganglion  superius,  in  das  untere  Halsganglion  über.  Das  Ganglion  superius 
zeigt  nicht  selten  Einkerbungen,  als  Andeutungen  einer  Zerlegung  in  mehrere 
Stücke;  wie  es  denn  in  Wirklichkeit  mindestens  einem  Komplex  von  4  segmentalen 
Sympathicusganglien  entspricht. 

2.  Das  mittlere  Halsganglion,  Ganglion  cervicale  medium.     Fig.  301,  304,  384. 

Das  mittlere  Halsganglion  ist  meist  von  ovaler  Form,  liegt  in  der  Höhe  des 
6.  Halswirbels,  an  der  vorderen  medialen  Seite  des  Truncus  thyreocervicalis  oder 
der  A.  thyreoidea  inferior  selbst,  und  wechselt  an  Größe;  es  kann  durch  2 — 3 
kleinere  Ganglien  ersetzt  werden,  aber  auch  ganz  fehlen.  Sein  Ramus  intergan- 
gliaris inferior  ist  gewöhnlich  doppelt  und  umgreift  die  A.  subclavia.  Die  so  ent- 
stehende Schlinge  hat  den  Namen  Ansa  subclavia  (Vieussenii).  Der  hintere 
Verbindungsfaden  ist  der  stärkere  und  zieht  geradenwegs  zum  unteren  Hals- 
ganglion; der  vordere  ist  schwächer  und  umgreift  die  A.  subclavia  im  Bogen. 


Fig.  383. 
Schema  des  Sympathicus. 
1, 1, 1  Ganglien  des  Grenzstranges;  2, 2 Zwischen- 
stränge,  Rami  intergangliares;  3  Rami  commu- 
nicantes;  4  periphere  Zweige  der  Ganglien; 
5  quere  Verbindungen  der  Ganglien  beider 
Seiten,  Rami  transversi. 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem. 


429 


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3.  Das  untere  Halsganglion,  Ganglion  cervicale  inferius.     Fig.  301,  304,  384. 
Es  hat  seine  Lage  in  der  Vertiefung  zwischen  dem  Querfortsatz  des  letzten 
Halswirbels  unter  der  ersten  Rippe,  hinter  der  A.  subclavia  und  der  Wurzel  der 

A.  vertebralis.  &  ist  größer  als  das 
vorige,  von  unregelmäßig  sternför- 
miger Gestalt,  kann  sich  dem  ersten 
Brustganglion  bis  zur  Berührung 
nähern  und  mit  ihm  zusammen- 
fließen.    Fig.  301. 

A.  Mannu,  Ricerche  anatomo-com- 
parative  sul  Simpatico  cervicale  usw.  Internat. 
Monatsschr.,  Bd.  30,  1913. 

B.  Brustteil.     Fig.  301,  304,  384. 

Der  Brustteil  des  Grenzstranges 
umfaßt  jederseits  eine  Reihe  von 
11 — 12  Ganglien,  Ganglia  thora- 
calia. 

Sie  alle  liegen  neben  der  Wir- 
belsäule, vor  den  Rippenköpf- 
chen, bald  näher  dem  oberen,  bald 
näher  dem  unteren  Rippenrande. 
Die  beiden  unteren  Ganglia  thora- 
calia  nähern  sich  der  Wirbelsäule 
und  liegen  an  dar  Seitenfläche  der 
beiden  letzten  Brustwirbel.  Sie  alle 
sind  durch  einfache  Rami  intergan- 
gliares  miteinander  vereinigt. 

Der  Brustteil  des  Grenzstranges 
wird  von  der  Pleura  costalis  bedeckt 
und  liegt  somit  außerhalb  des  hin- 

Fig.  384.  Schematische  Obersicht  des  sympathischen 
Grenzstranges  der  rechten  Seite  und  seiner  Ver- 
bindungen mit  den  sympathischen  Geflechten  der 

Brust-,  Bauch-  und  Beckenhöhle.  1:4. 
Cerebrospinalnerven:  VI  N.  abducens ;  o  Gan- 
glion ciliare  ;  M  zweiter  Ast  des  Trigeminus  mit  dem 
Ganglion  sphenopalatinum ;  C  Plexus  cervicalis;  Br 
Plexus  brachialis;  D6  sechster,  D  12  zwölfter  Inter- 
kostalnerv; LZ  dritter  Lendennerv;  51,  53,  55  erster, 
dritter,  fünfter  Sakralnerv;  Cr  N.  femoralis;  Cr"  N. 
ischiadicus ;  pn,  prC  N.  vagus ;  r  N.  recurrens.  — 
Grenzstrang:  c  oberes,  c'  mittleres,  c"  unteres 
Halsganglion;  dl  erstes.  d6  sechstes  Brustganglion; 
V  erstes  Lumbaiganglion  ;  cg  Ganglion  coecygeum.  — 
Geflechte:  pp  Plexus  pharyngeus;  pl  Plexus 
bronchialis  posterior;  ca  Plexus  cardiacus;  co  Plexus 
coronarius  ant. ;  co'  Plexus  coronarius  post. ;  o  Plexus 
oesophageus;  sp  N.  splanchnicus  major;  t  N.  splanch- 
nicus  minor;  fr  N.  splanchnicus  tertius;  so  Plexus 
coeliacus;  re  Plexus  renalis;  pn"  Plexus  gastricus  aus 

dem  linken  Vagus;  ms  Plexus  mesentericus  superior;  rl5-  "JCW. 

o  Plexus  aorticus  abdominalis;    mi  Plexus  mesentericus  inferior;    mV  seine  Verbindung  mit  ir,  dem  Plexus  haemorrhoi- 
dalis;   hy  Plexus  hypogastricus  superior;  pl  Plexus  hypogastricus  inferior;  v  Plexus  vesicalis. 


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430  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

teren  Mittelfellraumes.  Das  erste  Brustganglion,  Ganglion  thoracale  primum, 
ist  das  größte  und  verschmilzt  nicht  selten  mit  dem  unteren  Halsganglion;  nicht 
selten  auch  verschmilzt  mit  ihm  das  zweite  Brustganglion.  Die  Brustganglien  be- 
sitzen eine  dreieckige  oder  spindelförmige  Gestalt  und  sind  dem  Angegebenen 
zufolge  deutlich  segmental  angeordnet. 

C.  Bauch-  oder  Lendenteil.    Fig.  304,  384. 

Vom  Ganglion  thoracale  infimum  setzt  sich  der  Stamm  des  Grenzstranges 
in  die  Bauchhöhle  fort  und  durchzieht  dabei  den  zwischen  dem  medialen  und 
lateralen  Lendenschenkel  des  Zwerchfelles  befindlichen  Schlitz  oder  durchbricht 
den  lateralen  Schenkel  selbst. 

So  gelangt  die  Pars  abdominalis  des  Grenzstranges  auf  die  Vorder- 
fläche der  Lendenwirbelkörper,  liegt  hier  unmittelbar  medial  von  den  Psoas- 
uisprüngen,  und  zwar  rechterseits  hinter  der  V.  cava  inferior,  linkerseits  hinter  der 
Aorta.  Der  Lendenteil  des  Grenzstranges  enthält  4 — 5  Ganglia  lumbalia  von 
spindelförmiger  oder  ovaler  Gestalt;  das  letzte  ist  gewöhnlich  das  größte. 

D.  Beckenteil.    Fig.  384. 

Die  Pars  abdominalis  des  Grenzstranges  setzt  sich  in  die  Pars  pelvina  fort. 
Meist  sind  vier,  seltener  fünf  Ganglia  sacralia  und  ein  Ganglion  coccygeum 
vorhanden. 

Die  Pars  sacralis  liegt  auf  der  vorderen  Fläche  des  Kreuzbeines,  medial  von 
den  Foramina  sacralia  anteriora.  Die  Grenzstränge  beider  Seiten  nähern  sich  dabei 
allmählich  einander.  Das  kaudale  Ende,  Pars  coccygea,  verhält  sich  verschieden. 
Nach  Ffenle  ist  eine  Vereinigung  des  rechten  und  linken  untersten  Kreuzknotens 
durch  eine  abwärts  konvexe  Schlinge,  Ansa  sacralis,  das  häufigere  Vorkommnis. 
In  dem  Geflecht  aber  sind  regelmäßig  kleine  Ganglien  enthalten.  In  anderen 
Fällen  (nach  Schumacher  in  der  Regel)  kommt  ein  wohlausgeprägtes  kleines, 
unpaares,  auf  der  Mitte  der  Vorderfläche  des  1.  Steißwirbels  gelegenes  Ganglion 
vor,  Ganglion  coccygeum,  welches  Andeutungen  einer  Teilung  in  zwei  Gan- 
glien zeigen  kann. 

Im  ganzen  also  sind  im  Rumpfteil  des  Sympathicus  jederseits  20 — 25  Grenz- 
strangganglien untergebracht. 

S.  v.  Schumacher,  Über  die  Nerven  des  Schwanzes  usw.  Sitzber.  Akad.  Wiss.  Wien. 
Bd.  114,  Abt.  III,  1905. 

Varietäten:  Der  Grenzstrang  kann  an  einzelnen  Stellen  unterbrochen  sein,  d.  h.  die 
Kami  intergangliares  fehlen.  Nach  Bichat  ist  dies  am  häufigsten  im  Brustteil  der  Fall.  Bei 
manchen  Tieren  bleibt  die  gegenseitige  Verbindung  der  Grenzstrangganglien  auf  größere  und  kleinere 
Strecken  normalerweise  aus,  so  bei  Schlangen  (J.  IM  tili  er). 

2.  Rami  communicantes. 

Sie  sind  bereits  als  Äste  des  cerebrospinalen  Systemes  geschildert  worden, 
setzen  letzteres  und  das  sympathische  System  miteinander  in  Verbindung,  führen 
dem  Sympathicus  Fasern  der  vorderen  und  hinteren  Wurzeln  der  Hirn-  und 
Rückenmarksnerven  zu,  bringen  aber  andererseits  auch  Fasern  des  Sympathicus  in 
die  drei  übrigen  typischen  Äste  der  cerebrospinalen  Nerven  hinein.  Siehe  oben 
S.  413  und  Fig.  370,  371. 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Ganglicnncrvcnsystem. 


431 


3.  Die  peripheren  Verzweigungen  des  Sympathicus. 
A.  Halsteil. 

1.  Äste  und  Verbindungen  des  Ganglion  cervicale  superius.     Fig.  301,  304,  384,  385. 

a)  Obere  Äste. 

N.  caroticus  internus;  er  dringt  mit  der  A.  carotis  interna  in  den  Canalis 
caroticus  ein. 

N.  jugularis;  er  zieht  zum  Foramen  jugulare  und  teilt  sicli  in  zwei  Äste, 
von  welchen  der  eine  zum  Ganglion  jugulare  n.  vagi,  der  andere  zum  Ganglion 
petrosum  n.  glossopharyngei  verläuft. 

b)  Untere  Äste. 

N.  intergangliaris  inferior,  langer  Ver- 
bindungsstrang zum  Ganglion  cervicale  medium,  oder 
(wenn  dieses  fehlt)  zum  Ganglion  cervicale  inferius. 

N.  cardiacus  superior.  Er  verstärkt  sich 
oft  durch  einen  vom  vorigen  sich  ablösenden  Zweig, 
zieht  medial  vom  vorigen  vor  dem  M.  longus  colli 
herab  und  gelangt  hinter  der  A.  thyreoidea  inferior 
zur  oberen  Brustapertur.  Rechterseits  zieht  er  hierauf 
längs  der  A.  anonyma,  linkerseits  längs  der  A.  carotis 
communis  sinistra  zum  Herzgeflecht.  Während  seiner 
Halsbahn  geht  er  mehrfach  Verbindungen  ein  mit 
den  oberen  Herzästen  des  Vagus  und  dessen  Kehl- 
kopfästen. Bei  seiner  Einsenkung  in  den  oberfläch- 
lichen Teil  des  Plexus  cardiacus  trifft  er  am  kon- 
kaven Rande  des  Arcus  aortae  auf  ein  einfaches  oder 
doppeltes  Ganglion;  im  letzteren  Falle  pflegt  das 
rechte  das  größere  zu  sein.  Ist  das  Ganglion  einfach, 
so  erreicht  es  eine  Länge  von  5 — 6  mm  und  wird  als- 
dann Ganglion  cardiacum  (Wrisbergi)  genannt. 
Zuweilen  findet  sich  schon  oberhalb  im  Stamme 
des  N.  cardiacus  superior  ein  kleines  Ganglion,  das 
Ganglion  cardiacum  superius. 

c)  Hintere  Äste: 
ein  einfacher  oder  doppelter  kurzer,   aber 

starker  Verbindungszweig  mit  dem  Ganglion   no- 
dosum  n.  vagi; 

ein   Verbindungszweig  mit   dem    Hypoglossus   und    starke   Verbindungen 
mit   den   drei    bis   vier   oberen  Halsnerven   (es  sind  die  zugehörigen  Ram 
communicantes). 

d)  Vordere  Äste: 

1.  Nn.  carotici  externi,  2 — 3  Stämmchen,  welche  in  der  Gegend  des  Ur- 
sprunges der  A.  occipitalis  an  die  Carotis  externa  herantreten,  sie  um- 
greifen und  unter  Plexusbildung  teils  abwärts,  teils  aufwärts  begleiten.  Der 
absteigende  Teil  entsendet: 

.  or.  einen  Zweig  zu  dem  im  Teilungswinkel  der  Carotis  communis  gelegenen 
Glomus  caroticum  und  entwickelt: 


JF 


cs  H 

Fig.  385. 

Ganglion  cervicale  superius  des 
Sympathicus. 

c  N.  caroticus  internus,  sich  in  einem 
R.  internus  und  externus  teilend  und  in 
den  Canalis  caroticus  eintretend ;  j  N.  jugu- 
laris für  das  Ggl.  petrosum  n.  glosso- 
pharyngei und  das  Ggl.  jugulare  n.  vagi ; 
XII  u.  /  Rami  communicantes  mit  dem 
Hypoglossus  und  ersten  Halsnerven ; 
X  Verbindungszweige  mit  dem  Ggl.  no- 
dosum  n.  vagi;  //,  ///,  IV  Rami  com- 
municantes mit  dem  Ramus  anterior  n. 
cervicalis  II — IV;  ri  Ramus  intergangliaris 
inferior;  cs  N.  cardiacus  superior;  le  Ver- 
bindungszweig zum  N.  laryngeus  sup. ; 
m  Nn.  carotici  externi ;  ph  Ramus  pharyn- 
geus  zum  Plexus  pharyngeus,  großenteils 
den  Rami  communicantes  der  Halsnerven 
entstammend. 


432  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

;'>.  den   die  A.  thyreoidea  superior  umstrickenden  Plexus  thyreoideus 
superior,  welcher  mit  dem  Gefäß  zur  Schilddrüse  gelangt. 
Die  aufsteigenden  Zweige  sind  stärker  und  entwickeln: 

•/.  den  Plexus  caroticus  externus.  Dieser  begleitet  die  Carotis  externa 
aufwärts  bis  zu  ihrer  Teilungsstelle  und  enthält  an  der  Abgangsstelle 
der  A.  auricularis  posterior  ein  kleines  Knötchen,  Ganglion  tempo- 
rale (Scarpae). 

ö.  den  Plexus  lingualis,  welcher  die  A.  lingualis  begleitet; 

<•-.  den  Plexus  maxillaris  externus  für  die  A.  maxillaris  externa  und 
ihre  Äste.  Mit  der  A.  submentalis  gelangen  Fäden  zum  Ganglion 
submaxillare  n.  trigemini  als  Radix  sympathica  ganglii  sub- 
maxillaris; 

-'.  den  Plexus  pharyngeus  ascendens  für  die  A.  pharyngea  ascendens; 

/,.  den  Plexus  occipitalis  für  die  A.  occipitalis; 

.7.  den  Plexus  auricularis  posterior  für  die  A.  auricularis  posterior; 

/.  den  Plexus  temporalis  superficialis  für  die  A.  temporalis  super- 
ficialis; 

/..  den  Plexus  maxillaris  internus  für  die  A.  maxillaris  interna  und 
ihre  Äste; 

/..  den  Plexus  meningeus;  er  begleitet  die  A.  meningea  media,  nimmt 
den  N.  meningeus  (medius)  vom  2.  Trigeminusast  und  den  N.  spinosus 
vom  3.  Trigeminusast  auf  und  entsendet  einen  Faden  zum  Ganglion 
oticum  (Arnold). 

2.  Rami  laryngopharyngei,  2 — 3. 

Diese  starken  Äste  enthalten  deutlich  zum  Teil  unmittelbare  Fortsetzungen  der 
Rami  communicantes  der  oberen  Hälfte  der  Halsnerven. 

3.  Verbindungsfäden  mit  dem  N.  laryngeus  superior  des  Vagus. 

2.  Äste  und  Verbindungen  des  Ganglion  cervicale  medium.     Fig.  301,  304,  384. 

a)  Rami  intergangliares,  ein  superior  und  zwei  inferiores; 

b)  Rami  communicantes  von  CV  und  vi; 

c)  Nn.  carotici,  graue  Fäden,  die  teils  zur  Carotis  communis,  teils  zur  A. 
thyreoidea  inferior  gelangen  und  dieselbe  mit  zwei  Fäden  aus  dem  unteren 
Halsganglion  umspinnen.  So  entstehen  der  Plexus  caroticus  com- 
munis und  der  mehrere  kleine  Ganglien  führende  Plexus  thyreoideus 
inferior; 

d)  N.  cardiacus  medius.  Er  ist  meist  stärker  als  der  obere  lange  Herz- 
nerv und  entspringt  bei  Fehlen  des  Ganglion  cervicale  medium  aus  dem 
betreffenden  Ramus  intergangliaris.  Dicht  hinter  der  Carotis  interna  herab- 
ziehend, gelangt  er  vor  oder  hinter  der  A.  subclavia  zum  Plexus  cardiacus. 
Zuweilen  enthält  er  in  der  Brusthöhle  ein  länglich-rundes  Knötchen,  das 
Ganglion  cardiacum  medium  (Arnoldi). 

3.  Äste  und  Verbindungen  des  Ganglion  cervicale  inferius.    Fig.  301,  304,  384. 

Die  Äste  der  beiden  unteren  Halsganglien  sind,  wie  letztere  selbst,  gewöhnlich 
nicht  streng  sämtlich  voneinander  zu  trennen;  sie  sind  im  übrigen  den  vorher- 
gehenden ähnlich. 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem.  433 

a)  Rami  intergangliares; 

b)  Rami  coinmunicantes; 

c)  Äste  zur  A.  thyreoidea  inferior  und  besonders  zahlreiche  Zweige  zur  A. 
vertebralis,  um  welche  sie  den  Plexus  vertebralis  entwickeln.  Dieses 
starke  Geflecht  erhält  Verbindungen  von  den  Halsnerven,  welche  bei  den 
unteren  Halsnerven  ansehnlicher  sind  als  bei  den  oberen  und  während 
seines  Verlaufes  im  Canalis  intertransversarius  zu  ihm  gelangen.  Der 
Plexus  vertebralis  zieht  mit  der  Arterie  aufwärts  zu  deren   Gehirnästen; 

d)  die  zur  A.  subclavia  und  ihren  Ästen  ziehenden  Nerven  bilden  den  Plexus 
subclavius; 

e)  um  die  A.  mammaria  int.  befindet  sich  der  Plexus  mammarius  int.; 

f)  N.  cardiacus  inferior,  aus  dem  unteren  Halsganglion; 

g)  N.  cardiacus  imus,  aus  dem  ersten  Brustganglion  (letzterer  Herznerv 
bestritten),  f)  u.  g)  können  sich  miteinander  zu  einem  gemeinsamen 
Stämmchen  verbinden.  Sie  gelangen  nach  kurzem  Verlaufe,  der  linke 
hinter  dem  Arcus  aortae,  der  rechte  hinter  der  A.  anonyma,  zum 
tiefen  Herzgeflechte. 

Plexus  cardiacus.    Fig.  304,  384,  386—394. 

Zum  Geflecht  der  Herznerven  treten  die  aus  dem  Stamme  des  N.  vagus,  aus 
dem  N.  laryngeus  superior,  laryngeus  inferior  (oder  Plexus  pulmonalis),  sowie 
die  aus  den  drei  Halsganglien  (und  dem  ersten  Brustganglion)  des  Sympathicus 
beider  Seiten  entspringenden  Herzäste  zusammen.  Über  den  bisweilen  vor- 
kommenden Herzast  des  N.  hypoglossus  siehe  oben  S.  336.  Zahl  und  Stärke 
der  Herzäste  beider  Seiten  können  sich  sehr  ungleich  verhalten;  ebenso  sind  die 
Herznerven  in  verschiedenen  Fällen  nach  Zahl  und  Stärke,  Abgang  und  Ver- 
bindungen veränderlich.  Doch  prägen  sich  hierin  nur  oberflächliche  Unter- 
schiede aus. 

Bei  ihrem  Eintritt  in  die  Brusthöhle  nähern  sich  die  Nn.  cardiaci  beider 
Seiten  und  bilden  mittels  zahlreicher  Anastomosen  ein  weitmaschiges  Geflecht, 
das  Herzgeflecht,  Plexus  cardiacus,  an  welchem  eine  oberflächliche  und 
eine  tiefe  Schicht,  die  jedoch  miteinander  zusammenhängen,  unterschieden  werden 
können. 

1.  Das_oberflächliche  Herzgeflecht,  Plexus  cardiacus  superficialis, 
wird  besonders  von  den  oberen  Herznerven  gebildet,  dehnt  sich  mehr  nach  der 
linken  Seite  aus,  bedeckt  den  konkaven  Rand  des  Arcus  aortae  und  die 
Teilungsstelle  der  A.  pulmonalis,  und  schließt  an  dieser  Stelle  ein  doppeltes  oder 
(größeres)  einfaches  Ganglion  ein,  das  Ganglion  cardiacum  (Wrisbergi), 
welches  als  makroskopisches  Ganglion  übrigens  auch  fehlen  kann. 

2.  Das  tiefe  Herzgeflecht,  Plexus  cardiacus  profundus,  liegt  weiter 
rechts,  zugleich  etwas  höher  als  das  oberflächliche,  unmittelbar  hinter  dem 
Aortenbogen,  zwischen  ihm  und  der  Teilungsstelle  der  Trachea,  oberhalb  der 
A.  pulmonalis.     Der  tiefe  Plexus  ist  dichter  und  stärker  als  der  oberflächliche. 

Von  beiden  Abteilungen  des  Plexus  cardiacus  entwickeln  sich  nach  ver- 
schiedenen Seiten  hin  Verbindungs-  und  periphere  Zweige. 

a)  Verbindungszweige  mit  den  Plexus  trachealis  und  bronchialis; 


1  1 1  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

b)  Zweige  für  den  Stamm  der  Aorta  und  Pulmonalis,  Rami  pulmonales. 
Letztere  begleiten  als  Plexus  pulmonalis  die  Äste  der  Arterie  und  stehen 
mit  den  Plexus  pulmonales  des  N.  vagus  in  Verbindung; 

c)  Zweige  zur  Wand  der  Vorhöfe; 

d)  der  Plexus  coronarius  cordis  anterior  et  posterior. 

Der  Plexus  coronarius  cordis  anterior  besteht  aus  Fäden,  welche  die 
Wurzel  der  Aorta  umfassen,  die  A.  coronaria  dextra  erreichen  und  unter  reicher 
Geflechtbildung  dem  Verlaufe  dieser  Arterie  folgen;  zahlreiche  Fäden  gelangen 
von  hier  aus  absteigend  zur  rechten  Kammer,  minder  zahlreiche  zum  rechten 
Vorhofe.  Der  Plexus  coronarius  cordis  posterior,  stärker  als  der  vorige, 
gelangt  hinter  der  A.  pulmonalis  zum  Anfangsteil  der  A.  coronaria  sinistra  und 
erstreckt  sich  entlang  der  Bahn  dieses  Gefäßes.  Er  entsendet  in  ähnlicher  Weise, 
wie  der  rechte,  aufsteigende  Zweige  zu  dem  linken  Vorhofe,  absteigende  zur  linken 
Kammer. 

Die  Plexus  coronarii  sind  im  Bereich  des  Sulcus  coronarius  und  an  den 
Vorhofsgeflechten  reichlich  mit  mikroskopischen  Ganglien  versehen.  Alle 
diese  Ganglien  liegen  oberflächlich  unter  dem  Epikardium  und  dringen  von  hier 
aus  nur  in  geringe  Tiefen  vor. 

Die  Entdeckung  der  Herzganglien  verdanken  wir  Remak,  welcher  sie  zuerst  im  rechten 
Herzohre  des  Kalbes  auffand. 

Herznerven  von  Tieren. 

Besonders  zahlreich  sind  (aus  physiologischen  Gründen)  die  Untersuchungen  über  die  Herz- 
nerven des  Frosches.  Sämtliche  Nervenfasern  werden  hier  dem  Herzen  aus  dem  Ramus  car- 
diacus  n.  vagi  zugeführt.  Soweit  dieser  den  Venen  anliegt,  führt  er  im  Innern  des  Stammes 
eingeschlossene  und  in  der  Peripherie  desselben  gelegene  Ganglienzellen,  von  welchen  Ästchen  zu 
der  Venenwand  gelangen.  An  der  Hinterwand  der  Lungenvene  angekommen,  anastomosieren  die 
Cardiaci  beider  Seiten  und  bilden  ein  sehr  ganglienzellenreiches  Geflecht,  die  sogenannten  Remak- 
schen  Knoten.  Hierauf  trennen  sich  die  Stämme  und  verlaufen  als  vorderer  und  hinterer  Scheide- 
wandnerv unter  beständigem  Faseraustausche  und  mit  Ganglien,  den  Ludwigschen  Haufen  durch- 
setzt, bis  zur  Anheftungsstelle  des  Septum  im  Ventrikel,  um  dort  die  Bidderschen  Knoten  zu 
bilden.  Hier  zerfallen  sie  in  einzelne  Bündel,  die  unter  rascher  Weiterteilung  längs  der  Chordae 
tendineae  zu  den  Muskelbälkchen  der  Kammer  gelangen.  Innerhalb  dieser  lösen  sie  sich  in  ein  Netz 
auf,  welches  die  Muskelfasern  umspinnt  und  teilweise  durchsetzt.  Feinere  Netze  überziehen  die 
Trabekel  und  die  Klappen  oberflächlich,  d.  i.  subendothelial.  Im  oberen  Drittel  des  Ventrikels  liegen 
vereinzelte  Ganglien,  Ganglia  ventricularia  von  Dogiel,  der  inneren  Fläche  auf,  auch  im 
Mittelstück  finden  sich  hier  und  da  zerstreute  Ganglienzellen,  das  untere  Drittel  aber,  die  Herzspitze, 
bleibt  ganglienfrei.  Die  Nerven  des  Aortenbulbus  gehen  nach  Tumänzew  und  Dogiel  hervor 
aus  einem  zwischen  dem  Anfangsteil  des  Bulbus  und  den  Vorhöfen  gelegenen  Netz,  welches  seine 
Zweige  teils  von  der  Vorhofswand,  teils  von  einem  am  unteren  Ende  des  Vorhofes  gelegenen 
Nerven,  endlich  aus  dem  vorderen  Scheidewandnerven  des  Herzens  bezieht.  Auch  die  Bulbusnerven 
bilden  ein  Geflecht,  welches  in  der  Bulbusscheidewand  wiederum  Ganglien  bildet.  Endlich  erhält 
aus  der  Anastomose  der  Remakschen  Knoten  die  untere  Hohlvene  einige  markhaltige  Nerven- 
fasern, welche  sich  zu  einem  Geflecht  ausbreiten. 

Was  die  feinere  Beschaffenheit  der  Ganglienzellen  des  Froschherzens  betrifft,  so  ergibt  sich, 
daß  die  Zellen  des  Froschsympathicus  einen  geraden  und  einen  spiralförmig  gewundenen 
Fortsatz  besitzen  (Fig.  -106);  ersterer  teilt  sich  in  zwei  Zweige,  diese  und  der  Stamm  umgeben  sich 
mit  einer  Markscheide.  Der  Spiralfortsatz  kann  ohne  Markscheide  unter  Teilung  endigen,  oft  aber 
zerfällt  er  in  zwei  Aste,  die  nach  entgegengesetzter  Richtung  verlaufen.  Stamm  und  Zweige  können 
sich  mit  einer  Markscheide  umgeben.  Mit  den  Ganglienzellen  hängt  der  Spiralfadcn  nicht  unmittel- 
bar zusammen,  sondern  durch  ein  Oberflächennetz,  welches  sich  an  der  Peripherie  des  Zell- 
körpers ausbreitet.  Ausläufer  des  Oberflächennetzes  können  sogar  von  Zelle  zu  Zelle  ziehen 
(Courvoisi  er,  Smirnow).    Es  war  jetzt  nur  noch  ein  Schritt  zu  machen,  um   die  wahre  Natur 


Das  vegetative,  sympathische  oder  üanglicnnervertsystem.  435 

der  Spiralfaser  und  des  Oberflächennetzes  zu  erkennen:  die  Oberflächennetze  entsprechen  End- 
bäumchen, perizellularen  Fasergerüsten,  die  einer  fremden  Stamm  faser  angehören  und 
letztere  mit  der  sympathischen  Zelle  in  Verbindung  setzen. 

Nicht  alle  Ganglienzellen  des  Froschherzens  sind  übrigens  Spiralfaserzcllen;  es  sind  nämlich 
auch  bipolare  Zellen  in  opponierter  Stellung  der  Fortsätze,  multipolare  und  sogar  apolare  Zellen 
beobachtet  worden. 

Eine  Spiralfascr  ist  bisher  nur  bei  den  anuren  Batraehiern  und  einigen  Reptilien  gefunden 
worden;  sie  fehlt  den  Urodelen,  Fischen  und  höheren  Wirbeltieren.  Bei  den  letzteren  ist  jedoch 
gerade  das  Oberflachen  netz,  das  Endbäumchen,  als  terminale  Verästelung  einer  fremden 
Faser  durch  Retzius  und  Smirnow  dargestellt  worden.  Eine  solche  Endigung  fremder  Fasern 
kommt  übrigens  nicht  nur  in  sympathischen  Ganglien  vor,  sondern  auch  in  spinalen  Ganglien; 
hier  sind  es  wahrscheinlich  sympathische  Fasern,  welche  um  Zellen  spinaler  Ganglien  ein 
perizellulares  Gerüst  bewirken  (Cajal).    Siehe  oben  S.  417,  418. 

An  den  Herzen  kleiner  Säuger  und  Vögel  verhält  sich  nach  den  Untersuchungen  von 
Schklarewsky  die  Verteilung  der  Herzganglien  folgendermaßen:  Außer  dem  in  der  Atrioven- 
trikulargrenze  verlaufenden  Ganglienringe  ist  ein  dazu  rechtwinkelig  gestellter  interatrialer 
R  ing  vorhanden,  welcher  im  äußersten  Umfange  des  Septum  atriorum  verläuft,  während  die  Mitte 
des  Septum  frei  bleibt.  An  den  Durchschneidungsstellen  anastomosieren  beide  Ringe  miteinander. 
Beide  liegen  meist  ziemlich  oberflächlich  unter  dem  Pericardium.  Sämtliche  einzelne  Ganglien  sind 
durch  Nervenfaserstränge  miteinander  verbunden.  Von  den  gangliösen  Ringen  gehen  in  die  Atrien- 
und  Ventrikelmuskulatur  beiderseits  geflechtartig  sich  verbindende  dünne  Zweige  ab,  welche  kleinere 
Ganglien  und  einzelne  eingelagerte  Ganglienzellen  enthalten.  Die  ansehnlichsten  Zweige  dieser  Art 
steigen  vorn  und  hinten  an  der  Ventrikelwand  herab;  ob  sie  sich  an  der  Ventrikelspitze  zum  Ringe 
schließen,  bleibt  unentschieden.  Bei  den  Vögeln  befindet  sich  ein  besonderes  großes  Ganglion  an 
der  hinteren  Durchkreuzungsstelle  beider  Ringe. 

Über  die  Ergebnisse,  welche  Kasem-Beck  und  Ott  bezüglich  der  Verbreitung  der  Ganglien 
am  menschlichen  Herzen  erhielten,  siehe  unten  S.  439. 

Endigung  des  Herznerven. 

Die  Herzmuskulatur  nimmt  ihrem  Baue  nach  eine  Zwischenstellung  zwischen  der  gestreiften 
Muskulatur  des  Körpers  und  der  glatten  ein  (siehe  Abt.  I,  S.  126).  Die  Endigung  der  den  Herzmuskel 
versorgenden  motorischen  Nerven  stimmt  jedoch  mit  derjenigen  Form  überein,  welche  den  glatten 
Muskeln  zukommt:  motorische  Endplatten  sind  nicht  vorhanden. 

Wie  Cajal  mit  Benutzung  der  schnellen  Golgischen  Methode  zeigte,  bilden  die  motorischen 
Herznervenfasern  bei  Reptilien,  Batraehiern  und  Säugern  perizellulare  Endplexus,  welche  jenen 
der  glatten  Muskulatur  vergleichbar  sind.  Allen  diesen  Nervenfasern  fehlt  das  Myelin.  Ihre  sehr 
varikösen  terminalen  Fibrillen  endigen  an  den  Muskelzellen  mit  kleinen  Anschwellungen,  welche 
deren  Oberfläche  angelegt  sind. 

Diese  Befunde  wurden  später  von  Retzius  bestätigt.  Die  Nerven  laufen  als  feine  marklose 
Fasern  den  Muskelbündeln  entlang,  umspinnen  dieselben  und  verzweigen  sich  hier  und  da  dicho- 
tomisch.  Die  Endäste  sowohl,  wie  die  im  ganzen  nicht  besonders  zahlreichen  Seitenäste  dringen 
zwischen  die  Muskelzellenstränge  hinein  und  endigen  mit  knotig  varikösen  feinen  Endfibrillen  an  den 
Muskelzellen.  Daß  sie  alleMuskelzellen  innervieren,  ist  kaum  möglich;  es  werdenvieleMuskelzellen ge- 
funden, welche  auch  bei  reichlichster  Färbung  der  Nerven  von  keinen  Nervenfaserenden  berührt  werden. 
Die  Erregung  der  letzteren  würde  dann  keine  unmittelbare,  sondern  eine  mittelbare  sein.    Fig.  386. 

Das  Herz  der  Säuger  zeigt  ganz  entsprechende  Verhältnisse,  wie  das  Beispiel  vom  Herzen 
der  Maus  es  vor  Augen  stellt.     Fig.  387. 

Das  Herz  enthält  jedoch  nicht  nur  motorische  Nerven  und  Nervenendigungen;  auch  das 
Pericardium  und  Endocardium  sind  mit  Nerven  ausgestattet.  Was  diejenigen  des  Endocard  der 
Säugetiere  betrifft,  so  entspringen  sie  nach  A.  Smirnow  aus  den  Ästen  des  Myocardium.  Die  Mehr- 
zahl der  Fasern  ist  marklos.  Unmittelbar  unter  dem  Myocard  bilden  die  Ästchen  ein  weitmaschiges 
subendocardial  es  Geflecht,  von  welchem  feinere  Bündel  ausgehen.  Dann  folgen  in  der  Tiefe 
des  Endocardium  enthaltene  eigentliche  Endocardialnervengef lechte;  feinere  Bündel  und  ein- 
zelne Fasern,  welche  davon  ausgehen,  vereinigen  sich  zu  einem  subendothelialen  Geflecht. 

Die  markhaltigen  Fasern  und  ihre  Äste  endigen  in  verschiedener  Tiefe  des  Endocard  mit 
sensiblen  Endbäumchen. 


436 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Es  verbreiten  sich  bekanntlich,  wie  neuerdings  V.  Schmidt  feststellte,  Nerven  im  Pcricardium, 
Myocardium  und  Endocardium: 

Vom  Plexus  epicardiacus  dringen  feine  Fasern  gegen  das  Epithel  des  Epicardium  vor 
und  endigen  frei  zwischen  und  unter  den  Epithelzellen. 

Die  dem  Myocardium  angehörigcn  Nerven  bilden  einen  Generalple.xus  im  Myocardium, 
mit  3  Teilen,  wie  sie  von  L.  Gerlach  beschrieben  wurden  als  fundamentaler,  perimuskulärer  und 
intermuskulärer  Plexus. 

Im  Myocardium  kommen  aber  auch  Fasern  vor,  welche  die  Arterien  und  Venen  mit  zwei 
Geflechten  versorgen. 


Fig.  386. 

Fig.  386.     Nervenendigung   im  Herzen  des  Frosches. 

(G.  Retzius.) 
m  Muskelbündel ;   n  Nervenfaser. 

Fig.  387.     Nervenendigung  im  Herzen  der  Maus. 

(G.  Retzius.) 
m  Muskelbündel ;  n  Nervenfaser. 


Fig.  387. 


Unter  dem  Endocard  gibt  es  ein  nervöses  Geflecht;  auch  im  Endocard  gibt  es  ein  be- 
sonderes Geflecht,  sogar  unter  dem  Endothel  ist  ein  besonderes  Geflecht  vorhanden;  sie  alle 
bilden  die  Smirnowschen  Herzgeflechte  (Fig.  388,  389).  Auch  in  den  Vorkammern  und  Herz- 
ohren kommen  diese  Geflechte  vor. 

Die  Endverzweigung  im  Myocard  geschieht  unter  Ausbildung  kleiner  terminaler  Noduli, 
die  mit  den  Muskelzellen  in  Kontakt  stehen.  Auch  gabelförmige  Verzweigungen  kommen  vor. 
Diese  sind  analog  einer  früheren  Entwicklungsstufe  der  motorischen  Endplatten  der  gestreiften 
Muskeln.  Im  Bindegewebe  des  Myocard  kommen  terminale  Endbüsche  vor,  die  von  einzelnen 
Fasern  ausgehen  (Smirnow).  Im  Myocardium  der  Ventrikel  sind  kleine  multipolare  Nerven- 
zellen zerstreut,  deren  Neurit  sich  zu  einem  Nervenstämmchcn  begibt.  Die  Nervenzellen  der 
extracardialen  Ganglien  sind  von  perimuskulären  Nervengeflechten  umgeben,  von  welchem  min- 
destens zwei  Nervenfasern  ausgehen.    Der  eine  Teil  solcher  Fasern  zieht  zum  Myocardium. 

Dicht  unter  dem  Pericardium  liegen  viele  Nervenstämmchen,  die  Überwiegendaus  mark- 
tfähigen, teilweise  aus  marklosen  Fasern  bestehen.  Die  Endapparate  werden  gebildet  von  einem 
Netze  von  Nervenfäden,  zwischen  denen  sternförmige  Bindegewebszellen  als  Stützapparate  gelagert 
sind.  Von  diesen  Netzen  können  sich  Fäden  abzweigen,  welche  neue  Endapparate  bilden.  Die 
Anzahl  der  letzteren  ist  überaus  groß.  ImEndocard  liegen  Endapparate  der  gleichen  Art  (Smirnow). 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Ganglienncrvensystem. 


437 


Dicht  unter  dem  Endothel  der  Blutgefäße,  aber  auch  in  der  Adventitia,  kommen  ebenfalls 
solche  Endapparate  vor. 

Schmidt,  Victor,  Die  Innervation  des  Herzens.  Petersburg  1897  (russisch,  mit  französischer 
Zusammenfassung).  —  Smirnow,  AI.,  Über  die  Endigungen  im  Herzen  bei  Amphibien  und  Säuge- 
tieren.   Anal.  An/..  X. 


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Fig.  388. 


Fig.  389. 


Fig.  3S8.    Sensible  Nervenendigung  aus  dem  Vorhofsendocard  des  Hundes. 

(Atrium  dextrum),  mit  einer  marklosen,  später  markhaltigen  Nervenfaser  in  Verbindung. 

Fig.  389.     Kleines  Stück  des  Endocardialgeflechtes  aus  dem  linken  Vorhof  der  Katze.    (AI.  Smirnow.) 

Von  diesem  Geflecht  gehen  marklose,   zum  Teil  variköse  Fädchen  aus,  die   mit  Endverästelungen  in  Verbindung  stehen. 

Entwicklung  des  Herznervensystem.es. 

Um  das  Herznervengeflecht  und  die  Ganglienversorgung  des  Herzens  besser  zu  verstehen, 
ist  es  erforderlich,  die  Endform  des  Herzens  auf  eine  Frühform,  welche  einer  S-förmigen  Doppel- 
schlinge und  schließlich  einem  geraden  Rohre  entspricht,  zurückzubringen.  Es  ergibt  sich  bei  dieser 
Betrachtung  schon  von  vornherein  die  große  Wahrscheinlichkeit ,  daß  die  Atrien  und  das  Gebiet 
des  Yenensinus  von  den  unteren,  die  Aorta  ascendens  und  die  A.  pulmonalis  von  den  oberen 
Herznerven  versorgt  werden.     Fig.  390. 


Fig.  390.  Fig.  391.  Fig.  392.  Fig.  393. 

Fig.  390.     Embryonales  Herz  auf  der  Stufe  der  S förmigen  Doppelschleife,  vordere  Ansicht. 

1  Truncus  arteriosus;   2  Kammer;   3  Vorhof  mit  der  Mündung  der  beiden  Vv.  omphalomesentericae. 

Fig.  391.    Embryonales  Herz  von  derselben  Form,  auf  etwas  späterer  Stufe. 

1  Truncus  arteriosus;  2  rechte  Kammer;  T  linke  Kammer;  3  Herzohren;  4  die  beiden  Venenschenkel  des  Herzens;  /  Sulcus 

interventricularis;   o  dem  Ohrkanal  entsprechende  Außenfurche.    Vordere  Ansicht. 

Fig.  392.     Herz  eines  Fetus  von  5  Wochen,  von  vorn.    (AI.  Ecker.) 

Fig.  393.    Dasselbe  Herz,  von  hinten. 

a  Bulbus  aortae;    b  Divisio  bulbi;    c  Ventriculus  sinister;    d  Ventriculus  dexter;    e  Atrium  sinistrum;  /  Atrium  dextrum; 

g  Vena  cava  supertor  (dextra);  h  Vena  brachiocephalica  (Vena  capa  superior  sinistra)  in  Verbindung  mit  dem  Sinus  coro- 

narius  cordis;    i  Vena  cava  inferior. 

Aus  der  Entstehungsgeschichte  des  Herzens  erklärt  sich  aber  nicht  allein  diese  letztere  Er- 
scheinung, sondern  auch  die  andere,  daß  ein  in  der  Brusthöhle  gelegenes  Organ  von  Kopf-  und 
Halsnerven  versorgt  wird.  Das  Herz  ist  ursprünglich  ein  Organ  des  Kopfes  und  Halses  und  rückt 
erst  nachträglich,  einen  ansehnlichen  Descensus  ausführend,  in  die  Brusthöhle  herab,  wobei  seine 
Nen'en  ihm  folgen. 

Ratjbee-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt.  23 


438 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Diese,  schon  in  einer  früheren  Auflage  des  Buches  von  Rauber  ausgesprochene  Vermutung 
hat  unterdessen  eine  Bestätigung  erhalten  durch  die  gründliche  Untersuchung  von  W.  His  jr.  über  die 
Entwicklung  der  Herznerven,  welche  außerdem  eine  Reihe  interessanter  Verhältnisse  feststellte. 

Nach  His  fällt  der  Beginn  der  Herznervenentwicklung  beim  menschlichen  Embryo  in  das  Ende 
der  vierten  oder  den  Anfang  der  fünften  Woche.  Die  Nerven  stammen  von  Anfang  sowohl  aus  dem 
Vagus,  wie  aus  dem  Sympathicusgrenzstrange.  Fasern  und  Ganglienzellen  treten  zu  gleicher  Zeit  auf. 
Die  zuerst  entwickelten  Nerven  sind  diejenigen  des  Arterienbulbus  und  gehören  teils 
dem  Vagus,  teils  dem  Sympathicus  an.  Zu  den  Vorhöfen  treten  zu  dieser  Zeit  weder  Nerven- 
zweige noch  finden  sich  an  ihrer  Wand  Ganglienzellen.  Die  weitere  Entwicklung  der  Herznerven 
erfolgt  in  der  Weise,  daß  aus  dem  Vagus  und  Sympathicus  unterhalb  der  Bulbusnerven  neue  Zweige 
hervorgehen,  welche  nun  dem  venösen  Ende  des  Herzens  zustreben  und  sich  an  der  hinteren  Vor- 
hofswand zu   einem  Geflecht  vereinigen.    Diesem  Geflecht  gesellen   sich  Zweige  zu,  welche   aus 

dem  Aortengeflecht  stammen.     Im 
T3     Jl^  ganzen  kommen  drei  Geflechte  zur 

Ausbildung,  das  Bulbus-,  Vor- 
hofs-, und  das  beide  miteinander 
verknüpfende  Verbindungsge- 
flecht.    Fig.  394. 

11.  Das  am  frühesten  entstan- 
dene Bulbusgeflecht  dringt  bei 
Feten  der  siebenten  Woche  zwischen 
Aorta  und  Pulmonalis  ein  und  be- 
deckt deren  zugekehrte  Flächen  un- 
gefähr bis  zur  Höhe  der  Semilunar- 
klappen.  Dort  gabelt  es  sich  und 
schickt  einen  kurzen  mächtigen 
Zweig  links  von  den  Pulmonalarte- 
rien  zur  Atrio-Ventrikularfurche, 
einen  anderen  zwischen  Pulmonalis 
und  Aorta  durch,  welcher  rechts  in 
die  Koronarfurche  übergeht.  Beide 
Zweige  führen  bis  zum  Ende  zahl- 
reiche Ganglienzellen;  sie  verlaufen 
unter  dem  visceralen  Pericard  und 
enden  in  dem  die  Koronarfurche  aus- 
kleidenden lockeren  Zwischengewebe.  Diese  Zweige  bilden  die  Anlage  der  späteren  Atrio- 
ventrikularganglien  und  der  den  Ventrikel  innervierenden  Koronarnerven.  Doch  sind  sie  zu 
dieser  Zeit  noch  in  Ausbildung  begriffen  und  die  Ventrikel  zurzeit  noch  nervenlos. 

.'.  Das  Verbin dungsgefl echt  setzt  sich  zusammen  aus  Zweigen,  die  sich  von  den  Bulbus- 
nerven ablösen;  ihnen  gesellen  sich  Aste  zu,  die  aus  dem  Vagus  und  Sympathicus  weiter  unten 
entspringen.  Das  Geflecht  liegt  in  der  Konkavität  des  Aortenbogens  und  wird  links  von  dem 
Ductus  arteriosus  (Bot all t),  rechts  von  der  oberen  Hohlvene  begrenzt.  Mit  Ausnahme  von  Hohl- 
venenzweigen  innerviert  das  Verbindungsgeflecht  keine  Herzteile,  sondern  dient  allein  zur  Ver- 
bindung des  Bulbusgeflechts  mit  dem 

;/.  Vorhofsgeflecht.  Dieses  enthält  außer  den  Verbindungsnerven  jederseits  den  untersten 
Herzast  des  Vagus  und  breitet  sich  in  einem  Räume  aus,  welcher  seitlich  durch  die  oberen  Hohlvenen, 
unten  durch  den  Umschlag  des  Pericard  auf  das  Zwerchfell,  oben  durch  den  Sinus  transversus 
pericardii  begrenzt  wird.  Das  Geflecht  wird  durch  ein  engmaschiges  Netzwerk  von  Nerven  gebil- 
det und  ist  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  sehr  reich  an  Ganglienzellen. 

In  späterer  Zeit,  im  neunten  Fetalmonat,  entwickeln  sich  noch  die  Koronarnerven  und  weitere 
Teile  der  Vorhofsnerven;  dann  ist  bereits  die  Endform  des  Herznervensystems  erreicht. 

Die  Hisschen  embryologischen  Ergebnisse  stimmen,  wie  er  selbst  lobend  hervorhebt,  mit  der 
von  Scarpa  1794  gelieferten  Beschreibung  im  wesentlichen  überein.  Scarpa  nämlich  unterschied 
als  der  erste  im  Hcrzgeflecht  drei  Abteilungen,  sein  Plexus  arorticus  superficialis  entspricht  dem 
Bulbusgeflecht,  sein  Plexus  aorticus  profundus  dem  Verbindungsgeflecht,  sein  Vorhofsplexus  dem 
gleichnamigen  Plexus  des  Fetus. 


Fig.  394. 

Schematische    Darstellung    des    Herzgeflechtes    menschlicher    Feten. 

a  Aorta;  a'  Pulmonalis;  b  Yorhof  mit  den  Venenmündungen;  Au  Herzohr; 
V  Ventrikel;    vg  N.   vagus;    sy  N.   sympathicus;    p,  p   Pericard;    s  Sinus 
transversus  pericardii ;    /    Bulbusgeflecht;    //Vorhofsgeflecht;    ///Verbin- 
dungsgeflecht.   (W.  His  jr.) 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem.  439 

Die  Ausbreitung  der  Ganglien  am  erwachsenen  Herzen,  von  Kas  em  -  Beck  und  Ott 
untersucht,  verhält  sich  wie  beim  menschlichen  Fetus,  die  Ganglien  kommen  nur  im  Bereich 
der  drei  genannten  Geflechte  und  des  anstoßenden  Teiles  der  Vorhofswand  vor;  die 
Kammern  aber  entbehren  derselben.  Nach  neueren  Untersuchungen  von  Engel,  über  welche 
Aschoff  (Deutsche  med.  Wochenschrift  1910)  berichtet,  kommen  aber  auch  im  Reizlcitungssystem 
des  menschlichen  Herzens  (Hissches  Bündel)  zahlreiche  inarkhaltige  und  marklose  Nervenfasern 
sowie  Ganglienzellen  vor. 

Nach  His  jr.  sind  wahrscheinlich  alle  im  Herzen  vorkommenden  Ganglien  und  Geflechte 
sympathischer  Art,  während  der  Vagus  keine  Ganglienelementc  zu  liefern  hat;  selbst  die  Herzäste 
des  Vagus  sind  vielleicht  sympathischer  Art,  durch  eine  Wanderung  von  Teilen  des  embryonalen 
Ganglion  cervicale  I  an  das  Ganglion  nodosum  vagi  vermittelt.  —  Die  embryonalen  Ganglien- 
zelle n  der  Herzgeflechte  unterscheiden  sich  von  den  sensiblen  Zellen  der  Spinalganglien  einmal 
durch  den  Mangel  eines  größeren  Protoplasmakörpers  und  namentlich  durch  anfängliche  Uni- 
polarität. Die  Richtung  des  einzigen  Fortsatzes  ist,  wenn  nicht  durchgreifend,  so  doch  überwiegend 
eine  zentripetale.  Späterhin  treten  mehrere  Ausläufer  auf.  Die  Zellen  des  Sympathicus  stimmen 
mit  den  Herzganglienzellen  zunächst  ganz  überein;  später  nehmen  letztere  an  Größe  zu. 

Schumacher,  S.v.,  Zur  Frage  der  Herzinnervation  bei  den  Säugetieren.  Anat.  Anz.  XXI, 
1902.  —  »Wenn  wir  die  Nervi  depressores  als  die  sensiblen  Nerven  der  Aorta  ansehen  müssen,  so 
wurden  die  Nn.  accelerantes  im  wesentlichen  ihre  Endigungen  in  den  Wänden  beider  Kammern 
finden,  und  zwar  würde  der  linke  N.  accelerans  die  linke  Kammer  versorgen,  während  der  rechte 
hauptsächlich  seine  Endausbreitung  auf  der  rechten  Kammer  fände."  — 

B.  Brust-  und  Bauchieil  des  Sympathicus. 
1.  Astbildung  und  Verbindungen. 

Die  Kette  der  Brust-  und  Lendenganglien  des  Sympathicus  bringt  folgende 
Äste  und  Verbindungen  hervor: 

1.  Rami  intergangliares,  welche  die  Längsverbindungen  zwischen  den 
einzelnen  Ganglien  vermitteln; 

2.  Rami  communicantes,  welche  die  Verbindung  mit  den  spinalen  Nerven 
herstellen; 

3.  Äste  zur  Aorta  thoracalis.  Sie  bilden  ein  Geflecht  um  dieselbe,  Plexus 
aorticus  thoracalis,  welches  oben  mit  den  peripheren  Strahlungen  zur  Aorta 
aus  dem  Plexus  cardiacus  zusammenhängt,  unten  durch  den  Hiatus  aorticus 
des  Zwerchfelles  mit  der  Aorta  in  die  Bauchhöhle  tritt  und  mit  dem  Plexus  coeliacus 
in  Verbindung  steht. 

Auch  von  der  Pars  lumbalis  des  Grenzstranges  ziehen  Äste  teils  zum  Plexus 
renalis,  großenteils  aber  zum  Plexus  aorticus  abdominalis  und  Plexus 
hypogastricus.  Nach  Sappey  dringen  hier  wie  im  Brustteil  einzelne  dieser 
Fäden  auch  in  die  Wirbelkörper  ein. 

4.  Verstärkungsäste  zum  Plexus  bronchialis  posterior. 

5.  N.  splanchnicus  major.  Die  Brustganglien,  vom  6.  bis  zum  9.,  senden 
je  einen  markweißen  Ast  von  der  Beschaffenheit  spinaler  Nerven  medianwärts  und 
abwärts  aus.  Diese  Äste  treten  nach  und  nach  zu  einem  ansehnlichen  Nerven, 
dem  großen  Eingeweidenerven,  zusammen,  welcher,  gedeckt  von  der  Pleura, 
auf  den  Wirbelkörpern  herabläuft,  durch  den  Lendenteil  des  Zwerchfelles  (mit  der 
V.  azygos)  in  die  Bauchhöhle  gelangt  und  in  das  Ganglion  coeliacum  eintritt. 
Kurz  vor  seinem  Durchtritt  durch  das  Zwerchfell  liegt  ihm  ein  kleines  Ganglion, 
Ganglion  splanchnicum  (Arnold)  an,  welches  einen  Teil  der  Fasern  des 
Splanchnicus  aufnimmt,  feine  Fäden  zum  Plexus  aorticus  und  einen  längeren  Faden 
durch  das  Zwerchfell  zum  Plexus  coeliacus  sendet.     Fig.  304,  384,  395. 

23* 


440 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Der  N.  splanchnicus  major  erhält  seine  markhaltigen  Nervenfasern  aus  den 
Ranii  communicantes  des  4.  bis  9.  Brustnerven.  Sie  ziehen,  im  Grenzstrange 
angelangt,  an  dessen  medialer  Seite  herab  und  verlassen 
denselben  früher  oder  später  als  Splanchnicuswurzeln.  Der 
Splanchnicus  ist  jedoch  kein  reiner  Spinalnerv,  er  enthält 
auch  sympathische  Fasern.  Das  Verhältnis  der  marklosen 
zu  den  markhaltigen  Fasern  ist  nach  Rüdinger  1:5. 

Der  N.  splanchnicus  erhält  teils  vasomotorische 
Nervenfasern  (für  die  Darmgefäße),  teils  motorische  Fasern 
(für  die  Darmmuskeln),  teils  sensible  Fasern.  Ein  Teil 
der  motorischen  Fasern  zeigt  die  Eigenschaft  der  Hem- 
mungsnerven,  indem  ihre  Reizung  die  Peristaltik  hemmt; 
ein  anderer  Teil  aber  (excitierende)  be- 
schleunigt die  Peristaltik. 

6.  N.  splanchnicus  minor  (Fig.  304, 
384,  395).  Er  entspringt  gewöhnlich  mit 
zwei  Wurzeln  aus  dem  Grenzstrange,  und 
zwar  aus  dem  zehnten  und  elften  Ganglion 
thoracale.  Für  die  Abstammung  seiner 
Fasern  gilt  im  allgemeinen  das  über  den 
Splanchnicus  major  Angegebene.  Der 
kleine  Eingeweidenerv  durchsetzt  das 
Zwerchfell  entweder  gemeinsam  mit  dem 
Splanchnicus  major,  oder  lateral  von  ihm, 
medial  vom  Grenzstrange.  In  der  Brust- 
höhle verbindet  er  sich  zuweilen  mit  dem 
Splanchnicus  major,  gewöhnlich  aber  bleibt 
er  selbständig  und  schickt  jenem  nur  Ver- 
bindungsfäden zu.  Endlich  begibt  er  sich 
zu  jenem  Teile  des  Plexus  coeliacus,  welcher 
die  Wurzel  der  A.  renalis  an  ihrer  oberen 
und  hinteren  Seite  umgibt,  und  verbindet 
sich  hier  mit  dem  kleinen  Ganglion  renali- 
aorticum.  Ein  Zweig  des  Splanchnicus 
minor,  der  R.  renalis,  gelangt  unmittel- 
bar zum  Plexus  renalis.  Dieser  Zweig 
kann  auch  selbständig  aus  dem  Grenz- 
strange entspringen  und  heißt  dann 
N.  splanchnicus  minimus  s.  imus. 

2.  Die  Geflechte  des  Brust-  und  Bauchteiles  des 
Sympathicus. 

/.  Plexus  aorticus  thoracalis. 

Er  geht  aus  dem  peripheren  Teil  des 
Plexus  cardiacus  hervor,  soweit  Äste  von 
diesem  zur  Aorta  ascendens  gelangen.  In 
die   Fortsetzung   dieses  Geflechtes   greifen 


Fig.  395. 


Nn.splanchnici  und  Bauchgeflechte  des  Sympathicus. 

Nach  einem  Präparat  vom  Kinde. 
Die  punktierte  Linie  zwischen  g.s  und  g.ph  bedeutet 
die  Schnittlinie  des  Diaphragma.  Links  sind  Nebenniere 
und  Niere  skizziert,  rechts  ein  Teil  des  Grenzstranges 
mit  den  Nn.  splanchnici  dargestellt.  A.c  A.  coeliaca ; 
A.ms  A.  mesentertca  superior;  de,  d^—dl2  sechstes  bis 
zwölftes  Brustganglion  des  Grenzstranges;  /,,  /.,,  und  /.. 
Lumbalganglien  desselben;  c,  c  Rami  communicantes; 
sp  N.  splanchnicus  major;  spl  N.  splanchnicus  minor; 
g.s  Ganglion  splanchnicum;  p,  p'  dessen  periphere 
Fäden;  coe  rechtes,  coe'  linkes  Ganglion  coeliacum  ; 
G.ph  Ganglion  phrenicum ;  t  Stelle  der  Einsenkung  des 
linken  N.  splanchnicus  major  in  die  hintere  Wand  des 
G.  coeliacum  sinistrum  ;  s.r  Plexus  suprarenalis ;  r  Plexus 
renalis;  r,  /-"  Ganglion  desselben  auf  der  rechten  Seite. 
Vom  unteren  Ende  der  Ganglia  coeliaca  entwickeln  sich 
die  beiden  die  Aorta  begleitenden  Stränge  des  Plexus 
aorticus  abdominalis;  5  Ganglion  des  letzteren  (G.  sper- 
maticum);  y.  v  Verbindungsfäden  mit  dem  Grenzstrauge; 
mi  Ganglion  mesentericurn  inferius;  hy.s  Plexus  hypo- 
gastricu>;  v  Anfang  des  Plexus  hypog.  inferior;  u  Ureter. 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem.  441 

jene  Fäden  ein,  welche  von  den  ßrustganglien  (teilweise  auch  vom  N.  splanchnicus 
major)  zur  Aorta  ziehen.  Durch  den  Hiatus  aorticus  dringt  dieser  lockere  Plexus 
in  die  Bauchhöhle  und  hängt  hier  mit  dem  Plexus  coeliacus  zusammen. 

2.  Plexus  coeliacus  (Eingeweide-  oder  Sonnengeflecht,  Cerebrtim  abdominale). 

Dieses  mächtige  Geflecht  umgibt  die  Ursprünge  der  Aa.  coeliaca  und  mesen- 
terica  superior,  erstreckt  sich  lateral  bis  zu  den  Nebennieren,  aufwärts  bis  zum 
Hiatus  aorticus,  abwärts  bis  zur  Wurzel  der  A.  renalis.  Der  Plexus  coeliacus  liegt 
hiernach  auf  dem  Anfangsteil  der  Aorta  abdominalis,  vor  den  medialen  Schenkeln 
des  Zwerchfelles.     Fig.  304,  384,  395. 

Die  wichtigsten  Wurzeln  des  Plexus  coeliacus  sind: 

1.  Die  Nn.  splanchnici. 

2.  Die  abdominalen  Äste  der  Nn.  vagi,  insbesondere  des  rechten 
(Rr.  coeliaci). 

3.  Mehrere  Zweige  der  letzten  Brust-  und  der  zwei  obersten  Lenden- 
ganglien. 

4.  u.  5.  Oben  hängt  der  Plexus  coeliacus  mit  dem  Plexus  aorticus 
thoracalis  zusammen,  nachdem  dieser  in  die  Bauchhöhle  eingetreten 
ist.    Abwärts  setzt  er  sich  in  den  Plexus  aorticus  abdominalis  fort. 

Die  Grundlage  des  Plexus  coeliacus  bildet  ein  paarig  gelagertes,  halb- 
mondförmiges Ganglion  von  graurötlicher  Farbe  und  ansehnlicher  Größe,  das 
Ganglion  coeliacum.  Die  Konvexität  dieses  Ganglion  ist  lateralwärts,  die 
Konkavität  medianwärts  gerichtet;  der  konvexe  Rand  reicht  nahe  bis  zum  medialen 
Rande  der  Nebenniere.  Das  linke  Ganglion  liegt  näher  der  Mittellinie  und  teil- 
weise auf  der  Aorta,  das  rechte  ist  mehr  zur  Seite  gerückt  und  ruht  in  der  Gegend 
der  Spalte  zwischen  der  medialen  und  der  lateralen  Zacke  des  Zwerchfelles.  Durch 
eine  Anzahl  kurzer  grauer  Fäden  sind  beide  Ganglia  coeliaca,  deren  obere  und 
untere  Hörner  ohnedies  einander  nahe  liegen  in  gegenseitige  Verbindung  gesetzt. 
Durch  größere  Annäherung,  ein-  oder  doppelseitige  Verschmelzung  ergibt  sich  eine 
ringförmige  Gestalt  des  Doppelganglion,  welches  dann  auch  Ganglion  solare 
genannt  wird.  Durch  zunehmende  Einkerbungen  kann  andererseits  eine  mehr 
oder  weniger  weit  gehende  Zerklüftung  in  einzelne  Stücke  eintreten.  Einige  dieser 
isolierten  Teile  sind  als  besondere  Ganglien  beschrieben  worden. 

Besonders  häufig  zeigt  sich  ein  kleiner  isolierter  Knoten  an  der  rechten  un- 
teren Seite  des  Anfangsteiles  der  A.  mesenterica  superior,  das  unpaare  Ganglion 
mesentericum  superius;  besonders  häufig  ist  ferner  ein  anderer  Knoten  am 
oberen  hinteren  Umfange  der  A.  renalis,  das  Ganglion  renaliaorticum.  In 
letzteres  tritt,  wie  oben  erwähnt,  gewöhnlich  der  N.  splanchnicus  minor  ein, 
während  der  Splanchnicus  major,  zuweilen  in  zwei  Äste  gespalten,  die  hintere 
Fläche  des  lateralen  Teiles  des  Ganglion  coeliacum  aufsucht.  Ein  drittes  unpaares 
Ganglion  ist  das  Ganglion  phrenicum,  in  der  Nähe  des  oberen  Endes  der 
rechten  Nebenniere  an  der  unteren  Fläche  des  Zwerchfelles  gelegen.  Als  Ursachen 
der  Zerklüftung  machen  sich  im  allgemeinen  einmal  die  Einsenkung  beson- 
derer Wurzeln,  sodann  der  Abgang  besonderer  Äste  nach  bestimmten 
Richtungen  geltend.  Die  vielfache  Kreuzung  und  Verkettung  der  Elemente,  ins- 
besondere die  strahlige  Richtung  der  zahlreichen  Ausläufer  rechtfertigt  die  ältere 
Benennung  Sonnengeflecht,  Plexus  solaris. 


442  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Aus  dem  Plexus  coeliacus  gehen  folgende,  teils  paarige,  teils  unpaare  se- 
kundäre Plexus  hervor. 

a)  Paarige  sekundäre  Geflechte  des  Plexus  coeliacus. 

a.  Plexus  phrenicus.  Er  wird  von  Fäden  gebildet,  welche  um  die  Aa. 
phrenicae  inferiores  ein  lockeres  Geflecht  bilden  und  mit  den  Rami  phrenico- 
abdominales  des  N.  phrenicus  in  Verbindung  treten.  Rechts  erfolgt  diese 
Verbindung  durch  Vermittlung  eines  besonderen  Ganglion,  des  bereits  erwähnten 
Ganglion  phrenicum.  Letzteres  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  den  im  Zwerch- 
fell selbst  gelegenen,  in  den  Teilungswinkeln  der  Phrenicusverzweigung  gelegenen 
kleinen  Ganglien.     Siehe  S.  354. 

;>.  Plexus  suprarenalis. 

Es  sind  dies  zahlreiche,  meist  parallel  laufende,  zum  großen  Teil  weiße 
Fäden,  die  vom  lateralen  Rande  des  Ganglion  ausgehen,  durch  Fäden  vom  Plexus 
phrenicus  verstärkt  werden  und  sich  in  die  hintere  mediale  Fläche  der  Nebenniere 
einsenken.  Sie  sind  mit  kleinen  Ganglien  versehen,  durchziehen  die  Nebenniere 
in  radiärer  Richtung  und  bilden  in  der  Substanz  derselben  ein  Geflecht,  in  welchem 
einzelne  zerstreute  Ganglienzellen  vorkommen. 

■/.  Plexus  renalis. 

Der  mächtige  Plexus  renalis  begleitet  die  A.  renalis,  entwickelt  sich  aus  dem 
Plexus  coeliacus  und  dem  Anfang  des  Plexus  aorticus  abdominalis,  ferner  aus  dem 
N.  renalis  posterior  des  N.  splanchnicus  minor,  und  aus  Fäden  der  Pars  lumbalis 
des  Grenzstranges.  Sie  sind  mit  kleinen  Ganglien  versehen,  den  Ganglia  renalia. 
Die  Fäden  sind  meist  solche  grauer  Art.  Aus  dem  Plexus  renalis  geht  ein  Faden 
zum  Ureter  herab.  Die  Ureternerven  enthalten  Ganglienzellen  in  zerstreuter  und 
zu  kleinen  Knötchen  gehäufter  Anordnung. 

ö.  Plexus  spermaticus. 

Er  besteht  aus  grauen  Fäden,  die  sich  aus  den  Plexus  renales  und  mesen- 
tericus  superior  abzweigen  und  durch  Fäden  aus  dem  Plexus  aorticus  abdominalis 
verstärkt  werden.  Die  Vasa  spermatica  interna  begleitend,  gelangt  er  beim  Manne 
zum  Hoden,  beim  Weibe  zum  Ovarium  und  zum  Fundus  uteri.  Hier  verbindet 
er  sich  mit  dem  Plexus  uterinus.  Einer  der  Nervenfaserzüge  gelangt  auch  zur 
Fimbria  ovarica  und  zum  äußersten  Ende  der  Tuba  uterina. 

b)  Unpaare  sekundäre  Geflechte  des  Plexus  coeliacus. 
t.  Plexus  gastricus  superior. 

Er  begleitet  die  A.  gastrica  sinistra,  gelangt  mit  ihr  zur  kleinen  Magenkurvatur, 
tritt  hier  mit  den  Plexus  gastrici  des  Vagus  in  Verbindung  und  steht  durch  feine, 
auf  die  A.  gastrica  dextra  übergehende  Fasern  mit  dem  Plexus  hepaticus  in  Zu- 
sammenhang.    Er  enthält  einzelne  mikroskopische  Ganglien  (C.  Krause). 

t.  Plexus  hepaticus. 

Das  Lebergeflecht  setzt  sich  aus  Ästen  besonders  des  rechten  Vagus  und 
des  Plexus  coeliacus  zusammen.  Starke,  platte  Stränge  umgeben  in  Form  eines 
engmaschigen  Netzes  die  A.  hepatica  und  die  Ductus  choledochus,  hepaticus  und 
cysticus,  feine  Äste  gelangen  auch  zur  Pfortader.  In  dem  Geflecht  sind  kleine 
mikroskopische  Ganglien  und  einzelne  zerstreute  Ganglienzellen  enthalten.  Mit 
den  Ästen  des  Ductus  hepaticus  und  der  A.  hepatica  dringen  zahlreiche  feine 
Zweige  ins  Innere  der  Leber,  welche  überwiegend  aus  marklosen  Fasern  bestehen. 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem.  44.3 

Abzweigungen  des  Lebergeflechtes  folgen  den  Asten  der  Arteria  hepatica, 
die  als  A.  gastrica  dextra  und  A.  gastroduodenalis  bekannt  sind,  zur  kleinen  Kur- 
vatur des  Magens,  zur  großen  Kurvatur  desselben  und  zum  Pankreas.  Man  nennt 
das  der  A.  gastroduodenalis  folgende  Geflecht  den  Plexus  gastricus  inferior. 
Mit  dem  Ductus  cysticus  und  der  A.  cystica  dringen  feine  Nervennetze  zur  Gallen- 
blase, welche  im  Körper  und  Grunde  derselben  Ganglienzellen  führen.  Dieser 
Plexus  liegt  teils  zwischen  der  Serosa  und  Muscularis,  teils  zwischen  der  letzteren 
und  der  Mucosa  (L.  Gerlach). 

i).  Plexus  lienalis. 

Das  Milzgeflecht  bezieht  seine  Faden  besonders  aus  dem  linken  Ganglion 
coeliacum  und  aus  dem  rechten  Vagus.  Die  Fäden  umspinnen  die  A.  lienalis 
und  ihre  Zweige.  So  gelangen  Fasern  des  Plexus  zur  großen  Kurvatur,  besonders 
zum  Magengrunde  und  zum  Pankreas.  Die  Milznerven  bestehen  größtenteils  aus 
marklosen  Fäden. 

9-,  Plexus  mesentericus  superior. 

Er  geht  aus  dem  unteren  Rande  des  Plexus  coeliacus  hervor  und  begleitet 
mit  weißgrauen,  netzförmig  verbundenen  Fäden  die  A.  mesenterica  superior  und 
ihre  Verzweigungen.  Deutlich  ist  in  dem  Plexus  mesentericus  superior  die  Be- 
teiligung von  Fasern  der  Splanchnici  und  der  Vagi  ausgesprochen.  Der  Astfolge 
der  A.  mesenteria  superior  entsprechend  können  mehrere  Reihen  von  Zweigen  des 
Plexus  unterschieden  werden,  so 

1.  Rami   pancreaticoduodenales,    für    den    Kopf   des  Pankreas    und 
den  unteren  Teil  des  Duodenum; 

2.  Rami  intestinales,  für  das  Jejunum  und  Ileum; 

3.  Rami  colici  für  das  Caecum,  Colon   ascendens  und  einen  Teil  des 
Colon  transversum. 

Am  Mesenterialrande  des  Dünndarmes  treten  die  Nerven  unter  der  Serosa  in 
geflechtartige  Verbindung  und  senden  durch  die  Längsmuskulatur  zahlreiche  Fäden 
zu  einem  Ganglienplexus,  welcher  zwischen  der  Längs-  und  Ringschicht  der  Mus- 
cularis gelegen  ist.  Dieser  Plexus  hat  den  Namen  Plexus  myentericus  oder 
Auerbachscher  Plexus.  Er  besteht  aus  Längs-  und  Querbündeln,  welche  in 
den  Knotenpunkten  neben  marklosen  Fasern  zahlreiche  kleine  und  mittlere  multi- 
polare Ganglienzellen  führen.  Letztere  sind  die  Ausgangspunkte  neuer  mark- 
loser Fasern.  Von  diesem  Geflecht  entwickelt  sich  an  der  inneren  Seite  ein 
sekundärer  ganglienzellenloser  Plexus  feinster  markloser  Fasern,  welche  die  Mus- 
cularis innervieren.  Das  Auerbachsche  Geflecht  ist  im  ganzen  Dünn-  und 
Dickdarm  vorhanden;  es  fehlt  auch  nicht  im  Magen  und  erstreckt  sich  über 
die  Speiseröhre  hinaus  zur  Schlundwand,  um  hier  sein  Ende  zu  finden;  im  Ge- 
.biet  des  M.  buccinator  ist  es  nicht  mehr  vorhanden.    Siehe  Abt.  IV,  S.  96,  110,  125. 

Einwärts  vom  Plexus  myentericus  und  mit  ihm  durch  zahlreiche  Nervenfäden 
verbunden  befindet  sich  in  der  Submucosa  des  Darmes  der  Plexus  submucosus 
oder  das  Meißn ersehe  Geflecht.  Seine  Maschen  sind  weiter;  es  enthält  jedoch 
ebenfalls  Ganglienzellen  und  Ganglienzellengruppen.  Es  ist  für  die  Gefäße  der 
Submucosa,  für  die  Brunnerschen  Drüsen,  wahrscheinlich  auch  für  die  Muscu-- 
laris  mucosae,  ferner  für  die  Schleimhaut  bestimmt.  In  der  Schleimhaut  bilden 
die  Fädchen  ein  die  Lieberkühnschen  Drüsen  umspinnendes  Geflecht.  Feine 
Nervennetze  dringen  in  die  Zotten  selbst  vor  und  finden  hier  ihre  Ausbreitung. 


444 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


Der  Meißnersche  Plexus  hat  dieselbe  Ausdehnung  wie  der  Auerbach- 
sche  und  erstreckt  sich  durch  den  ganzen  Darmkanal. 

An  den  Nerven   des  Mesenterium   kommen   Vater-Pacinische  Körperchen 


vor.     Besonders  sind  solche  am  Plexus  lienalis, 


Fig.  396. 

Zellen  eines  Ganglion  des  Auerbachschen  Geflechtes  vom  Meer- 
schweinchen. (A.  S.  Dogiel,  1895.) 
a  Neurit;  b  Dendriten,  von  welchen  einige  die  sympathischen  Zellen  um- 
flechten; c  sympathische  Zellen  mit  körnigem  Pigment,  welche  mit 
iMethylenblau  nicht  gefärbt  sind  ;  d  Nervenfasern  der  Bündel.  A  Ganglion  ; 
B  Nervenfaserbündel,  welche  die  Ganglien  miteinander  verbinden. 


im  Anfangsteil  des  Plexus  mesen- 
tericus  superior  gefunden  wor- 
den. Konstant  befinden  sie 
sich  auch  in  dem  Bindegewebe 
hinter  dem  Pankreas. 

3.   Plexus   aorticus  abdominalis. 

Das  Bauchaortengeflecht 
entwickelt  sich  aus  dem  Plexus 
coeliacus  und  bildet  im  wesent- 
lichen zwei,  den  Seiten  der 
Aorta  aufliegende,  durch  Quer- 
äste verbundene  Stränge,  welche 
abwärts  konvergieren  und  sich 
unterhalb  der  A.  mesenterica 
inferior  zum  Plexus  hypogastri- 
cus  superior  vereinigen.  Sie 
werden  verstärkt  durch  die  von 
den  Ganglia  lumbalia  zuge- 
sendeten Äste.  An  den  Ver- 
einigungsstellen dieser  mit  dem 
Plexus  sind  kleine  Ganglien 
gefunden  worden.  Beide  Längs- 
stränge schicken  zur  Wurzel 
der  A.  mesenterica  inferior 
mehrere  Fäden  ab,  die  gegen 
ein  an  der  unteren  Seite  jener 
Arterie  liegendes  Ganglion, 
Ganglion       mesentericum 


inferius,  ziehen  und  in  ein 
Geflecht  übergehen,  welches 
die  A.  mesenterica  inferior  und 
ihre  Zweige  umgibt,  Fäden 
zum  Colon  descendens,  zum 
Colon  sigmoideum  und  zum  oberen  Teil  des  Rektum  gelangen  läßt. 


4.  Plexus  mesentericus  inferior. 

Er  begleitet  die  A.  colica  sinistra  und  die  A.  haemorrhoidalis  sup.  Die  von 
ihm  zum  oberen  Teil  des  Rektum  ziehenden  Äste,  Nn.  haemorrhoidales  supp., 
bilden  den  Plexus  haemorrhoidalis  sup. 

5.  Plexus  iliacus. 

Er  begleitet  die  A.  iliaca  communis,  setzt  sich  auf  die  A.  iliaca  externa  und 
die  A.  femoralis  und  poplitea  fort.  Hier  heißt  er  Plexus  femoralis  und  Plexus 
popliteus. 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem. 


445 


6.  Plexus  hypogastricus  superior. 
Das  obere  Beckengeflecht  ist  die  unpaare  Fortsetzung  des  Plexus  aorticus 
abdominalis,  liegt  auf  dem  unteren  Teil  der  Aorta  abdominalis  und  setzt  sich  von 
liier  aus  über  die  Teilungsstelle  der  Aorta  bis  zum  Promontorium  fort.  Das  Ge- 
flecht wird  verstärkt  durch  Fäden,  welche  aus  den  unteren  Lendenknoten  zu  ihm 
gelangen.  Das  Geflecht  setzt  sich  fort  in  die  beiden  Plexus  hypogastrici  inferiores 
des  Beckens. 


V.  cava  inf. 


Aorta  abdominalis 


I 


Paraganglion  lumbale  — 
(dextrum) 


V.  renalis  sinistra 


Ureter 

Paraganglion  lumbale 
'(sinistrum) 


-  A.  mesenterica  inf. 


Plexus  aorticus  abdominalis 


A.  Üiaca  communis 

Fig.  397. 

Sympathische  Nebenkörper  eines  Neugeborenen.     (E.  Zuckerkandl,  1901.) 


Die  Nebenorgane  des  Sympathicus  (Zuckerkandl)  Paraganglien  (Kohn).     Fig.  397. 

Als  Paraganglien  bezeichnet  Kohn  besondere  Organe,  welche  nach  Her- 
kunft und  Lage  stets  in  enger  Beziehung  zum  Sympathicus  stehen  und  aus 
besonderen,  Chromsalze  begierig  aufnehmenden  und  festhaltenden  Zellen  (chrom- 
affinen Zellen),  Nervenzellen  und  Nervenfasern  bestehen  und  sehr  gefäß- 
reich sind. 

Zu  diesen  Organen  gehören  die  Carotisdrüse  (Abt.  III,  S.  280),  die  Mark- 
substanz der  Nebenniere  (Abt.  IV,  S.  279),  sowie  die  Nebenorgane  des 
Sympathicus,  welche  Zuckerkandl  im  retroperitonäalen  Gewebe  neben  der 
Aorta  gefunden  hat.  An  den  genannten  Stellen  sind  die  chromaffinen  Zellen  in 
größeren  Mengen,  als  verhältnismäßig  selbständige  Gebilde,  vorhanden;  sie  finden 
sich  aber  zerstreut  in  größerer  und  geringerer  Zahl  innerhalb  der  sympathischen 
Nerven  und  Ganglien. 

Wenn    man    auf  Grund   dieser  Feststellungen    den    Paraganglien    besondere 


446 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


Stellung  und  besondere  Bezeichnung  geben  will,  so  können  die  Carotisdrüse  als 
Paraganglion  intercaroticum,  die  Marksubstanz  der  Nebenniere  als  Para- 
ganglion suprarenale,  die  Zuckerkandischen  Nebenorgane  als  Paraganglia 
lumbalia  bezeichnet  werden. 

Zuckerkandl.E.,  Über  Nebenorgane  des  Sympathicus  im  Retroperitonäalraum  des  Menschen. 
Verh.  anat.  Ges.  1901.  —  Kohn,  A.,  Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  56,  1900.  —  Derselbe,  Prager  med. 
Wochenschr.  1902.  —  Derselbe,  Die  Paraganglien.    Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  62,  1903. 

Entwicklung  des  Bauchteiles  des 
Sympathicus.  Fig.  398. 
Die  Entwicklung  des  Bauchsympathicus 
des  Menschen  (und  des  Kaninchens,  der  Katze) 
ist  nach  W.  His  jr.  (1897)  eine  wesentlich 
einfachere,  als  die  des  Hühnchens,  weil  die 
zwei  Gebilde,  die  das  letztere  auszeichnen, 
der  sekundäre  Grenzstrang  und  der  Darmnerv, 
dem  Menschen  fehlen.  Bei  einem  mensch- 
lichen Embryo  von  10,2  mm  Nackenlänge 
finden  wir  daher  schon  eine  Anordnung, 
welche  die  Grundlage  der  Gestaltung  des  Er- 
wachsenen bereits  im  wesentlichen  widergibt. 
In  diesem  Stadium  besteht  der  Grenz- 
strang noch  aus  einem  ungegliederten,  stellen- 
weise mehrfaserigen  Stamme,  der  mit  den 
Spinalwurzeln  durch  Rami  communicantcs 
zusammenhängt  (in  der  Figur  nicht  dargestellt). 
Ober-  und  unterhalb  der  A.  omphalomesen- 
terica  finden  sich  mächtige  Ganglienlager, 
die  von  links  und  rechts  die  Aorta  umgreifen 
und  vor  ihr  sich  vereinigen.  Aus  dieser  Ver- 
einigung sowohl,  als  aus  den  Flanken  ent- 
springen kurze,  faserige  Nervenstämme,  die 
teils  deutlich  gegen  die  Nieren  und  teils  gegen 
das  Gekröse  ausstrahlen,  ohne  jedoch  die 
Epithelwand  des  Verdauungsrohres  zu  errei- 
chen. In  diesen  Lagern  haben  wir  die  An- 
lage des  Plexus  coeliacus  vor  uns,  der 
freilich  noch  nicht  in  seine  späteren  Abtei- 
lungen gegliedert  ist. 

Die  beiden  Stämmchen,  welche  das 
obere  der  beiden  Ganglien  mit  dem  Grenz- 
strang verbinden,  sind  die  Anlage  des 
N.  splanchnicus  major  und  minor;  das  untere 
stellt  die  Verbindung  des  Ganglion  mesen- 
tericum  superius  mit  dem  Grenzstrang  vor. 
Aus  dem  oberen  Ganglion  entspringen  zwei 
etwas  längere  Nerven,  deren  einer  sich  im  Mcsoblast  des  Pylorus  verliert,  wahrend  der  andere 
längs  der  A.  omphalomcsenterica  verläuft  und  im  Darmgekröse  endigt. 

„In  der  Nähe  der  Aa.  umbilicales  schwillt  der  Grenzstrang  mächtig  an,  indem  er  auch  liier 
von  beiden  Seiten  Ganglienmassen  entsendet,  die  gegen  die  Mitte  konvergieren  und  sich  teil- 
weise vereinigen.  Auch  hier  entspringen  kurze  dicke  Bündel,  die  nach  den  Organen  des  Unter- 
leibes hinstreben;  es  bildet  dieser  Komplex,  der  sich  vom  Grenzstrang  noch  nicht  getrennt  hat, 
die  Anlage  des  Ganglion  an  der  A.  mesenterica  inferior,  sowie  der  verschiedenen  Beckenganglien 
und  des  Bauchaortenplcxus." 

Auch  diese  Geflechte  stehen,  wie  der  Grenzstrang,  von  vornherein  mit  den  Spinalnerven 
durch  dicke  faserige  Stämme  in  Verbindung. 


Grenzstrang   und  Bauchganglien   eines   menschlichen  Em- 
bryo von  10,2  mm  Nackenlänge.     20:1. 

Konstruiert  nach  Querschnitten. 
K  Kehlkopfanlage;  T  Luftröhre;  L  die  Lungengä'nge;  Oe  Oeso- 
phagus; AI  Magen,  von  den  Vagusästen  umsponnen;  D'  Dünn- 
darm; D"  Dickdarm;  Ao  Aorta;  Am  A.  omphalomesenterica ; 
Au  A.  umbilicalis;  Sy  Grenzstrang;  Sp  Anlage  der  Nn.  splanch- 
nici ;  Pc  Anlage  des  Plexus  coeliacus;  Bg  Anlage  der  Becken- 
geflechte. Bei  :{  Gruppen  von  Ganglienzellen  in  der  Magen- 
wand.    (W.  His  jr.,  L897.) 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem. 


4-17 


Der  N.  vagus  ist  ein  mächtiger  faseriger  Stamm,  der  über  der  Cardia  sich  mit  den  Nerven 
der  anderen  Seite  verbindet  und  die  Mesoblastwand  des  Magens  dicht  unter  dem  Peritonaeum 
mit  einem  breiten  faserigen  Geflecht  durchzieht.  An  beiden  Kurvaturen  befinden  sich  kleine  Gan- 
glienzellenhaufen ;  andere  Ganglienzellen  dringen,  mit  vielen  Nervenfasern,  vom  Grenzstrange  her 
in  die  Magenwand. 

Die  Darmwandganglien  kommen  also  von  außen  heran  und  verbreiten  sich  erst  später  im 
Mesoblast  der  Darmwand  der  Länge  und  Quere  nach.  Ihre  Zerlegung  in  Schichten  hängt  mit 
dem  Auftreten  der  Muskelschicht  zusammen. 

C.  Beckenteil  des  Sympathicus. 

1.  Astbildung  und  Verbindungen.    Fig.  384,  399. 

Die  Ganglien  des  Sakralteiles  senden  fol- 
gende Äste  und  Verbindungen  aus: 

1.  Rami  intergangliares,  einfache  oder 
doppelte  longitudinale  Zwischenstränge; 

2.  Rami  communicantes,  zur  Verbin- 
dung mit  den  spinalen  Nervenstämmen; 

3.  Rami  transversi,  querverlaufende  Ver- 
bindungen zwischen  den  Grenzsträngen  beider 
Seiten.  Sie  kommen  unbeständig  auch  am 
Lenden-  und  Brustteil  vor; 

4.  zahlreiche  Äste  vom  Grenzstrang  zu  dem 
Plexus  hypogastricus  inferior  und  den  Gefäßen 
ziehend. 

2.  Geflechte  des  Beckenteiles  des  Sympathicus. 

Die  Plexus  hypogastrici  inferiores, 
untere  Beckengeflechte. 

Sie  gehen  aus  der  Fortsetzung  des  Plexus 
hypogastricus  superior  hervor  und  bestehen  an- 
fangs aus  zwei  Strängen,  welche  an  der  medialen 
Seite  der  Vasa  hypogastrica  des  kleinen  Beckens 
liegen  und  an  die  laterale  Fläche  des  Rektum' 
gelangen.  Im  Grunde  des  kleinen  Beckens,  un- 
mittelbar oberhalb  des  Levator  ani  breiten  sie 
sich   zu    einem    reichen   Geflecht   aus,   welches 

durch  Aufnahme  der  Äste  aus  dem  Grenzstrange,  ferner  durch  Äste  von  Sil  und  III 
bedeutend  verstärkt  wird. 

Aus  diesem  Geflecht  gehen  zahlreiche  Nerven  für  die  Beckeneingeweide 
hervor.  Die  unmittelbaren  Zweige  aus  den  Sakralnerven  sind  gleichsam  als  Nn. 
splanchnici  sacrales  zu  betrachten,  welche  die  Grenzstrangganglien  überspringen. 
Die  kleineren  Geflechte  verlaufen  teilweise  mit  den  visceralen  Ästen  der  A.  hypo- 
gastrica zu  ihren  Organen.  Das  Rektal-  und  Blasengeflecht  ist  beiden  Geschlechtern 
gemeinsam.  Zwischen  beiden  liegt  beim  Manne  der  Plexus  seminalis  und  deferen- 
tialis,  welcher  durch  den  Plexus  prostaticus  in  den  Plexus  cavernosus  übergeht 
und  mit  dem  Plexus  vesicalis  zusammenhängt.  Beim  Weibe  findet  sich  statt 
dieser  Geflechte  der  Plexus  uterovaginalis. 


Fig.  399. 

Sakralteil  des  Grenzstranges  des  Neu- 
geborenen, schwach  vergrößert. 
51 — si  die  vier  Sakralganglien;  c  das  unpaare. 
aber  seine  Zusammensetzung  aus  zweien  noch 
andeutende  Ganglion  coecygeum  mit  starken 
peripheren  Zweigen,  die  mit  der  A.  sacralis 
media  verlaufen.  Dorsal  vom  Ganglion  coecy- 
geum ein  kleines  Zwischenganglion  ;  ri  Ramus 
transversus  zwischen  den  beiden ,  bzw.  drei 
letzten  Sakralganglien.  Prismazeichnung  des 
zwischen  Glasplatten  liegenden  Präparates. 


448  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

.    Aus  dem   Plexus   hypogastricus  gehen    hiernach   folgende  sekundäre  Ge- 
flechte hervor: 

(f.  Plexus  haemorrhoidalis  medius. 

Er  entwickelt  sich  aus  dem  oberen  hinteren  Teile  des  Plexus  hypogastricus 
inferior.  Mit  den  Nerven  des  Plexus  haemorrhoidalis  sup.  bildet  er  ein  Geflecht, 
von  welchem  Zweige  in  die  Wand  des  Rektum  eintreten. 

i.  Plexus  vesicalis. 

Das  Blasengeflecht  entsteht  aus  dem  vorderen  unteren  Abschnitt  des  Stamm- 
plexus,  sowie  aus  dem  Plexus  deferentioprostaticus  (uterovaginalis).  Seine  Nerven 
folgen  anfangs  den  Gefäßen,  werden  später  selbständig  und  gelangen  besonders 
zum  Blasengrunde  (Nn.  vesicales  inferiores)  und  zum  oberen  Teil  der  Blase 
(Nn.  vesicales  superiores).  Das  Blasengeflecht  ist  reich  an  markhaltigen 
Nervenfasern,  welche  aus  S III  und  IV  stammen.  Die  Nerven  für  den  unteren 
Teil  des  Ureter  entwickeln  sich  ebenfalls  vom  Plexus  hypogastricus  und  stehen 
mit  dem  Plexus  vesicalis  in  unterer  Verbindung.  Von  den,  oberhalb  seiner  Ein- 
mündungsstelle  in  die  Blase  zu  ihm  gelangenden  Nerven,  entspringt  einer  aus 
dem  Anfangsteil  des  Beckengeflechts  und  dringt  in  den  Ureter  an  der  Stelle  ein, 
wo  dieser  die  Beckengefäße  kreuzt;  ein  zweiter  Faden  folgt  weiter  unten,  ein 
dritter  gelangt  vom  ersten  Sakralknoten  zu  ihm  (Frankenhäuser). 

■/.  Plexus  deferentialis,  seminalis  und  prostaticus. 

Dieses  Geflecht  besteht  aus  einem,  die  Vesicula  seminalis  und  die  Ampulle 
des  Ductus  deferens  umspinnenden,  Ganglienzellen  führenden  Geflecht,  aus  welchem 
Fasern  den  Ductus  deferens  aufwärts  begleiten.  Eine  derselben  gelangt  zum  Leisten- 
kanal und  mit  dem  Plexus  spermaticus  zum  Hoden  (Schlemm).  Unten  geht  der 
Plexus  seminalis  in  den  Plexus  prostaticus  über,  welcher  seine  Lage  zwischen  der 
Prostata  und  dem  Levator  ani  hat  und  kleine  Ganglien,  Ganglia  prostatica, 
einschließt.  Auch  in  diesen  Plexus  gelangen  Fasern  von  Slü  und  IV,  in  welchen 
Eckhardt  die  Nn.  erigentes  des  Penis  nachgewiesen  hat.  In  der  Bahn  der  Nn. 
erigentes  kommen  nach  Loven  und  Nikolsky  Ganglienzellen  vor.  Fasern, 
welche  die  Penisgefäße  verengern,  sind  in  der  Bahn  des  N.  pudendus  ent- 
halten (Loven). 

ö.  Plexus  cavernosus  penis. 

Er  bildet  die  Fortsetzung  des  Plexus  prostaticus  nach  vorn,  folgt  der  Pars 
membranacea  urethrae,  durchbohrt  darauf  mit  mehreren  Zweigen  den  M.  trans- 
versa perinei  profundus  und  gelangt  zur  dorsalen  Fläche  der  Peniswurzel,  wo  er 
sich  mit  Ästen  des  N.  penis  aus  dem  N.  pudendus  verbindet.  Aus  dieser  Verbindung 
gehen  die  Nn.  cavernosi  penis  hervor,  mehrere  minores,  und  jederseits  ein 
major  (J.  Müller).  Jene  ersteren  treten  in  die  Wurzel  des  Corpus  cavernosum 
penis  ein.  Der  N.  cavernosus  gibt  Zweige  in  das  Corpus  cavernosum  urethrae 
und  in  das  Corpus  cavernosum  penis  seiner  Seite  ab,  läuft  an  der  dorsalen  Seite 
des  letzteren  vorwärts,  verbindet  sich  mehrfach  mit  Zweigen  des  N.  dorsalis 
penis  und  endigt  schließlich  im  Schwellkörper  des  Penis.  Einzelne  Fäden  ge- 
langen zum  Schwellkörper  der  anderen  Seite  und  verbinden  sich  auch  wohl  mit 
dem  N.  cavernosus  dieser  Seite.  Die  Nn.  cavernosi  bestehen  vorwiegend  aus 
marklosen  Fasern. 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem.  449 

; ■'.  Plexus  uterovaginalis. 

Das  Utero -Vaginalgeflecht  stellt  beim  Weibe  die  Hauptmasse  des  unteren 
Teiles  des  Plexus  hypogastricus  inferior  dar,  liegt  auf  der  lateralen  Seite  des 
oberen  Teiles  der  Vagina  und  des  Collum  uteri  und  sendet  von  hier  Ausläufer  zur 
vorderen  und  zur  hinteren  Wand  dieser  Organe,  ebenso  an  der  Vagina  abwärts, 
an  dem  Uterus  aufwärts.  Aus  SM  und  IV,  nach  Frankenhäuser  auch  aus  Sil, 
bezieht  der  Plexus  reichlich  spinale  Fasern.  In  die  Verzweigungen  des  Plexus 
sind  von  der  Mitte  der  Scheide  an  bis  zum  oberen  Ende  des  Uterushalses  zahl- 
reiche kleine  Ganglien  eingelagert,  welche  neben  dem  Scheidengewölbe  etwas 
ansehnlicher  sind.  Eine  plattenförmig  verschmolzene  Gruppe  dieser  paracervikalen 
Ganglien  beschreibt  Frankenhäuser  als  Cervikalknoten.  Vom  oberen  Rande 
desselben  geht  nach  demselben  Beobachter  der  größere  Teil  der  Uterusnerven  aus; 
ein  kleinerer  stammt  unmittelbar  aus  dem  Plexus  hypogastricus.  Aus  dem  gleichen 
Gebiet  entstehen  auch  Fasern  für  das  untere  Gebiet  des  Uterus,  für  die  Blase  und 
Scheide. 

Am  Fundus  uteri  treten  Fäden  des  Plexus  uterinus  mit  Zweigen  des  Plexus 
spermaticus  zusammen. 

<J'.  Die  Nerven  der  Schwellkörper  der  Clitoris,  N.  cavernosus  clitoridis 
major  et  Nn.  cavernosi  clitoridis  minores,  stammen  nach  Valentin  aus 
dem  Plexus  vesicovaginalis  und  bilden  den  Plexus  cavernosus  clitoridis. 

D.  Kopfteil  des  Sympathicus.    Fig.  400. 

Als  Ganglien,  welche  dem  Kopfteil  des  Sympathicus  angehören,  werden 
ihrer  Struktur  und  Entwicklung  wegen  unbestritten  angesehen:  Das  Ganglion 
oticum,  sphenopalatinum,  ciliare,  submaxillare,  sublinguale. 

Ebenfalls  als  sympathische  Ganglien  zu  betrachten  sind  eine  Menge  von 
Mikroganglien,  welche  z.  B.  in  der  Zunge,  in  den  Speicheldrüsen,  im  Auge  ihre 
Lage  haben. 

Von  diesen  vielen  Ganglien  sind  die  drei  zuerst  genannten  zweifellos  Grenz- 
strangganglien gleichwertig,  während  die  übrigen  periphere  sympathische  Gan- 
glien darstellen. 

Wie  am  Rumpfteil  des  Sympathicus,  so  sind  auch  an  seinem  Kopfteil  Ver- 
bindungen, Geflechte  und  Äste  der  Ganglien  zu  unterscheiden. 

Im  einzelnen  verhält  sich  der  Kopfteil  des  Sympathicus  folgendermaßen: 

Vom  Ganglion  cervicale  superius  haben  dessen  Verbindungen  mit  dem  Hypo- 
glossus,  Vagus  und  Glossopharyngeus  bereits  oben  (S.  431)  Erwähnung  gefunden. 
Dasselbe  Ganglion  aber  läuft  in  zwei  obere  Äste  aus,  von  welchen  der  eine  stark, 
der  andere  schwächer  ist.  Der  letztere,  N.  jugularis,  wendet  sich  zur  Nerven- 
abteilung des  Foramen  jugulare  und  spaltet  sich  in  zwei  Fäden,  von  welchen  der 
eine  zum  Ganglion  jugulare  n.  vagi  zieht,  während  der  andere  seinen  Weg  zu  dem 
Ganglion  petrosum  n.  glossopharyngei  nimmt. 

Der  stärkere  obere  Ast  des  Ggl.  superius,  der  N.  caroticus  internus,  be- 
gleitet die  A.  carotis  interna  in  den  Canalis  caroticus  und  spaltet  sich  am  Beginn 
desselben  in  zwei  Äste,  einen  Ramus  medialis  und  einen  Ramus  lateralis. 

a)  Der  stärkere  Ramus  lateralis  zieht  anfangs  an  der  hinteren,  dann  an 
der  lateralen  Wand  der  Carotis  interna  empor,  bildet  mit  Fäden  des  Ramus  medialis 


450 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


ein  Geflecht  um  das  genannte  Gefäß,  den  wichtigen  Plexus  carotictis  internus. 
und  tritt  vielfach  mit  Hirnnerven  in  Verbindung.     Diese  Verbindungen  sind: 

1.  Ein  oder  zwei  Verbindungszweige  mit  dem  Plexus  tympanicus:  N. 
caroticotympanicus  inferior  und  superior.  (Der  letztere  heißt 
auch  N.  petrosus  profundus  minor). 

2.  N.  petrosus  profundus. 

Er  verbindet  den  lateralen  Ast  und  mit  ihm  das  Ganglion  superius 
mit  dem  Ggl.  sphenopalatinum,  besteht  wesentlich  aus  grauen  Fasern 
und  gehört  zur  Klasse  der  Rami  intergangliares  oder  Zwischenstränge. 


Fig.  400. 

Kopfteil  des  Sympathicus. 
///,  V,  V//,  IX,  XII  die  diesen  Ziffern  entsprechenden  Hirnnerven. 
1  Ganglion  cervicale  superius  nervi  sympathici;  2  unterer  Zwischenstrang  (R.  intergangliaris 
inferior);  3  N.  cardiacus  superior;  4  und  5  Verbindungszweige  des  II.- IV.  Halsnerven ;  6  Ver- 
bindungszweig des  I.  Halsnerven  und  des  N.  hypoglossus;  7  Verbindung  mit  dem  Vagus 
(Ganglion  nodosum) ;  S  Verbindung  mit  dem  Hypoglossus;  9  X.  jugularis  und  seine  Verbin- 
dungen mit  dem  Glossopharyngeus  (IX)  und  Vagus  (X);  10  N.  caroticus  internus;  11  X.  carotico- 
tympanicus inferior;  12  Rami  tympanici ;  13  N.  carolicolymp.  sup.;  14  R.  lubae;  15  X'.  petrosus 
superficialis  minor;  16  N.  petrosus  superficialis  major;  17  Ganglion  geniculi;  18  N.  canalis 
pterygoidei;  19  Ganglion  oticum ;  20  Ganglion  sphenopalatinum;  21  Ganglion  ciliare:  22  Nn. 
ciliares;  23  Radix  sensiliva;  24  Radix  sympathica  des  Ganglion  ciliare;  25  die  sympathischen 
Fäden  zu  den  drei  Augenmuskelnerven  und  dem  R.  I.  trigemini;  26  Fäden  des  Sympathicus 
zur  A.  Ophthalmien  iden  Plexus  ophthalmicus  bildend);  27  Zweige  zur  Hypophysis  und  zur 
Dura;  28  Faden  zum  Ganglion  semilunare;  29  Faden  zum  N.  laryngeus  superior;  30  Aste  zum 
Plexus   caroticus  ext.;    31    Rr.  phaiyngei;    32  und  34  A.  carotis  interna;    33  A.  ophthalmica. 


3.  Ein  Verbindungszweig  mit  dem  N.  petrosus  superficialis  major 
legt  sich  dem  letzteren  in  der  Nähe  des  Porus  caroticus  internus  an 
und  zieht  an  jenem  Nerven  rückwärts  zum  Hiatus  canalis  facialis  und 
zum  N.  facialis. 

4.  Verbindungszweige  zum  N.  abducens,  welche  den  letzteren  inner- 
halb seines  Weges  im  Sinus  cavernosus  an  der  lateralen  Carotiswand 
erreichen. 

b)  Der  schwächere  Ramus  medialis  gibt  Fäden  zum  Plexus  caroticus 
internus,  gelangt  allmählich  zur  unteren  Wand  der  Carotis  interna  und  bildet 
besonders  das  im  Bereich  der  dritten  Biegung  der  Carotis  interna  gelegene  Ge- 
flecht, welches  wegen  seiner  Lage  im  Sinus  cavernosus  den  Namen  Plexus 
cavernosus  führt.  An  der  Bildung  des  Geflechts  ist  der  laterale  Ast  nur  mit 
einzelnen  Fäden  beteiligt. 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Ganglicnnervcnsystem.  451 

Der  Plexus  cavernosus  entsendet  folgende  Äste: 

1.  einige  Fäden  zum  N.  abducens. 

2.  Verbindungsfäden  zum  N.  oculomotorius. 

3.  Einen  Faden  zum  N.  trochlearis. 

4.  Verbindungsfäden  zum  Ganglion  semilunare  und  Ramus  I  tri- 
gemini. 

5.  Die  Radices  sympathicae  des  Ganglion  ciliare. 

6.  Zweige  für  die  Hypophysis  cerebri,  für  welche  unter  den  Neueren 
besonders  Henle  eingetreten  ist. 

7.  Äste  für  die  Carotis  interna  selbst.  Sie  bilden  feine  Geflechte  um  dieses 
Gefäß,  setzen  sich  auf  dessen  Äste  fort  und  bilden  den  Plexus  arteriae 
cerebri  anterioris,  den  Plexus  arteriae  cerebri  mediae,  sowie 
den  Plexus  arteriae  chorioideae.  Zwei  oder  drei  Fäden  wenden 
sich  zur  A.  ophthalmica  (C.  Krause)  und  bilden  den  Plexus  oph- 
thalmicus. 

4.  Von  dem  Sympathicus  der  Tiere. 

Über  diesen  weitläufigen  Gegenstand  sind  hier  nur  einige  Bemerkungen  am  Platze,  welche 
sich  zunächst  auf  den  Kopfteil  des  Sympathicus  beziehen. 

Die  Ausbildung  eines  dem  Grenzstrange  des  Rumpfes  entsprechenden,  mit  segmentalen  Ganglien 
versehenen  Längsstranges  verhält  sich  im  Kopf  der  Säugetiere  nicht  anders  als  beim  Menschen.  Sie 
beschränkt  sich  auf  einige  mehr  oder  weniger  dünne  Zweige,  welche  in  Längsrichtung  von  einem 
zum  andern  Hirnnerven  ziehen,  beide  kreuzen  und  an  den  Kreuzungsstellen  Ganglien  tragen.  Bei 
Vögeln  und  Batrachiern  sind  diese  Ganglien  sehr  klein,  bei  den  Plagiostomen  fehlt  sogar 
ein  Kopfteil  des  Sympathicus  gänzlich.  Von  Amphioxus  und  Myxine  fand  Johannes  Müller 
schon  vor  Dezennien,  daß  sie  überhaupt  keinen  Sympathicus  besitzen.  Er  schloß  jedoch  aus  diesem 
Mangel  nicht  auf  eigentliches  Fehlen,  sondern  nur  auf  Nichtsonderung.  Denn  er  stellte  die 
Anschauung  auf,  daß  die  sympathischen  Elemente  für  diese  Tiere  im  cerebrospinalen  System  mit 
einbegriffen  seien. 

Mit  dieser  Anschauungsweise  bekannt,  suchte  His  jr.  nach  histologischen  Beweisen  für  die- 
selbe und  fand  in  der  Tat  an  Embryonen  von  Knochenfischen  und  Haien,  daß  deren  Kopfganglien 
aus  zweierlei  Elementen  bestehen.  Die  eine  Art  von  Zellen  besitzt  die  bipolare  Form  und  Größe 
der  Spinalganglienzellen,  die  andere  Art  aber  besteht  aus  kleineren  Zellen,  die  nur  einen, 
bald  peripher,  bald  zentral  gerichteten  Fortsatz  besitzen.  Diese  zweite  Art  von  Zellen  liegt  stets 
an  der  Peripherie  des  Ganglion,  bald  seitlich,  bald  an  einem  der  Pole;  die  innere  Masse  des  Gan- 
glion wird  stets  durch  die  erste  Art  gebildet.  Die  Annahme  eines  Jugendzustandes  für  diese  Zellen 
ist  ausgeschlossen;  daß  dieselben  kleinen  Zellen  an  den  Ganglien  der  Spinalnerven  nicht  vor- 
kommen, wird  von  dem  Beobachter  nicht  unmittelbar  angegeben,  doch  scheint  er  solche  nicht  wahr- 
genommen zu  haben  und  vermutet  daher,  daß  diese  kleinere  Zellengattung  sympathische  Elemente 
darstellt.  Bei  den  Fischen  und  beim  Frosch  liegt  nach  ihm  das  Verhältnis  folglich  so,  daß  der 
größere  Teil  der  sympathischen  Kopfganglien  mit  den  betreffenden  spinalen  Kopfganglien  in  Ver- 
bindung bleibt  und  eine  Trennung  sich  nicht  vollzieht  wie  bei  den  übrigen. 

Die  multipolaren  Sympathicuszellen  des  Kaninchens  sind  (nach  Guye  und  Schwalbe)  mit 
zwei  Kernen  versehen.  4 

Sigmund  Mayer  beobachtete  in  den  sympathischen  Ganglien  des  Frosches,  Salamanders 
und  anderer  Tiere  vielkernige  Protoplasmakörper,  sogenannte  Zellennester,  und  brachte  dieselben 
mit  einer  Regeneration  der  Zellen  in  Zusammenhang. 

Über  die  Rami  communicantes  des  Pferdes  macht  Onodi  folgende  Angaben: 

Die  aus  dem  Rückenmark  kommenden,  durch  die  Rami  communicantes  in  den  Grenzstrang 
gelangenden  cerebrospinalen  Fasern  teilen  sich  in  zwei,  an  Größe  sehr  verschiedene  Teile,  deren 
Verlaufsrichtung  an  verschiedenen  Abschnitten  des  Grenzstranges  verschieden  ist.  Vom  6.  bis 
7.  sympathischen  Brustganglion  angefangen,  steigt  der  größte  Teil  der  Fasern  der  weißen  Rami 
communicantes   im  Grenzstrange   aufwärts  und  nur  ein  kleiner  Teil  abwärts.     Bei  den  Rami  com- 


452 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


municantes  der  übrigen  Brustknoten  steigt  der  größte  Teil  abwärts,  nur  ein  kleiner  Teil  aufwärts. 
Diejenigen  cerebrospinalen  Faserbündel,  die  vom  7.  Brustganglion  an  im  Grenzstrange  abwärts 
ziehen,  gehen,  was  den  Brustteil  betrifft,  im  Splanchnicus  major  und  minor  zu  den  Eingeweiden. 
Der  größere  Teil  der  Fasern  in  den  Rami  communicantes  des  Lendenteils  begibt  sich  im 
Grenzstrange  abwärts,  ein  kleiner  Teil  aufwärts.  Vom  dritten  und  vierten  Ramus  communicans 
lumbalis  lassen  sich  durch  den  Plexus  mesentcricus  inferior  Fasern  verfolgen,  welche  die  hintere 
Wand  und  den  Scheitel  der  Blase,  sowie  auch  den  oberen  und  mittleren  Teil  des  Rektum  versorgen. 
Weiter  kaudal  nimmt  in  den  Rami  communicantes  die  Zahl  der  cerebrospinalen  Fasern  immer  mehr 
ab.  Die  grauen  Rami  communicantes  ziehen  hier  überwiegend  zur  Peripherie  der  Sakralnerven, 
nur  ein  geringer  Anteil  zieht  in  ihnen  zentralw.irts.  Der  Grenzstrang  schließt  an  beiden  Seiten 
in  der  Ursprungshohe  des  fünften  Sakralnerven  mit  einem  großen  Ganglion  ab,  dessen  Aste 
die  Schweifarterie  begleiten. 


Fig.  401. 

Fig.  A.     Querschnitt  des  Rumpfes  eines  menschlichen  Fetus  vom  Anfang  des  zweiten  Monates. 
1  Ganglion  spinale;  2  Radix  anterior;  3  gemeinsamer  Stamm;  4  Ramus  communicans;  5  Chorda  dorsalis;  6  Aorta,  rechts 

sympathische  Zellen,  die  vom  üanglion   spinale  auswandern. 
Fig.  B.    Eine  junge  sympathische  Nervenzelle  mit  dem  großen  Kerne,  dem  Protoplasma  und  dem  einen  Fortsatz. 
Fig.  C.    Kleiner  Teil  des  Grenzstranges  (1  —  1)  mit  einem  Grenzstrangganglion  (3)  und  dem  Ramus  communicans  (2). 
Der  Neurit  hat  im  Grenzstrang  teils  absteigende,  teils  aufsteigende  Richtung,   im  Ramus  communicans  aufsteigende  Rich- 
tung;  eine  Zelle  ist  in  Mitose  begriffen.     (.W  His.) 


5.  Entwicklung  des  Sympathicus.    Fig.  401. 

Während  man  in  früherer  Zeit  die  Elemente  des  Sympathicus  vom  mittleren  Keimblatt  ab- 
leitete, wurde  zuerst  von  Schenk  darauf  hingewiesen,  daß  das  äußere  Keimblatt,  wie  dem  übrigen 
Nervensystem,  so  auch  dem  Sympathicus  den  Ursprung  gebe.  Darauf  zeigte  Balfour  die  Be- 
rechtigung einer  solchen  Anschauungsweise,  indem  er  fand,  daß  das  sympathische  Nervensystem 
im  Zusammenhang  mit  den  cerebrospinalen  Nerven  seinen  Ursprung  nimmt  und  in  letzter  Linie 
vom  Ektoblast  abstammt.  Die  sympathischen  Ganglien  zeigten  sich  bei  Selachierembryonen  immer 
als  kleine  Anschwellungen  an  den  Hauptstämmen  der  Spinalnerven,  etwas  unterhalb  ihrer  Spinal- 
ganglien. An  älteren  Embryonen  waren  die  sympathischen  Ganglien  von  den  spinalen  weiter 
entfernt,  zugleich  aber  durch  Entwicklung  von  Zwischensträngen  unter  sich  in  Verbindung  getreten. 
Am  eingehendsten  hat  sich  darauf  Onodi  mit  dem  Gegenstand  beschäftigt  und  die  Beweise  für 
die  Richtigkeit  jener  Vermutung  vermehrt.  Die  sympathischen  Ganglien  stammen  nach  ihm  von 
Wucherungen  der  Spinalganglien  an  deren  ventralen  Teilen,  mit  Abiflsuag  der  bewucherten  Zellen 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem. 


453 


und  Bildung  selbständiger  Organe.  Die  Anlagen  der  einzelnen  Glieder  der  ganzen  Kette  sind  an- 
fänglich voneinander  isoliert,  später  aber  wachsen  die  Ganglien  einander  entgegen  und  verbinden 
sich  zum  Grenzstrange.  Aus  weiteren  Vorschüben  von  Zellen  in  die  Peripherie  leiten  sich  darauf 
die  sekundären  Geflechte  und  Ganglienanhäufungen  ab. 

Wesentlich  in  derselben  Weise  hat  sich  in  dieser  Frage  His  ausgesprochen,  doch  betrachtet 
er  den  Vorgang  der  Bildung  der  sympathischen  Ganglien  nicht  sowohl  als  eine  Abschnürung 
von  den  Spinalganglicn ,  sondern  als  eine  Auswanderung  unreifer  Elemente  aus  den  Spinal- 
ganglien in  das  Gebiet  des  werdenden  Grenzstranges.  Dies  geschieht  beim  Menschen  im  Beginn  des 
zweiten  Fetalmonates.  Zu  dieser  Zeit  ist  der  Ramus  eommunicans  der  Spinalnervenstämme  bereits 
entwickelt;  Fädchen  von  ihm  gelangen  zur  Aorta,  andere  aber  biegen  in  die  Längsrichtung  um,  ohne 
schon  jetzt  einen  zusammenhängenden  Grenzstrang  zu  bilden.  Mit  anderen  Worten:  die  spinalen 
Elemente  des  zukünftigen  gemischten  Grenzstranges  eilen  den  sympathischen  in  ihrer  Entwicklung 
voraus  und  zeigen  den  einwandernden  sympathischen  Zellenscharen  die  einzuschlagende  Bahn  an.  Die 
reiferen  Zellen  der  Spinalganglien  sind  auf  dieser  Stufe  bereits  bipolar;  die  jungen  sympathischen 
Neuroblasten  aber  sind  noch  unipolar;  der  einzige  Fortsatz  liegt  im  Ramus  eommunicans  am  zentralen 
Zellenpol;  im  Zwischenstrange  kann  der  Fortsatz  nach  oben  oder  nach  unten  sich  erstrecken  (siehe 
Fig.  401  c).     Erst  in  späterer  Zeit  tritt  eine  Vermehrung  der  Fortsätze  auf  (siehe  Herznerven  S.  439). 

Wie  man  erkennt,  gibt  auch  in  dieser  Fassung  das  primitive  spinale  Ganglion,  welches 
demgemäß  richtiger  Ganglion  commune  zu  nennen  sein  wird,  den  Mutterboden  für  die  sym- 
pathischen Ganglien  ab;  die  zurückbleibenden  Elemente  werden  zu  Spinalganglien-,  die  Auswanderer 
zu  sympathischen  Zellen. 

Ob  man  die  sympathischen  Zellen,  gleich  den  Spinalganglienzellen,  als  sensible  Zellen  zu 
betrachten  habe,  wie  es  in  Anbetracht  des  gleichen  Mutterbodens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  be- 
rechtigt erscheint,  blieb  zweifelhaft;  es  ist  wahrscheinlich,  daß  sich  im  Ganglion  commune  gerade 
eine  Scheidung  in  zweierlei  Elemente  vollzieht,  in  sensible,  welche  seßhaft  bleiben,  und  in 
motorische,  welche  auswandern.  Dann  würden  alle  sympathischen  Nervenzellen,  wo  immer  sie 
ihre  Lage  haben,  motorischer  Art  sein.  Nach  den  Beobachtungen  von  A.  S.  Dogiel  kommen 
vielleicht  zwei  physiologische  Zellarten  vor,  motorische  und  sensible  (Anat.  Anz.  XL  1896l 


6.  Elementarer  Bau  des  Sympathicus. 

Die  Ganglienzellen  im  völlig  ausgebildeten  Sympathicus  haben  nicht 
an  allen  Orten  desselben  Individuum  denselben  Bau;  denn  es  gibt  zwar  in  über- 
wiegender Menge  multipolare  Zellen  (Fig.  402), 
aber  es  fehlt  auch  nicht  an  bipolaren;  sogar 
unipolare  und  apolare  sind  beobachtet  worden 
(siehe  Herznerven,  S.  435).  Nach  der  Zahl  der 
Fortsätze  ist  das  sympathische.  Neuron  nicht  zu 
bestimmen,  sondern  allein  nach  der  Abkunft. 
Dieser  Satz  wird  von  der  vergleichenden  Histo- 
logie nur  bestätigt. 

Es  seien  hier  zunächst  die  Ergebnisse  von 
Cajäl  an  den  sympathischen  Ganglien  mitgeteilt. 
Beim  Hühnchen  sind  ihre  Zellen  multipolar 
und  zeigen  außer  dem  Nervenfortsatz  viele  kurze 
Fortsätze,  welche  frei  in  demselben  Ganglion 
enden.  Die  Längskommissuren  zwischen  den 
Ganglien  bestehen  aus  Nervenfasern,  welche 
in  den  Zellen  der  Ganglien  entspringen  und  Endverzweigungen  besitzen,  die  um 
den  Zellkörper  und  seine  kurzen  Fortsätze  liegen.  Aus  dem  Rückenmark  kommen 
von  der  Wurzel  motorische  Fasern,  die  ebenfalls  mit  freien  Verzweigungen  in  den 
sympathischen  Ganglien  endigen.     Längskommissuren   haben  selten  Kollateralen, 


Fig.  402. 

Zwei  multipolare  Zellen  aus  dem  Sym- 
pathicus. 

a  aus  dem  Ganglion   cervicale  sup. ;    b   aus 
dem  Ganglion  coeliacum. 


Räuber-Kopsch,  Anatomie.     10.  Aufl.    V.  Abt. 


24 


454 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


durch  welche  eine  sympathische  Faser  mit  anderen  benachbarten  in  Beziehung 
treten  kann  usw.  Der  einzige  Nerven fortsatz  der  sympathischen  Zelle  geht  in 
eine  Remaksche  Faser  über,  welche  entweder  in  ein  Längsbündel  einläuft  oder 
in  einen  der  visceralen  Zweige  dringt,  um  sich  in  den  Organen  der  vegetativen 
Zone  zu  verteilen. 

Die  Darmzotten,  die  Adventitia  kleiner  Gefäße,  die  glatte  Muskulatur  (Auer- 
bachscher  Plexus),  das  Hüllgewebe  der  Drüsen  (Speicheldrüsen,  Pankreas  usw.) 
haben  hier  und  da  zerstreut  gewisse  Nervenzellen  von  Spindelform,  dreieckiger, 
sternförmiger  Gestalt,  von  deren  Ecken  zahlreiche  Fortsätze  ausgehen,  die  sich 
verzweigen  und  miteinander  verbinden.  So  entstehen  verwickelte  Geflechte,  welche 
die  tätigen  Zellen  umgeben. 


Fig.  403. 

Verschiedene  Typen  von  sympathischen  Zellen  aus  dem  oberen  Halsganglion  des  erwachsenen  Pferdes. 

A  Zelle  mit   einem  dichten  Busch   von   kurzen  Fortsätzen ;    B  Zelle  mit  feinen   kurzen   und   vielverzweigten  Fortsätzen ; 

C  Nervenfortsatz;    D  Zelle   mit  wenigen   und   kurzen   zottigen  Fortsätzen;    F  Zelle  mit  wenigen  und  feinen  Fortsätzen; 

0  Zelle  mit  2  Fortsätzen,  die  zwei  benachbarte  Zellen  umgebend  endigen.     (Cajäl.) 

Die  große  Mehrzahl  der  Nervenzellen  des  Grenzstranges  des  N.sympathicus, 
ebenso  der  Nervenzellen  des  Herzens  des  Frosches  haben  nach  A.  E.  Smirnow 
(1900)  nur  einen  Fortsatz,  den  Neurit  oder  die  gerade  Faser  Arnolds.  Die 
multipolaren  Zellen  sind  nur  in  geringer  Zahl  vorhanden.  Bei  ihnen  ist  eine 
komplizierte  Innervation  der  Zellkörper  und  ihrer  Dendriten  von  seiten  anderer 
Nervenzellen  zu  beobachten;  gewöhnlich  sind  sie  von  einem  perizellularen  End- 
geflecht umgeben.  (Fig.  404,  405.)  Eine  Nervenfaser  kann  durch  Astbildung 
eine  ganze  Gruppe  von  Nervenzellen  innervieren.  Die  Neuriten  haben  Kollateralen, 
die  in  demselben  Ganglion  verlaufen  und  seine  Zellen  innervieren.  Es  gibt 
Neuriten  der  sympathischen  Zellen  ohne,  mit  feiner  und  mit  dicker  Markscheide. 

Das  Binnennetz  kommt  auch  in  sympathischen  Nervenzellen  vor  (E.  Veratti, 
Anat.  Anz.  XV,  1899);  (siehe  Fig.  407),  ebenso  gibt  es  gefensterte  Zellen 
(Michailow). 

Nach  Dogiel  enthalten  das  Ganglion  cervicale  medium,  alle  Ganglien  des 
Brustteils  des  Sympathicus,  das  G.  coeliacum,  die  Ganglien  des  Auerbachschen 
und  Meißnerschen  Plexus  usw.  zweierlei  Arten  von  sympathischen  Zellen:  sensible 
und  motorische,  die  in  bestimmter  Weise  miteinander  verbunden  sind.    Der  Neurit 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Ganglienncrvensystem. 


455 


einer  motorischen  Zelle  endet  in  den  glatten  Muskeln,  während  die  Dendriten  sich 
in  Ganglien  verästeln.  Mit  letzteren  Verästelungen  tritt  der  Neurit  der  sensiblen 
Zelle  direkt  oder  durch  Kollateralen  in  Verbindung.  Die  Dendriten  der  sensiblen 
Zellen  erstrecken  sich  bis  zur  Mucosa  und  Submucosa. 

Das  Vorkommen  chromophiler  Zellen  und  Körperchen  im  Sympathicus  betont 
H.  Stilling  und  gibt  eine  zugehörige  Abbildung  von  Ganglien  des  Bauchsympathicus 
der  Katze.     Anat.  Anz.  XV. 


Fig.  404. 


Fig.  405. 


Fig.  406. 


Fig.  404.    Sympathische  Nervenzelle  mit  den  Dendriten  d  und  dem  Neuriten  n\  e  Endbäumchen  (perizellulares  Geflecht) 
der  Kollaterale  r;  /  Fremdfaser,  welche  die  Kollaterale  c  aussendet.    (Nach  Sala.) 

Fig.  405.    Sympathische  Nervenzelle. 

1  Zellkörper;  2 — 4  Zellkürper  benachbarter  sympathischer  Nervenzellen,  welche  von  Endbäumchen  der  Dendriten  (d)  von 

Zelle  1  in  perizellulare  Körbe  eingeschlossen  werden;  n  Neurit.     (Nach  Retzius.) 

Fig.  406.    Sympathische  Nervenzelle  vom  Sympathicus  des  Frosches  und  Spiralfaser. 


An  dem  Aufbau  des  Sympathicus  sind  außer  den  wesentlichen  Bestand- 
teilen, nämlich  Nervenzellen  und  Nervenfasern  markloser  und  markhaltiger  Art, 
noch  Bindegewebe  und  Gefäße  beteiligt.  Das  Bindegewebe  bildet  um  jede 
einzelne  Zelle  eine  besondere  endotheliale  Scheide,  welche  sich  auch  auf  die  Äste 
fortsetzt.  Fibrilläres  Bindegewebe  kommt  im  Innern  reichlich  vor  und  bildet  für 
jedes  Ganglion  eine  äußere  feste  Hülle.     Fig.  19. 

Calamida,  U.,  Terminazioni  nervöse  nelle  mueose  dei  seni  nasali.  Anat.  Anz.  XXI.  1902.  — 
Juschtschenko,  A.  J.,  Zur  Frage  über  den  Bau  der  sympathischen  Knoten  bei  Säugetieren  und 
iMenschen.  Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  49,  1897.  —  Kölliker,  A.  v.,  Der  feinere  Bau  des  Sympathicus, 
in:  Gewebelehre,  II,  2,  1896.  —  Lenhossek,  M.  v.,  Bau  der  sympath.  Ganglien,  in:  Beiträge 
zur  Histologie  des  Nervensystems  und  der  Sinnesorgane.  Wiesbaden  1894.  —  Michailow,  S., 
Der  Bau  der  zentralen  sympathischen  Ganglien.  Int.  Monatsschr.  Anat.  Phys.  Bd.  28,  1911.  — 
Rubaschkin,  W.  J.,  Zur  Lehre  von  dem  Bau  der  sympathischen  Nervengeflechte.     Ber.  d.  kais. 

24* 


456 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


militar-med.  Akad.  in  Petersburg,  Bd.  III,  1901.  —  Smirnow,  A.  E.,  Zur  Kenntnis  der  Morphologie 
der  sympathischen  Ganglienzellen  des  Frosches.     Anat.  Hefte  Nr.  45,  1900. 


Fig.  407. 
Binnennetz  (Apparate*  reticolare  interno    im  cervikalen  Sympathicusgangllon  des  erwachsenen  Hundes. 

(E.  Veratti,  1896.1 


7.  Verbreitungsgebiet  und  physiologische  Faserarten  des  Sympathicus. 

Über  die  gröberen  Beziehungen  der  beiden  spinalen  Nervenwurzeln  und  des 
spinalen  Ganglion  zum  sympathischen  Ganglion,  und  über  die  Beziehungen  des 
letzteren  zum  Ramus  anterior  und  posterior  des  gemeinsamen  Spinalnervenstammes 
orientiert  Fig.  408.  Die  dorsale  Wurzel  (rs)  schwillt  zum  Ganglion  spinale  (Sp)  an, 
an  welchem  die  ventrale  Wurzel  (rm)  medial  vorüberzieht.  Unterhalb  des  Ganglion 
befindet  sich  der  gemeinsame  Stamm  des  Spinalnerven,  welcher  sich  sofort  in  den 
Ramus  posterior  (p)  und  Ramus  anterior  (a)  teilt.  Das  sympathische  Ganglion  (Sy) 
steht  mit  der  ventralen  und  dorsalen  Wurzel,  beziehungsweise  mit  dem  Ganglion 
spinale  in  Verbindung.  Das  sympathische  Ganglion  gibt  ferner  auch  Fäden  ab 
an  den  Ramus  anterior  und  posterior  des  Spinalnerven;  aus  Früherem  ist 
es  aber  bekannt,  daß  das  sympathische  Ganglion  auch  Fasern  an  den  Ramus 
meningeus  abgibt;  endlich  treten  Fasern  des  Ganglion  massenhaft  in  die  Peri- 
pherie der  Rami  communicantes  der  Spinalnerven  über,  so  daß  also  die  vier 
verschiedenen  Astgruppen  der  Spinalnervenstämme  mit  sympathischen 
Fasern  versorgt  werden.  Dabei  ist  von  selbständig  zur  Peripherie  tretenden  Ästen 
des  Ganglion  sympathicum,  die  ebenfalls  vorkommen,  noch  abgesehen. 

Das  periphere  Verbreitungsgebiet  des  Sympathicus  erstreckt  sich  über  den 
ganzen  Körper.  Seine  Verästelungssysteme  folgen  dabei  in  ihrer  Bahn  überwiegend 
der  Bahn  der  cerebrospinalen  Nerven  und  der  Gefäße;  ein  anderer  Teil  schlägt 
selbständige  Bahnen  ein.    Es  wäre  irrtümlich,  annehmen  zu  wollen,  die  Äste  des 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem. 


457 


ritt 


Sympathicus  gelangten,  gemischt  mit  cerebrospinalen  Fasern,  nur  zum  Darm- 
apparat; denn  ebenso  wie  sie  mit  dem  cerebrospinalen  Anteil  der  Rami  communi- 
cantes  zum  Darmapparat  und  zu  dem  Gefäßapparat  gelangen,  ebenso  mischen 
sich  sympathische  Fasern  auch  den  übrigen  Ästen  des  cerebrospinalen  Nerven- 
stammes bei,  wie  bereits  oben  hervorgehoben  worden  ist. 

Es  wird  sich  also  darum  handeln,  zu  untersuchen,  welche  Organe  und 
Gewebe  in  diesem  ausgedehnten,  über  den  ganzen  Körper  sich  erstreckenden 
Verbreitungsgebiet  der  Sympathicus  aufsucht. 

Drei  Organgebiete  sind  es  nun,  welche 
sich  als  die  Hauptaufnahmeplätze  der  Peripherie  des 
Sympathicus  erweisen: 

1.  die  glatte  Muskulatur  und  ein  Teil  der  ge- 
streiften; 

2.  die  Gefäße,  und 

3.  die  Drüsen  des  Darmsystems,  des  Harn-  und 
Genitalsystems,  des  Hautsystems,  zu  welchem  auch 
ein  Teil  der  Speicheldrüsen  gehört. 

Was  die  Muskulatur  betrifft,  so  ist  die  glatte 
Muskulatur  der  Speiseröhre,  des  Darmkanals,  des 
Respirationstraktus,  des  Harn-  und  Geschlechts- 
apparats, sowie  diejenige  des  Auges  besonders  zu 
nennen;  zu  der  teilweise  vom  Sympathicus  versorgten 
gestreiften  Muskulatur  gehört  diejenige  des 
Schlundes,  eines  Teiles  der  Speiseröhre,  des  Herzens. 

Was  die  Gefäße  betrifft,  so  ist  es  insbesondere 
die  Muscularis,  welche  vom  Sympathicus  inner- 
viert wird,  doch  sie  nicht  allein. 

Was  die  drüsigen  Organe  betrifft,  so  fällt 
ein  Teil  der  zu  ihnen  gelangenden  Nerven  den  Ge- 
fäßnerven zu,  ein  anderer  Teil  aber  ist  unmittelbar 
sekretorischer  Art. 

In  den  dem  Sympathicus  eigentümlichen  Organgebieten  sind  ihm  in  mehr 
oder  weniger  ausgedehnter  Weise  sensible  Fasern  beigemischt. 

Endlich  sind  noch  kürzere  zentripetalleitende  Fasern  zu  erwähnen,  welche 
mit  dem  einen  Ende  in  den  Schleimhäuten,  mit  dem  anderen  Ende  in  näheren 
oder  entfernteren  sympathischen  Ganglien  endigen  und  Reflexe  auf  die  glatten 
Muskeln  des  betreffenden  Gebietes  zu  vermitteln  vermögen;  das  Vorhandensein 
von  Fasern  dieser  Art  wird  durch  das  physiologische  Experiment  gefordert. 

Zählt  man  zusammen,  so  ergeben  sich  folgende  physiologische  Faser- 
arten: motorische,  vasomotorische,  sekretorische,  beigemischte  sensible,  Reflexfasern. 
Ein  Teil  der  motorischen  Fasern  zeigt  die  Eigenschaft  der  Hemmungsnerven, 
ein  anderer  wirkt  beschleunigend  und  gehört  zu  der  Reihe  der  excitierenden 
Nerven  usw.  (siehe  S.  11). 

Es  ist  in  hohem  Grade  nützlich,  sich  diese  Verhältnisse  zunächst  am  sym- 
pathischen Segment  zu  vergegenwärtigen,  darauf  erst  die  Gesamtheit  der 
Segmente  und  ihren  gegenseitigen  Zusammenhang  in  Betracht  zu  ziehen.  Als 
das  Schema  des  sympathischen  Segments  ist  Fig.  420  zu  betrachten. 


Fig.  408. 

Aus  Schnitten  hergestelltes  Bild  zur 
Verdeutlichung  der  Beziehungen  des 
Ganglion  sympathicum  (Sy)  zum  spi- 
nalen Systeme.  Vom  Sympathicus  des 
Vogels.  Sy  Ganglion  des  Grenzstranges; 
5p  Ganglion  spinale;  rs  Radix  sensitiva ; 
rm  Radix  motoria  des  Spinalnerven  ;  p  Ra- 
mus  posterior  des  Spinalnerven  ;  a  Ramus 
anterior  des  Spinalnerven  ;  das  Ganglion 
sympathicum  steht  in  Verbindung  mit  der 
motorischen  und  sensiblen  Wurzel  des 
Spinalnerven,  bezw.  mit  dem  Spinalgan- 
glion. Das  Ganglion  sympathicum  gibt 
ferner  Faserzüge  zum  Ramus  anterior  und 
Ramus  posterior. 


458  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

Die  Gefäßnerven  erscheinen  häufig  als  Äste  von  Spinalnerven,  welche  an 
den  verschiedensten  Orten  zu  den  Gefäßen  treten;  ihr  nächstes  Zentrum  aber  liegt 
dennoch  im  Sympathicus,  von  dem  aus  sie  zu  jenen  Nervenstämmen  gelangen. 
An  vielen  anderen  Orten  liegt  die  unmittelbare  Versorgung  durch  den  Sympathicus 
deutlich  zutage,  in  welcher  Hinsicht  an  die  vielen  Rami  vasculares  der  Grenz- 
strangganglien xu  erinnern  ist.  Stellt  der  Sympathicus  demnach  das  primäre 
Gefäßzentrum  dar,  so  besitzt  derselbe  hinwiederum  cerebrospinale  Gefäß- 
zentren, welche  höhere  oder  sekundäre  Gefäßnervenzentren  genannt 
werden.     Dieselben  liegen  in  dem  Rückenmark  und  im  Hirnstamm. 

Ganz  entsprechend  verhält  es  sich  mit  den  Zentren  des  Drüsenapparates,  der 
glatten  und  gestreiften  Sympathicus-Muskulatur  außerhalb  des  Gefäßapparates;  die 
primären  Zentren  liegen  im  Sympathicus,  die  sekundären  im  cerebrospinalen  Zentral- 
organ. Das  ist  die  Folge  der  eigentümlichen  Verkettungen,  welche  zwischen  beiden 
Systemen,  dem  sympathischen  und  cerebrospinalen,  bestehen  und  den  Sympathicus 
als  ein  zwar  höchst  wichtiges,  aber  bis  zu  gewissem  Grade  abhängiges  System 
erscheinen  lassen. 

8.  Nervenendigungen  im  Verbreitungsgebiet  des  Sympathicus. 

Es  ist  zurzeit  noch  nicht  möglich,  über  alle  hier  in  Frage  kommenden  Nerven- 
endigungen zu  berichten;  doch  liegen  über  einen  ansehnlichen  Teil  sichere  mit 
allen  neuen  Hilfsquellen  gewonnene,  wenn  auch  noch  nicht  in  allen  Stücken  ab- 
schließende Erfahrungen  vor,  unter  welchen  diejenigen  von  Cajäl,  Retzius  und 
Kölliker,  welchen  wir  hier  wesentlich  folgen,  obenan  stehen  und  eine  Reihe 
interessanter  Aufschlüsse  gewähren. 

a)  Endigung  in  der  glatten  Muskulatur.     Fig.  409. 

Ein  Beispiel  gilt  für  den  ganzen  großen  Apparat.  Eine  blasse  Nervenfaser 
zweigt  sich  von  einem  Ast  ab  und  begibt  sich  zu  einigen  umliegenden  Muskel- 
bündeln. Hier  teilt  sie  sich  dichotomisch  und  schickt  die  beiden  Äste  zu  ver- 
schiedenen Bündeln.  Diese  Äste  biegen  um  und  verästeln  sich  zu  wiederholten 
Malen.  Alle  diese  Äste  sind  mit  kleinen  dichtstehenden  Knötchen  besetzt.  Die 
Äste  laufen  an  den  Muskelbündeln  frei  aus  und  haften  ihnen  innig  an.  Doch 
legen  sich  die  Nerven  den  Muskelbündeln  nicht  nur  äußerlich  an,  sondern  sie 
dringen  in  das  Innere  der  Bündel  ein,  um  zwischen  den  Muskelzellen  sich  zu  ver- 
ästeln und  alsdann  zu  enden.  Diese  Form  der  Endigung  ist  der  in  den  gestreiften 
Muskeln  bei  den  niederen  Tieren,  z.  B.  bei  Würmern,  sehr  ähnlich.  Ein 
Eindringen  in  die  Substanz  der  Muskelzellen,  eine  Verbindung  der  Endfibrillen 
mit  dem  Kerne  der  Muskelzellen,  welche  einige  frühere  Beobachter  annahmen, 
ist  nicht  vorhanden. 

Bezüglich  der  Muscularis  tracheae  siehe  Abt.  IV,  Fig.  259. 

Im  ganzen  liegt  hier  eine  Bestätigung  und  Sicherstellung  der  Ergebnisse  vor, 
welche  von  Kölliker  über  die  Nervenendigung  in  den  glatten  Muskeln  schon  vor 
Jahren  mit  einfacheren  Methoden  erhalten  worden  waren. 

Über  die  Endigungen  der  motorischen  Herznerven  siehe  S.  435. 

Über  die  Endigung  zentripetaler  Herznerven  siehe  Fig.  388,  389. 

b)  Endigungen  an  den  Gefäßen. 

Die  marklosen  Nerven  bilden  Geflechte  um  die  Arterien,  sogenannte  peri- 
arterielle  Nervenplexus.    Aber  sie  bilden  nicht  nur  Netze  mit  zusammenhängenden 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystem. 

Schlingen,  sondern  sie  entsenden  hier  und  da  verästelte  und  variköse  Seitenästchen, 
welche   den  Muskelfasern   der  Arterienwand   eng  anliegen   und  an  ihnen  frei  aus- 
laufend endigen.     Fig.  410.     Nerven  der  Kapillaren  siehe  Abt.  III,  Fig.  209. 
c)  Endigung  in  der  Milz. 

Zur  Untersuchung  diente  die  Milz  kleiner  Säuger.  (G.  Retzius.) 
Die  Nerven  treten  stets  mit  den  Arterien  in  das  Organ  ein  und  begleiten 
dieselben  nach  allen  Richtungen,  indem  sie  Geflechte  um  dieselben  bilden.  Von 
diesen  entspringen  hier  und  da  Äste,  welche  sich  der  Arterienwand  anlegen  und 
ihr  seitliche  Zweige  zusenden.  Letztere  verästeln  sich  weiter  und  umstricken  das 
Gefäß.  Die  feinsten  Seitenästchen  laufen  mit  freien  Enden  an  der  Arterienwand 
aus.  Sie  sind  mit  feinen  Knötchen  besetzt.  Wie  man  erkennt,  sind  dies  die 
Nerven  der  Muscularis  der  Arterienwand.  Die  Pulpa  ist  arm  an  Nerven.  Einzelne 
Fasern  treten  in  sie  hinein  und  verästeln  sich  in  ihr  büschelförmig;  wahrscheinlich 


Fig.  409.  Fig.  410. 

Fig.  409.     Nervenendigung  In  der  glatten  Muskulatur.     (G.  Retzius.)    gm  glatte  Muskulatur;   n  Nerv. 
Fig.  410.    Nervenendigung  in  einer  kleinen  Arterie.    (G.  Retzius.) 

sind  aber  auch  die  Nervenzweige  der  Pulpa  für  die  Gefäße  bestimmt.  Ganglien- 
zellen wurden  keine  gesehen  (siehe  auch  Ruffini:  Internat.  Monatsschrift  f.  Anat. 
und  Phys.  Bd.  XXIII,  1906). 

Außer  den  Gefäßnerven  der  Milz  ist,  worauf  Kölliker  hinweist,  das 
trabekuläre  System  von  Nerven  reich  entwickelt  bei  allen  Milzen,  deren  Tra- 
bekel glatte  Muskulatur  einschließen.  In  allen  diesen  muskulösen  Balken  bilden 
die  Nerven  einen  äußeren,  die  Balken  überziehenden  Plexus  mit  vorwiegend  längs- 
gerichteten Maschen,  von  welchen  aus  dann  feinere  Zweige  in  das  Innere  der 
Balken  eindringen,  um  in  kleinen  Abständen  vorwiegend  der  Länge  nach  zu  ver- 
laufen und  nach  weiterer  Netzbildung  mit  zarten  Endbäumchen  zu  endigen.  In 
den  Milznervenstämmen  kommen  neben  unzähligen  Remakschen  Fasern  spär- 
liche markhaltige  vor,  welche  Teilungen  zeigen  und  allmählich  ihr  Mark  zu  ver- 
lieren scheinen;  denn  in  den  feineren  und  feinsten  Ästen  sind  markhaltige  Fasern 
nicht  mehr  nachzuweisen.  Es  liegt  nahe,  diese  Fasern  als  solche  sensibler  Art 
anzusprechen. 

d)  Endigung  in  den  Eingeweiden. 

1.  Endigurig  in  den  Spejch.eLdrüseiL.des  Mundes,  an  der  Submaxillaris. 

Sie  war  schon  1889  von  Cajäl  gesehen  worden.  Die  Nervenfasern  ordnen 
sich  zu  einem  Geflecht,  mit  rundlichen  oder  polygonalen  Maschen  um  die  primi- 
tiven Läppchen.  Die  Bündel  des  Geflechtes  sind  von  verschiedener  Dicke,  haben 
oft  einen  wellig  gebogenen  Verlauf  und  bestehen  aus  verschiedenen  Axenzylindern 
ohne  Markscheide.     Diese  Axenzylinder  verästeln   sich   während   ihres  Verlaufes 


460 


Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 


und  entsenden  feine  variköse  Fibrillen,  welche  auf  der  Basalmembran  oder  auf 
der  äußeren  Fläche  der  Speichelzellen  frei  zu  endigen  scheinen.  Das  Geflecht 
stammt  ab  von  Nervenzweigen,  welche  von  sympathischen  Ästen  ausgehen,  die 
mit  den  Blutgefäßen  in  die  Drüse  eindringen.  Ob  interepitheliale  Endzweige  vor- 
handen sind,  konnte  an  den  vorliegenden  Objekten  nicht  entschieden  werden.  Es 
fehlte  nicht  an  Ganglienzellen  und  Ganglienzellengruppen,  d.  i.  an  Mikroganglien. 

Wohl  aber  hatte  Cajäl  schon  1891  am  Pankreas  Nerven  zwischen  die 
Drüsenzellen  hinein  zu  verfolgen  vermocht;  sie  hörten  hier  mit  freien  verästelten 
interepithelialen  Endfasern  auf. 

Kürzlich  gelang  es  Retzius,  an  einem  günstigeren  Objekt,  den  sogenannten 
Parotidei!  des  Salamanders,  Verhältnisse  zu  sehen,  welche  sich  ganz  an  die 


Fig.  411.  Fig.  412. 

Fig.  411.     Nervenendigung  im  geschichteten  Plattenepithel  des  Oesophagus.     (G.  Retzius.) 

n  Nervenfaser;  b  Bindegewebe;  e  Epithel. 

Fig. 412      Nervenendigung  im  Epithel  der  Harnblase.     (G.  Retzius.) 

n  Nervenfaser;  b  Bindegewebe;  e  Epithel. 

Ergebnisse  Cajäls  anschließen.  Die  Endfasern  des  perilobulären  Geflechts  dringen 
durch  die  Basalmembran  hindurch  und  treten  mit  den  Speichelzellen  in  unmittel- 
bare Berührung.  Die  Mehrzahl  der  Endfasern  schmiegt  sich  dabei  in  die  Zwischen- 
räume der  Zellenbasen;  hier  und  da  aber  dringen  auch  Fasern  tiefer  zwischen  den 
Seitenflächen  der  Zellen  vor.  An  Oberflächenbildern  wäre  ein  solches  Verhalten 
schwer  sicher  zu  stellen;  allein  Querschnitte  lieferten  entscheidende  Bilder.  Ähn- 
liche Ergebnisse  lieferte  die  Unterzungendrüse  von  Lacerta  agilis. 
Siehe  Fig.  414  und  Abt.  IV,  S.  63,  Fig.  84—86. 

2.  Im  Epithel  des  Oesophagus.     Fig.  411. 

Im   Oesophagus  der  Katze  gelang  der  Nachweis,  daß  Nervenfasern   in   das 
Epithel  austreten  und  eine  reichliche  interzellulare  Verästelung  eingehen  (G.  Retzius). 

3.  Endigung  in  der  Leber.     Fig.  413. 

Die  Erfahrungen  sind  noch  unvollständig.     Hier  und  da  fanden  sich  in  der 
Leber  von  Hund    und  Katze  außer  den  gefärbten  Gallenkapillaren  auch  Nerven- 


Das  vegetative,  sympathische  oder  Gangliennervensystcm. 


461 


Fig.  413. 


Fig.  415. 

Fig.  413.    Nervenendigungen  in  der  Leber  der  Taube. 

(Von  Korolkow  und  Dogiel.) 
Zwischenbalkengeflechte  und  Überzellennetze,    a  Achsenzylinder 
des    Zwischenbalkengeflechtes;    b    Fibrillen,    welche    das    Über- 
zellennetz bilden  ;  c  Leberbalken. 
Fig.  414.    Nervenendigung  in   Schleimdrüsen.     (G.  Retzius.) 
/,  /  durchschnittene   primitive   Läppchen.     H  Halbmonde;    n,   n 
Nervenfasern. 
Fig.  415.    Nervenendigung   an  einem  Vas  afferens  der 

Nierenrinde.    (O.  Retzius.) 
m  .Malpighisches  Körperchen;  va  Vas  afferens;  n  Nerv. 


täföt. 


Fig.  416. 


"' 


il 


Fig.  417. 


Fig.  416.     Intermuskuläres  Endbäumchen  aus  der  Wand  der  Trachea  des  Hundes. 
Die   zugehörige   breite   markhaltige  Nervenfaser  ist  weithin    sichtbar.     Flächenpräparat,   Methylenblau.    (A.  Arnstein.) 

Fig.  417.     Perizellulare  Nervenendigungen  an  den  Wimperzellen  der  Trachea  des  Hundes.    (A.  Arnstein.) 


•162 


Besonderer  Teil.    Spezielle  Neurologie. 


fasern.  Die  Nervenfasern  begleiten  und  umspinnen  die  interlobulären  Blutgefäße 
und  senden  von  Stelle  zu  Stelle  kleine  terminale  Seitenzweige  aus,  welche  an 
der  Gefäßwand  mit  knotigen  Spitzen  endigen.  Es  sind  Gefäßnerven.  Andere 
Nervenfasern,  welche  in  das  Innere  der  Läppchen  eintreten  und  die  Drüsensubstanz 
innervieren,  sind  ebenfalls  gesehen  worden  (A.  S.  Dogiel). 

4.  Endigung  in  der  Trachea.     Fig.  416,  417;  siehe  Abt.  IV,  S.  208. 

5.  Endigung  in  den   Lungen;  siehe   Retzius,   Biolog.  Untersuchungen, 
Bd.  III. 

6.  Endigung  in  der  Niere.     Fig.  415  und  Abt.  IV,  Fig.  323. 

Die  gröberen  Nervenzweige  dringen  mit  den  Arterien  in  den  Hilus  ein.    Ein 
oder  zwei  feine  Zweige   folgen  jeder  A.  interlobularis  und  verhalten  sich  an  ihr, 


: 


_p^ 


Fig.  41* 


Fig.  419. 


Fig.  418.     Nerven  im  Caput  epididymidis  eines  jungen  Katers.     (Schnitt.)     (D.  Ti  mofe  ew.) 
Fig.  419.    Nerven  an  Samenkanälchen  des  Kaninchens,    a  Blutgefäß.     (G.  Sclavunos.) 


wie  es  von  den  Gefäßen  schon  oben  beschrieben  worden  ist.  Feine  Nervenzweige 
begleiten  auch  alle  Vasa  afferentia  und  umstricken  sie  bis  in  die  Glomeruli 
hinein.  An  dem  Glomerulus  selbst  und  an  den  Vasa  efferentia  konnten  keine 
Nerven  gesehen  werden.  Ebensowenig  wurden  im  Drüsenparenchym  endigende 
Nerven  wahrgenommen  (G.  Retzius). 

7.  Im  Epithel  der  Harnblase.     Fig.  412. 

In  der  Harnblase  des  Kaninchens  zeigte  sich,  daß  Nervenfasern  aus  dem 
Bindegewebe  in  das  Epithel  aufsteigen,  um  in  demselben  nach  einer  mehr  oder 
weniger  reichen  Verästelung  mit  freien  Enden  aufzuhören.  Die  Nervenfasern  ver- 
laufen alle  eine  weite  Strecke  im  Epithel  tangential;  doch  befindet  sich  die 
Endigung  nie  in  den  oberflächlichen  Schichten,  sondern  in  den  tieferen,  gegen 
welche  die  Endfibrillen  sich  zurückbiegen,  so  daß  die  Endigung  in  der  Nähe  der 
Bindegewebsgrenze  gelegen  ist  (G.  Retzius). 

8.  Endigung  in  den   Ovarien;  siehe  Retzius,  Biolog.  Untersuchungen, 
Bd.  V. 

9.  Endigungen  im  Hoden.     Fig.  418  und  419. 
10.  Im  Peritonaeum;  siehe  Abt.  IV,  S.  394. 


D.i>  vegetative,  sympathische  oder  (jangliennervensystem. 


463 


Buch,  M.,  Die  Sensibilitätsverhältnissc  des  Sympatliicus  und  Vagus  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung ihrer  Schmerzempfindlichkeit  im  Bereich  der  Bauchhöhle.  Arcli.  Anat.  u.  Phys.  1901.  — 
v.  Csiky,  Die  Nervenendigungen  in  den  glatten  Muskelfasern.  Internat.  Monatsschrift  Bd.  XIV, 
1897  (Blutegel  und  Frosch).  —  Kallius,  E.,  Nervenendigungen  in  Drüsen.  In:  Ergebnisse  der 
Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte,  herausgegeben  von  Merkel  und  Bonnet,  Bd.  IV,  1895. 
S.  1  —  18.  —  Kölliker:  Sitzungsberichte  der  Würzburger  phys.  med.  Gesellschaft  1893.  —  Otto- 
lenghi,  D.,  Sur  les  nerfs  de  la  moelle  des  os.     Arch.  ital.  de  Biologie  XXXVII,  1902, 


W*****^ 


ä~FK 

Fig.  420. 

Schema  zur  Darstellung  des  Verlaufes  der  Fasern  im  Sympathicus.  (Von  A.  Kölliker.) 
PO  peripheres  Ganglion;  Gs  Ganglion  des  Grenzstranges;  PXPacinisches  Körperchen;  Rca  weißer  Ramus  communicans; 
Rcgr  grauer  Ramus  communicans;  St  Stamm  des  Grenzstranges;  g  Ganglienfasern,  die  im  Ramus  communicans  griseus 
weiterziehen  und  in  einem  Ramus  posterior  eines  Spinalnerven  zu  Arrectores  pilorum  ziehen;  gl  Ganglienfasern,  die  im 
Grenzstrange  weiterziehen;  g"  Ganglienfasern,  deren  Ganglienzelle  von  einer  Kollaterale  der  Faser  m&  innerviert  wird; 
g%  Ganglienfasern,  deren  Zellen  von  spinalen  im  Grenzstrange  herunterlaufenden  Fasern  ma  innerviert  werden  und  jenseits 
des  peripheren  Ganglion  enden ;  g*  Ganglienfasern,  die  im  peripheren  Ganglion  entspringen  und  jenseits  desselben  enden; 
m1  motorische  spinale  Faser,  die  im  Ganglion  selbst  endet;  m-  motorische  spinale  Faser,  die  im  Grenzstrange  weiter  zieht; 
rrih  motorische  spinale  Faser,  die  vom  Ramus  communicans  albus  des  Grenzstrangganglion  kommt,  dieses  und  das  periphere 
Ganglion  durchsetzt  und  weiter  in  kleineren  Ganglien  endet;  m*  motorische  spinale  Faser,  die  im  Grenzstrange  herunter- 
läuft, das  Grenzstrangganglion  durchsetzt  und  in  dem  peripheren  Ganglion  endet;  mb  motorische  spinale  Faser,  die  im 
Grenzstrange  herunterläuft,  im  Grenzstrangganglion  eine  Kollaterale  abgibt,  die  um  eine  Zelle  endet;  m°  motorische 
spinale  Faser,  die  im  Grenzstrange  herunterläuft  und  im  Grenzstrangganglion  endet;  m7  motorische  spinale  Faser,  die  im 
Grenzstrange  herunterläuft,  das  periphere  Ganglion  durchsetzt  und  weiter  in  kleineren  Ganglien  endet;  5  sensible  Cerebro- 
spinalfaser,  die  jenseits  beider  Ganglien  in  einem  Pacinischen  Körperchen  PK  endet  resp.  beginnt;  s1  sensible  Cerebro- 
spinalfaser,  die  im  Grenzstrange  weiter  läuft  —  Punktierte  Linien  =  s^nsibJe^ere_hiosp_inaJe_Easern.  Durchgehende  schwarze 
Linien -- cexebrospinale  motorische  Fasern  I.Ordnung  (Praeganglionic  fibres  Langley).  Rote  Sterne  und  Linien=:syrn- 
painisdie—Ganglienzellen- und  Ganglienfasern  (Postganglionic  fibres  Langley). 


9.  Faserverlauf  im  Sympathicus.    Fig.  420. 
Über  den   Faserverlauf  im  Sympathicus  ist  das  letzte  Wort  noch  nicht  zu 
sprechen.     So  verwirrend  aber  der  Anblick  der  über  den  ganzen  Körper  ausge- 


464  Besonderer  Teil.     Spezielle  Neurologie. 

breiteten  Masse  von  Ganglien,  Geflechten,   peripheren  Zweigen  erscheinen  mag, 

gewisse  allgemeine  Grundzüge  des  Faserverlaufes  haben  sich  dennoch,  dank  dem 

Bemühen  vieler  Forscher,  insbesondere  v.  Köllikers,  allmählich  ermitteln  lassen. 

Es  ist  am  Platze,  die  von  Kölliker  aufgestellten  Sätze  hier  folgen  zu  lassen: 

1.  Die  cerebrospinalen  motorischen  Fasern  enden  alle  mit  Endverästelungen 
um  die  sympathischen  Zellen  herum;  bei  denselben  kommen  keine  direkten  Endi- 
gungen im  Darme,  an  Gefäßen  usw.  vor. 

2.  Hierbei  ist  der  Verlauf  derselben  ein  längerer  oder  kürzerer.  Die  einen 
enden  an  den  nächst  gelegenen  Ganglienzellen,  andere  durchlaufen  mehrere 
Ganglien,  bevor  sie  zu  ihren  Endigungen  gelangen,  und  können  hierbei  durch 
Kollateralen  auf  eine  Mehrheit  von  Zellen  einwirken.  Noch  andere  endlich  finden 
erst  an  den  am  meisten  peripherisch  gelegenen  Ganglien  ihr  Ende,  wobei  es  un- 
entschieden bleibt,  ob  sie  in  ihrem  Verlauf  auf  zwischengelegene  Zellen  einwirken. 

3.  Die  Ganglienfasern  des  Sympathicus  entspringen  von  den  sympathischen 
Zellen,  zeigen  in  ihrem  Verlauf  keine  Beziehungen  zu  anderen  Zellen  und  enden 
bald  nahe,  bald  sehr  entfernt  von  ihrem  Ursprung  mit  freien  Endigungen  an  glatten 
Muskeln  oder  Drüsen. 

4.  Die  sensiblen  Fasern  des  Sympathicus  stammen  alle  von  cerebrospinalen 
Fasern  und  enden,  wie  cerebrospinale  sensible  Elemente,  in  den  peripherischen 
Teilen.  Der  Sympathicus  besitzt  keine  ihm  eigenen  sensiblen  Fasern.  Siehe 
Fig.  420. 


Register. 


Abhang  des  Oberwurms  84. 
Accessorius   spinalis,   Vagi    150, 

332. 
Acervulus  110. 
Adenohypophyse  101,  194. 
Adergeflechte,  Entwicklung  173. 

falte  173. 

-  mittlere  158. 

—  -zotten  161. 
Aderhautausbreitungen  158. 
Aditus  ad  aquaeductum  cerebri 

113. 
Aeby,  Hirnschema  243. 
Akustikusschleife  92. 
Ala  cinerea  79. 

—  lobuli  centralis  83,  84. 
Ammonskommissur  141. 
Anastomose  17. 

Anastomosen  d.  Nerven  14,  17. 
Ansa  (ae)  atlantis  350. 

—  centripetalis.centrifugalis  339. 

—  cervicales  350. 

—  hypoglossi  336,  352. 

—  intergenicularis  110. 

—  lenticularis  147,  192. 

—  lumbales  383. 

—  meningeae  349. 

—  sacralis  430. 

—  subclavia  (Vi  eu ss enii)  428. 
Antlitznerv  Ursprung  229. 
Apertura    lat.    ventriculi    quarti 

157,  160. 

—  medialis  ventriculi  quarti  (Fo- 
ramen  Magendii)  157,  160. 

Apex  columnae  post.  34. 
Aquaeductus  cerebri  97. 
Arachnoidalscheiden  d.  Nerven- 
wurzeln 157. 
Arachnoidea  encephali  155. 

—  spinalis  28. 
Arbor  vitae  87. 


Arcus  hypoglossi  334. 
Area  (ae)  acustica  79. 

—  d.  Endhirnrinde  178. 

—  parolfactoria  (Brocae)   125. 

—  striata  180. 
Armgeflecht  354. 

Arnold,    Ganglion    cardiacum 
medium  432. 

—  Ganglion  splanchnicum  439. 

—  Substantia     reticularis     alba 
127. 

Arteria  (ae)  centralis  retinae  297. 

—  cerebri  ant.,  media,  post.  164, 
165. 

—  chorioideae  164. 

—  comes  nervorum  418. 

—  corticales  164. 

—  frontales  165. 

—  medianae  163. 

—  medulläres  164. 

—  nucleorum  163. 

—  nutricia  nervorum  418. 

—  parietales  165. 

—  radiculares  163. 

—  spinales  antt.,  postt.  32. 

—  thalamicae  164. 
Assoziations-bahnen  10. 

—  -fasern  d.  Endhirnrinde  184. 

—  -neuronen  11. 
Systeme  242,  293. 

—  —  d.    weißen    Substanz    d. 
Endhirns  139. 

Zentren  252,  255,  256. 

Astrocyten  44. 

Auerbach  scher  Plexus  443. 
Augenblase  167. 
Augenblasenstiel  167. 
Augenfasersystem  281. 
Augenmuskelnerv,  gemein- 
schaftlicher, Ursprung  224. 

—  lateraler,  Ursprung  229. 

—  oberer,  Ursprung  228. 


B. 

Bahnen  im  Nervensystem  9. 

—  cerebellare  262. 

—  kurze,  lange  d.  Rückenmarkes 
60. 

-  motorische,  sensible  10. 
Baillarge  rscher  Streifen  176. 
Balken  142. 

—  -fasern  184. 

knie  142. 

Schnabel  142. 

—  -stamm  142. 

—  -Strahlung  143,  146. 

—  -wulst  143. 

Basalfortsätze  d.  Pyramiden- 
zellen 176. 

Basis  encephali  65. 

—  pedunculi  93. 
Bechterewscher  Kern  212. 
Bechterew,  Tractus  thalamo- 

olivaris  207. 

—  Tractus  spinoolivaris  64. 
Beckengeflechte  447. 
Beinerv,  Ursprung  233. 
Beingeflecht  383. 

Berg  d.  Oberwurms  84. 

Bidderscher  Knoten  434. 

Bindearme  87,  88,  92. 

Binnennetz  in  sympath.  Nerven- 
zellen 456.     Fig.  407. 

Blumenkörbchen,  Bochdalek- 
sches  160. 

Bochdaleksches  Blumenkörb- 
chen 160. 

Bodenkommissur,  graue  101. 

Bogenwindungen  129. 

Brachium  (a)  conjunctiva  (cere- 
belli)  76,  88,  92. 

—  conjunctivum  87,  220. 

—  pontis  80,  87. 

—  quadrigeminum  inf.  97. 
sup.  94. 


466 


Register. 


Broca,  Area  parolfactoria  125. 

—  grand  lobe  limbique  127. 
Brocasches  Bündel   140. 

-  sehe  Stelle  252. 
Brücke  (en)  80. 

—  -arme  87. 

bahn,  frontale  u.  temporale 

147,  148. 

—  feinerer  Bau  199. 
-faserbündel,  quere  215. 
-krümmung  169. 
Skeletotopie  80. 

Brustnerven  341. 

—  Rr.  anteriores  379. 

—  Rr.  posteriores  347. 
Bündel,  Brocasches  140. 

—  Gowerssches  36,  64,  262. 
Lissau  ersches  36. 

—  Mey  nertsches  109. 

-  Monakows  61,  196,  283. 
radiäre  d.  Großhirnrinde  174. 

-  Vicq  d'Azyrsches  109, 142. 
Bulbus  cornu  post.   136. 

geflecht  438. 

—  olfactorius  118. 

feinerer  Bau  183,  184. 

Bu  rd achscher  Strang  23,36,63. 

C. 
Cajalsche  Zellen  d.  Großhirn- 
rinde 177. 
Calamus  scriptorius   79 
Calcar  avis  123,  136. 
Calcarinatypus  180. 
Canalis  carpeus  ulnaris  369. 

—  centralis  34,  37. 

-  neurentericus  166. 

—  spiralis  374. 
Capsula  int.   13S,   146. 

—  nuclei  dentati  91,  196. 
Oput  columnae  post.  34. 

—  nuclei  caudati  135,  137. 
Cauda  equina  22. 

-  nuclei  caudati  135,  137. 
Cavum  epidurale  24. 

semilunare  293. 

—  septi  pellucidi   125. 

-  subarachnoidale  28. 

-  subdurale  27. 
Ccllulae  axiramificatae 

—  funiculares  51. 
limitantes  53. 
postrolandicae  5  5. 

—  radiculares  47. 
antt.  47. 

-  postt.  48. 


Cellulae  rolandicat 
Centre  median  (Luys)  109. 
Centrum  medulläre  nuclei  den- 
tati 91. 

—  semiovale  139. 
Cerebellum  80. 

—  Gewicht,  Lage  80. 
Cerebrum  abdominale  441. 
Cervikalknoten  449. 
Cervikalsegment  1,  Bau  199. 
Cervix  columnae  post.  34. 
Chiasma  opticum  102. 
Chorda  (ae)  oesophageae  330. 

tympani  313,  318. 
Chromsilber-Imprägnation  18. 
Cingulum  139. 
Cisterna  (ae)  ambiens  156. 

-  cerebello-  medullaris  1 

—  chiasmatis   156. 
corporis  callosi   156. 

—  fossae  lat.   cerebri   (Sylvii) 
156. 

—  interpeduncularis   156. 

—  laminae  terminalis  156. 

-  pontis  latt.,  media   156. 

-  subarachnoidales  155. 

—  venae  magnae  cerebri  156. 
Clarkesche  Säule  35,  59. 
Claustrum  138. 

—  feinerer  Bau  192. 
Clava  75. 
Colliculus  facialis  79. 

—  inf.,  sup.  !>4. 

Columna  (ae)  ant.,  lat.,  post.  34. 

—  fornicis  140. 
griseae  34. 

Commissura  ant.  alba,  grisea  34. 

—  ant.  alba  58. 

—  ant.  (cerebri)  144. 

—  habenularum  110. 

—  hippocampi   141.   145. 

—  maxima  142. 

—  post.  d.  Rückenmarkes  59. 

-  post.  (cerebri)  113. 
Conjugatio  mutua,   simplex  17. 
Conus  medullaris  19. 

Cornu  (ua)  34. 

—  Ammonis  137. 

-  ant.  d.  Seitenventrikels  135. 

—  inf.  d.  Seitenventrikels   136. 

—  post.  d.  Seitenventrikels  136. 
Corona  radiata  116. 

Corpus  (ora)  amylacea  194. 

—  callosum  142. 

-  fornicis  140,   141. 

—  geniculata,  feinerer  Bau  195. 


Corpus    (ora)     geniculata     lat., 
mediale  109,  110. 

—  Luysi,  feinerer  Bau  196. 

—  mamillaria  97. 

—  --   feinerer  Bau   193. 
medulläre  (hemisphaerii  cere- 

belli)  84. 

—  —  vermis  87. 

—  patellare  (Tschisch)  109. 

—  pineale  105,  110. 

-  —  feinerer  Bau  194. 

—  restiforme  75,  87,  88,  204. 

—  striatum  138. 

—  trapezoideum  215,  230. 
Crura  fornicis  140.   141. 
Culmen  84. 

Cuneus  126. 

Cytoarchitektonik    d.    Endhirn- 
rinde 178. 

D. 

Dach  des  IV.  Ventrikels  76. 
Dachkern  91,  199. 
Dammnerv  410. 
Deckel   120. 

Decklappen  d.  Insel  119. 
Declivc  84. 
Decussationes  17. 
Decussatio    brachii    conjunetivi 
220. 

—  lemniscorum  200,  261. 

—  nervorum  trochlearium  219. 

—  pyramidum  71. 
Degeneration,  ab-,  aufsteigende 

55. 

—  primäre,  sekundäre  238. 
Deiters  scher  Kern  212. 

—  sehe  Zellen  44. 
Dermatomeren  419,    122. 
Diaphragma  sellae  101,  152. 
Dienccphalon  97. 
Digitationes  hippocampi   137. 
Dogiel,   Ganglia  ventricularia 

434. 
Dreikantenbahn  64. 
Dura  mater  encephali  150. 
feinerer  Bau  152. 

—  —  Fortsätze  151. 
Gefäße  152. 

—  —  Nerven   155. 

—  —  spinalis  24. 

—  —  Verbindungen  151. 
Durasack,  Verbindungen  27. 


Edinger,    Tractus   spinothala- 
micus  64. 


Register. 


467 


Ehrlich ,  Methylenblaufärbung 

18. 
Eingeweidegeflecht  441. 
Eingeweidenerv,  großer  439. 

—  kleiner  440. 

Eintritt  der  Nerven  in  die  Mus- 
keln 423. 
Eisler,   Plexus  brachialis  356. 

—  —  lumbosacralis  383. 
Eminentia  collateralis  136. 

-  collateralis  (Meckeli)  123. 

—  medialis  ventriculi  IV  79. 

—  saecularis  101. 
Empfindlichkeit,  rückläufige  340. 
Encephalomeren  168. 
Encephalon  64. 
Endbäumchen  5. 

Endfaden  d.  Rückenmarkes  19. 
Endhirn   114. 

—  Arterien  164. 

—  Flächen  117. 

—  Form  114. 

ganglien,  feinerer  Bau  191. 

—  Kanten  117. 

—  graue  Kerne  137. 

—  Lage  114. 

-  Rinde  174. 

Areae  178. 

Regiones  179. 

—  weiße  Substanz  139. 
feinerer  Bau  184. 

—  Verbindungen  114. 
Endkerne  224. 
Endocranium  150. 
Endoneuralscheiden  12. 
Endoneurium  12. 
Endorachis  24. 
Enteromeren  420. 
Entwicklung   des    Gehirns   165. 
Ependym  43. 

faden,  zentraler  44,  58. 

faser  43. 

härchen  58. 

keil  43. 

zellen  43. 

Epineurium  13. 
Epiphyse  110. 

—  feinerer  Bau  194. 

—  Entwicklung  170. 
Epiphysen  d.  Zwischenhirns  110. 
Epithalamus  110. 
Erinnerungsbilder,  optische  255. 

F. 

Facies  convexa  cerebri  65. 

—  inf.,  sup.  cerebelli  80. 


FalX  cerebelli    152. 

—  cerebri   152. 

Fascia  dentata  hippocampi  127, 

137. 
Fasciculus     (i)      ant.     proprius 

(Flechsigi)  23,  35. 

—  anterolat.  superf.  (üo wersi) 
36,  53,  64. 

—  cerebellospinalis  36,  63,  204. 

—  cerebrospinalis  ant.  23,  35,60. 

—  cerebrospinalis    lat.    35,    61. 

—  euneatus  (Burdach  i)  23,  36. 

—  graeiiis  (Golli)  23,  36. 

—  lat.,  medialis,  post.  d.  Plexus 
brachialis  355. 

—  lat.  proprius  (Flechsigi)  36. 

—  longi  d.  Assoziationssysteme 
d.  Endhirns   139. 

—  longitudinalis  inf.  140. 

—  longitud.  medial.  62,  199,228. 
sup.  139. 

—  longitudinales    (pyramidales) 
215. 

—  obliquus  (pontis)  80. 

—  paraolivarius  287. 

—  pyramidales  199. 

-  pyramidalis  ant.  23,  35,  60. 
lat.  35,  61. 

—  retroflexus  (Meynerti)  109, 
192. 

—  spinobulbaris  264. 

—  spinocerebellaris  36. 

-  subcallosus  140,  143. 

-  thalamomamillares  109,  142. 

—  uncinatus  140. 

—  verticalis  140. 
Fasciola  cinerea  127. 
Faserkorb    um   Nervenzellen  6. 
Fasern,    myomotorische,   vaso- 
motorische 57. 

—  Remaksche  415. 
Fastigium  76. 

Fernfasern  d.  Großhirnrinde  177. 
Fibrae  arcuatae  cerebri  139. 

extt.  72,  75. 

extt.  antt.  200. 

-  extt.  postt.  204. 

—  —  gyrorum  139. 
intt.  200. 

—  cerebelloolivares  208. 

—  cruciantes   n.  trigemini  219. 

—  pontis  superf.,  proff.  212,  215. 
Filum  (a)   durae  matris  spinalis 

21,  24. 

—  lateralia  pontis  80. 

—  radicularia  antt.  53. 


Filum  (a)  radicularia  postt.  54. 

—  terminale   19,  21. 

Fimbria    hippocampi    137,    141. 
Fingernerven    dorsale,   Beurtei- 
lung 376. 
Fissuren  d.  Endhirns   117. 
Fissura  calcarina  123. 
Umgeb.,  feinerer  Bau  180. 

—  cerebri  lat.  (Sylvii)  120. 

—  —  transversa  66. 

—  collateralis  123,  124. 

—  hippocampi  124. 

—  longitudinalis  cerebri  65. 

—  mediana  ant.  d.  Oblongata  71. 
d.  Rückenmarkes  22. 

—  —  post.  d.  Oblongata  72. 

—  parietooccipitalis  121. 

—  transversa  cerebelli  66. 

—  —  cerebri  66,  143. 
Flechsig,  Fasciculus  ant.  pro- 
prius 23,  35. 

—  Fasciculus  lat.   proprius    36. 

—  Hirnplan  246. 

—  Tractus  cervicolumb.  dors.64. 
Flechtwerk,  interradiäres,  super- 
radiäres 175. 

Flocculus  83. 

—  seeundarius  84. 
Flocke  83. 
Flockenstiel  83. 
Flügelplatte  166. 
Folium  vermis  84. 
Foramen  caecum  71. 

—  diaphragmatis  sellae  152. 

-  interventriculare     (Monroi) 
113,  134. 

—  Magendii  157,  160. 

—  tentorii  151. 

Formatio  reticularis  34,  59,  200. 
Fornix  140. 

—  longus  188,  289. 
Fossa  cerebri  lat.  120. 

—  interpeduneularis  94. 

—  rhomboidea  76. 

Fovea   inf.,    sup.   fossae   rhom- 

boideae  79. 
Frenulum  veli  medullaris  ant.  92. 
Froriep,   Ganglion    d.   N.   hy- 

poglossus  233,  334,  426. 
Füllhorn  160. 
Funiculus  (i)  ant.  23,  35. 

—  lat.  23,  35. 

medullae   oblongatae  72. 

—  medullae  spinalis  23. 

—  post.  23,  36,  62. 

Furchen  d.  Gehirns  65,  117,  120. 


468 


Register. 


Fuß  d.  Hirnschcnkels  93. 
—  —  Stabkranzes  146. 


G  a  1  e  n  i ,  Vena  cerebri  magnal58. 
Ganglien  Bau  415. 

-  -leiste  165. 

-  -nervensystem  427. 

—  Organstmktur   13. 

-  -zellengruppen   des  Rücken- 
markes 35. 

Ganglion  (ia)  acusticum  230. 

—  cardiacum medium (A  rnoldi) 
432. 

sup.  431. 

(Wrisbergi)    431,    433. 

—  cervicale  inf.  429. 

• —  —  medium,  sup.  42«. 

—  ciliare  297. 

-  —  Entwicklung  299. 

-  coecygeum  430. 

-  coeliacum  441. 

—  commune  453. 

—  communia  165. 

—  geniculi  317,  322. 

—  habenulae  109. 
Bau  192,  196. 

—  hypoglossi  334,  426. 

—  interpeduneulare  289. 

—  jugulare  325. 

—  lumbalia  430. 

—  mesentericum  inf.  444. 
sup.  441. 

—  nodosum  325. 

—  oticum  314. 

—  petrosum  n.  glossopharyngei 
323. 

—  phrenicum  441. 

—  plexuum  sympathicorum  427. 

-  prostatica  448. 

—  renalia  442. 

-  rcnaliaorticum  441. 

—  sacralia  430. 

—  semilunare  300. 

—  —  commune  299. 

-  solare  441. 

-  sphenopalatinum  305. 

-  Bau  309. 

—  spinale  338. 

-  spirale  230,  323. 
splanchnlcum  (A  r  n  o  1  d  i)  439. 

—  sublinguale  313. 

—  submaxillare  313,  315. 

—  sup.  n.  glossophaiyngei  323. 

—  temporale    (Scarpae)    432. 

-  thoracalia  129 


Ganglion  (ia)  trunci  Sympathie! 
427. 

—  vestibuläre   (Scarpae)  230, 
323. 

— ■  ventricularia    (Dogiel)   434. 
Gasseri,  Ganglion  300. 
Gefäße,  Nervenendigungen  458. 
Gefäßhaut  des  Rückenmarkes  31. 
Gefäßnerven   11,  416. 
Gefäßzentrum,  primäres  458. 

—  sekundäres  458. 
Gehirn,  Bau  feinerer  174. 

—  Dicke  d.  grauen  Substanz  67. 

—  Durchmesser  65. 

—  Einteilung  66. 

—  Entwicklung  165. 

-  Form  64. 

—  Gefäße  163. 

—  Gewicht  67 — 71. 

—  gyrencephale,    Iissencephale 
129. 

—  Hüllen  150. 

—  -furchen,    individuelle    Ver- 
schiedenheiten 131. 

—  Lage  64. 

—  Leitungsbahnen  257. 

—  Oberfläche  67. 

-  Rindenfelder  178. 

—  myelogenetische  246. 

-  Skeletotopie  234. 

—  Taenien  161. 

—  Übersicht  65. 

—  Volum  67. 

Gehirnzentren,   psychische  252. 
Gehörzentrum  255. 
Geniculum  n.  facialis  317. 
Genn arischer  Streifen  176, 178. 
Genu  capsulae  int    146. 

—  corporis  callosi  142. 

-  internum  nervi  VII  212,  230. 
Geruchszentrum  255. 
Geschmackszentrum  255. 
Gewölbe  140. 
Gewölbeschenkel  140. 
Giacomini     Uncus- Bändchen 

127. 
Giebelkante  76. 
Gierkesche  Zellen  35. 
Gipfel  d.  Oberwurmes  84. 
Gitterschicht  des  Thalamus  109. 
Gliafasern  38. 
üliazcllen  38. 
Gliopilem    14. 
Globus  pallidus  138. 
Glomeruli  olfactorii  Fig.  190. 
Glomus  chorioideum  158. 


Golgi       Chromsilber-lmpräg- 

nation  18,  236. 
Golginctz,  äußeres  6,  7. 
Golgi  sehe  Zellen  5. 
G  o  1 1  scher  Strang  23,  36,  62,  75. 
G  o  w  e  r  s  sches  Bündel  36,64,262. 
Granulationes  arachnoidales 

(Pacchioni)  156. 
Gratioletsche      Sehstrahlung 

147. 
Grenzstrang  d.  Sympathicus  427. 
Großhirn-rinde,  Bau  176. 

-  —  Grundtypus  176. 

—  —  Verschiedenheiten,     ört- 
liche 178. 

—  Rindenfelder  178. 

—  -Schenkel  93. 

-  -Sichel  152. 

stiele  65. 

Grundplatte  166. 
Guddensche    Kommissur   102, 

274. 
Gürtclfasern  d.  Oblongata  72,  76. 
Gürtelschicht  d.  Oblongata  76. 
Gyrifizierung  u.  Intelligenz  129. 
Gyrus  (i)  65. 

—  ambiens  118. 

—  angularis  125. 

—  centralis  ant.  124. 

—  centralis  post.  125. 

—  cerebelli  83. 

—  cinguli  125. 

—  Entwicklung  171,  172. 

—  fornicatus  125,  126,  128. 

—  frontalis  inf.,  medius,  sup  124. 

—  fusiformis  126. 

—  hippocampi  126. 

-  feinerer  Bau  181,  182. 

—  insulae  120. 

—  lingualis  126. 

—  marginalis  int.  128. 

-  occipitales  latt.  126. 

-  —  supp.  125. 

—  orbitales  124. 

—  rectus  124. 

—  semilunaris  1 18. 

-  subcallosus    119,    124,    143. 

—  supramarginalis  125. 

—  temporalis  inf.,  medius,  sup. 
126. 

-  temporales  transversi  126. 

H. 

Habenula   105,  110. 

Haken  d.  Gyrus  hippocampi  126. 

Hakenbündel  140. 


Register. 


469 


Hals-anschwellung  19. 

—  d.  Hintersäule  34. 

ganglien  d.Sympathicus428. 

geflccht  350. 

—  -nerven  341. 

nerven,  Rr.  postt.  345. 

Harnblase,      Nervenendigungen 

462. 
Haube  d.  Hirnsclienkels  94. 
Haubenstrahlung  196. 
Hellwegsche    Dreikantenbahn 

64. 
Hemisphäre  (en)  des  Endhirns  65, 

114. 

—  —  —  Flächen,  Form,  Lage, 
Verbindungen  114. 

—  d.  Kleinhirns  83. 

—  Mantelteil  120. 

—  Oberfläche,  ventrikuläre  134. 

—  Stammteil  117. 
Hemmungsnerven  11,  457. 
Henlesche  Scheide  416. 
Herzgeflechte  433. 
Herznerven,  Endigung  435. 

—  Entwicklung  438. 

—  von  Tieren  434. 

Herz,  Reizleitungssystem  439. 
Hilus  nuclei  dentati  91. 

—  olivaris  208. 
Hinterhaupt-lappen,  Furchen  123. 

—  —  Windungen  125. 

pol  117. 

Hinterhirn  80. 

—  -bläschen  167. 
Hintersäule  d.  Rückenmarkes  34. 

—  Zellen  59. 
Hinterstrang  23,  36,  62. 
Hinterstränge  Ventralfeld  53. 
Hinterwurzelzellen  48. 
Hippocampus  137. 

—  feinerer  Bau  182. 
Hirn-anhang  101. 

—  -axe  173. 

—  -blasen,  primäre  167. 
Hirnfurchen,  Einfluß  des  Alters 

131. 

—  —  d.  Erziehung  132. 

—  —  d.  Geschlechtes  132. 

d.  Rasse  132. 

d.  Schädelform  131. 

—  Entwicklung  171,   172. 

—  irreguläre  131. 

—  Korrelation   zu   Hirnwindun- 
gen 130. 

—  Richtung  129. 

—  Schemata  130. 


Hirnfurchen,  Verschiedenheiten, 

individuelle  131. 
Hirngewicht  b.  Kindern  70. 

—  berühmter  Personen  69. 
Hirnhaut,  harte  150. 
Hirnnerven  293. 

—  Austritt  aus   d.   Gehirn  148. 

—  Durchtritt  anSchädclbasis293. 

—  -kerne,   morpholog.  Stellung 
234. 

—  Ursprung  223. 

—  Wurzeln  148. 

—  Zählung  148. 
Hirnplan  (Flechsig)  246. 
Hirnsand  110. 
Hirnschema  (Aeby)  243. 

—  (Meynert)  241,  242. 
Hirnschenkel,  Bau  223. 
fuß  93. 

haube  94. 

System  145. 

Hirnsichel  152. 
Hirnwindungen,  Allgemeinesl28. 

—  Einfluß  d.  Alters  131. 

Erziehung  132. 

Geschlechtes  132. 

Rasse  132. 

—  Schädelform  131. 

—  Korrelation   zu    Hirnfurchen 
130. 

-  Ursachen  128. 

—  Variabilität  131. 

—  Verschiedenheiten,  individu- 
elle 131. 

Hoden,  Nervenendigungen  462. 
Hodologia  235. 
Höcker,  grauer  98. 
Höhlengrau,  Begriff  des  193. 
Hörner    des   Rückenmarkes   34. 
Hörnerv,  Ursprung  230. 
Hörstrahlung  147. 
Hörzentrum  255. 
Hornblatt  165. 
Hüllen  des  Gehirns  150. 

—  des  Rückenmarkes  24. 
Hypophysen-anlage  169,  170. 
blase  170. 

dach  151. 

gang  170. 

Hypophysis  101. 

—  feinerer  Bau  193,  194. 
Hypothalamus  97. 

I. 

Jacobsoni,  Plexus  tympanicus 
324. 


Jacobson  sehe  Anastomose324. 
Incisura  cercbelli  ant.,  post.  80. 

—  tentorii  151. 
Infundibulum   101. 
Insel  119. 

—  -pol  119. 

—  -rinde  feinerer  Bau  179. 

—  -schwelle  119. 

—  -Windungen  120. 
Insula   119. 

Intelligenz  und  Gyrificierung  129. 
Interkostalnerven,  Verbindungen 
381. 

—  Zweige  381. 
Intima  pia  31. 
Intumescentia    cervicalis,    lum- 

balis  19. 
Isthmus  gyri  fornicati  126. 

—  rhombencephali  92. 

K. 

Kapsel,  innere  146. 
Kapselzellen  14. 
Kaudalnerven  342. 
Keilstrang  23,  36. 
Kernblatt  d.  Hippocampus    182. 
Kerne  d.  Gehirns,  Definition  9. 

—  graue  d.  Endhirns  137. 

—  d.  Kleinhirns  91. 

—  feinerer  Bau  196. 

Kern  Monakows  262. 

—  roter  223. 

—  —  feinerer  Bau  196. 

Strahlungen  147. 

Keule  75. 

Klauen  d.  Hippocampus  137. 
Kleinhirn  80. 

—  Arterien  163. 

—  Bahnen,  absteigende  291. 

—  Gewicht  80. 

—  Hemisphären  83. 

—  Kerne,  feinerer  Bau  196. 

—  Kerne,  graue  91. 

—  Lage  80. 

—  Markfortsätze  87. 

—  Marklager  84. 
— olive  91. 

—  -rinde,  feinerer  Bau  188. 
rinde,  Neuroglia  190. 

—  -seitenstrang  36. 

seitenstrang-Bahn    53,    63, 

75,  204,  262. 
-  -sichel  152. 

—  Stiele  87. 
zeit  151. 


Rauber-Kopsch,  Anatomie.    10.  Aufl.    V.  Abt. 


25 


17(1 


Register. 


Kletterfascrn  der  Kleinhirnrinde 

190. 
Kniehöcker  109. 

Knie,  inneres,  d.  X.  facialis  212. 

—  der  inneren  Kapsel  138. 
Knötchen    des  Unterwurms  84. 
Kölliker,    Rückenmarkschema 

240. 
Körnerschicht,  äußere,  innere  der 
Großhirnrinde  176. 

—  d.  Kleinhirnrinde   188. 
Körperfiihlsphäre  255. 
Kohn,  Paraganglien  445. 
Kollateralen    der    Rückenmark- 
stränge 56,  57. 

Komma,  Schultzesches  54,62. 
Kommissurenfasern  184. 
Kommissurensysteme  142,   242, 

293. 
Kommissurenzellen  51. 
Kommissur,  Guddensche  102, 

274. 

—  hintere  des  Gehirns  113. 

—  Meynertsche  274. 

—  vordere  d.  Gehirns   144. 
Korbzellen  d.  Kleinhirnrinde  189. 
Korrelation  der  Hirnfurchen  und 

Hirnwindungen   130. 
Kreuzbeingeflecht  393. 
Kreuznerven,  Rr.  postt.  348. 
Kugelkern  92,  199. 

L. 

Längsbündel,  hinteres  mediales 
62,  228. 

-  oberes  139. 

—  unteres  140. 

Lamina  (ae)  affixa  105,  136. 

-  basalis  d.  Kleinhirnrinde  188. 

-  chorioideae  epitheliales  157. 

—  ext. ,    int.    durae    matris  24. 

—  medulläres  (cerebelli)  87. 

—  —  involuta  182. 

intt.,  extt.  d.  Linsenkernes 

191. 
-  des  Thalamus   106,    194. 

—  quadrigemina  94. 

—  rostralis  143. 

-  septi  pellucidi   125. 

—  terminalis  101,  102,  169. 
Lateralkern,  kleinzelliger  d.  Ocu- 

lomotorius  227. 
Lebensbaum  87. 
Leber,   Nervenendigungen  460. 
Leitungsbahnen  235,  257. 


Leitungsbahnen,  historische  Ent- 
wicklung der  Lehre  von  239. 

—  Gesamtübersicht  252. 

—  Untersuchungsmethoden  236. 
Leitungssysteme ,     aufsteigende 

258. 

—  absteigende  276. 
Lemniscus  lat.(acusticus)  92,216. 

—  lat.,  medialis  92. 

—  medialis  (sensitivus)  92,  200. 
Lenden-anschwellung  19. 

geflecht  383. 

—  -nerven  342. 

—  -nerven,  Rr.  postt.  347. 
Leptomeninx  24,  155. 
Ligamentum  (a)  antt.  durae  matris 

27. 

—  denticulatum  28. 

—  dorsolatt.   durae    matris    27. 

—  intervertebrale   cervicale  27. 
Limen  insulae  118,   1 19. 
Lingula  cerebelli  84. 
Linsenkern  138. 

—  -schlinge  147,   192. 
Liquor  cerebrospinalis  31. 

—  eneephalicus  161. 

—  encephalospinalis    155,    161. 

—  subarachnoidalis  155. 
Lissauersches  Bündel  36. 
Lobulus  biventer  83. 

—  centralis  84. 

—  paracentralis  125. 

—  parietalis  inf.,  sup.  125. 

—  quadrangularis  83. 

—  semilunaris  inf.,  sup.  83. 
Lobus  olfactorius  118. 
feinerer  Bau  183,  184. 

—  opertus  119. 

Locus  caeruleus  79,  219. 
Ludwigscher  Haufen  434. 
Lungenmagennerv,Ursprung232. 
Luysii  corpus,  feinerer  Bau  196. 
Lymphraum,    epiduraler,    inter- 
duraler 24. 
Lyra  Davidis   141. 

M. 

Magendii,  Foramen  157,  160. 
Mandel  d.  Kleinhirns  83. 

—  -kern  139. 

Mantelspalte  d.  Gehirns  65. 
Mantelteil    d.    Hemisphäre    120. 
Mantelzellen  14. 

Mar chi sehe  Methode  18. 
Marginalzellen  35. 
Markbrücke  36. 


Mark-fortsätze  d.  Kleinhirns  87. 

—  -kegel   d.  Rückenmarkes  19. 
kern    d.   Kleinhirnolive    91, 

196. 

—  -kügelchen  65. 

—  -lager  d.  Kleinhirns  84. 
lager  d.  Wurms  87. 

-leisten  d.  Endhirns  139. 

—  -mantel  d.  Rückenmarkes  35. 

—  -Scheidenentwicklung  18,237. 

—  -scheidenfärbung  Weigert 
18. 

segel  92. 

—  -segel,  hinteres  84. 

—  -segel,  vorderes  88. 

—  -stränge  d.  Rückenmarkes  23. 

—  -strahlen    d.   Hirnrinde    171. 

—  verlängertes  71. 

—  —  Arterien  163. 

—  —  feinerer  Bau  199. 
Massa  intermedia  106,  109,  113. 
Meckeli,  Eminentiacollateralis 

123. 
Medianusschlinge  364. 
Medulla  oblongata  71. 
Medullarplatte  165. 
Medullarrohr  165. 
Medullarsegmente  168. 
Medulla  spinalis  19. 
Meißnersches    Geflecht    443. 
Meninges  150. 
Mesencephalon  93. 
Metathalamus  109. 
Metencephalon  80. 
Methode  Marchische  18. 
Methylenblaufärbung,  vitale  18. 
Meynert,  Leitungsbahnen  241. 
Meynertsches  Bündel   109. 

—  Kommissur  274. 
Mikrocephalengehirne  132. 
Milz,  Nervenendigungen  459. 
Mitralzellen   184. 

Mittelfeld    d.  grauen  Säule  59. 

—  d.  grauen  Substanz  51. 
Mittelhirn  93. 

—  Arterien  163. 

—  feinerer  Bau  199. 

bläschen   167. 

Mittelzellen  d.  Rückenmarkes  35. 
Molekül  arschichtd.  Endhirnrinde 

176. 
Monakows  Bündelöl, 196,283. 

—  Kern  262. 

Monroi  Foramen  interventricu- 

lare   113,  134. 
Monticulus  84. 


Register. 


471 


Muskulatur,  glatte,  Nervenendi- 
gungen 458. 
Myomeren  419. 

N. 
Nackenhöcker  169. 
Nackenkrümmung  169. 
Nebcnflocke  84. 
Nebenorgane  d.Sympathicus  445. 
Nebenzellen  d.Rückenmarkes35. 
Nerven,  Anastomosen  14. 

—  -apparate,  sensible  d.  Spinal- 
ganglien 418. 

-  -bahnen,  Definition  9. 

—  Bau  415. 

—  Blutgefäße  d.  416,  418. 

—  -bündel,  Definition  9. 

—  -eintritt  in  die  Muskeln  423. 
faserfilz  5,  6,  44. 

—  -fasern  5. 

—  -kerne,  Definition  9. 
kitt  38. 

—  -lehre,  allgemeine  1. 

—  -lehre,  Einteilung  1. 
lehre,  Geschichtliches  2. 

'  —  -lehre,  spezielle  19. 

—  -netz  5,  6. 

—  Organstruktur  12. 
plexus,  Einteilung  17. 

—  -plexus,  Entstehung  13. 

—  Reizleitung,  Geschwindigkeit 
12. 

Nervensegment,  Typus  3. 
Nerven,  sekretorische  11. 
Nervensystem,  sympathisches 
427. 

—  Untersuchungsmethoden    17. 

—  vegetatives  427. 
Nerven,  trophische  11. 

—  Verbindungen  14. 

—  -wurzeln,  Definition  11. 

—  -wurzeln  vordere,  Ursprungs- 
kerne 59. 

—  -wurzeln,  Zahl  der  Fasern  57. 
zellen  5. 

—  -zellen  d.  Rückenmarkes  46. 

—  -zellen  d.  Spinalganglien  48. 

—  -Zentren,  Definition  9. 
Nervulus  sphenoidalis  ext.  315. 
int.  314. 

Nervus  (i)  abducens,  Austritt  a.  d. 
Gehirn  150. 

—  —  peripherer  Verlauf  316. 

—  —  Ursprung  229. 

—  accessorius,  Austritt  a.  d.  Ge- 
hirn 150. 


Nervus  (i)  accessorius,  periphe- 
rer Verlauf  332. 
Ursprung  233. 

—  acusticus,  Austritt  a.  d.  Gehirn 
150. 

—  —  Bahn,  zentrale  268. 

—  —  peripherer  Verlauf  322. 
Ursprung  230. 

—  alveolaris  inf.  311. 

—  alveolares  inff.  antt.  postt.312. 

—  —  supp.  303. 

—  ampullaris  inf.,  lat.,  sup.  323. 

—  anocoecygeus  413. 

—  arteriae    femoralis    proprius 
389. 

—  auriculares  antt.  311. 

—  auricularis  magnus  350. 
post.  318. 

—  auriculotemporalis  310. 

—  axillaris  363. 

—  buccinatorius  310. 

—  canalismusculo-peronaei404. 
pterygoidei  (Vidii)  305. 

—  cardiacus   ansäe    hypoglossi 
336. 

imus  433. 

inf.  433. 

—  —  medius  432. 
sup.  431. 

—  carotici  432. 
extt.  431. 

—  caroticotympanicus  inf.,  sup. 
324,  450. 

—  caroticus  int.  431,  449. 

—  cavernosus  clitoridis   major, 
minores  449. 

—  —  penis  major,  minores  448. 

—  cerebrales  293. 

—  cervicales  341. 

—  cervicalis  I,  II  345,  346. 
descendens  inf.  336,  352. 

—  ciliares  breves  297. 
longi  299,  301. 

—  clunium  inff.  395. 

medii  348. 

supp.  347. 

—  coecygei  342. 

—  coecygeus  413. 

—  Cochleae  323. 

—  —  Bahn,  zentrale  268. 

—  cutaneus(i)abdominalesantt., 
latt.  382. 

—  —  antibrachii    dorsalis    374. 
lat.  364. 

—  —  —  medialis  373. 
brachii  lat.  363. 


Nervus  (i)   cutaneus  (i)   brachii 
medialis  373. 

— post.  374. 

colli  322,  351. 

cruris  mediales  393. 

—  —  dorsalis  intermedius  399. 
lat.  404. 

medialis  399. 

—  —  femoris  lat.  386. 
post.  395. 

—  —  pectoris  antt.  382. 
latt.  382. 

—  —  surae  lat.  399. 
—   medialis  404. 

—  depressor  327. 

—  digitales  dorsales  hallucis  lat. 
et  digiti  II  medialis  403. 

—  —  —  n.  radialis  376. 

n.  ulnaris  370. 

pedis  399. 

plantares  communes  1  —  III 

408. 

- —  communis  IV  408. 

—  propra  408. 

—  —  volaris  communis  I,  II,  III 
369. 

IV  370. 

—  —  (n.    mediani)    366. 

— (n.  ulnaris)  370. 

—  —  —  indicis  radialis  369. 

—  —  —  pollicis    radialis    369. 

—  —  —  —  ulnaris  369. 
—  proprii     (n.    mediani) 

366. 

—  dorsalis  clitoridis  410. 
penis  410. 

scapulae  359. 

—  erigentes  448. 

—  ethmoidalis  ant,  post.  301, 
302. 

—  facialis,  Austritt  a.  d.  Gehirn 
150. 

Bahn,  zentrale  279. 

peripherer  Verlauf  316. 

Ursprung  229. 

—  femoralis  389. 

—  frontalis  301. 

—  genitofemoralis  385. 

—  glossopharyngeus,  Austritt  a. 
d.  Gehirn  150. 

Bahn,   zentrale  266,  281. 

—  —  peripherer    Verlauf    323. 
Ursprung  231. 

—  glutaeus  inf.  395. 
sup.  394. 

—  haemorrhoidalis  inf.  410. 


25 :i 


172 


Register. 


Nervus  (i)  haemorrhoidales  medii 

413. 
supp.  444. 

—  hypoglossus,    Austritt   a.   d. 
Gehirn  150. 

Bahn,  zentrale  281. 

Entwicklung  334. 

Ganglion  233,  334. 

—  —  peripherer  Verlauf  334. 

—  —  Ursprung  233. 

—  iliohypogastricus  385. 

—  ilioinguinalis  385. 

—  infraorbitalis  303. 

—  infratrochlearis  301. 

—  intercostales  379. 

—  intercostobrachialis  373,  382. 

—  intermedius  316. 

—  —  Bahn,  zentrale  268. 

—  —  Ursprung  230. 

—  interosseus  (antibrachii)  dor- 
salis  375. 

—  —  —  volaris  365. 

—  —  cruris  407. 
pedis  403. 

—  ischiadicus  394,  395. 

—  jugularis  431,  449. 

—  labiales  antt.  385. 
postt.  410. 

—  lacrimalis  300. 

—  laryngeus  inf.  328. 
sup.  327. 

—  lingualis  312. 

—  lumbales  342. 

—  lumboinguinalis  386. 

—  mandibularis  309. 

—  massetericus  310. 

—  masticatorius  309,  310. 

—  maxillaris  302. 

—  meatus  auditorii  ext.  311. 

—  medianus  364. 

—  membranae  interosseae  anti- 
brachii 365. 

—  meningeus  (medius)  302. 

—  mentalis  312. 

—  musculocutaneus  364. 

—  mylohyoideus  311. 

—  nasociliaris  301. 

—  nasopalatinus  (Scarpae) 
305,  306. 

—  nervorum  416. 

—  obturatorius  393. 

—  —  accessorius  393. 

—  occipitalis  major  340, 345, 347. 

—  —  minor  350. 

— seeundus  350. 

—  —  tertius  345. 


Nervus  (i)  oculomotorius,   Aus- 
tritt a.  d.  Gehirn  149. 

—  —  peripherer    Verlauf    297. 
Ursprung  224. 

-  olfactorii  118. 

—  —  Austritt  a.  d.  Gehirn  148. 

—  —  Bahn,  zentrale  275. 

latt.,  mediales  294. 

Ursprung  224. 

—  —  peripherer  Verlauf  294. 

—  ophthalmicus  300. 

—  opticus  102. 

—  —  Austritt  a.  d.  Gehirn  148. 
Bahn,  zentrale  272. 

—  —  Ursprung  224. 

—  —  peripherer    Verlauf    294. 

—  palatini  309. 

—  palatinus  ant.,  medius,  post. 
309. 

—  perforans  lig.  sacrotuberosum 
410. 

—  perinei  410. 

—  —  lat.,  medialis  410. 

—  peronaeus  communis  396. 

-  prof.  400. 

—  —  superf.  399. 

—  petrosus  prof.  306,  450. 
—  minor.  450. 

superf.major  305,318,450. 

—  minor  314. 

—  phrenicus  353. 

Bahn,  zentrale  279. 

—  plantaris  lat.  408. 
lat.  digiti  V  408. 

medialis  407. 

—  pneumogastricus  325. 

—  pterygoideus    ext.,  int.  310. 

—  pudendus  410. 

—  radialis  373. 

—  recurrens  328. 

—  saecularis  323. 

—  sacrales  342. 

—  saphenus  390. 

—  scrotales  antt.  385. 

-  postt.  410. 

—  spermaticus  ext.  385. 

—  sphenopalatini  305. 

—  spinales,  Allgemeines  336. 

—  —  Radices  336. 

Rami  338. 

Zahl  336. 

—  spinosus  310 

—  splanchnicus  major  439. 

—  —  minimus,  imus  440. 

minor  440. 

—  —  sacrales  447. 


Nervus  (i)  stapedius  318. 

—  stylopharyngeus  324. 

—  subclavius  360. 

—  subcostalis  379. 

■ —  subungualis  313. 

—  suboccipitalis  345. 

—  subscapulares  363. 

—  supraclaviculares  antt.,  [me- 
dii., postt.  351. 

—  supraorbitalis  301. 

—  suprascapularis  360. 

—  supratrochlearis  301. 

—  suralis  404. 

—  temporalisprof.  ant.,  post. 310. 

—  tensoris  tympani  310. 

—  —  veli  palatini  310. 

—  tentorii  300. 

—  terminalis  148. 

—  thoracales  341. 

antt.  360. 

postt.  359. 

—  thoracalis  longus  359. 

—  thoracodorsalis  363. 

—  tibialis  404. 

—  trigeminus,  Austritt  a.  d.  Ge- 
hirn 150. 

Bahn,  zentrale  266,  279. 

Verbreitungsgebiet  315. 

Ursprung  228. 

—  —  Verlauf,  peripherer  300. 

—  trochlearis,  Austritt  a.  d.  Ge- 
hirn 149. 

—  —  Ursprung  228. 

—  —  peripherer  Verlauf  299. 

—  tympanicus  324. 

—  ulnaris  369. 

—  utricularis  323. 

—  vaginales  413. 

—  vagus,  Austritt  aus  d.  Gehirn 
150. 

Bahn,  zentrale  268,  281. 

—  —  peripherer  Verlauf  325. 

—  —  Ursprung  232. 

—  vesicales  inff.  413. 

—  —  inff.,  supp.  448. 

—  vestibuli  323. 

—  —  Bahn,  zentrale  272. 

—  volaris   digiti  V  radialis,  ul- 
naris 370. 

IV  ulnaris  370. 

—  zygomaticus  303. 
Nest  d.  Kleinhirns  83. 
Neuroglia  38. 

—  d.  Kleinhirnrinde  190. 

—  der  grauen  Substanz  44. 

—  der  weißen  Substanz  45. 


Register. 


473 


Neurogliazellen  d.  Großhirnrinde 

178. 
Neurohypophyse   IUI,   193. 
Ncurokeratin  38. 
Neurologie,  allgemeine   1. 

—  Einteilung  1. 

—  Geschichtliches  2. 

—  spezielle  19. 
Neuromeren   168,  419. 
Neuron  6. 

Neuronen,  effektorische   11. 

—  interzentrale   11. 

—  motorische  11. 

—  Ordnung  versch.  9. 

—  rezeptorische   II. 

—  vasodilatierende  11. 

—  vasokonstriktorische   11. 

—  vasomotorische  11. 

—  zentrifugale  11. 

—  zentripetale  1 1. 
Neuronia  extt.,  intt.  47. 
Neuropilem  44. 
Neuroporus  173. 

—  ant.  105. 

Nidus  avis  cerebelli  83. 

Niere,  Nervenendigungen  462. 

Nodulus  84. 

Nodus  cerebri  80. 

Nucleus  (i)  alae  cinereae  79,  200. 

—  ambiguus  207. 

—  amygdalae  139. 

—  arcuati  204. 

—  caudatus  135,  137. 
feinerer  Bau  191. 

—  centralis  sup.  220. 

—  corporis  mamillaris  97. 

—  dentatus  cerebelli  91,  196. 

—  dorsalis  35,  59. 

(Stillingi,  Clarkii)  35. 

n.  accessorii  200. 

raphes  219. 

—  emboliformis  92. 

—  eminentiae  medialis  207. 

—  fasciculi  euneati  75,  199. 
gracilis  75,  199. 

—  fastigii  91. 

—  funiculi  teretis  207. 

—  globosus  92. 

—  habenulae  109,  110. 

—  hypothalamicus,  feinerer  Bau 
196. 

—  intercalatus  207. 

-  laterales  d.  Oblongata  204. 

—  lateralis  n.  oculomotorii  220. 

—  lemnisci  lat.  220. 

—  lentiformis  138. 


Nucleus  (i)  lentiformis,  feinerer 
Bau  191. 

—  medialis  n.  oculomotorii  223. 

—  motorius  n.  trigemini  216. 

—  n.  abducentis  212. 

—  n.   cochlearis   dorsalis,   ven- 
tralis  211,  230. 

—  n.  facialis  212. 

—  n.  hypoglossi  203. 
-  n.  trochlearis  220. 

—  n.  vestibularis  lat.  (Deiters) 
212,  231. 

—  n.  vestibularis  medialis 
(Schwalbe)  208,  231. 

—  n.  vestibularis  sup.  (Bech- 
terew) 212,  231. 

—  olivaris  accessorius  dorsalis 
207. 

medialis  204. 

inf.  75,  207. 

Entstehung  173. 

sup.  215. 

—  originis  223. 

—  pontis  215. 

—  praepositus  n.  hypoglossi  211. 

—  reticularis  tegmenti  212. 

—  ruber  223. 

—  sensibilis  n.  vagi  200. 

—  sensibiles  n.  trigemini  216. 

—  terminales  224. 

—  thalami  ant.,  lat.,  medial.  106. 

—  tractus  solitarii  204. 

—  tractus  spinalis  n.  V.  200. 

—  trapezoides  215,  230. 

—  tuberculi  acustici  230. 

O. 

Oberwurm  83. 

Obex  72. 

Oesophagus,  Nervenendigungen 

460. 
Oliva  72. 
Olive  72. 
Olivenkern  75. 
Operculum  120. 
Organstruktur   d.  Ganglien    13. 

—  d.  Nerven  12. 

—  d.  Nervensystems,  Allgemei- 
nes 4. 

P. 

Pacchionische  Granulationen 

156. 
Pachymeninx  spinalis  24. 
Paraganglien  (Kohn)  445. 
Paraganglion  intercaroticum  446. 

—  lumbale  446. 


Paraganglion  suprarenale  446. 

Parictalorgan   110. 

Pars  basilaris.dors.  pontis  80,2 15. 

—  centralis  des  Scitenvcntrikels 
135,  136. 

—  descendens  nervi  IV  219. 

—  inf.   intermedia,    sup.  fossae 
rhomboideae  79. 

—  libera  columnae  fornicis  140. 

—  mamillaris    hypothalami    97. 

—  opercularis,  orbitalis.triangu- 
laris  124. 

—  optica  hypothalami  98. 

—  prima  radicis  n.  facialis  212, 
230. 

—  seeunda  radicis  n.  facialis  230. 

—  supra-.infraclavicularisd.  Ple- 
xus brachialis  355. 

—  teeta  columnae  fornicis  109, 
140. 

Paukensaite  318. 
Pedunculi  cerebri  93. 
Pedunculus  corporis  callosi  124, 

143. 
-  floeculi  83. 

—  nuclei  olivaris  208. 
Perineurallamellen  12. 
Perineurium  12. 
Pfropfkern  92,  199. 
Piagefäße  156. 

Pia  mater  Blutgefäße  162. 
encephali  157. 

-  Nerven  31,  162. 

spinalis  31. 

Piatrichter  31,  158. 
Pinselzellen  44. 

Plexus  aorticus  abdominalis  439, 
444. 
thoracalis  439,  440. 

—  arteriae  cerebri  ant.  451. 

—  —  —  mediae  451. 

—  —  chorioideae  451. 

—  auricularis  post.  432. 
bildungen  d.  Nerven  14. 

—  brachialis  354. 

—  bronchialis  433. 

—  cardiacus   prof.,   superf.  433. 

—  caroticus  communis  432. 
ext.  432. 

int.  297,  450. 

—  cavernosus  450. 

—  —  clitoridis  449. 

—  —  penis  448. 

—  cervicalis  350. 
Hautäste  350. 

-  post.  345. 


474 


Register. 


Plexus  Cervicitis,  Verbindungen 
350. 

—  cervicobrachialis  341. 

—  chorioidci  158. 

—  —  Entwicklung  173. 
ventriculi    lat.    105,    158. 

-  —  ventriculi  tertii   158. 

-  coccygeus  413. 

—  coeliacus  441. 

—  coronarius  cordis  ant.,  post. 
434. 

—  deferentialis  448. 

—  dentalis  inf.  312. 

—  —  sup.  304. 

—  epicardiacus  436. 

—  femoralis  444. 

—  gastricus  ant.  330,  332. 
inf.  443. 

post.  332. 

sup.  442. 

—  haemorrhoidalis  medius  448. 

-  —  sup.  444. 

—  hepaticus  442. 

-  hypogastrici  inff.  447. 

-  hypogastricus  sup.  445. 

—  iliacus  444. 

—  infraorbitalis  322. 

-  intestinalis  341. 

—  latt.,mediusventriculiIV,  160. 

—  lienalis  443. 

-  lingualis  432. 

-  lumbalis  383. 

—  lumbosacralis  341,  383. 

—  mammarius  int.  433. 

—  maxillaris  ext.  432. 
int.  432. 

—  meningeus  341,  432. 
ant.,  post.  349. 

—  mesentericus  inf.  444. 

—  —  sup.  443. 

-  myentericus  327,  443. 

—  nervosus  piae  matris  32. 

—  occipitalis  432. 

-  oesophagei    ant.,    post.  330. 

-  ophthalmicus  451. 

-  parotideus  n.  facialis  317. 

—  pharyngeus  324,  327. 

—  —  ascendens  432. 

—  phrenicus  354,  442. 

—  popliteus  444. 

—  prostaticus  448. 

—  pudendus  409. 

—  pulmonalis  ant.,  post.  330. 

—  —  n.  sympathici  434. 

—  renalis  442. 

—  sacralis  383,  393. 


Plexus  sacralis  post.  348. 

—  seminalis  448. 

—  solaris  441. 

-  spermaticus  442. 

—  subclavius  433. 

—  submucosus  327,  443. 

—  suprarenalis  442. 

—  sympathici  427. 

—  temporalis  superfic.  432. 

—  thyreoideus  inf.  432. 

-  sup.  432. 

—  trachealis  433. 

-  tympanicus  (Jacobsoni) 
324,  450. 

—  uterovaginalis  449. 

—  vertebralis  349,  433. 

-  vesicalis  448. 
Pltca  chorioidea  173. 

—  petroclinoidea  lat.,  medialis 
151,  293. 

Polster  d.  Thalamus  106. 

Polus  frontalis,  occipitalis,  tem- 
poralis d.  Gehirns   1 17. 

Pons  (Varoli)  80. 

Portio  major,  minor  n.  trigemini 
228,  300. 

Porus  abducentis  294. 

—  hypoglossi  294. 

—  oculomotorii  293. 

—  trigemini  293. 

—  trochlearis  293. 
Praecuneus  125. 
Processus  infundibuli  170. 
Projektionsbahnen,    kurze    147. 

—  lange  147. 
Projektionsfasern   187. 
Projektionssysteme   145. 
Propons  76. 
Psalterium  141. 
Pulvinar  106. 

Purkinjesche  Zellen  188. 
Putamen  138. 
Pyramidenbahn  147,  276. 
Pyramidenbahnen    d.  Tiere  61. 
Pyramide  d.  Unterwurms  84. 
Pyramiden-kreuzung  71. 

—  -Schicht  d.  Großhirnrinde 
176. 

—  -seitenstrang  35. 

—  -seitenstrangbahn  61,  277. 

—  -vorderstrang  35. 

—  -vorderstrangbahn    60,    277. 
zellen  176. 

Pyramis  medullae  oblongatae 
72. 

—  vermis  84. 


Radiatio  corporis  callosi   143. 

—  occipitothalamica  140. 
Radix  (ices)antt.,postt.  d.  Rücken- 
markes 53,  54. 

—  —  —  d.  Rückenmarknerven 
336. 

—  ascendens  fornicis  142. 

—  brevis   (motoria)   ganglii    ci- 
liaris  297. 

—  cochlearis  323. 

—  descendens  IX,  X  203. 

—  —  fornicis  142. 
n.  vestibularis  208. 

-  ganglii  otici  314. 

—  —  submaxillaris  315. 

-  lat.,  medial.  d.Tractusopticus 
102. 

—  longa    (sensitiva)  ganglii  ci- 
liaris  297,  301. 

—  media    (sympathica)    ganglii 
ciliaris  297. 

—  meseneephalica   n.  trigemini 
216,  228,  281,  300. 

—  n.  spinalis  336. 

—  symp.    gangl.   submax.    432. 

—  vestibularis  323. 
Räume,  subarachnoidale  155. 
Ramuli  spirales  323. 

—  tympanici  324. 

Ramus  (i)  alveolares  supp.  postt. 
303. 
ant.  304. 

—  alveolaris  sup.   medius  304. 

—  anastomoticus  (i)  (ggl.  otici) 
c.    n.    auriculotemporali    315. 

(ggl.  otici)  c.  chorda  tym- 

pani  315. 

-  (ggl.  otici)  cum  n.  spinoso 
314. 

—  —  (n.  auriculotemporalis)  c. 
n.  faciali  311. 

I (n.  digit.  vol.  com.  III)  c. 

n.  ulnari  369. 

—  —  (n.  facialis)  c.  n.  glosso- 
pharyngeo  321. 

—  —  (n.  facialis)  c.  plexu  tym- 
panico  318. 

—  —  (n.  facialis)  c.  ramo  auri- 
culari  n.  vagi  318. 

—  —  (n.  glossopharyngei)  c.  n. 
vago  324. 

—  —  (n.  glossopharyngei)  c. 
plexu  tympanico  324. 

—  —  (n.  glossopharyngei)  c. 
ramo   auriculari  n.  vagi  324. 


Register. 


Raums  anastomoticus  (i)  (n. 
hypoglossi)  c.  ansa  cervicali 
prima,  seeunda  334,  335. 

(n.  hypoglossi)  c.  ganglio 

cervicali  sup.  334. 

—  —  (n.  hypoglossi)  c.  ganglio 
nodoso  n.  vagi  334. 

—  —  (n.  lacrimalis)  c.  n.  zygo- 
matico  300. 

—  —  (n.  laryngei  sup.)  c.  n. 
laryngeo  in  f.  327. 

—  —  (n.  lingualis)  c.  n.  hypo- 
glosso  313. 

—  —  (n.  mediani)  c.  n.  muscu- 
locutaneo  365. 

—  —  (n. mediani)  c.  n.ulnari366. 
(n.  tvmpanici)  c.  n.  faciali 

324. 

—  —  (n.  tvmpanici)  c.  n.  sym- 
pathico  324. 

(n.  tympanici)  c.  n.  vago 

324. 

—  —  (n.  tympanici)  c.  ramoauri- 
culari  n.  vagi  324. 

—  —  (n.  ulnaris)  c.  n.  mediano 
370. 

—  —  inf.  sup.  (n.  vagi)  c.  ggl. 
cervicali  sup.  327. 

—  —  (n.  vagi)  c.  n.  accessorio 
327. 

—  —  (n.  vagi)  c.  n.  glossopha- 
ryngeo  326. 

(n.  vagi)  c.  n.  hypoglosso 

327. 

peronaeus  399,  404. 

ulnaris    d.    R.    superf.    n. 

radialis  376. 

—  anteriores  d.  Brustnerven  379. 

—  antt.  d.  Spinalnerven  349. 

—  ant.,  post.  n.  laryngei  inf.  329. 

—  ant.,  post.  n.  obturatorii  393. 

—  articularis  (es)  genus  sup.  399. 

—  —  n.  auriculotemporalis  311. 

—  —  n.  axillaris  363. 

n.  ischiadici  396. 

n.  mediani  365. 

n.  obturatorii  393. 

n.  tibialis  404. 

n.  ulnaris  370. 

—  auricularis   (n.  facialis)   318. 
n.  vagi  326. 

—  bronchiales  antt.,  postt.  n. 
vagi  330. 

—  buccales  (n.  facialis)  321. 

—  calcanei  latt.  404. 
mediales  407. 


Ramus   (i)    cardiaci   inff. ,   supp. 
328,  329,  330. 

—  caroticus  n.  laryngei  sup.  327. 

—  cocliaci  n,  vagi  332. 

—  colici  443. 

—  collateralis  ulnaris  n.  radialis 
374. 

-  colli  (n.  facialis)  322. 

—  communicans  albus,   griseus 
415. 

—  —  (n.  auriculo-temp.)  c.  gan- 
glio otico  311. 

—  —  (n.  hypoglossi)   c.  n.  lin- 
guali  trigemini  336. 

—  communicantes  413,  427,  430. 

—  —  c.   n.   linguali    (ggl.  sub- 
maxillaris)  315. 

—  cutanea  antt.,   latt.   d.  Inter- 
kostalnerven 382. 

ant.,   lat.  d.  N.  iliohypo- 

gastricus  385. 
antt.,  latt.  (pectorales   et 

abdominales)  382. 
antt.  d.  N.  femoralis  389. 

—  —  brachii    (n.  cutanei   anti- 
brachii  medialis)  373. 

femoris  postt.  395. 

—  —  obturatorius  393. 
palmaris  (n.  ulnaris)  370. 

—  descendens  hypoglossi  335. 

—  dentales  304. 

inff.  312. 

supp.  304. 

—  diaphragmatici     n.    phrenici 
354. 

—  digastricus  (n.  facialis)  321. 

—  dorsalis  manus  370. 

—  epiglottici  327. 

—  ext.,  int.  n.  accessorii  332. 

—  ext.,  int.  n.  laryngei  sup.  327 

—  frontales  301. 

—  gastrici  n.  vagi  332. 

—  geniohyoideus  336. 

—  gingivales  inff.  312. 

—  —  supp.  304. 

—  glandis  413. 

—  hepatici  n.  vagi  332. 

—  incisivus  312. 

—  inf.,  sup.d.Oculomotorius297, 

—  infrapatellaris  393. 

—  intergangliares  427. 

—  intertubercularis  363. 

—  intestinales  443. 

—  isthmi  faucium  313. 

—  labiales  inff.  312. 
supp.  305. 


Ramus  (i)  lacrimales  300. 

—  laryngopharyngci  432. 

—  lienalcs  n.  vagi  332. 

-  linguales  313. 

n.  glossopharyngei  324. 

n.  hypoglossi  336. 

n.  vagi  327. 

—  mammarii  latt.,  mediales  382. 

-  marginalis    mandibulae    321. 

—  membranae  tympani  311. 

—  meningeid.  Spinalnerven  348. 

—  meningeus  n.  hypoglossi  336. 

—  —  n.  vagi  325. 

—  mentales  312. 

—  musculares  n.  axillaris  363. 

—  —  n.  femoralis  390. 

d.   Interkostalnerven  381. 

n.  ischiadici  396. 

n.  mediani  365. 

n.  perinei  410. 

n.  peronaei  superfic.  399. 

plexus  lumbalis  384. 

—  —  n.  radialis  374. 

n.  tibialis  404. 

n.  ulnaris  370. 

—  nasales  antt.,  extt.,  intt.,  latt., 
med.  302. 

—  nasales  extt.,  intt.  305. 

postt.,  inff.  (latt.)  309. 

supp.  (latt.)  306. 

—  supp.  306. 

—  supp.  mediales  306. 

—  nasalis  304. 

—  n.  spinalis  338. 

—  occipitalis  (n.  facialis)  318. 

—  oesophagei  n.  vagi  329,  330. 

—  orbitales  309. 

—  palmaris  n.  mediani  366. 

—  palpebralis  300. 

—  palpebralis  inf.,  sup.  301. 
inff.  305. 

—  pancreaticoduodenales  443. 

—  parotidein.  auriculotemp.311. 

—  perforantes   (n.  ulnaris)  373. 

—  pericardiacus  n.  phrenici  354. 

—  pericardiaci  n.  vagi  330. 

—  perineales  d.  N.  cut.  femoris 
post.  395. 

—  peritonaeales   d.  Interkostal- 
nerven 382. 

—  pharyngei  n.  glossopharyngei 
324. 

n.  vagi  327. 

—  phrenicoabdominalis  354. 

—  pleurales  d.  Interkostalnerven 
382. 


476 


Register. 


Ramus  (i)   pleurales  n.  phrenici 
354. 

—  popliteus  n.  tibialis  404. 

-  posteriores     d.     Brustnerven 
347. 

-  —  der  Halsnervcn  345. 
—  d.  Kreuznerven  348. 

-  —  d.  Lendennerven  347. 

-  —  d.  Spinalnerven  342. 
d.  Steißnerven  348. 

-  profundus  n.  plantaris lat. 408. 
n.  radialis  375. 

—  —  n.  ulnaris  370. 

-  pulmonales  434. 

—  renales  n.  vagi  332. 

—  renalis  440. 

—  sternocleidomastoidcus   352. 

—  stylohyoideus(n.facialis)321. 

—  submaxillaris   des  Ggl.  sub- 
maxillare  315. 

-  superficialis   n.  plantaris  lat. 
408. 

n.  radialis  376. 

—  —  n.  ulnaris  370. 

—  temporales  (n.  facialis)  321. 
superficiales  311. 

—  terminalisradialis(n.mediani) 
369. 

-  —  ulnaris  (n.  mediani)  369. 

—  thyreohyoideus  336. 

—  tonsillares  n.glossopharyngei 
324. 

-  tracheales  inff.   n.  vagi  330, 

-  —  et  oesophagei  supp.  329. 

—  transversid.Sympathicus427. 

—  trapezius  352. 

-  tubae  324. 

—  vasculares  n.  hypoglossi  336. 

-  volaris  digiti  IV  ulnaris  370. 
V.  radialis  370. 

—  medii  ulnaris  369. 

— medii  radialis  369. 

-  —  —  quarti  radialis  369. 

—  —  indicis  ulnaris  369. 

—  —  manus  370. 

—  volaris,    ulnaris    (n.   cutanei 
antibrachii  medialis)  373. 

-  zygomatici   (n.   facialis)  321. 

—  zygomaticofacialis  303. 

-  zygomaticotemporalis  303. 
Randbogen  d.  embryonalen  Hirn- 
wand 172. 

Raplic  d.  Oblongata  204. 
Rathkesche  Tasche  169. 
Rauber,   Ansa   intergenicularis 
110. 


Räume,  subaraclinoidale  155. 
Rautengrube  76. 
Recessus  infundibuli  101. 

—  lat.  vcntriculi  quarti  79,  134. 

-  opticus   101,   114. 

—  pinealis   1 10. 

—  saecularis  102. 

—  suprapinealis  110. 

—  triangularis  113. 
Reflexbogen  56. 
Reflexkollateralen  56. 
Reflexneuron  56. 

Regiones  d.  Endhirnrinde  179. 
Reil,  Stabkranz   146. 

—  Sulcus  circularis  119. 
Reizleitung    im     Nerven,     Ge- 
schwindigkeit 12. 

Reizleitungssystem  des  Herzens, 

Nerven  439. 
Remaksche  Fasern  415. 
Remakscher  Knoten  434. 
Rete  canalis  hypoglossi  334. 
Retzius,    Eminentia  saecularis 

101. 
Rhinencephalon  118. 
Rhinocoel  118. 
Rhombomeren  168. 
Riechbahnen,  zentrale  275. 
Riechchiasma  145. 
Riechlappen   118. 

—  hinterer  117. 

vorderer  119. 

Riechnerv,  Ursprung  224. 
Riechwulst  118. 

Riegel  72. 

Riesenpyramidenzellen  178. 
Rindenfelder  d.  Hirnrinde,  myelo- 
genetische  247. 

—  —  —  physiologische  252. 
—  nach  d.  Zellenschich- 
tung 178. 

Rindenzellen,    kleine,  d.  Klein- 
hirnrinde  189. 
Rolandi,  Sulcus  centralis  121. 
Rolandosche  Substanz  34. 
Rostrum  corporis  callosi  142. 
Rückenfurche  166. 
Rückenmark  19. 

—  Bahnen  60. 

—  Bau,  feinerer  38. 

—  Durchmesser  21. 

-  Form,  Lage  19. 

-  Furchen  22. 

-  Gefäße  32. 

—  Gesamtaufbau  58. 

—  Gewicht  22. 


Rückenmark-haut,  harte,  weiche 
24. 

—  Hüllen  24. 

—  Krümmungen  22. 

—  Länge  21. 

—  Lymphgefäße  33. 

—  Nerven,  Allgemeines  336. 

—  Nervenzellen-anordnung  35. 

—  —  Einteilung  46. 

-  Querschnittsbilder  33. 

—  Rindenschicht  46. 

j  —  Schicht,  subpiale  46. 

—  Segmente  21. 

-  Stränge  22. 

—  Topographie  21. 

—  Zackenband  28. 

—  Zahl  d.  Fasern  57. 
Rumpfplexus,  Einteilung  349. 

—  oberer,  unterer  340. 

S. 

Saccus  vasculosus  101. 
Säule,  Clarkesche  35,  59. 
Säulen,  graue  d.  Rückenmarkes 

34. 
Säule,  graue,  Mittelfeld  59. 
Sakralnerven  342. 
Scarpa,    Ganglion    temporale 

432. 

—  Ggl.  vestibuläre  323. 

—  N.  nasopalatinus  305,  306. 
Schädelbasis,  Durchtritt  d.  Hirn- 
nerven 293. 

Schale  d.  Linsenkerns  138. 

Schamgeflecht  409. 

Scheide,  Henlesche  416. 

Scheidenzellen   14. 

Scheitelhöcker  d.  Embryo    169. 

Scheitelkrümmung,  hintere,  vor- 
dere d.  Gehirns  169. 

Scheitelläppchen,  oberes,  unteres 
125. 

Scheitellappen,  Furchen   122. 

—  Windungen  125. 
Schemata  d.  Hirnfurchung  130. 
Schicht,  rostfarbene,  d. Kleinhirns 

188. 

—  subpiale  36,  46. 
Schläfen-Iappen,    Furchen    123. 

-  -pol.  117. 

—  -Windungen  126. 
Schläfen-Windung,  mittlere,  obe- 
re, untere  126. 

Schleife,  laterale  92,  219. 

-  mediale  92,  200. 
Schlcifenkrcuzung  200. 


Register. 


477 


Schmetterlingsfigur  d.  Rücken- 
markes 34. 

S  ch  n  1  tzesches  Komma  54,  62. 

Schwalb  e,  Nucl.  n.  vestibularis 
medialis  208. 

—  Sichellappen  127. 

—  Trigonum  habenulae  106. 
Schweifkern  135,  137. 
Segment,  neurales  3. 
Segmente  d.  Rückenmarkes,  Lo- 
kalisation d.  Funktion  421. 

Seh-bahnen,  Verlauf  272. 
hügel  105. 

—  -nerv,  Ursprung  224. 

—  -region,  feinerer  Bau  180. 
Strahlung  109,  147. 

streifen  65. 

—  -Zentrum  255. 
Seiten-platte  166. 

säule  d.  Rückenmarkes  34. 

Säulengruppe  35. 

Seitenstrang  23,  35,  56,  72. 

—  -grundbündel  36. 

kleinhirnbahn  36. 

rest  36. 

Seitenventrikel  134. 

wände  135. 

Sensibilität,  rückläufige  57. 
Septula  medullae  spinalis  35. 
Septum  longitudinale  ant.  22,  31. 

—  pellucidum  125. 
feinerer  Bau  184. 

—  post.  medullae  spin.  22. 

—  subarachnoidale  post.  31. 
Sichellappen,   Schwalbe   127. 
Skeletotopie   des   Gehirns   234. 
Skierozonen  422. 
Sonnenbildchen  13. 
Sonnengeflecht  441. 
Speicheldrüsen.Nervenendigung 

459. 
Sphärencephalon  174. 
Spinalganglien,  Bindegewebe 

418. 

—  Größe  339. 

—  sensible  Nervenapparate  418. 

—  Nervenzellen  48. 
Spinalganglienzellen,  Ableitung 

49. 

—  bipolare,  pseudounipolare 
417. 

Spinalnerven,   Abteilungen  341. 

—  Rr.  anteriores  349. 

—  Rr.  meningei  348. 

—  Rr.  postt.  342. 
Spindelläppchen  126. 


Spindelwindung  126. 
Spinnenwebehaut  24. 
Spitzenfortsatz     d.    Pyramiden- 
zellen  176. 
Splenium    corporis    callosi    143. 
Sprachzentrum,  akustisches  255. 
-  motorisches  252. 

—  optisches  255. 
Stabkranz  146. 

—  d.  Thalamus  109,  147. 
Stammstrang  d.  Sympathicus  427. 
Steißbeingeflecht  413. 
Steißnerven,  R.  post.  348. 
Stiel,  unterer,  vorderer,  d.  Thala- 
mus 109,  147. 

Stiele  des  Kleinhirns  87. 
S tillingscher  Kern  35. 
Stirnlappen,  Furchen  121. 

—  Windungen  124. 
Stirnpol  117. 

Strahlungen  d.  Corpus  striatum, 

d.  roten  Kerns  147. 
Strang,  Burdach  scher  23,  36, 

63. 

—  Goll scher  23,  36,  62. 
Stränge  d.  Plexus  brachialis  355.  j 
Strang,  zarter  23. 

—  -Zeilen  51. 

Stratum  cinereum  cerebelli  188. 

—  —  fossae    rhomboideae    79.  I 

—  gangliosum  cerebelli  188. 

—  glomerulosum,  gelatinosum, 
granulös,  d.  Bulbus  olfactorius 
183,  184. 

—  granulosum  cerebelli  188. 

—  interolivare  lemnisci  211. 

—  reticulatum  d.  Thalamus  109. 

—  zonale  d.  Oblongata  76. 

d.  Thalamus  105. 

Streifen,  Baillargerscher  176. 

—  Gennarischer  176,  178. 

—  Vicq.  d'Azyrscher  181. 
Stria  (ae)  dorsalis  118. 

—  intermedia  118. 

—  longitudinalis  lat.  127. 

—  longitudinales  laterales,  me- 
diales 142. 

—  medulläres  d.  Oblongata  79. 

—  medullaris  thalami  105. 

—  olfactoria  lat.,  medialis  118. 

—  terminalis  105,  136. 

—  transversae  142. 
Subarachnoidalraum  31. 
Subduralraum  27. 
Substantia  alba,  gelatinosa,  gri- 

sea,  nigra  12. 


Substantia    gelatinosa    centralis 

34,  44,  58. 
post.  (Rolandi)  34,  44. 

—  grisea  centralis  34,  44. 

—  nigra  93,  220. 

—  perforata  ant.  1 17. 

—  feinerer  Bau  184. 

post.  94. 

—  reticularis   alba    (Arnoldi) 
127,  181. 

alba  204. 

-  grisea  203,  204. 
Substanz,  gelatinöse,  graue,  wei- 
ße d.  Zentralnervensystems  12. 

—  graue,  Neuroglia  44. 
Mittelfeld  51. 

u.  weiße,   Massenverhält- 
nis 37. 

—  weiße  d.  Rückenmarkes  35. 
d.  Endhirnes  139. 

—  —  d.  Endhirnes,  feinerer  Bau 
184. 

—  —  Neuroglia  45. 

Sulcus  (i)  d.  Endhirnes  6.5,  117, 
120. 

—  basilaris  pontis  80. 

—  centralis  (Rolandi)   121. 

—  —  insulae  119. 

—  cerebelli  83. 

—  cinguli  122. 

—  circularis  (Reili)  119. 

—  corporis  callosi  122. 

-  Entwicklung  171,   172. 

—  frontalis  inf.,  sup.  122. 

—  horizontalis  cerebelli  83. 

—  hypothalamicus  106,  114. 

—  interlobares  120. 

—  intermedius  ant.,    post.   me- 
dullae spinalis  23. 

post.  d.  Oblongata  72. 

—  interparietalis  122. 

—  intralobares  121. 

—  lat.  ant.,  post.  medullae  spi- 
nalis 22. 

d.    Oblongata    72. 

—  lat.  mesencephali  93. 

—  limitans  fossae  rhomboideae 
79. 

—  limitantes  173. 

—  medianus     fossae    rhomboi- 
deae 79. 

post.  medullae   spin.  22. 

—  n.  oculomotorii  93. 

—  occipitales    latt.,    supp.   123. 

—  occipitalis    transversus    121. 

-  olfactorius  118,  122. 


478 


Register. 


Sulcus  (i)  orbitales  122. 

—  parolfactorius  ant.,  post.  122. 

—  praecentralis  121. 

—  retrocentralis  122. 

—  subparietalis  122. 

—  temporales  transversa  124. 

—  temporalis  inf.,  medius,  sup. 
124. 

Sylvii  Fissura  cerebri  lat.  120. 
Sympathicus,    elementarer    Bau 
453. 

—  Entwicklung  452. 

—  Entwicklung     d.    Bauchteils 
446. 

—  Faserverlauf  463. 

—  Grenzstrang  427. 
Xebenorgane  445. 

—  Nervenendigungen  458. 

—  physiolog.  Faserarten  456. 

—  der  Tiere  451. 
Verbreitungsgebiet  456. 

Systema  nervorum  centrale,  Ein- 
teilung 1. 

—  —  periphericum   1. 

—  —  sympathicum  427. 


Taenia  chorioidea   105,  136,  162. 

—  fornicis  141,  162. 

—  thalami  105,  162. 

—  ventriculi  IV  76,  161. 
Taenien  d.  Gehirns  161. 
Tal  des  Kleinhirns  83. 
Tangentialfasern    d.    Großhirn- 
rinde 176. 

Tangentialfaserschicht  177. 
Tapetum  136,  143. 

—  -Strahlung  136. 

Tarini,     Fossa    interpeduncu- 

laris  94. 
Tasche,  Rathkesche  169. 
Tegmentum  94. 
Tegmen  ventriculi  tertii   114. 

—  —  quarti  76. 

Tela   (ae)   chorioidea   ventriculi 
tertii  158. 

—  chorioidea   ventriculi    quarti 
76,  159. 

Telencephalon   114,   174. 
Telodendron  5. 
Tentorium  cerebelli  151. 
Thalamencephalon  105. 
Thalamus  105. 

—  feinerer  Bau  194. 
Gitterschicht  109. 

-  Kerne   108,   109. 


Thalamus,    Stabkranz    109,    146, 
195. 

—  Stiele  109,  147,  195. 

—  Strahlungen  147. 

—  Stratum  reticulatum  109. 
Tiergehirne,  Windungen  133. 
Tonsilla  cerebelli  83. 
Trachea,  Nervenendigungen  462. 
Tractus  bulbothalamicus  lat.,  me- 

dialis  261. 

—  cerebrospinalis  147. 

—  cervicolumbalis  dorsalis 
(Flechsig)  64. 

—  frontopontinus   147. 

—  habenulopeduncularis  109. 

—  olfactorius  118. 

—  —  feinerer  Bau  184. 

—  opticus  102. 

—  rubrospinalis    61,    196,    220. 

—  solitarius  203,  231. 

—  spinalis  nervi  trigemini  200. 

—  spinoolivaris  (Bechterew) 
64. 

—  spinotectalis  64. 

—  spinothalamicus  (Edinger) 
64. 

—  tectobulbaris  287. 

—  tectospinalis  61,  220. 

—  temporopontinus  148. 

—  thalamoolivaris      (Bechte- 
rew) 207,  220. 

—  vestibulospinalis  61,  291. 
Trapezkern  215,  230. 

körper  230. 

Trichter  101. 

fortsatz  170. 

Trigeminuskern ,    accessorischer 

280. 
Trigeminus,  Verbreitungsgebiet 

315. 
Trigonum  collaterale  136. 

—  habenulae  106,  110. 

—  lemnisci  92. 

—  nervi  hypoglossi  79. 

—  olfactorium  118. 

—  —  feinerer  Bau  184. 
Truncus  corporis  callosi  142. 

—  fissurae  lat.  cerebri  120. 

—  lumbosacralis  383,  393. 

—  sympathicus  427. 
Tschisch,  Corpus patellare  109. 
Tuber  cinereum  98. 
Tuberculum  acusticum  79. 

—  ant.  thalami  106,  109. 

—  cinereum  75. 

—  cuneatum  75. 


Tuber  cinereum  98. 

—  olfactorium   118. 

—  vermis  84. 

U. 

Übergangswindungen  130. 
Uncus-Bändchen  (Giacomini) 
127. 

—  (gyri  hippocampi)  126. 
Untersuchungsmethoden  d.  Ner- 
vensystems 17. 

Unterwurm  83,  84. 
Ursprungskerne    vorderer    Ner- 
venwurzeln 59. 
L'rwindungen   1_'9. 
Uvula  (vermis)  84. 


Vagina  terminalis  21,  24. 
Vallecula  cerebelli  83. 

—  cerebri  lat.  1 17. 

—  lat.  120. 

Variabilität  d.  Hirnwindungen 
131. 

Varoli,  Pons  80. 

Vela  medullaria  92. 

Velum  medulläre  ant.  76,  88,  92. 

post.  76,  84,  92. 

Vena  (ae)  centrales  d.  Rücken- 
markes 32. 

—  cerebri  intt.  158. 

magna  (Galeni)  158. 

—  chorioidea  158. 

—  spinalis  ant.,  post.  32. 

—  terminalis  105,  158. 
Ventralfeld  d.  Hinterstränge  53. 
Ventriculus  lat.  134. 

—  olfactorius  118. 

—  pinealis  110. 

—  quartus  76. 

—  terminalis  37. 

—  tertius   1 13. 
Verbindungen  d.  Nerven  14. 
Verbindungsbahnen   10. 
Verbindungsgeflecht  438. 
Verbrechertypus  d.  Hirnfurchen 

131. 

Vergleichung  d.  Hirn-  u.  Rücken- 
marknerven 425. 

Vermis  inf.,  sup.  83. 

Verschiedenheiten,  örtliche  der 
Großhirnrinde  178. 

Viae  nerveae  centrales  235. 

Vicq  d'Azyrsches  Bündel  10!», 
142. 

Vicq  d'Azyr scher  Streifen  181. 


Register. 


479 


Vidii  N.  canalis  pterygoidei  305. 
Vierlnigelarme  94. 
Vierhügelplatte  94. 
Vieussenii  ansa  subclavia  428. 
Vincula  lingulae  84. 
Vlies  196. 
Vliesregion  91. 
Vogelsporn   123,   136. 
Vorbrückchen  76. 
Vordcrhirnblüschen  167. 
Vordersäule  d.  Rückenmarkes 34. 
Vordersäulenzellen  der  hinteren 

Wurzeln  50. 
Vordersäule,  Zellengruppen  35, 

59. 
Vorderseitenstrang  24. 
Vorderstrang  23,  35,  56. 

—  -grundbündel  35. 

rest  35. 

Vorderwurzelzellen  47. 
Vorhofsgeflecht  438. 
Vormauer  138. 
Vormauerformation  192. 
Vorzwickel  125. 

W. 

Wald ey er,    epiduraler  Lymph- 
raum 24. 

—  Markbrücke  36. 

—  subpiale  Schicht  36,  46. 
Weigert,  Markscheidenfärbung 

18. 
Wernickesche  Stelle  255. 
Windung  (en)  des  Gehirns  65. 

—  von  Tiergehirnen  133. 


Windung,  zungenförmige  126. 

Wipfelblatt  84. 

W  r  i  sb  e  rg  i,  Ganglion  cardiacum 

431,  433. 
Wulst  des  Unterwurms  84. 
Wurm  des  Kleinhirns  83,  84. 

—  Marklager  87. 
Wurzelcintrittszone  62. 
Wurzelfasern,  Definition  9. 

—  hintere  54. 

—  vordere  53. 
Wurzeln,  hintere  36,  54. 

—  der  Hirnnerven  148. 

—  motorische  19,  36,  53. 

—  sensible  19,  36,  54. 

—  vordere  36,  53. 
Wurzelzellen    d.   Rückenmarkes 

47. 


Zackenband  d.  Rückenmarkes 28. 
Zählung  der  Hirnnerven  148. 
Zäpfchen  d.  Unterwurms  84. 
Zahl  der  Fasern  d.  Nervenwurzeln 

57. 
Zellen,  chromaffine  445. 

—  gefensterte    der    Spinalgan- 
glien 49. 

—  Golgische  5. 

gruppen  der  Vordersäule  35, 

59. 

—  polymorphe  d.  Großhirnrinde 
176,  177. 

—  Purkinjesche  188. 
Zelt  76. 


Zentralkanal  34,  37. 
Zentralkcrn  des  Thalamus  109. 
Zentralläppchen  84. 
Zentralnervensystem,  Einteilung 

1. 
Zentralwindungcn ,  feinerer  Bau 

179. 
Zentralwindung,  hintere  125. 

—  vordere  124. 
Zentren,  Definition  9. 

—  motorische,  psychische,  sen- 
sorische d.  Großhirnrinde  252. 

Zirbel  110. 

—  Bau,  feinerer  194. 

—  Entwicklung  170. 
Zona  incerta  196. 
Zonalschicht     der    Hintersäulen 

45,  53. 
Zona  postrolandica  53. 

—  spongiosa  36,  45. 

—  terminalis  35,  36. 
Zotten,  arachnoidale  156. 
Zuckerkandl,      Nebenorgane 

d.  Sympathicus  445. 

Züngelchen  d.  Wurms  84. 

Zungenfleischnerv,  Ursprung233. 

Zungenschlundkopfnerv,        Ur- 
sprung 231. 

Zwickel  126. 

Zwinge  139. 

Zwischenhirn  97. 

—  Arterien  164. 

—  feinerer  Bau  192. 
Zwischenstränge  d.  Sympathicus 

427. 


Druck  von  Richard  Hahn  (H.  Otto)  in  Leipzig. 


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Monographien 


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Zeugung  beim  Menschen 

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Dr.  med.  Hermann  Rohleder, 

Spezialarzt  für  Sexualleiden  in  Leipzig. 

Band  I: 

Die  Zeugung  beim  Menschen. 

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Band  II: 

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Band  III: 

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M.  5.80,  geb.  M.  6.80. 

Band  IV: 

Die  libidinösen  Funktionsstörungen  der 
Zeugung  beim  Weibe. 

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Das  ganze  Buch  ist  eine  hoch  interessante  und  spannende  wissenschaftliche  Lektüre. 

(Münchener  mediz.   Wochenschrift.) 

Jeder,    der  sich    für   diese  Frage  interessiert,    und   das   sollten  selbstverständlich  in  erster  Linie  alle 

Ärzte  sein,  sollte  dieses  neue  Werk  Kohleders,  „Die  Zeugung  unter  Blutsverwandten",  genau  durchstudieren. 

(Folia  urologica.) 
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halts, aus  welcher  der  Arzt  viel  Belehrung  zu  schöpfen  vermag.  (Deutsche  Mediz.  Wochenschrift.) 

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der 


gesamten  Röntgendiagnostik 

innerer  Krankheiten 

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Dr.  Fritz  Munk, 

Assistent  der  II.  mediz.  Klinik  der  kgl.  Charite  in  Berlin. 

Mit  155  Abbildungen. 
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Das  vorliegende  Buch  soll  die  Ärzte  und  Studierenden  die  Fähigkeit  der  Deutung  der  Röntgenbilder  lehren 
und  ihnen  die  Kenntnisse  der  wichtigsten  tedinischen  Prinzipien  ihrer  Herstellung  vermitteln.  Die  Abbildungen  sind 
überaus  reidihaltig  und  instruktiv,  fast  ausschließlich  aus  Originalaufnahmen  geboten,  die  mit  ihren  natürlichen 
Mängeln  und  Vorzügen  leichter  und  sachlicher  als  die  schematischen  Zeichnungen  in  die  Röntgenkunde  einführen. 

Wenn  das  Buch  auch  vorzüglich  für  den  Lernenden  bestimmt  ist,  so  wird  doch  auch  jeder,  der  schon 
längere  Zeit  interne  Röntgendiagnostik  betreibt,   bei  der  Lektüre  reichliche  Belehrung  „und  Anregung  finden. 

(Österr.  Ärzte-Zeitung.) 
Das  Büchlein  kann  angelegentlich  jedem  Studierenden  empfohlen  werden. 

(Deutsche  Medizinische  Wochenschrift.) 


Über  die  Ernährung  des  Auges 

von 
Dr.  med.  C.  Hamburger, 

Augenarzt  in  Berlin. 

Mit  26  Textabbildungen  und  8  farbigen  Tafeln. 

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Hamburger  hat  sich  mit  dem  Thema  der  Saftströmungen  im  Auge  seit  mehr  als  15  Jahren  experimen- 
tell beschäftigt  und  die  gültige  Lehre  von  den  Saftbahnen  bekämpft.  Das  Interesse  der  Arbeit  geht  weit  über 
den  engen  Kreis  der  Ophthalmologen  hinaus,  indem  sie  die  Prinzipien  der  Ernährung  der  Gewebe  an  einem 
so  ausgezeichneten  Objekt,  wie  das  Auge  ist,  klarzulegen  sucht. 

Die  Lehre  von  den  okkulten  Blutungen 

für  Studierende  und  Ärzte. 

Von 

Prof.  Dr.  I.  Boas, 

Spezialarzt  für  Magen-  und  Darmkrankheiten  in  Berlin. 

Mit  5  Abbildungen  und  1  farbigen  Tafel. 
M.  5.—,  geb.  M.  5.80. 

Bei  der  zweifellos  großen  diagnostischen  Wichtigkeit  des  Blutnachweises  für  die  Erkenntnis  von 
Magen-Darmleiden  kann  man  dem  übersichtlichen  Buche  nur  weite  Verbreitung  wünschen. 

(Deutsche  Medizinische  Wochenschrift.) 


Verlag  von  Georg  Thieme  in  Leipzig. 


Roth's 
Klinische  Terminologie 

Zusammenstellung  der  in  der  Medizin  gebräuchlichen  technischen 
Ausdrücke  mit  Erklärung  ihrer  Bedeutung  und  Ableitung 


Dr.  E.  Oberndörffer, 

Berlin. 

Achte,  zu  einem  Wörterbuch  der  gesamten  Medizin 
erweiterte  Auflage. 

Geb.  M.  12.-. 

Die  vorliegende  8.  Auflage  enthält  jetzt  die  vollständig  neilbearbeitete  Terminologie  der  Medizin 
einschließlich  Arzneimittellehre  und  chemischen  Pathologie,  der  Anatomie,  Embryologie,  Physiologie  und 
der  physiologischen  Chemie. 

Das  sehr  praktische  Nachschlagewerk  wird  der  heutigen  Empfehlung  kaum  bedürfen,  um  auch  weiter- 
hin seinen  Lauf  zu  machen.  (Deutsche  Medizinische  Wochenschrift.) 

Lehrbuch  der  Organotherapie 

mit  Berücksichtigung  ihrer  anatomischen  und  physiologischen  Grundlagen 

bearbeitet  von 

Karl  Basch  (Prag),  Gustav  Bayer  (Innsbruck),  L.  Bor- 
chardt  (Königsberg),  Rud.  Ehrmann  (Berlin),  Artur  Foges 
(Wien),  M.  Höfler  (Bad  Tölz),  Alfred  Kohn  (Prag), 
Friedr.  Pineles  (Wien),  Julius  Wagner  von  Jauregg  (Wien) 

Herausgegeben  von 

Hofrat  Prof.  Dr.  J.  Wagner  von  Jauregg  in  Wien 

und 

Privatdozent  Dr.  G.  Bayer  in  Innsbruck. 

Mit  82  Textabbildungen. 
M.  13.-,  geb.  M.  14.—. 

Das  vorliegende  Buch  erfüllt  eine  vorhandene  Lücke;  es  faßt  alle  Tatsachen  zusammen,  die  für  die 
Organotherapie  von  Wichtigkeit  sind,  und  es  ist  bestimmt,  für  den  Praktiker  das  zu  werden,  was  Biedls 
Work  über  innere  Sekretion  für  den  Theoretiker  geworden  ist.  Es  liegt  ein  Werk  vor,  dessen  Lektüre  jedem 
Arzte  auls  wärmste  empfohlen  werden  kann.  (Prager  Med.  Wochenschrift.) 

Das  Buch  kann  der  .Inneren  Sekretion"  von  Biedl  an  die  Seite  gestellt  werden.  Wer  sich  mit  Studien 
der  inneren  Sekretion  befaßt,  wird  es  nicht  entbehren  können.  (Zentralblatt  für  Chirurgie.) 


Verlag  von  Georg  Thieme  in  Leipzig. 


Therapeutische  Technik 

für  die  ärztliche  Praxis. 

Ein    Handbuch    für  Ärzte   und    Studierende. 

Herausgegeben  von 

Prof.  Dr.  Julius  Schwalbe, 

Geh.  San. -Rat  in  Berlin. 

Vierte,  verbesserte  und  vermehrte  Auflage. 

Mit  626  Abbildungen. 
Broschiert  M.  24.—,  Halbfranz  gebunden  M.  26.50. 


INHALT: 


Technik  der  Arzneibereitung  und  Arznei- 
anwendung. Anhang:  Arzneiliche  Trink- 
und  Badekuren.  Geh.  Med. -Rat  Prof. 
Kobert,  Rostock. 

Technik  der  Immunotherapie.  Geh.  Med- 
Rat  Prof.  A.  v.  Wassermann  u.  Dr.  M. 
Wassermann,  Berlin. 

Technik  der  Ernährungstherapie.  Geh. 
Med.-Rat  Prof.  K  r  a  u  s  und  Prof .  B  r  u  g  s  c  h , 
Berlin. 

Technik  der  Hydro-  und  Thermotherapie. 
Prof.  H.  Ried  er,  München. 

Technik  der  Strahlenbehandlung.  Dr.  H.  E. 
Schmidt,  Berlin. 

Technik  der  Massage.  Prof.  J.  Riedinger, 
Würzburg. 

Technik  der  Gymnastik.  Prof .  J.  R  i  e  d  i  n  g  e  r , 
Würzburg. 

Technik  der  mechanischen  Orthopädie. 
Prof.  J.  Riedinger,  Würzburg. 

Ausgewählte  Kapitel  aus  der  allgemeinen 
chirurgischen  Technik.  Geh.  Med.-Rat 
Prof.  O.  Hildebrand,  Berlin. 

Technik  der  Behandlung  der  Hautkrank- 
heiten und  der  Syphilis.  Prof.  S.  Bett- 
mann, Heidelberg. 

Technik  der  Ernährung  des  gesunden  und 
des  kranken  Säuglings.  Prof.  Dr.  H. 
Koeppe,  Gießen. 


Technik  der  Behandlung  einzelner  Organe: 

Auge.  Geh.  Hofr.  Prof.  Dr.  C.  v.  Heß  und 
Prof.  Dr.W.  Loh  mann,  Oberarzt,  München. 

Ohr.    Prof.  Dr.  F.  Siebenmann,  Basel. 

Nase,  Rachen,  Kehlkopf,  Trachea, 
Bronchien.  Prof.  Dr.  E.  P.  Friedrich, 
Kiel. 

Pleura,  Lunge.  Prof.  Dr.  G.  Hoppe- 
Seyler,  Kiel. 

Herz,  Geh.  San.-Rat,  Prof.  Schwalbe,  Berlin. 

Speiseröhre,  Magen,  Darm  (innere  Be- 
handlung). Geh.  Med.-Rat  Prof.  Ad. 
Schmidt,  Halle  a.  S. 

Chirurgische  Behandlung  des  Darmes,  Ab- 
domens und  der  Appendicitis.  Geh. 
Rat  Prof.  Czerny,  Exz.,  und  Prof. 
R.  Werner,  Heidelberg. 

Harnorgane.  Männliche  Genitalor- 
gane.   Prof.  O.  Zu ckerkandl,  Wien. 

Weibliche  Genitalorgane.  Geh.  Ober- 
Med.-Rat  Prof.  Fritsch,  (Bonn),  und  Prof. 
Dr.  Stoeckel,  Kiel. 

Nervensystem.  Geh.  Med.-Rat  Prof.  v. 
Strümpell,  Leipzig,  und  Prof.  E.  Müller, 
Marburg. 

Sachregister. 


Das  vorliegende  Werk  ist  schon  bei  den  früheren  Auflagen  eingehend  besprochen  und  sein 
hoher  Wert  gebührend  hervorgehoben  worden.  Es  erübrigt  sich  daher,  ausführlich  auf  die  neue 
Auflage  einzugehen,  die  gegen  die  vorhergehenden  eine  erhebliche  Verbesserung  und  Vermehrung 
gefunden  hat.  Einige  Abschnitte  haben  neue  Kapitel  erhalten,  sind  durch  neue  oder  bessere  Abbil- 
dungen sowie  überhaupt  in  jeder  Beziehung  verbessert  worden.  Das  Buch  ist  dadurch  wieder  völlig 
auf  der  Höhe  der  Zeit  und  wird  noch  mehr,  wie  früher,  dem  Arzte  ein  unendlich  wertvoller  Ratgeber 
sein  können.  (Zeitschrift  für  Medizinal-Beamte.) 


R.-K.  Abt.  V.